Larry Brent Classic 006: Der Teufelsmönch - Dan Shocker - E-Book

Larry Brent Classic 006: Der Teufelsmönch E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Die Mörderpuppen der Madame Wong Wie von Sinnen rennt Rod Shanters durch das nächtliche Hongkong. Er ist auf der Flucht und hofft, im Hafengebiet zwischen tausenden von Hausbooten und Dschunken sicher zu sein. Das ist ein Irrtum! Auch hier sind die, denen er eigentlich entkommen will. Sie sind ihm auf den Fersen, fallen ihn an: Puppen, die zu gespenstischem Leben erwacht sind. Und sie tragen die Köpfe von Menschen, die bereits einmal gelebt haben. X-RAY-3 taucht in Hongkong auf, um einer Serie unheimlicher Vorgänge nachzugehen. Er ahnt nicht, daß sein Interesse an Dingen, die ihn eigentlich nichts angehen sollten, bereits registriert ist. Und so ist es nicht verwunderlich, das er eines Abends eine Puppe in seinem Hotelzimmer findet, die anfängt, seine Gesichtszüge anzunehmen. Der Mönch mit den Teufelskrallen Der Mönch, den alle nur unter dem Namen Bruder Antonio kennen, ist unterwegs, um einem Patienten seine Medizin zu bringen. Ramon Sostello leidet an einer rätselhaften Krankheit. Als Bruder Antonio an diesem Tag die einsame Hütte des Einsiedlers betritt, ist dieser nicht da. Er beschließt zu warten, setzt sich auf einen Stuhl, und beginnt ein Buch zu lesen. In diesem Moment umschließt eine unheimliche, grauenerregende Hand seinen Mund. Eine Hand, die grün ist, schuppenbedeckt, mit tödlichen Krallen eines Raubtieres versehen. Als Larry Brent einer Reihe von Vorfällen in einem Heim für schwererziehbare junge Mädchen in der Nähe des Klosters nachgeht, stößt er auf einen verborgenen Gang, auf ein tödliches Geheimnis. Der Mönch mit den Teufelskrallen wartet auf ihn!

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DAN SHOCKERS LARRY BRENT

BAND 6

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Fachberatung: Robert Linder

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Titelbildgestaltung: Mark Freier

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

978-3-95719-806-8

Dan Shockers Larry Brent Band 6

DER TEUFELSMÖNCH

Mystery-Thriller

Die Mörderpuppen der Madame Wong

von

Dan Shocker

Prolog

Der junge Chinese tauchte wie ein Schatten neben ihm auf. »Es ist soweit«, sagte er und bewegte kaum die Lippen. »Wenn Sie noch Interesse daran haben, einen Blick in das Haus zu werfen – ich bin bereit, Sie zu führen ...«

Seine Stimme klang nicht sehr sicher. Angst schwang in ihr.

Rod Shanters musterte den gut zwei Köpfe kleineren Mann – einen drahtigen Burschen mit fast schwarzen Augen und etwas zu nervös für seine Begriffe.

»Sie trauen es sich also zu, mich dorthin zu bringen?«, fragte der Engländer nachdenklich. »Trotz der Angst, die Sie haben?«

»Die Angst wird umso kleiner, je mehr Sie bezahlen – altes chinesisches Sprichwort.«

Das bezweifelte Rod Shanters. Er kannte die Sprache recht gut, aber ein solches Sprichwort war ihm nicht geläufig. Wahrscheinlich hatte sich sein Partner das ausgedacht. Vielleicht war es auch nur eine Art Galgenhumor.

Das Treffen zwischen Rod Shanters und Lee, wie sich der Chinese nannte, fand nachts am Rande von Hongkong statt. In der Dunkelheit zeichneten sich schemenhaft die Umrisse der Häuser ab, die wie kleine Kästen an den Hängen klebten.

Die Luft war warm, vom Meer her drang das permanente Rauschen der Wellen, und über der aufregenden Stadt lag ständig eine schimmernde Lichtglocke, die kilometerweit ins Land reichte.

»Gehen wir!« Lee machte keine großen Worte, hielt die Hand auf, und Rod Shanters drückte ihm das vereinbarte Bündel Dollarnoten hinein. Lee machte sich nicht die Mühe, das Geld nachzuzählen, es war sowieso erst die Hälfte. Nach geleisteter Arbeit würde er den zweiten Teil erhalten. Der Chinese war ein hervorragender Führer, kannte hier jeden Fußbreit Boden und schien Augen wie eine Katze zu haben.

Der Himmel war bewölkt, und je tiefer sie hinter den Hügeln ins Landesinnere vorstießen, desto intensiver schien die Dunkelheit zu werden.

Rod Shanters geriet in eine ihm unbekannte Umgebung und fragte sich, ob das alles seine Richtigkeit habe. Er hatte sich einem Freund anvertraut, der die örtlichen Gegebenheiten und die Menschen gut kannte und ihm zugesagt hatte, dass Lee ein verlässlicher Bursche sei.

