Larry Brent Classic 007: Der Vampir - Dan Shocker - E-Book

Larry Brent Classic 007: Der Vampir E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Der Sarg des Vampirs In einer schwarzen und unheimlichen Nacht wird der Sarg Sarkoms von Angehörigen seiner Sippe in sein Grab gesenkt. Wie versteinert sieht die alte Zigeunerin zu. "Er wird wiederkommen ... seine Rache für die Zeit, die nachkommt, wird furchtbar sein ...", murmelt sie. Diese Worte werden in den letzten Augusttagen des Jahres 1759 gesprochen. Seit diesem Tag ereignen sich regelmäßig alle 37 Jahre merkwürdige Dinge. Dieser Rhythmus wird zum Schlüssel für X-RAY-3, als er mit Senior de Avilla in den letzten Augusttagen 1981 über ein rätselhaftes Vorkommnis spricht, das die Familie des Spaniers betrifft und den Tod seiner beiden einzigen Töchter zur Folge haben kann. Larry Brent versucht das zu verhindern, doch das Grauen jener Nacht vor über zweihundert Jahren ist wieder da. Das Geheimnis der Knochengruft In der Nacht sticht das Licht der Taschenlampe von Yvette Revlon in das absolute Dunkel. Im Lichtkegel sieht sie die Umrisse üppig wachsender Pflanzen. Das unheimliche Treibhaus in dem sie umherschleicht wird für sie zur Todesfalle, als sie auf Skelette stößt. Da ist es auch schon zu spät für sie! Bleich, hart und bloß zeigen sich die ersten Stellen an ihrem Körper. Die Haut über ihren Knochen löst sich auf wie mürbes Fleisch, und ihr Todesschrei verhallt ungehört. Der Chef der Psycho-Analytischen Spezialabteilung, X-RAY-1, schickt seine zwei besten Mitarbeiter: Larry Brent und Morna Ulbrandson. Die attraktive Schwedin erhält den gefährlichen Auftrag, als Köder zu fungieren und wird in das Schloß des Vicomte de Moulliere eingeschleust, von dem es heißt, daß es eine unentrinnbare Todesfalle sei.

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DAN SHOCKERS LARRY BRENT

BAND 7

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Fachberatung: Robert Linder

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Titelbildgestaltung: Mark Freier

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

978-3-95719-807-5

Dan Shockers Larry Brent Band 7

DER VAMPIR

Mystery-Thriller

Der Sarg des Vampirs

von

Dan Shocker

Prolog

Der Wind fuhr pfeifend durch die Blätter der dichtstehenden Bäume. Hinter schwarzen Stämmen waren die klapprigen Karren der Zigeuner zu erkennen, auf dem runden Lagerplatz die rauchenden Reste eines Lagerfeuers. Der Alte mit dem Backenbart starrte auf die Männer, die neben der ausgehobenen Grube standen und mit zwei starken Seilen den schweren, einfachen Holzsarg in die Tiefe ließen.

Dem Alten gegenüber, am Ende des frisch ausgehobenen Grabes, stand eine Greisin – die Mutter des Toten. Zahllose Falten prägten ihr pergamentartiges Gesicht, das teilweise durch ein wollenes Kopftuch verdeckt wurde, welches ihr bis tief auf die Schultern reichte.

Nicht ein einziges Mal wandte die Alte den Blick von dem Sarg, in dem ihr Sohn Sarkom lag. Nichts lenkte sie ab, weder der Schrei eines Kauzes noch der Sturm, der zwischen Ästen und Zweigen hindurchfegte, auf dem Boden Staub und Laub aufwirbelte und über das offene Grab wehte. »Er wird wiederkommen«, murmelte sie mit dumpfer Stimme, und eine Bö wehte ihre Worte davon. »Er ist anders. Man kann Sarkom nicht töten. Seine Rache wird furchtbar sein!«

Ein dumpfes Krachen riss ihr die letzten Worte förmlich von den Lippen. Der Wind fegte orkanartig über die kleine Menschengruppe hinweg. Einer der Totengräber wurde durch die Gewalt des Sturms nach vorn gedrückt, verlor für einen Augenblick den Halt und drohte in die Gruft abzurutschen. Das Seil entglitt seinem Zugriff, und der Sarg neigte sich zur Seite. Niemand konnte das Unglück verhindern.

Mit voller Wucht stürzte der Behälter in die Tiefe und schlug auf dem felsigen Untergrund auf. Knirschend platzte der Sargdeckel auseinander, ein Splitter bohrte sich wie ein Pfeil seitlich in die weiche, frische Erde der Grube. Der Spalt auf dem Deckel war so breit, dass der Kopf und der halbe Oberkörper des Toten sichtbar wurden.

