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Fesselnde Landser-Geschichten in Romanheft-Länge! Der vorliegende Band „10,5 cm” erzählt von den Männern der Marine-Flak-Abteilung 226 auf Norderney. Mit ihren schweren Flugabwehrgeschützen des Kalibers 10,5 cm bildeten sie ein stählernes Bollwerk gegen einfliegende britische Bomber. Erleben Sie hautnah, wie deutsche Marinesoldaten im entbehrungsreichen Dauereinsatz den Luftraum verteidigen … Über die Reihe „Landser im Weltkrieg“: „Landser im Weltkrieg“ erzählt fiktionale Geschichten vor historischem Hintergrund realer Schlachten und Ereignisse im Zweiten Weltkrieg. Im Zentrum stehen die Erlebnisse deutscher Landser fernab der großen Strategien am grünen Tisch.
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Hermann Weinhauer
Landser im Weltkrieg 8
10,5 cm – Die Marine-Flak-Abteilung 226 auf Norderney im Einsatz
EK-2 Militär
Jeder Band dieser Romanreihe erzählt eine fiktionale Geschichte, die vor dem Hintergrund realer Ereignisse und Schlachten im Zweiten Weltkrieg spielt. Im Zentrum der Geschichte steht das Schicksal deutscher Soldaten.
Wir lehnen Krieg und Gewalt ab. Kriege im Allgemeinen und der Zweite Weltkrieg im Besonderen haben unsägliches Leid über Millionen von Menschen gebracht.
Deutsche Soldaten beteiligten sich im Zweiten Weltkrieg an fürchterlichen Verbrechen. Deutsche Soldaten waren aber auch Opfer und Leittragende dieses Konfliktes. Längst nicht jeder ist als glühender Nationalsozialist und Anhänger des Hitler-Regimes in den Kampf gezogen – im Gegenteil hätten Millionen von Deutschen gerne auf die Entbehrungen, den Hunger, die Angst und die seelischen und körperlichen Wunden verzichtet. Sie wünschten sich ein »normales« Leben, einen zivilen Beruf, eine Familie, statt an den Kriegsfronten ums Überleben kämpfen zu müssen. Die Grenzerfahrung des Krieges war für die Erlebnisgeneration epochal und letztlich zog die Mehrheit ihre Motivation aus dem Glauben, durch ihren Einsatz Freunde, Familie und Heimat zu schützen.
Prof. Dr. Sönke Neitzel bescheinigt den deutschen Streitkräften in seinem Buch »Deutsche Krieger« einen bemerkenswerten Zusammenhalt, der bis zum Untergang 1945 weitgehend aufrechterhalten werden konnte. Anhänger des Regimes als auch politisch Indifferente und Gegner der NS-Politik wurden im Kampf zu Schicksalsgemeinschaften zusammengeschweißt. Genau diese Schicksalsgemeinschaften nimmt »Landser im Weltkrieg« in den Blick.
Bei den Romanen aus dieser Reihe handelt es sich um gut recherchierte Werke der Unterhaltungsliteratur, mit denen wir uns der Lebenswirklichkeit des Landsers an der Front annähern. Auf diese Weise gelingt es uns hoffentlich, die Weltkriegsgeneration besser zu verstehen und aus ihren Fehlern, aber auch aus ihrer Erfahrung zu lernen.
Nun wünschen wir Ihnen viel Lesevergnügen mit dem vorliegenden Werk.
Liebe Leser, liebe Leserinnen,
zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein kleines Familienunternehmen aus Duisburg und freuen uns riesig über jeden einzelnen Verkauf!
Unser wichtigstes Anliegen ist es, Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis zu bieten.
Damit uns dies gelingt, sind wir sehr an Ihrer Meinung interessiert. Haben Sie Anregungen für uns? Verbesserungsvorschläge? Kritik?
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Nun wünschen wir Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis!
Heiko und Jill von EK-2 Militär
Seit Tagen tobt ein eisiger Schneesturm in allen Facetten von Osten her über die langgestreckte friesische Insel. Er treibt unübersehbare Schneemassen vor sich her, reißt sie über die haushohen Dünen und türmt sie in den Tälern zu neuen Haufen. Das Meer ächzt unter der Last der schweren Eisschollen, die es in Landnähe zu bändigen sucht. Knirschend und schabend schieben sich diese dann übereinander. Das Hochwasser trägt sie den breiten, verschneiten Strand hinauf und baut sie zu einer immer höher werdenden Eiswand auf, deren bizarre Formen gespenstisch in das dichte Nebelgrau des tief verhangenen Himmels ragen.