Dennoch wurde der Engländer ein gewisses Unbehagen nicht los. Lee war für ihn eine undurchsichtige Person.

»Wir benutzen einen Tunnel«, sagte der Chinese. Seine Stimme war zu einem Flüstern herabgesunken. »Da sind wir am sichersten. Niemand wird uns sehen können.«

»Ist denn Tag und Nacht jemand dort?«

»Ja, immer ... die Puppen bewachen das Haus. Bisher ist niemand zurückgekehrt, der es gewagt hat, sich an Ort und Stelle Gewissheit zu verschaffen. Aber es gibt einen Zugang, den sie vernachlässigen, weil er gefährlich ist. Mit etwas Geschick ist es jedoch zu schaffen.«

Zehn Minuten später erreichten sie hinter einer dichten Buschgruppe einen steinigen Platz. Zwischen massiven Felsbrocken befand sich ein Schacht, der mit einer morschen, runden Holzplatte abgedeckt war.

Ein alter Brunnenschacht.

»Hier haben wir als Kinder oft gespielt«, erklärte Lee. »Das war stets das beste Versteck. Ich wurde nie gefunden ... nun, das liegt schon über zwanzig Jahre zurück. Seit damals hat sich viel verändert. Dieser Ort ist seit langer Zeit verrufen, kein Mensch kommt mehr hierher – wegen der Erscheinungen und rätselhaften Vorgänge, die im Haus der Puppen zum Alltag gehören. Das Gebäude liegt auf der anderen Seite des Hügels. Es wäre einfacher gewesen, den direkten Weg zu benutzen – aber wie gesagt, er ist der gefährlichere.«

Wie durch Zauberei hielt Lee plötzlich eine kleine Taschenlampe in der Hand und leuchtete in die Tiefe. Eine alte, grob zusammengezimmerte Leiter aus dicken knorrigen Ästen wies hinunter.

»Sie ist stabil, keine Angst.« Lee stieg in den Schacht. Rod Shanters folgte ihm, schloss dicht auf und kontrollierte mit gespannter Aufmerksamkeit seine Umgebung.

Der Tunnel führte tief ins Erdreich und war durch Felsblöcke abgestützt, als hätte sich hier jemand vor langer Zeit einen Fluchtweg gegraben.

Fünf Schritte vom Einstiegsloch entfernt machte der Tunnel einen scharfen Knick, und der Weg führte schräger in die Tiefe.

Lee verschwand sofort um eine Ecke.

»Aaaaaggghhh!« Ein gellender Aufschrei hallte durch das Gewölbe.

Rod fuhr zusammen und riss beide Hände hoch.

Etwas Dunkles, Hartes sprang in sein Gesicht, krallte und biss sich wie ein tollwütiges Tier darin fest.

Obwohl Rod eine Gefahr einkalkuliert hatte, traf sie ihn doch unerwartet und mit voller Wucht, so dass er in den ersten Sekunden wie gelähmt war.

Dann handelte er und packte den etwa dreißig Zentimeter langen, glatten Körper, auf dem ein relativ großer Kopf mit menschlichen Zügen saß.

Rod machte eine ruckartige Bewegung und spürte einen scharfen, brennenden Schmerz. Spitze Zähne ritzten seine Nase, die Haut über seinen Backenknochen sprang auf.

Er wollte die Puppe von sich schleudern – aber das ging nicht!

Sie grub blitzschnell ihre Zähne in seine Hand, und der kleine, unheimliche Körper blieb wie ein Auswuchs daran hängen.

Mit seiner freien Hand riss Rod Shanters seine Pistole heraus, hielt die Mündung vor den Porzellankopf der Puppe und drückte ab. Aus dieser kurzen Entfernung konnte die Kugel ihr Ziel nicht verfehlen. Es gab einen Knall, dessen Echo sich mehrfach in dem Schachtgang brach.

Der Kopf flog in Einzelteilen auseinander, und im selben Moment fiel auch der Fremdkörper von seiner Hand.

Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr und hatte keine Gelegenheit, die Puppe zu untersuchen.

In der rauen, klobigen Wand gab es mehrere kleine Nischen. In ihnen hockten weitere der rätselhaften Puppen mit den Menschengesichtern!

Das war sein letztes Bild – dann erlosch das Licht der Taschenlampe.

»Lee!«, brüllte Rod. »Nichts wie raus hier!« Seit dem Angriff hatte er seinen Begleiter nicht mehr wahrgenommen.

Auch jetzt kam er nicht dazu, nach dem Chinesen zu sehen.

Ein erneuter Angriff erfolgte. Rod Shanters hörte, wie sich die Gestalten aus den Nischen lösten. Es ging alles rasend schnell, und sie verfehlten ihn nicht. Nicht eine Puppe sprang an ihm vorbei.