Sarkom war ein junger Mann mit einem markanten Gesicht und energischen Kinn. Er lag da, als ob er schliefe. Von seinen Gesichtszügen war der letzte, große Schmerz, als das Schwert ihm die Eingeweide aufgeschlitzt hatte, abzulesen. Er lag mit halbgeöffnetem Mund da – seine Zahnreihen schimmerten matt im Mondlicht. Auffallend waren die beiden überlangen Eckzähne, die über die Unterlippe zu beiden Seiten ragten.

Sarkom war ein Vampir!

Die Männer beeilten sich, das Grab zuzuschaufeln, nahmen sich jedoch noch die Zeit, Felsbrocken und Steine aufzuschichten. So entstand ein großes, fast glattes Viereck, das sich einen Meter über dem Grabhügel erhob.

Dann brach das Unwetter mit Tosen, Gewitter und Platzregen über sie herein.

In dieser Nacht entlud sich eines der heftigsten Unwetter, an das sich die Menschen der Umgebung erinnern konnten. Bäume wurden entwurzelt, Bäche traten über ihre flachen Ufer und überschwemmten die Äcker und Felder. In den Bergen der Sierra de Guadalupe kam es zu einem Erdrutsch.

Die Zigeuner verbrachten die Nacht am Fuße des Berges im Schutz der Dunkelheit des nahen Waldes. Die Greisin wich nicht vom Fenster ihres Wagens, starrte auf den Grabhügel und murmelte:

»In dieser Nacht wird etwas Schreckliches geschehen. Die Elemente toben, er hat sie gerufen. Er wird umgehen. Niemand kann es verhindern ...«

Als die Zigeuner am nächsten Morgen in aller Frühe ihren Lagerplatz abbrachen, hatte sich das frische Grab während der Nacht verändert. Einige Felsbrocken lagen auf der Seite und der kleine Hügel war etwas eingesunken, so dass es aussah, als hätte der heftige Regen und Sturm den Boden unter dem Gestein weggespült.

Die drei Karren knirschten und ächzten in allen Fugen, als die Pferde sie durch den aufgeweichten Boden zogen. Die Speichenräder schmatzten und blieben manchmal stecken. Es dauerte fast zwei Stunden, ehe sie den Pfad erreichten, der weiter ins Tal führte. Später kamen sie in ein Bergdorf, in dem große Aufregung herrschte.

Die Zigeuner erfuhren, dass das Unwetter großen Schaden angerichtet hatte. Vieh war ertrunken, in den Dorfgassen stand zum Teil noch das Wasser, Geröll und Schlamm waren von den Bergen herabgekommen und drei Häuser eingestürzt. Unter den Toten, die man inzwischen geborgen hatte, befanden sich zwei junge Mädchen – achtzehn und neunzehn Jahre alt. Ihre Leichen waren in der Nähe der kleinen Dorfkirche gefunden worden. Zunächst vermutete man, dass auch die Mädchen Opfer des Sturms geworden waren. Doch dann stellte ein Arzt merkwürdige Verletzungen an ihren Hälsen fest: Bisswunden, als hätte ein wildes Tier sie angefallen.

Die Greisin saß schweigend an ihrem Platz am Fenster. Sie hätte einiges dazu sagen können, aber sie blieb stumm, denn sie wusste, wer die beiden Mädchen waren: die Töchter des reichen Herzogs de Avilla. Sarkom hatte die Älteste, Carmen de Avilla, geliebt. Sie aber hatte seine Gefühle verschmäht, und in der letzten Nacht war Sarkom ein Opfer dieser Liebe geworden. Der junge Edelmann Castillo, ein Auserwählter des Herzogs de Avilla, der seine Tochter Carmen mit ihm vermählen wollte, hatte Sarkom durch einen Schwertstich getötet.

Die Tragik dieses Vorfalls war noch nicht allgemein bekannt. Im Haus des Herzogs, der am Rand des Dorfes wohnte, war man von dem Vorfall und den Ereignissen der schrecklichen Unwetternacht noch betroffen.

Die Zigeuner passierten das Dorf.

Später verlangte der Herzog, dass man nach ihnen suchte. Aber man fand nicht mehr die geringste Spur von ihnen. Sie blieben wie vom Erdboden verschluckt.

Von dem verborgenen Grab wurde lange nichts bekannt. Eines Tages – Jahre nach dem Zwischenfall – stieß man darauf.

Im Dorf entwickelte sich die Legende von dem Vampir, der in jener Nacht umgegangen war, der die Elemente beschworen und die beiden Töchter des Herzogs aus Rache getötet hatte.

All diese Dinge ereigneten sich in den letzten Septembertagen des Jahres 1777. Genau 37 Jahre später – eine Generation hatte die Vorgänge jener Zeit schon fast vergessen – kam es in demselben Ort, wiederum unter der Familie des Herzogs de Avilla, zu einem merkwürdigen Todesfall: Die Urenkelin des Herzogs starb auf dem Gut ihres Urgroßvaters an dem Biss eines Vampirs. So lautete der offizielle Untersuchungsbericht, der schließlich in den Archiven des Bürgermeisteramtes verschwand. Zeugenaussagen ließen erkennen, dass am Tag zuvor Zigeunergruppen durch das Land gezogen waren, und dass sie oben am Rand des kleinen Waldes gelagert hatten.