Die Insel gleicht in ihrer scheinbaren Weltverlassenheit einer ewigen Polarlandschaft, in der kein Halm zu grünen und kein Mensch zu leben vermag. Dennoch liegen in den tief verschneiten Dünen eine ganze Anzahl Flak-Batterien. Unter den dicken Betondecken der, in die Landschaft eingebauten Bunker wohnen Hunderte von deutschen Soldaten. Sie stehen Tag und Nacht einsatzbereit. Hin und wieder ist ein tief vermummter Posten zu erkennen, der in seinen genagelten Stiefeln schwerfällig zwischen den getarnten Flugabwehr-Geschützen umherstapft. Von Zeit zu Zeit hebt er das schwere Zeiss-Fernglas an die Augen und sucht den Himmel nach feindlichen Flugzeugen ab. Trotz Schnee und Kälte lässt die Aufmerksamkeit keinen Augenblick nach. Eine hohe Verantwortung lastet auf den Schultern des jungen Marinesoldaten. Das Leben und Wohlergehen seiner Kameraden liegt in seinen Händen. Eine einzige Minute der Unachtsamkeit kann dem deutschen Volke und seinem Vaterlande unermesslichen Schaden und Leid zufügen.
Auch auf dem äußersten Zipfel dieser Insel steht ein solcher Posten inmitten einer schneeverwehten schweren Flak-Batterie. Die Natur hat durch den anhaltenden Schneefall, die herüberwehende Gischt und den eisigen Wind alles mit einer kaum nachzuahmenden Tarnkappe überzogen. Selbst die ständig feuerbereiten Geschütze tragen dicke Schnee- und Eisverwehungen, als wollen sie ängstlich jeden Einblick des Feindes verhindern.
Unermüdlich späht der Posten, von dem kaum die rot gefrorene Nasenspitze zu sehen ist, aus einer halbwegs windgeschützten Ecke in die schneeschweren, dunstgrauen Wolken, die vom Meer her über die Insel hinwegjagen.
Er friert erbärmlich in seinem feldgrauen Marinemantel, der ebenfalls schon durch Schnee und Eis geweißt ist.
An diesen Kriegswinter 1939/40 wird der junge Maat wohl ewig denken!
In den gut geheizten Bunkern unter ihm aber herrscht dagegen heiteres Treiben. Die Männer der schweren Flak-Batterie liegen hier in mehreren Räumen verteilt. Sie vertreiben sich die Zeit, so gut es die Enge und der Dienst gestatten. Helles elektrisches Licht überflutet die Tische, an denen Briefe geschrieben werden oder Skat gespielt wird. In einer Ecke sitzt ein noch junger Marineartillerist, der auf einem noch neuen Akkordeon seine erste erlernte Melodie zum Besten gibt. Dass er dabei nicht den ungeteilten Beifall seiner Kameraden findet, liegt weniger an seiner noch mangelhaften Technik als an dem zeitlich unpassenden Lied. Er spielt mit Hingabe immer und immer wieder: Der Mai ist gekommen. Das kann natürlich selbst den abgebrühtesten Seemann erschüttern.
In einem anderen Bunkerraum herrscht indessen einmütige Geheimnistuerei. Hier haben sich die großen und kleinen Künstler der Batterie zusammengefunden. Eine vier Mann starke Kapelle, bei der natürlich die traditionelle Teufelsgeige nicht fehlt, übt mit Kraft und Ausdauer alte und neue Lieder und allerlei andere heitere musikalische Untermalungen, zu denen dichterisch veranlagte Vortragskünstler aus noch tintenfeuchten Manuskripten mit mehr oder weniger Pathos Verse in Scherz und Ernst in der Generalprobe deklamieren. Derweil werken andere Hände an geheimnisvollen Dingen herum, deren Bestimmungszweck nicht einmal den Eingeweihten ganz klar zu sein scheint.
Aber nicht nur unter der schützenden Betondecke der großen Bunker, auch in der abseits liegenden Wirtschaftsbaracke wird geheimnisvoll hantiert. Hier hat der Koch mit seinen drei immer schwitzenden Helfern sein Refugium. Obgleich die Mittagszeit längst vorüber ist und draußen schon die Dunkelheit zu wachsen beginnt, wird hier in Kesseln und Pfannen, Töpfen und Schüsseln eifrig gekocht, gebraten, gerührt und geschmort. Lieblicher, auf diesem Welt vergessenen Eiland sonst nie gespürter Duft erfüllt die Küche und streicht durch das offene Fensterluk über die Batterie hinweg, wenn der Koch den Deckel von seinen riesigen Pfannen hebt und mit fachmännischem Blick und langer Gabel die schinkengroßen Bratenstücke prüft.