Mit dem Rücken zur Felswand kämpfte er gegen sie, schoss zwei in Stücke und konnte sich mit Mühe von einer dritten befreien, die sich in seinen Arm festgebissen hatte. Eine weitere bohrte seine Zähne in das Gelenk der Hand, die die Pistole hielt. Mit einem unterdrückten Aufschrei ließ Rod Shanters los, als sich eine Puppe seinen Finger vornahm, der den Abzugshahn umspannt hielt.

Dumpf polterte die Waffe zu Boden.

Als wolle er sich gegen einen Angriff von Hornissen wehren, schlug er um sich – griff ins Leere. Die Biester waren zu wendig, zu hartnäckig und fügten ihm etliche Wunden zu.

Ihm war bekannt, dass es auch Puppen gab, die mit einem Kontaktgift ausgestattet waren, das den sofortigen Tod herbeiführen konnte.

Mit einem solchen Exemplar hatte er es offensichtlich noch nicht zu tun gehabt. Das konnte beim derzeitigen Stand nur eines bedeuten: Man wollte ihn lebend, ihn nur schwächen, um dann etwas anderes mit ihm zu machen.

Doch diesen Gefallen wollte er seinen Gegnern nicht tun. So setzte er alles auf eine Karte und mobilisierte seine Kräfte, um sich gegen die Feinde zur Wehr zu setzen. Er kämpfte mit dem Mut der Verzweiflung und rannte dabei Meter für Meter den Weg zurück, den sie gekommen waren.

»Lee!«, rief er mehrere Male. Der Chinese gab aber keinen Laut von sich.

Rod stolperte in der Dunkelheit und schlug der Länge nach hin. Durch den unerwarteten Sturz lösten sich zwei Puppen von ihm und wurden seitwärts weggeschleudert.

Nur der Tatsache, dass der Weg zum Schachteinstieg nicht weit war, und es im Tunnel keine Abzweigung gab, war es zu verdanken, dass er das Fußende der Leiter erreichte und sich sofort hinaufhangeln konnte.

Das Geräusch trippelnder kleiner Füße verfolgte ihn, sie waren ihm noch immer auf den Fersen. Sein Herz klopfte bis zum Hals, als er die Sprossen nach oben hastete. Er kroch aus dem Loch und nahm sich nicht die Zeit, den Deckel wieder darüberzulegen. Er lief in die Nacht und preschte durch hochstehendes, scharfkantiges Gras und Gebüsch. Zweige schlugen ihm ins Gesicht, doch darauf nahm er keine Rücksicht. Er wusste, dass er sich keine weitere Verzögerung leisten konnte.

Nachdem er seinen Gegnern entkommen war, würden sie keine Sekunde zögern und ihn töten, wenn sie ihn einholten. Sie hatten die Mittel dazu. Soviel Rätselhaftes stand mit den Puppen in Verbindung, dass er sich keinen Leichtsinn erlauben konnte.

Auf dem kürzesten Weg musste er zurück zu seinem geparkten Auto.

Der Weg dorthin schien ihm wie eine Ewigkeit. Immer wieder hörte er in der Stille und Einsamkeit dieses abgelegenen Ortes leise raschelnde, trippelnde Geräusche.

Endlich!

Außer Atem erreichte er das Auto, öffnete mit fliegender Hast die Tür und warf sich hinter das Steuer. Während er den Zündschlüssel ins Schloss steckte, warf er einen raschen Blick in den Innenspiegel und erschrak vor seinem eigenen Anblick. Sein Gesicht war übersät mit blutigen Kratz- und Bissspuren.

Tock-tock-tock ... Der Motor mühte sich vergebens, auf Touren zu kommen. Beim nächsten Startversuch herrschte völlige Stille!

Rod Shanters fluchte: »Auch das noch!« Der Tank war leer. Dabei hatte er am späten Nachmittag noch vollgetankt und konnte den Treibstoff nicht verbraucht haben. Jemand musste das Benzin abgelassen haben. Aber wer und wann? Letzteres ließ sich vielleicht beantworten. Das war nur während der Zeit möglich gewesen, als er mit Lee auf dem Weg zum und im Tunnel gewesen waren. Oder schon davor? Vielleicht hatte sie jemand beobachtet.

Rod versetzte dem Gaspedal wütend einen Tritt und stieg aus dem Fahrzeug.

Es half alles nichts, er durfte unter keinen Umständen hier bleiben.

Dass er recht hatte, bewies ein leises metallisches Geräusch. Etwas fiel von der Karosse seines Leihwagens ab. Es sah aus wie ein spitzer Miniaturpfeil.

Nur drei Schritte von ihm entfernt stand in der Dunkelheit eine Puppe, hatte den rechten Arm ausgestreckt und deutete in Rod Shanters Richtung. Der reagierte keine Sekunde zu früh und warf sich zur Seite. Der zweite Pfeil, den ein perfektionierter Mechanismus aus dem Handgelenk der Puppe schleuderte, verfehlte ihn ebenfalls.