Die erste Parallele zum Jahr 1777 eröffnete sich, und die Menschen des Bergdorfes erinnerten sich der Vorfälle von damals. Wahrheit und Legende mischten sich, man glaubte, einige Zusammenhänge zu erahnen. Doch die wahren Hintergründe erfasste niemand. Nur ein Mensch hätte für Aufklärung sorgen können: Sarkoms Mutter – die Greisin.

Doch zu diesem Zeitpunkt war sie schon zwanzig Jahre tot. Ihr Wagen war von einem schmalen Bergpfad abgerutscht und in die Tiefe gestürzt. Die Knochen der Alten bleichten auf einem unwegsamen Felsplateau unter der Sonne Spaniens!

1. Kapitel

Der Tag war sehr heiß, und die beiden Mädchen, die mit ihren Fahrrädern unterwegs waren, kamen nur langsam voran. Der Weg ging verhältnismäßig steil aufwärts und das auf einer Strecke von fast acht Kilometern. Die Spanierinnen kamen aus Zorita, einer Ortschaft, die nicht allzu weit von der Sierra de Guadalupe entfernt lag. Sie wollten übers Wochenende dem Marien-Wallfahrtsort Guadalupe einen Besuch abstatten.

Irene und Francesca erreichten einen schmalen Waldweg. Hier oben war keine Menschenseele. Niemand begegnete ihnen.

»Wie lange wollen wir noch fahren?«, fragte Irene. Sie radelte voraus und war mit ihren 22 Jahren die ältere der beiden Mädchen, hübsch und rassig.

»Noch zehn Minuten. Dann müssten wir den Wald durchfahren haben. Vielleicht halten wir es auch noch ein paar Minuten länger durch. Am Waldrand rasten wir dann.« Francesca hatte eine dunkle, angenehme, volle Stimme. Ihr feingeschnittenes Gesicht, von blauschwarzem langem Haar umrahmt, hatte etwas Puppenartiges.

Der Weg war teilweise so holprig, dass sie absteigen und ihre schwerbepackten Fahrräder schieben mussten. Daher brauchten sie fast eine halbe Stunde, um in die Nähe des Berges zu kommen. Der Wald und das Dickicht, die struppigen Büsche und Stauden lichteten sich kaum vor ihnen. Matt schimmerte dahinter das nackte Gestein der Felsen.

»Hier bleiben wir!«, erklärte Francesca unvermittelt. Sie stellten ihre Räder ab und lösten die verschnürten Pakete.

Irene machte sich an einem der Proviantbeutel zu schaffen, ließ sich in das kühle Gras fallen, breitete die Arme aus und rief: »Herrlich! Ich fühle mich richtig wohl und finde, wir sollten wieder öfter solche Touren unternehmen.«

Francesca nickte. Irene hatte recht. Sie liebten das Abenteuer, die Natur und das freie ungebundene Leben. Den Fahrten, die sie in unregelmäßigen Abständen unternahmen, haftete ein letzter Rest von Freiheit und Romantik an.

»Vielleicht leben wir alle falsch«, sagte Irene, während sie herzhaft in eines der belegten Brote biss. »Ich muss gerade an die Zigeuner denken, denen wir vorhin begegnet sind. Sie sind heute hier, morgen da – und wir? Wir sitzen in unseren Häusern, und das Leben plätschert an uns vorüber!«

Die Freundin öffnete die Thermosflasche und schenkte in einen kleinen Plastikbecher ein. »Das waren erstaunlich viele Zigeuner, denen wir heute begegnet sind, findest du nicht?«

Irene nickte. »Hast du gesehen, was für tolle Wagen diese Burschen fahren? Und die Wohnwagen, mit denen sie herumreisen. Sag mal, kann man eigentlich so viel mit Stoffverkauf und Teppichhandel verdienen?«

»Da bin ich überfragt.« Francesca lachte und zuckte die Achseln.

Sie besprachen ihre weitere Fahrtroute und waren sich einig, für diesen Tag nicht mehr allzu viel zu unternehmen. Nach einem ergiebigen Schlaf wollten sie in die Berge aufbrechen und in einer Hütte übernachten.

»Nächstes Jahr sollten wir wirklich wieder mehr unternehmen!« Francescas Stimme klang müde, und sie ließ sich zurückfallen.

Sie konnte nicht ahnen, dass sich in ihrer Nähe ein Mörder aufhielt, und dass sich über 200 Jahre zurückliegende Ereignisse wiederholten.

Francesca schreckte auf, als sie die Bewegung neben sich spürte. Sie setzte sich jäh auf und sah ihre Freundin, die hinter ihr stand. »Du hast mich erschreckt. Was ist, Irene?«, fragte sie und sah, dass das Gras neben ihr nicht herabgedrückt war, Irene hatte überhaupt nicht geschlafen!