Fast ein halbes Dutzend solcher knusprig braunen Fleischklumpen schmoren über dem Feuer. Sie bildeten noch vor wenigen Tagen einen stattlichen Hirsch, der in Mecklenburgs Wäldern zu Hause war. Nun hat er sein freies, edles Leben für einen nicht minder edlen Zweck opfern müssen.
Und der Grund dieses lukullischen Mahls?
Der Batteriechef, ein Mann wie ihn sich keine Batterie besser wünschen kann, feiert an diesem Tage seinen vierzigsten Geburtstag. Das war wirklich ein Grund zum Feiern.
Das heißt, mit dem Feiern ist das vorläufig eine noch sehr heikle Angelegenheit. Petrus ist anscheinend dagegen. Sein aus vollen Backen geblasener Schneesturm hat mit Kraft und gutem Erfolg auf dem schmalen Gleis der Feldbahn den Schnee zu Bergen getürmt und ihn dort liegen gelassen. Diese Feldbahn aber ist die einzige Verbindung der Batterie mit der übrigen Inselwelt, vor allen Dingen mit dem Proviant-Amt. Keine Straße, kein Weg, nicht einmal ein lächerlicher Fußpfad führt durch die verschneiten Dünen.
Die kleine Lokomotive aber, die auf dieser gut vier Kilometer langen Strecke den einzigen einigermaßen wind- und wettergeschützten Wagen zieht, der seinen Dienst sowohl als Güter- als auch als komfortabler Pullman-Wagen verrichtet, bemüht sich an diesem sturmdurchzausten Tage schon seit Stunden vergeblich, durch die Schneemassen zu kommen. Die Naturgewalten sind doch noch stärker als ein paar rohölgetriebene Pferdekräfte.
In weiser Voraussicht dieses Misslingens hat der an alles denkende Stabsbootsmann daher zwei Dutzend Männer der Batterie mit Schaufeln, Hacken und Spaten bewaffnet und sie dem Dünen-Express zur Ausgrabung entgegengeschickt. Nun wartet die ganze Batterie-Besatzung auf das Eintreffen dieses seltenen Exemplars einer Feldbahn. Sie hat es eigentlich längst verdient, einen geruhsamen Lebensabend hinter den Glaskästen eines kulturhistorischen Museums zu beschließen.
Fleiß und Ausdauer werden immer belohnt. Die Dunkelheit ist längst hereingebrochen. Schwarz liegt die Nacht über der Batterie, als der Posten endlich das bekannte Tuckern der sich langsam nähernden Lokomotive vernimmt. Sie und die Männer mit den Grabwerkzeugen, die jetzt wie die Fliegen an dem Wägelchen kleben, haben das Wunder vollbracht. Nicht nur die langersehnten und zu einer Geburtstagsfeier unerlässlichen Kästen mit Bier, sondern auch noch sieben prallgefüllte Säcke mit Post werden ausgeladen.
Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Kunde. In keiner Stunde des Tages wird der Stabsbootsmann, der die Post nun verteilt, so gern umringt wie in diesem Augenblick.
Ein paar Männer der Batterie dürfen aber vorläufig nur die Vorfreude auf einen eventuellen Anteil an dem Inhalt der Postsäcke genießen. Es sind dies die Wachen an den Geschützen und in der Fernsprechzentrale des Batterie-Leitstandes.
Während den Männern oben an den Geschützen der Sturm um die Ohren pfeift, sitzt der Befehlsübermittler, Bootsmann Lasse Jürgensen nicht weniger gut verpackt hinter den mannigfachen Fernsprechern der kleinen Zentrale und schreibt mit klammen Fingern pflichtbewusst jede Meldung in das Tagebuch, die ihm durch den Draht zugerufen wird.
Hin und wieder blickt er sehnsüchtig auf die Uhr und rechnet die Minuten bis zu seiner Ablösung nach.
„Noch zwölf Minuten!“, denkt er sich. „Dann kann ich mir die steif gewordenen Glieder mit einem selbstgebrauten Grog erwärmen. Wenn es man erst soweit wäre!“
Plötzlich summt einer der Fernsprecher. Sogleich stülpt sich der Bootsmann die großen gummigepolsterten Kopfhörer über.