Rod rollte über die steinige Erde, raffte sich nach einigen Metern wieder auf und rannte weiter.

Er musste die Puppen abschütteln, um nicht das Schicksal seiner Vorgänger zu erleiden.

1. Kapitel

Lee stand noch immer mit dem Rücken in eine Wandmulde gepresst und lauschte. Der junge schwarzhaarige Mann erkannte an den Geräuschen, was geschah.

Als er schließlich nichts mehr hörte, wartete er weiter in der Finsternis.

»Ich bin nicht zufrieden mit dir«, sagte eine weibliche Stimme kalt und unpersönlich.

»Ich habe keinen Fehler gemacht«, stieß Lee aufgebracht hervor.

»Ich habe mich genau an die Vereinbarung gehalten!«

»Dann hätte er nicht fliehen können.«

»Das war nicht meine Schuld. Er konnte sich befreien, er hat schneller reagiert als erwartet.«

»Dann hättest du es verhindern müssen!«

»Nicht ich, sondern die Puppen sollten ihn zu Fall bringen!«

»Das werden sie auch noch. Leider mit einiger Verspätung. An diesem Erfolg wirst du allerdings nicht mehr teilhaben!«

Lee erbleichte.

Er wusste, dass diese Worte sein Todesurteil waren. Er hatte gehofft, mit seiner Mission genau das Gegenteil zu erreichen. Jene, die vom Haus der Puppen wussten, waren auch darüber informiert, dass dort eine geheimnisvolle Person lebte. Man wagte nicht, ihren Namen auszusprechen, aus Angst, selbst in dem abgelegenen Gehöft zu landen und – zur Puppe zu werden!

Der Chinese wusste, dass dies sein Schicksal sein würde.

Dabei war er sich keiner Schuld bewusst, aber die Person, mit der er sich eingelassen hatte, nahm darauf keine Rücksicht. Sie hatte kein Herz und kannte keine Gnade.

»Tötet ihn, bringt ihn für immer zum Schweigen!« Ihre Stimme schien plötzlich aus allen Richtungen zu kommen.

»Nein!« Lee warf sich herum, konnte aber nicht mal einen Schrittmachen. Eine dünne, scharfe Spitze bohrte sich durch sein Hemd und drang eine Handbreit neben dem Herzen in seine Haut.

Lee zuckte zusammen, taumelte, drehte sich um seine eigene Achse, fiel gegen die Wand und stieß sich wieder ab. Er torkelte weiter und merkte nicht, dass er sich in die entgegengesetzte Richtung bewegte.

Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, seine Hände zitterten. Mit einem Mal fühlte er sich wie ein altersschwacher Mann. Jeder Schritt wurde ihm zur Qual.

Das Gift begann zu wirken.

Lee hatte das Gefühl, sich im Kreis zu drehen. Seltsame Kreise glühten vor seinen Augen. Jeder Atemzug wurde schmerzhafter.

Er wusste nicht mehr, woher er kam und wo er sich befand, bemerkte nicht, dass er in einen ganz anderen Schacht wankte, der seitlich abzweigte, während der Hauptweg leicht schräg weiterführte.

Lee hörte nach einer Weile ein Rauschen, das er nicht einordnen konnte. Es klang, als ob ein Fluss oder Bach unterirdisch in seiner Nähe fließe.

Ohne äußere Einwirkung brach er zusammen. Aus der Schwärze traten Puppen mit überdimensionalen Köpfen und umringten den Reglosen.

Auf Rod Shanters Gesicht glänzte der Schweiß. Sein durchtrainierter Körper war bisher erstaunlich gut mit den Anforderungen fertig geworden. Doch er konnte sich keine Pause gönnen und ahnte, dass seine Gegner so schnell nicht aufgaben. Lautlos, geduckt wie ein Panther, huschte er durch die enge Straße. Er sah die schmalen Treppen vor sich, übersprang mehrere Stufen und erreichte die düstere Gasse, die zum Hafen führte.

Das dünne Hemd klebte wie eine zweite Haut auf seinem Körper. Es war eine jener schwülen Nächte, die häufig den heißen, feuchten Tagen folgten, die typisch für den Hongkong-Sommer waren. Obwohl es erst Anfang Mai war, herrschten seit Tagen hochsommerliche Temperaturen.

Rod warf keinen Blick zurück. Jede Sekunde Verzögerung konnte ihm den Tod bringen, und er rannte um sein Leben. Ihm war klar, dass seine Nachricht ihren Zielort erreichen musste, um weiteres Unheil zu verhindern, jetzt, wo er wusste, wie die Dinge zusammenhingen. Allerdings fehlte ihm noch der letzte schlüssige Beweis.

Nach zweihundert Metern erhoben sich links und rechts neben ihm die düsteren Mauern alter Häuser. Diese finstere Seitenstraße lag wie ausgestorben da.