»Was ist los?«, wollte sie noch einmal wissen, und diesmal klang ihre Stimme schärfer. »Du hast gar nicht geschlafen! Weshalb nicht?«

Irene zuckte die Achseln. »Es ist nichts. Ich bin wahrscheinlich zu aufgekratzt.«

»Du verschweigst mir was, Irene! Ich spüre es! Wir beide kennen uns zu lange, um uns gegenseitig etwas vorzumachen. Was hat dich am Schlafen gehindert?«

Francescas Blick ging in die Runde. Alles war still und ruhig. Zu ruhig, empfand sie mit einem Mal. »Du hattest dich doch schon vor mir hingelegt«, flüsterte sie, ehe die Freundin zu einer Erwiderung ansetzen konnte. »Es war nicht zu übersehen, wie müde du gewesen bist!«

»Ich habe etwas gehört und bin noch einmal aufgestanden um nachzusehen.«

»Und? Was war es, Irene?«

»Es hörte sich wie ein Wohnwagen an, der über einen holprigen Weg ratterte.«

Francescas Augen wurden schmal. »Einer von den Zigeunern?«

Irene nickte. »Ich bin dem Geräusch nachgegangen. Aber es hat sich von mir entfernt.«

»Du hast den Wagen also nicht gesehen?«

»Nein.«

»Das hätte mich auch gewundert«, sagte Francesca. Sie klopfte Laubreste und krumigen Humusboden von ihren Shorts. »Was sollte ein Zigeunerwagen hier oben in diesem unwegsamen und beschwerlichen Gelände verloren haben.«

»Dafür habe ich etwas anderes gesehen«, bemerkte Irene mit gedämpfter Stimme.

»Was?«

»Den Schatten eines Menschen! Er hielt sich in unserer Nähe auf, daran gibt es für mich keinen Zweifel! Er hat uns beobachtet, Francesca!« Irene flüsterte mit einem Mal, als befürchte sie, jemand könne in der Nähe sein und ihnen zuhören.

»Vielleicht ein Zigeuner. Einer, der vom Wagen gesprungen ist ...?«

»Ich bin dem Schatten gefolgt. Aber ich habe niemand gefunden, das ist das Unheimliche, Francesca!«

»Du hast geträumt, Irene, das ist alles. Bei dieser Schwüle ist das kein Wunder. Man schläft nicht tief und fängt zu träumen an.«

»Ich habe nicht geträumt! Komm, ich zeig dir etwas!« Mit diesen Worten packte Irene die Freundin bei der Hand und zog sie einfach mit.

»Langsam«, protestierte Francesca und lockerte den Zugriff. »Vorsicht ist niemals fehl am Platz.« Sie ging zu der Stelle zurück, an der ihr Gepäck lag, öffnete die kleine, unter eine Decke gerollte Handtasche und nahm eine handliche Waffe heraus – eine Gaspistole. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass es gut war, niemals schutzlos zu sein.

Kaum ein Lichtstrahl drang durch das Blätterdach, als sie durch den Wald liefen. Es war so düster, als wäre der Abend bereits hereingebrochen.

Zweige und Äste streiften sie. Die Baumstämme standen dicht an dicht, waren schwarz und knorrig, und viele von ihnen schon einige hundert Jahre alt.

Irene lief schnurstracks auf die Stelle zu. »Hier ist es«, sagte sie schließlich, ohne ein weiteres Wort der Erklärung. Francesca stoppte mitten in der Bewegung und sah einen laubbedeckten Hügel, darunter – von Moos, Unkraut und Gras bewachsen – schimmerten Stellen blanken Felsengesteins hindurch.

»Ein Hügel!«

»Es könnte auch ein Grab sein«, warf Irene ein.

»Die Form hat es. Dieser Gedanke ist auch nicht absurd. Aber andererseits: Wer sollte hier jemanden beerdigt haben, hm? Wozu haben wir Friedhöfe?« Francesca blickte sich um. »Und was hat es mit dem Schatten zu tun, den du angeblich gesehen hast?«

»Ich habe ihn hier noch gesehen! Hier an dieser Stelle ist er plötzlich verschwunden ...«

Francesca seufzte. »Deine Phantasie arbeitet ein bisschen zu stark, meine Liebe. Vielleicht hast du wirklich etwas gesehen, den Schatten der Blätter oder den eines Baumes.«

»Es war der Schatten eines Menschen, Francesca, und wenn ich sage ...« Weiter kam Irene nicht.

Ein Geräusch erklang – ein dumpfes Kratzen, dann ein leises fernes Poltern, als wäre ein schwerer Gegenstand gegen eine Felswand geprallt.

Francesca und Irene hielten den Atem an. Das Geräusch verebbte ...