„An alle Batterien! – FlaGruKo Dovetief meldet feindliche Flugzeuge fünfzig Kilometer westlich der Insel! – Kurs Südost! – Alle Batterien Kriegswache – Achtung!“
Hastig kritzelt Bootsmann Jürgensen mit seinem Bleistift die Meldung mit.
„Verdammich um de Eck!“, brummt der Marineunteroffiziersdienstgrad und denkt an seinen schönen steifen Grog, der nun in weiter Ferne steht. „Ausgerechnet jetzt müssen diese Pappköppe kommen! – Läufer!“, schreit er dann durch die halboffene schwere Stahltür des Bunkers nach oben. Gleich darauf wird der Kopf eines zweiten Soldaten sichtbar.
„Meldung an den Batteriechef – Alle Batterien – Kriegswache –Achtung!“
Schon ist der Mann, der ebenfalls einen der feldgrauen Mäntel trägt, aus dem Leitstand verschwunden.
Kurz darauf wird es in dem Kopfhörer des Telefonisten abermals lebendig.
Eine durchdringende, befehlsgewohnte Stimme schallt durch die Bunkergänge: „Alarm!“
„Alarm!“, brüllt nun auch Bootsmann Jürgensen in der Zentrale, sodass es durch die dicken Betonwände hallt. Gleichzeitig drückt er auf einen Knopf.
Dadurch schrillen in allen Bunkern die schweren Alarmglocken.
Kurz darauf erklingt der vorbereitende Ruf: „Kriegswache – Achtung!“ durch die Räume. Dadurch wären selbst Tote aus ihren Gräbern wieder auferstanden.
Im gleichen Augenblick fegt durch die eben noch friedlichen Bunkerräume und Gänge ein Sturm der Emsigkeit. Die Skatspieler werfen ihre schönsten Trümpfe achtlos beiseite und stürzen an ihre Spinde. Die Briefschreiber hören mitten im Wort auf und lassen den Füllfederhalter achtlos fallen. Aus den Feldbetten, die an den Wänden entlang dreifach übereinander aufgehängt sind, werden von erschöpften und durchgefrorenen Soldaten, die teilweise gerade erst vom Postenstehen zurückkamen, wahre Meistersprünge vollführt. Alle sind sie darauf bedacht, möglichst schnell in die Stiefel und Mäntel zu kommen.
Die Musik in dem einen Bunker reißt mitten in einem frisch einstudierten Walzer mit jaulendem Ton ab. Die Musikanten haben Mühe, ihre Instrumente vor dem Ansturm in Sicherheit zu bringen.
Im Handumdrehen sind aus den in bequemer Kleidung sitzenden Soldaten in Tuch und Wolle gut verpackte Gestalten geworden, die trotz der Last ihrer Kleidung flink wie die Wiesel über die steinernen Treppen an ihre Gefechtsstationen eilen.
Mit einer raschen Armbewegung werden die Tarnnetze der Geschütze heruntergestreift und die schützenden Segeltuchbezüge von den empfindlicheren Metallteilen und optischen Geräten gezogen. Jetzt gibt es keine Tarnung mehr, sondern nur noch gen Himmel ragende, gefechtsbereite Geschützrohre, die sich drohend dem anfliegenden Angreifer entgegenstrecken.
Innerhalb ganz kurzer Zeit vom ersten Alarmruf an wird dem Kapitänleutnant Seegers die Batterie gefechtsklar gemeldet.
Eine überraschende Wirkung hatte der Alarmruf in der Schreibstube, wo Stabsbootsmann Klaus Fischer wie ein Weihnachtsmann immer neue Pakete aus den schier unergründlichen Postsäcken hervorholte und die Namen der Empfänger ausrief. Als hätte plötzlich eine Granate mitten in dieses friedliche Werk geschlagen, stieben die Männer beim ersten Anschlagen der Glocken durch die Tür ins Freie, um trotz der Dunkelheit im halsbrecherischen Lauf ihre Bunker zu erreichen. Hier fliegen die bisher erhaltenen Pakete, Briefe und Zeitungen auf die Tische. Die Männer reißen die Mäntel und Stahlhelme aus den Schränken und von den Haken an den Bunkerwänden und stürmen an ihren Gefechtsplatz.
„Bin gespannt, ob sich der Feind wenigstens heute einmal bei uns sehen lässt!“, sagt der Batteriechef Kapitänleutnant Bernd Seegers zu seinem Flakoffizier und blickt mit krauser Stirn missmutig in die Richtung, aus der die Engländer allgemein zu kommen pflegen.