Lauschend blieb Rod stehen und musste sich abstützen. Er war seit einer Stunde unterwegs, und seine Körper- und Nervenkräfte drohten zu versagen. Er durfte nicht aufgeben, nicht so dicht vor dem Ziel.

Noch ein paar hundert Meter, dann würde er das Meer erreichen und im Gewirr der Hausboote, Dschunken und schwimmenden Restaurants untertauchen. Dort traf er dann auch seinen Mittelsmann, Gun Yat, einen reichen Chinesen. Dieser besaß mehrere schwimmende Restaurants, drei oder vier Vergnügungslokale im Stadtzentrum – und er arbeitete für den Geheimdienst.

Minuten später lagen die zahllosen Boote vor ihm.

Die dunklen, glatten Masten ragten wie Stalagmiten in den nächtlichen Himmel, und die Aufbauten duckten sich wie lauernde Tiere am Fuße der Masten. Leise plätscherten die Wellen gegen die Außenwände. Dunkle Gestalten konnte man auf den Booten erkennen. Ein Gewirr von Geräuschen und Stimmen erfüllte die Luft.

In diesem Wald der dicht an dicht liegenden Boote lebten mehr als hundertfünfzigtausend Menschen. Es war eine schwimmende Stadt, deren Bewohner selten das Festland betraten.

In der Dunkelheit eines Winkels wartete Rod Shanters noch einige Minuten und hoffte, seine Verfolger abgeschüttelt zu haben.

Seine Blicke suchten den dunklen Boden ab, weil er am eigenen Leib erfahren hatte, dass sie lautlos heranschlichen, sich dem Opfer näherten ... und dann ...

Ein Schauer lief über seinen Rücken, und seine Haut zog sich zusammen, als er daran dachte.

Wer hätte geglaubt, dass es so etwas Unheimliches gab!

Puppen, die lebten – und mordeten.

Aber er bemerkte nichts und konnte es wagen. Rod stieg über die Boote hinweg und fand sich erstaunlich gut zurecht. Diesen Weg war er schon mehr als einmal gegangen.

Gun Yat besaß ein primitives Hausboot, das sich nicht von den anderen unterschied. Es war alt und mit Seetang bedeckt, der Mast war verwittert, und das Holz hätte längst einen neuen Anstrich benötigt, um es vor Witterungseinflüssen zu schützen.

Der Engländer sprang auf das Deck und bückte sich, um durch den kleinen Eingang zu kommen, der nach unten in die Kabine führte.

Die ausgetretenen hölzernen Stufen knarrten. Rod schob den schweren Stoffvorhang zur Seite, der den kleinen Raum dahinter verbarg.

»Gun?«, rief er leise, doch die Kabine war leer. Das war nicht ungewöhnlich. Gun Yat tauchte hier nur gelegentlich auf, und dann verkleidete er sich als armseliger Fischer.

Auf dem kleinen Tisch neben einer Liegestatt stand eine Öllampe – die brannte. Ein Beweis, dass jemand hier gewesen sein musste. Oder noch war.

Das machte ihn stutzig, er wurde unruhig.

In dem kleinen Holzschrank, der in die Wand eingebaut war, standen hinter den verschmierten Glasscheiben chinesische Puppen, Porzellanväschen, eine Flasche mit Reiswein und ein Miniaturbild, das ein kleines Mädchen mit einem roten Sonnenschirm zeigte.

Der Schein der Lampe tauchte den winzigen Raum in ein gelbliches, diffuses Licht. Die einfachen Einrichtungsgegenstände warfen lange, sich ständig verändernde Schatten an die dunkle Holzwand.

Einmal war es Rod Shanters, als ob sich etwas in seiner Nähe bewegte. Er hörte ein dumpfes, polterndes Geräusch – wirbelte herum.

Der Stoffvorhang bewegte sich. Erschrocken wich er zurück.

»Gun?«, fragte er erneut, kaum hörbar. Nichts geschah. Rod sprang vor, riss den Vorhang zur Seite und starrte in den düsteren Aufgang, der nach oben an Deck führte. Das Poltern war aus dem Nachbarboot gekommen, das so dicht an diesem lag, dass sich beide Außenwandungen berührten. Tief durchatmend registrierte er eine Bewegung neben sich. Eine Puppe! Sie musste aus der Finsternis unter der Liegestatt gekommen sein und war gut vierzig Zentimeter groß. Im Verhältnis zum Körper war der Kopf zu klobig ausgefallen. Rod Shanters röchelte. Er war in der ersten Sekunde wie gelähmt. Der Kopf – das Gesicht der Puppe.

»Gun Yat!« Es wurde Rod nicht bewusst, dass er den Namen hervorpresste. Seine Augen weiteten sich. Das Gesicht der Puppe war lebendig. Die Ähnlichkeit war erschreckend. Sie trug den verkleinerten Kopf von – Gun Yat! Es war also kein Gerede, es war Wirklichkeit – eine unheimliche Macht ließ Menschen zu Puppen werden.