»Es ist nichts«, sagte Francesca. »Ein Stein, der irgendwo in den Bergen heruntergefallen ist, vielleicht, weil ein Tier dagegen stieß. Ich habe mich schon fast von deiner Ängstlichkeit anstecken lassen. Wir benehmen uns heute wirklich komisch, findest du nicht auch?«

»Nein, keineswegs!«, stieß Irene aufgebracht hervor. »Ich werde das Gefühl nicht los, dass jemand in unserer Nähe ist, Francesca! Ich spüre förmlich Blicke, die auf uns gerichtet sind.«

»Warte hier auf mich! Wenn uns wirklich ein Strolch auf den Fersen ist, dann werde ich ihn auch finden, darauf kannst du dich verlassen!« Francesca musste zugeben, dass sie die Freundin selten so nervös und gereizt gesehen hatte.

»Was hast du vor?«

»Ich suche deinen Schatten und nehme sicherheitshalber die Gaspistole mit.«

Irene sah sie in der Dämmerung hinter dem Dickicht verschwinden, das einen Teil eines unwegsamen Pfades und große Felsblöcke verdeckte.

Zweige knackten, ein Tier huschte in der Düsternis davon, und Irene lauschte auf die Schritte, die sich entfernten. Sie erstarrte, als sie ein Knirschen vernahm und bemerkte, woher es kam – direkt unter ihren Füßen, aus der Tiefe des geheimnisvollen Grabes. »Francesca! Komm zurück!«, schrie sie.

»Gleich, Irene. Ich bin gerade auf dem Pfad!« Die Stimme der Freundin klang weiter entfernt, als sie in Wirklichkeit war.

Irene spürte, dass sich etwas hinter dem Dickicht bewegte.

Es war Francesca.

Sie stand auf dem steinigen Weg, der steil nach oben führte. Der Schatten einer vorspringenden Felswand lag über ihr, berührte ihren Kopf und ihre Schultern wie mit einer großen, überdimensionalen Hand ... Und dann sah sie wirklich eine Hand! Sie tauchte blitzschnell vor ihr auf und presste sich auf ihren Mund. Francesca wurde in den stockfinsteren Höhleneingang gezerrt. Sie schlug um sich, wollte die Gaspistole abdrücken, doch ein kräftig geführter Schlag riss sie ihr aus der Hand.

Der Diener – in Livree – geleitete Larry Brent durch das Haus des Herzogs. Der PSA-Agent hielt sich seit geraumer Zeit in Spanien auf. Larry sollte mit dem letzten männlichen Nachkommen einer bis in das 15. Jahrhundert reichenden adeligen Familie Kontakt aufnehmen. Das Anwesen des Herzogs lag etwa dreihundert Meter über dem Flachland auf einer Felszunge, die wie ein riesiger Stalagmit aus dem Boden vor dem Hintergrund der Sierra de Guadalupe ragte. Hohe Bäume, Pappeln und Zypressen, umstanden das Gelände wie eine Festungsmauer. Die riesigen Gewächse waren auf erhöhten Erdschichten vor langer Zeit angepflanzt worden.

Es gab zahllose einfache und zum Teil gefährliche Wege, die zum Schloss des Herzogs führten, aber auch eine ausgebaute Straße, auf der sich die Autoschlangen und Touristenbusse vorwärtsbewegten, die täglich Tausende von Besuchern brachten. Die Gebäude waren als Museum, Gemäldegalerie und Kulturräume eingerichtet worden. Die Touristen brachten dem letzten, der den Namen de Avilla trug, genügend Geld, um die kostspieligen Anlagen zu unterhalten und ihm und seiner Familie ein Leben ohne Sorge zu bieten.

Larry Brent bekam Räume zu Gesicht, die dem Normalsterblichen stets verschlossen blieben. Der Trakt, durch den er lief, war für den Publikums- und Touristenverkehr nicht zugänglich. Seit drei Tagen war auch das gesamte Gelände für den Reise- und Besichtigungsverkehr gesperrt. Sogar das kleine Gasthaus im ehemaligen Jagdzimmer war geschlossen. Der Herzog hatte seine Entscheidung damit begründet, dass umfangreiche Restaurationsarbeiten vorgenommen werden sollten, die jeden Besucherverkehr unmöglich machten.

Das war eine Ausrede, das war nicht der Grund.

Larry Brent war gekommen, um mehr darüber zu erfahren, doch vor allen Dingen, um eine tödliche Gefahr zu beseitigen, die angeblich den beiden Töchtern des Herzogs drohte. Die Nachrichten, die ihm übermittelt worden waren, enthielten nur das Notwendigste. Er wusste, dass es um ein geheimnisvolles Grab in dieser Gegend ging, in dem sich der Sarg eines Vampirs befinden sollte.

»Die Bibliothek, mein Herr«, sagte der Diener an seiner Seite.

»Der Herzog erwartet Sie.« Er öffnete dem PSA-Agenten die Tür.