„Viel Hoffnung habe ich da ja nicht!“
„Aber ich, Herr Kapitänleutnant!“, erwidert Leutnant zur See Johannes Vogt, der in Friedenszeiten das würdevolle Amt eines Lehrers an einer höheren Mädchenschule bekleidet. Er ist ständig zu kleinen Scherzen aufgelegt und verfolgt mit seiner Antwort anscheinend auch jetzt eine besondere Absicht, die ihm auch prompt gelingt.
„So?“, fragt der Batteriechef ungläubig.
„Wenn Sie recht behalten und wir heute endlich den ersten Engländer herunterholen, dann will ich der Batterie meine ganze gestern frisch aus der Heimat eingetroffene Kiste mit Wein spendieren!“
„Angenommen!“, gibt der Leutnant kurz zurück und nickt dabei erfreut.
„Ich setze fünf Kasten Bier dagegen!“
Dass auf Grund dieses in Aussicht gestellten Extragenusses ein allgemeines, inbrünstiges Stoßgebet zum Himmel geht, der Batterie wenigstens an diesem Tage einen Engländer vor die Rohre zu schicken, ist daher kein Wunder.
Dieser Wunsch hat seine Ursache aber nicht nur in der Weinkiste, sondern auch in der Tatsache, dass die Männer nun schon volle fünf Monate hier draußen in dem von aller Welt verlassenen Bunker auf der Insel Norderney liegen. Beinahe jede Nacht werden sie durch das Schrillen der Alarmglocken aus dem Schlaf gerissen und dann können sie nach einigen Stunden vergeblichen Wartens unverrichteter Dinge wieder unter ihre Wolldecken kriechen. Die feindlichen Flieger von der Insel haben bisher anscheinend einfach nicht den Mut gefunden, näher an die der deutschen Bucht vorgelagerten ostfriesischen Inseln heranzukommen. Ständig kreuzen sie mit ihren dicken Bombern oder Aufklärern in respektvoller Entfernung von den Inseln über dem Wasser hin und her. Hin und wieder versuchen sie auch einen kleinen Vorstoß. Sobald aber die ersten Scheinwerferstrahlen zum Himmel empor steigen, drehen sie zeitnah wieder ab. Das Feuern der Geschütze warten sie lieber erst gar nicht ab. Ein mutiger Rückzug ist nach ihrer Ansicht immer noch vorteilhafter als eine Auseinandersetzung mit einer wachsamen, gefechtsbereiten Marine-Flak-Batterie.
Alle Ohren lauschen jetzt gespannt auf die Worte des Mannes, der mittels seiner Kopfhörer in ständiger Verbindung mit dem Flugzeugabwehr-Gruppenkommandeur, kurz FlaGruKo genannt, steht. Laufend wiederholt er die Meldungen, die ihm von dort durch den Draht zugerufen werden.
„Mehrere unbekannte Ziele zehn Kilometer westlich der Insel! – Ziele drehen langsam nach Süden ab!“
„Natürlich! Das war ja wieder klar!“, brummt der Batterie-Kommandeur ärgerlich und zieht den Mantelkragen seines feldgrauen Marinemantels noch höher.
„Die Tommies ziehen wieder einmal von dannen. Wie immer.“
Die Männer, die gefechtsklar und erwartungsvoll an den Geschützen stehen und sitzen, machen wieder einmal lange Gesichter. Sie haben sich leider zu früh auf den Rheinwein gefreut. Dass der Feind noch einmal auf Gegenkurs gehen und zu ihnen heraufkommen wird, ist unwahrscheinlich. Er wird jetzt vielmehr der Festlandküste zustreben und sich dort irgendwo unbeliebt machen. Leutnant zur See Johannes Vogt aber scheint die Wette gegen Kapitänleutnant Bernd Seegers zu verlieren.
Achselzuckend wenden die Artilleristen dem äußerst vorsichtigen Feinde wieder den Rücken, tarnen erneut ihre Geschütze und präparieren die optischen Geräte. Wie gut haben es doch – so geht es ihnen durch den Sinn – die Infanteristen, die Flieger und die Männer der Artillerie des Heeres. Sie können dem Gegner auf den Pelz rücken, können ihn in seinen Maschinen, Bunkern und Schlupfwinkeln, in seinen Gräben und Flughallen aufstöbern, ihm die eisernen deutschen Grüße zu jeder Zeit und Stunde und bei jedem Wetter entgegenschicken und ihn zum Kampf zwingen. Die Marine-Flugabwehr aber muss geduldig warten und immer wieder warten. Tag und Nacht und Nacht und Tag muss sie in jeder Stunde bereit sein, immer auf der Lauer liegen, darf und kann aber nichts weiter tun, als hoffen, dass der Feind auch einmal zu ihr kommt, dass auch die Marine-Flak-Artilleristen einmal beweisen können, was sie gelernt haben und was sie leisten können.