Iwan Kunaritschew trank einen Wodka. Der Nachtclub, in dem sich der PSA-Agent aufhielt, war bis auf den letzten Platz besetzt. Es war einer der unzähligen Clubs, die es in dieser verkehrsreichen Straße gab.

Er kannte viele Hauptstädte der Welt. Im Stillen musste er sich eingestehen, dass das Nachtleben von Hongkong einen eigenen Reiz, einen ureigenen Zauber hatte. Die Geschäftsviertel der Stadt verwandelten sich bei Einbruch der Dunkelheit in ein Meer aus Licht und Farbe. Die Geräusche, die Musik, die Stimmung – sie waren typischer als in anderen Städten.

Das war eine Welt unvergesslicher Romantik.

Iwan hatte diesen Eindruck schon gewonnen, als er in Hongkong eingetroffen war. Es war seine erste Reise in die britische Kronkolonie, und er beneidete Larry Brent, der nun schon zum zweiten Mal hier weilte.

Eine Kette ungewöhnlicher Ereignisse hatte X-RAY-1 dazu veranlasst, zwei seiner besten Agenten loszuschicken. Iwan Kunaritschew hatte den Auftrag erhalten, Kontakt zu einem Chinesen namens Jho Fung aufzunehmen. Jho Fung war ein Mittelsmann, mit dem amerikanische und englische Geheimdienstagenten oft Verbindung aufnahmen, um Botschaften entgegenzunehmen oder auszutauschen.

Mit diesem Mann aber schien es eine seltsame Bewandtnis zu haben. Jeder Geheimagent, der sich während der letzten Monate mit einem offiziellen Auftrag an ihn gewandt hatte, verschwand spurlos.

Das FBI hatte drei seiner tüchtigsten Agenten nach Hongkong geschickt, aber der Chef hörte bis zur Stunde nichts wieder von seinen Leuten. Fung hatte über einen geheimen Kanal bestätigt, dass er mit den Agenten zwar zusammengetroffen war, dass dann jedoch keine weitere Kontaktaufnahme mehr erfolgt sei.

Wusste Jho Fung tatsächlich nichts?

Dem FBI war die Sache nicht geheuer. Geschultere Männer mussten sich diesem Phänomen annehmen. Die PSA, die das Recht besaß, alle undurchdringlichen Fälle sofort und ohne bürokratische Hindernisse aufzunehmen, schaltete sich ein.

Offiziell weilte Iwan als FBI-Agent in Hongkong. Der Russe, der akzentfrei Englisch und Französisch sprach, war Jho Fung angekündigt worden. Als Treffpunkt wurde dieser Nachtclub vereinbart.

Zehn Minuten bis Mitternacht. Und noch immer keine Anzeichen, dass sich Jho Fung hier aufhielt.

X-RAY-7 wusste um die Gefährlichkeit seines Auftrages, aber auch, dass er nicht alleine war. Larry Brent deckte ihm den Rücken und war in diesem Augenblick nur knapp tausend Meter von ihm entfernt in einem anderen Lokal.

Sieben FBI-Agenten und drei Agenten des britischen Geheimdienstes vermisste man bisher. Nach den Wahrscheinlichkeitsberechnungen der Computer, mit denen die PSA arbeitete, war zu erwarten, dass auch Iwan Kunaritschew spurlos verschwinden würde. Für diesen Fall hatte man vorgesorgt. Larry lag auf der Lauer, bereit zuzuschlagen.

Allmählich wurde der PSA-Agent ein wenig ruhelos. Welches unheimliche Schicksal hatte die verschwundenen Männer ereilt?

Da verspürte der Russe eine Bewegung neben sich.

Eine Stimme sagte leise und ruhig: »Ich freue mich, Mister Garvin, dass Sie meinen Platz freigehalten haben.«

Das war das Losungswort. Iwan Kunaritschew blickte kaum auf, während er zuvorkommend den noch freien Stuhl zurückzog, um dem Gast den Platz anzubieten.

Iwan war nun Garvin, der FBI-Agent. Der Chinese, der ihn angesprochen hatte, nickte freundlich. Es war Jho Fung. Im Verhältnis zu dem breiten, muskulösen Russen konnte man ihn beinahe als zierlich und zerbrechlich bezeichnen. Fung hatte dichtes schwarzes Haar, ein breites, bleiches Gesicht, seidige Wimpern – fast wie eine Frau – und er trug eine schmale Brille mit goldener Fassung.

»Ich freue mich, dass Sie noch gekommen sind«, erwiderte X-RAY-7. Das war die abgesprochene Reaktion.

Jho Fung lächelte und setzte sich.

Iwan fühlte sich unbehaglich. Er hatte den Chinesen, der wie ein aus dem Boden geschossener Pilz auf einmal neben ihm stand, nicht kommen sehen. Es war genau 24 Uhr – die vereinbarte Zeit.