Larry sah in einen düsteren Raum, in dem alte, kostbare Möbel standen, dunkle Regale, die bis unter die Decke reichten und mit Büchern gefüllt waren – unter ihnen wertvolle Sammelwerke.

In einem schweren Ledersessel saß der Herzog. Er war schmal gebaut und hatte ein markantes Gesicht, dem die dichten Augenbrauen vorherrschten. Vereinzelt zeigten sich darin graue Schattierungen, ebenso in dem dichten gewellten Haar.

»Ich begrüße Sie in meinem Haus, Mister Brent. Ich freue mich, dass Sie gekommen sind, und ich hoffe, dass Sie eine angenehme Reise hatten.«

»Danke der Nachfrage. Ihr Chauffeur hat mich im Hotel abgeholt und wohlbehalten hier abgesetzt.« X-RAY-3 erwiderte den Blick der dunklen, ernsten Augen. Er sah darin die Unsicherheit, die Verwirrung und die unaussprechliche Angst, unter der dieser Mann stand.

»Francesca! Francesca?!«

Irene schluckte. Sie fühlte sich mit jeder Sekunde, die verstrich, unwohler in ihrer Haut.

Warum antwortete die Freundin nicht? Hatte sie sich inzwischen so weit entfernt, dass sie die Rufe nicht mehr erreichten?

Da hörte sie einen Schrei, der ihr durch Mark und Bein ging – es war Francescas Stimme. Und die war ganz nah, als käme sie aus der Tiefe des unbekannten, geheimnisvollen Grabes.

Als ob der Teufel hinter ihr her wäre rannte Irene davon.

Zweige streiften ihr Gesicht, wenn sie zu dicht an den Bäumen entlang lief. Schmerzhaft fühlte sie die Kratzer auf ihrer Haut und spürte das warme Blut, das über ihre Wangen lief. Sie hörte Francescas nächsten Schrei, und stürzte wie von Sinnen weiter, obwohl sie nicht wusste, wie sie den Weg erreichen sollte, der aus dem Wald hinausführte. Sie sah nur die dämmrige Lichtung, das gewaltige Massiv der Sierra de Guadalupe und spürte instinktiv, dass sie dem schmalen Weg über die Lichtung folgen musste, um in die Nähe des kleinen Dorfes zu kommen, das Francesca ihr auf der Karte gezeigt hatte.

Sie musste das Dorf erreichen, Hilfe holen, etwas für Francesca tun ...

Ihre Beine trugen sie mechanisch vorwärts. Wenn sie fiel, rappelte sie sich schluchzend wieder auf. Ihre Kräfte drohten nachzulassen, doch sie gab nicht auf. Es dämmerte bereits, und der Wettlauf mit der Zeit zehrte an ihren Kräften.

Die Dunkelheit um sie herum schien zu leben und zu atmen. Irene war nicht mehr fähig, die Dinge mit klarem, nüchternem Verstand zu erfassen. Sie begriff nur, dass etwas Entsetzliches, etwas Unfassbares geschehen war.

Sie ahnte nicht, dass dies nur der Auftakt gewesen sein sollte!

In der Bibliothek war es angenehm kühl. Die Lichtverhältnisse schafften eine beruhigende Atmosphäre. Die Stille wurde nur durch das monotone Knacken einer hölzernen Uhr aus dem Jahr 1320 unterbrochen, deren Pendel rhythmisch hin und her schwang. Die beiden quadratischen Gewichte zu beiden Seiten bestimmten das Tempo.

Alles in diesem Haus war selten, kostbar und unersetzlich. Es war der Reichtum eines uralten Geschlechtes.

Der Herzog de Avilla rauchte eine Pfeife. Neben ihm, auf dem handgeschnitzten Tisch in der Fensternische, standen zwei gefüllte Cognacgläser und eine Karaffe. Durch das Fenster konnte man einen Blick auf die nahen Berge werfen, die deutlich hinter der Mauer aus Zypressen und Pappeln zu erkennen waren. Der Abend kündigte sich mit einem düster werdenden Himmel an.

Herzog de Avilla begann mit seinem Bericht. Er hatte um Schutz gebeten, und die spanischen Behörden, die die unheimlichen Vorkommnisse der Vergangenheit bis zur Stunde nicht aufklären konnten, waren über einen Geheimkanal des Außenministeriums an die PSA herangetreten.

Während der Herzog sprach, konnte sich Larry ein Bild von den geschilderten Personen machen, denn er hatte ein großes Album vor sich liegen. Die Angelegenheit betraf die Familie des Herzogs – aber nicht nur seine, wie sich bald herausstellte.