Der Engländer aber kommt nicht, wenigstens nicht in die Reichweite ihrer 10,5 cm und 8,8 cm Flugabwehr-Geschütze. Er weiß nur zu gut, dass es dann um ihn und seine schönen, in der englischen Propaganda als unschlagbar bezeichneten Maschinen geschehen ist. Er meidet lieber die gefährlichen Zonen der deutschen Flugabwehr und begnügt sich damit, kostspielige, aber weitestgehend gefahrlose Aufklärungsflüge längsseits der deutschen Küste zu machen. Und das meistens auch nur im Schutze der Dunkelheit, wohlgemerkt! Bei Tageslicht könnten ihm nämlich die kleinen Messerschmitt Me 109 E Jagdmaschinen der Luftwaffe unangenehm rasch in die Quere kommen und sich in sein Genick setzen. Das aber wollen die englischen Fliegerstreitkräfte der Royal Air Force nicht riskieren.
Jeder Alarm hat einmal ein Ende. Als sich der Uhrzeiger der achten Abendstunde nähert, herrscht sowohl über als auch auf der Insel wieder tiefer Friede. Wenigstens hat es den Anschein. Wahrscheinlich würde die nächtliche Stille, durch die nur noch das langsam abflauende Brausen des Sturmes zu hören ist, in den nächsten Stunden durch kein Motorengeräusch und keine Granaten- oder Bombendetonationen mehr gestört werden.
Ehe sich jedoch der Batteriechef zur Eröffnung seiner Kriegsgeburtstagsfeier in den dafür ausersehenen und von dem größten Teil der Batteriebesatzung bereits besetzten Bunkerraum begibt, erkundigt er sich durch den Fernsprecher beim Gruppenkommando wohlweislich nach der Luftlage.
„In allen Lüften herrscht Ruh’“, wird ihm da von dem wachhabenden Offizier in humorvoller Weise geantwortet.
Beruhigt legt Kapitänleutnant Bernd Seegers den Hörer aus der Hand.
„Das Bunkerfest kann nun programmmäßig steigen“,denkt er sich erleichtert und voller Vorfreude.
Geschickte Hände haben den ansonsten tristen Raum mit seinen steingrauen Bunkerwänden mit einigen aus Papier geschnittenen und allerorts befestigten bunten Blumen und Girlanden farbenfreudig ausgeschmückt. Durch die Mitte des Bunkerraumes geht eine lange, weiß gedeckte Tafel, auf der neben den Tellern mit den Bestecken zwei Reihen gefüllte Bierflaschen wie in Paradeaufstellung stehen.
Gekrönt wird dieser Festschmuck durch einen in der Mitte der Tafel stehenden Blumengarten, der aus einer alten, mit Sand gefüllten Zigarrenkiste besteht, in der eine vertrocknete, kümmerlich anzuschauende Sanddünen-Blume steckt. Der Himmel mag wissen, wie dieses Gewächs in den Bunker gekommen ist. Rund um den Kasten aber steht in sorgsam geschriebenen Zeilen zu lesen: Die Anlagen werden dem Schutze des Publikums empfohlen! – Hunde sind an der Leine zu führen!
Mehr Aufmerksamkeit kann man für ein solches Gebilde wirklich nicht verlangen.
Als der Batteriechef den Bunker betritt und für den achtunggebietenden Gruß seiner hier bis auf die Wachposten vollzählig versammelten Soldaten dankt, tritt der Stubenälteste auf ihn zu und überreicht ihm im Namen seiner Batterie der Marine-Flak-Abteilung 226 als Geburtstagsgabe ein Ölgemälde. Es ist ein gut gelungenes Werk eines Matrosengefreiten, eines Kunstmalers von Beruf, der es in seiner Freizeit angefertigt hat. Es zeigt die Dünen wie sie die Männer täglich um sich haben.
Überrascht und gerührt dankt Kapitänleutnant Bernd Seegers seinen Männern. Er drückt jedem einzelnen der Marinesoldaten die Hand und sieht ihnen dabei in die Augen.