Rod Shanters konnte den Blick nicht von der Puppe abwenden, die lautlos näherkam. Die Augen in dem verkleinerten Gesicht zogen ihn fast hypnotisch an. Sie bewegten sich, nahmen jede Bewegung des Engländers in sich auf.

Er warf sich herum und riss den Vorhang von der Haltestange. Die hölzernen Stufen knarrten unter seinen Schritten, als er hinauf hetzte. In seinen Augen leuchtete der Wahnsinn. Zu viel hatte er während der letzten Tage durchgemacht. Mit einem Aufschrei rannte er über das Deck des kleinen Bootes. Er war vom Regen in die Traufe geraten, glaubte, seinem unheimlichen Gegner entkommen zu sein.

Rod verließ das Boot und raste durch die Nacht, sah die zahllosen blinkenden Lichter am Hafenrand nur als verzerrte, verwaschene Schemen. Noch immer glaubte er, das leise Tapsen der kleinen Füße hinter sich zu hören.

Später konnte er nicht mehr sagen, wie lange er über die einzelnen Boote hinwegsprang und endlich das Land erreichte. Dort gönnte er sich keine Sekunde Ruhe, flüchtete weiter durch die finstere Straße, die er auf dem Hinweg genommen hatte.

Ständig glaubte er, tausend Augen würden ihn beobachten und belauern. Er wurde immer unsicherer. Seine Gegner hatten bewiesen, dass sie wussten, was auf dem Spiel stand, wenn er ihnen entkam. Sie wussten sogar von seinem Kontakt zu Gun Yat.

Gun Yat – eine Puppe. Noch vor wenigen Tagen hatte der Chinese ihm gegenübergestanden, ein Mensch aus Fleisch und Blut. Was hatte er noch unter anderem gesagt?

»Man hat Sie gewarnt, Shanters. Lassen Sie es nicht zu weit kommen. Wenn Sie die Puppe erhalten haben, dann ist es höchste Zeit, dass Sie Hongkong den Rücken kehren. Die Puppen bringen den Tod – sie zeigen Ihnen, dass Sie selbst bald eine werden sollen, Shanters!«

Darüber hatte Rod gelacht.

Doch Gun Yats Miene war ernst geblieben. Kannte der Chinese zu diesem Zeitpunkt schon sein Schicksal? Oder war das Unheil unerwartet, ohne das geringste warnende Vorzeichen über ihn hereingebrochen?

Rod überlegte, dass es vielleicht besser wäre, die düsteren Seitenstraßen links liegenzulassen. Wenn er die hellen, lichtüberfluteten Geschäftsstraßen aufsuchte, war die Chance weitaus geringer, dass man ihn greifen konnte.

Unter den Passanten fühlte er sich sicher. Jeder war mit sich selbst beschäftigt, keiner kümmerte sich um den anderen und er schien in einer anderen Welt angekommen zu sein. Es wurde ihm nicht bewusst, dass er manchmal jemand anrempelte, ohne sich zu entschuldigen, war unfähig, so etwas in sich aufzunehmen. In seinem Kopf fühlte er nur eine große Leere.

Sobald er sich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte, ahnte er, dass er doch nur wieder in eine Sackgasse geraten war. Ganz Hongkong war eine Falle für ihn geworden.

In sein Hotel konnte er nicht zurückkehren. Gerade dort konnten sie auf ihn warten. Zum Flugplatz konnte er ebenfalls nicht, weil sich seine Ausweispapiere im Geheimfach seines Koffers befanden.

Aber er musste eine Möglichkeit finden, eine Nachricht weiterzugeben, auch wenn er selbst nicht mehr in der Lage war, etwas für sich zu tun. Gun Yat war seine letzte Hoffnung gewesen, der einzige, der ihm hier aus diesem Hexenkessel einen Ausweg hätte zeigen können.

Doch Gun Yat gab es nicht mehr.

Rod torkelte mehr, als dass er ging. Einmal stützte er sich an einem Laternenmast am Rand des Bürgersteigs ab und hörte, wie ein Wagen dicht an ihn heranfuhr.

Es war ein schwarzer Rolls-Royce. Hinter dem Steuer saß ein livrierter Chauffeur, daneben eine gutangezogene Dame – eine Frau von Welt, wie Rod Shanters auf den ersten Blick erkannte.

Sie sprach ihn mit einem besorgten Ausdruck in den Augen an. »Ist Ihnen nicht gut, Sir? Sind Sie krank? Können wir irgendetwas für Sie tun?«

Rod Shanters hatte Mühe, dem Blick der dunklen Augen standzuhalten. Die gutgekleidete Chinesin war von einer faszinierenden Schönheit.

»Sollen wir Sie ins Krankenhaus bringen?« Ihre Stimme klang wie Honig, und sie nahm ihm das Wort förmlich von den Lippen.