»Zum ersten Mal geschah es im Jahr 1777. Mein Ur-Ur-Ur-Ahne lebte damals noch auf einem Gutshof am Rande des Bergdorfes, das Sie von hier aus sehen können. Es liegt in der Senke und hat ein paar hundert Einwohner. Seit den letzten zweihundert Jahren scheint sich dort nichts verändert zu haben. Das Leben geht seinen gemächlichen Gang.« De Avilla betrachtete sinnend seine Pfeife. Er unterbrach sich verhältnismäßig oft, als müsse er erst die richtigen Worte suchen, um das, was in ihm vorging, einwandfrei wiederzugeben.

»Sie können sich mir anvertrauen«, sagte Larry mit ruhiger Stimme. »Dazu bin ich schließlich gekommen. Reden Sie, auch wenn sich das, was Sie mir zu sagen haben, ein wenig merkwürdig anhört!«

Der Herzog de Avilla presste die schmalen Lippen aufeinander. Ein Zucken lief über sein Gesicht und in den Augen war der Ausdruck von Angst noch immer zu erkennen. Larry fühlte beinahe körperlich die Anspannung, unter der dieser Mann stand.

»Es wird sich merkwürdig anhören, doch ich habe Vertrauen zu Ihnen. Ich fühle, dass Sie mir glauben werden. Und das ist sehr wichtig für mich. Ich habe, außer den Bildern, der Chronik meiner Familie und den mündlichen Überlieferungen, die innerhalb der Familie weitergegeben wurden, keine überzeugenden Beweise.«

»Das ist schon sehr viel.«

»Um da fortzufahren, wo ich mich unterbrach: Im Jahre 1777wurden die beiden Töchter meines Vorfahren nach einer stürmischen Unwetternacht getötet. Man ging zunächst von einem Unfall aus, bis man eine furchtbare Entdeckung machte: Die Halsschlagadern beider Mädchen waren verletzt. Es sah aus wie der Biss eines Vampirs! Ich muss noch folgendes hinzufügen: Eines der Mädchen wurde von einem Mann namens Sarkom geliebt, der mit einer Zigeunergruppe durch die Lande zog. Er muss so etwas Ähnliches wie ihr Führer oder ihr Fürst gewesen sein. Er wollte die Tochter meines Vorfahren unter allen Umständen mitnehmen. In der Chronik steht, dass er tagelang in der Nähe des Gutshofes herumstrich und jede Minute nutzte, um sie zu sehen.

Sarkom wurde von einem jungen spanischen Edelmann, der auf dem Hof meines Vorfahren zu Gast war und als Bräutigam für jenes Mädchen ausgewählt worden war, in einem Zweikampf getötet. Die Angehörigen der Sippe holten den Leichnam. Später erst fand man heraus, dass sie den Toten am Rand eines kleinen Wäldchens im Gelände der unwegsamen Sierra de Guadalupe beigesetzt hatten. Nach dem Tod der beiden Mädchen kam das Gerede von dem Vampir auf. Es hieß plötzlich, dass Sarkom einer gewesen sei, der sich jetzt auf furchtbare Art räche. Es gibt die nicht bestätigte Aussage eines Stallburschen aus jener Zeit, der behauptete, Sarkom begegnet zu sein. Er hätte die beiden überlangen Eckzähne deutlich gesehen. Damals maßen die Menschen den Dingen eine eigene Bedeutung zu. Sie waren abergläubisch und umhüllten alles mit dem Mantel des Geheimnisvollen, wenn sie etwas nicht verstanden. Eine seltsame Parallele zu den Ereignissen erfolgte im Jahr 1814, genau siebenunddreißig Jahre nach Sarkoms Tod. Wieder wurde ein Mädchen aus der Familie der de Avillas durch einen Biss in die Halsschlagader getötet und im Jahre 1851 – nach einem Turnus von nochmals siebenunddreißig Jahren – eine junge Herzogin mit dem Namen de Avilla. Diesem Tod gingen seltsame Ereignisse innerhalb des Bergdorfes voraus. Vier junge Mädchen verschwanden spurlos. Eine fand man in den Bergen wieder. Ihr Kennzeichen – der Biss des Vampirs! – veranlasste meine Vorfahren, das Gut am Rande des Dorfes zu verkaufen. Die de Avillas ließen dieses Schloss bauen und zogen hierher. Sie mieden den Ort, von dem sie glaubten, dass er nur Unglück über die Familie brächte, seit jenen späten Septembertagen des Jahres 1777. Aber sie konnten trotz dieser Ortsveränderung das Schicksal nicht besiegen. In den Jahren 1888, 1925 und zuletzt 1962 kam es zu Todesfällen innerhalb der de Avilla-Familie, die in frappierender Weise jenen glichen, die sich davor ereignet hatten: sie waren unnatürlich. Mit dem Tod der Mädchen aus der de Avilla-Sippe ereigneten sich jeweils zuvor Todesfälle in der Ortschaft im Tal. Junge, heiratsfähige Mädchen starben durch den Biss des geheimnisvollen Vampirs, den bis zum heutigen Tag noch niemand zu sehen bekam! Man mied die Gegend des Waldes, unwegsame Wege und Pfade und vor allen Dingen das alte, geheimnisumwitterte Grab. In diesem lag Sarkom, der der Sage nach über seinen Tod hinaus in der Lage war, die fürchterliche Rache, die er geschworen hatte, in die Tat umzusetzen – über zwei Jahrhunderte hinweg. Ich weiß, wie unglaubwürdig sich das alles anhört, aber die Tatsachen sprechen für sich, der Turnus der siebenunddreißig Jahre ist zu deutlich, als dass man einfach die Augen davor verschließen könnte. Die Todesfälle ereigneten sich alle in den letzten Septembertagen jener Jahre. Auch das Jahr 1962, das mir noch so gut in Erinnerung ist, macht darin keine Ausnahme. Seit jener Zeit sind wieder siebenunddreißig Jahre vergangen, und das Schreckgespenst einer Wiederholung taucht auf. Bisher war dieser Turnus maßgebend. Warum sollte es diesmal anders sein?«

Er unterbrach seine langen Ausführungen an dieser Stelle und klopfte leicht die Pfeife aus.

Dann erst fuhr er fort, nachdem Larry Brent auch weiterhin schwieg. »Ich fürchte um das Leben meiner beiden Töchter. Ich habe nur noch Estelle und Anna-Maria. Wenn sich das erfüllt, was zu erwarten ist, wird der Name de Avilla aussterben! Ich habe keinen Sohn mehr, der die Linie fortsetzen könnte, und ich hatte mir gewünscht, dass wenigstens der Zweig der de Avillas erhalten bliebe, den die Mädchen fortführen könnten. Anna-Maria, die Älteste, ist jetzt vierundzwanzig und befindet sich seit zehn Tagen an einem geheim gehaltenen Ort. Estelle ist noch hier im Haus. Sie leidet seit acht Tagen an einem Fieber. Sobald sich ihr Zustand gebessert hat, werde ich dafür sorgen, dass auch sie von hier weggeht, denn ich fürchte das Schlimmste.«

Larry konnte die Vorsichtsmaßnahmen des Herzogs verstehen. Zuviel Ungewöhnliches war in der Geschichte der de Avillas geschehen, als dass man die Augen verschließen konnte. Eine korrekte Aufklärung war niemals erfolgt, nicht einmal in den sechziger Jahren, als die Polizei schon weitblickender und fortschrittlicher vorging und mit modernen Hilfsmitteln ausgerüstet gewesen war. Dieses Mal aber hatte die PSA den Fall übernommen. Vielleicht konnte es ihr, durch ihren Agenten X-RAY-3, gelingen, Licht in das Dunkel der zahllosen Rätsel zu bringen.

»Sie haben vorhin erwähnt, dass man Sie gewarnt hat«, sagte Larry.

»Wer war das?«

»Ein Mann namens Sanchos, der seit ungefähr zehn Jahren unten im Dorf lebt. Er kam hierher, um die merkwürdige Geschichte, die es um meine Familie gibt, zu klären. Er kennt alle Schriften, alle Zeugenaussagen, hat die historischen Stätten gesehen, auch das Grab, von dem ich berichtet habe, und das auch Sie nach Ihrer Ankunft erwähnten. Alles muss sich darum drehen, doch bisher hat Sanchos noch nicht die Genehmigung erhalten, es zu öffnen. Unsere Behörden reagieren nicht auf seinen Antrag. Niemand hält sich für zuständig. Sanchos ist ein Sonderling, ein Träumer, ein Phantast – diese Bezeichnungen hat man ihm jedenfalls schon gegeben. Dennoch ist er davon überzeugt, dass Sarkoms Tod ein roter Faden ist, der bis in unsere heutige Gegenwart reicht. Ihm fehlt nur noch der letzte Schlüssel, der entscheidende Beweis. Er nimmt an, dass sich dieses siebte Mal das Schicksal meiner Familie entscheiden wird. Eben aus dem Grund, dass es keinen Stammhalter gibt und der Name de Avilla ausstirbt. Übrigens hat er als einziger festgestellt, dass Zigeunergruppen immer dann besonders in dieser Gegend auftauchen, wenn siebenunddreißig Jahre vergangen sind. Es ist, als ob ein geheimnisvoller Befehl sie dazu auffordern würde oder als ob sie den Auftrag dazu hätten. Sanchos hat zahlreiche Wagen beobachtet, die sich bereits am Fuß der Sierra de Guadalupe bewegen. Das muss nicht unbedingt außergewöhnlich sein – auch darauf wies er mich hin. Die Zigeuner sehen das Grab des legendären Sarkom als eine Art Wallfahrtsstätte, an der sie sich treffen, im Ablauf der siebenunddreißig Jahre jedoch besonders regelmäßig.«

Larry nickte und trank seinen zweiten Cognac. Es war eine ausgezeichnete Marke. »Das alles ist sehr interessant«, meinte er leise.