Krankenhaus! Dort war er vorerst sicher. Er brauchte nur eine halbe Stunde für sich; wenn es ihm gelang, vom Krankenhaus aus einen Telefonanruf durchzubringen, dann ...

Das war die Lösung! Nun konnte doch noch alles gut werden.

»Steigen Sie ein. Sie sehen sehr schlecht aus«, bat die Frau mit betörendem Timbre.

Der Engländer nickte matt, lehnte aber die Hilfe des Chauffeurs ab. »Danke, es geht schon. Nur ein kleiner Schwächeanfall, nichts weiter. Das Herz, aber im Krankenhaus ...« Er spürte, wie ausgepumpt und fertig er war. Aufatmend sank er in den Fond des Rolls-Royce und konnte noch immer nicht fassen, dass er auf diese Weise seinen Verfolgern ein Schnippchen geschlagen hatte. »Ich danke Ihnen, Madame«, murmelte er mit rauer Stimme.

»Nichts zu danken«, erwiderte sie, aber nun wesentlich kühler. Diese Veränderung machte ihn hellhörig und er blickte auf – ein Alptraum begann!

Aus dem Rücken des Vordersitzes glitt lautlos die Trennscheibe in die Höhe, klickend verankerten sich die Türschlösser. Gleichzeitig erklang ein leises Zischen. Gas strömte ein, benebelte im Bruchteil eines Augenblicks Rods überforderte Sinne. Er spürte nur noch eine Bewegung zwischen seinen Beinen und starrte in ein Puppengesicht – von Gun Yat.

»Ich hatte schon nicht mehr damit gerechnet, dass Sie noch kommen.« Iwan Kunaritschew blickte sein Gegenüber an. »Es hätte nicht viel gefehlt, und ich wäre aufgebrochen.«

»Vierundzwanzig Uhr war ausgemacht. Ich war pünktlich.« Jho Fung musterte durch seine getönten Brillengläser den Mann, der ihm gegenübersaß. »Was haben Sie mir mitgebracht, Garvin?«, fragte er dann, während er nach der Zigarettenschachtel im Inneren seiner Jackentasche griff. Es war eine Packung mit dunkelroten chinesischen Schriftzeichen. Fung bot Iwan eines der weißen Stäbchen an. Als er dem Russen Feuer gegeben hatte, nahm dieser einen vorsichtigen Zug. Mit angewidertem Gesicht rauchte er weiter.

»Schmeckt sie Ihnen, Garvin? Eine ungewöhnliche Zigarette, sehr süß im Geschmack, parfümiert. Ich mag sie gern.«

»Geschmacksache. Versuchen Sie nachher einmal meine Sorte.«

»Gern. Aber ich glaube nicht, dass sie an diese Marke heranreichen werden. Im Vertrauen«, Fung beugte sich ein wenig über den Tisch, »nur die Schachtel stammt aus Hongkong. Die Zigaretten sind von jenseits der Grenze.«

»Lassen Sie sich überraschen.«

Für Fung jedoch war dieses Thema noch nicht beendet. »Englische und amerikanische Zigaretten schmecken alle gleich«, meinte er und zog überheblich die Mundwinkel herab. Es schien, als ob es sein Lieblingsthema sei, über verschiedene Zigarettenmarken zu plaudern. X-RAY-7 fühlte mit der Routine des Spezialagenten, dass Jho Fung ganz bewusst Belangloses sagte, um schließlich – im rechten Augenblick – eine wichtige Frage oder Bemerkung einzuschieben. Er prüfte mit sicherem Instinkt jeweils die Reaktion der Nachbarn. Doch alle waren mit sich selbst beschäftigt. Hinzu kam, dass der Russe frühzeitig das Lokal betreten hatte, um einen sehr günstigen Platz einzunehmen.

Nur eine wichtige Frage hatte Fung bisher gestellt. Und Iwan Kunaritschew beantwortete sie, als er den richtigen Zeitpunkt für gekommen hielt.

»Ich habe mehr als eine Nachricht für Sie, Fung. Wir sollten uns aber nicht hier darüber unterhalten. Im Hotel dürfte unter Umständen der beste Platz dafür sein. Oder haben Sie einen besseren Vorschlag?«

»Ich richte mich ganz nach Ihnen, Garvin.« Fungs Lächeln verschwand niemals von seinen Lippen.

Iwan versuchte, sich über das Charakterbild des Chinesen Klarheit zu verschaffen. Er musste sich eingestehen, dass Fung ein höflicher, zuvorkommender Mann war. Doch etwas an dessen Art störte ihn, konnte es aber nicht näher bezeichnen.

»Geht es um die alten Pläne?«, fragte Jho Fung und griff nach einem Glas.

»Ja. Und nicht nur um sie.«

Der Chinese legte offenbar keinen besonderen Wert darauf, diese Umgebung zu wechseln. Fung hielt den Nachtclub für sicher genug.