Larry Brent Classic 032: Deborah - Dan Shocker - E-Book

Larry Brent Classic 032: Deborah E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Das Schloß der teuflischen Deborah Vom eigenen Ehemann hingerichtet erlangte die berüchtigte Mörderin von Manor Castle einen zweifelhaften Ruhm - ihr Geist soll auf dem alten Schloß spuken. Doch diese Sagen und Spukgeschichten kümmern den Millionär David Wimburn nicht. Als er das schottische Schloß kauft, Stein für Stein abbauen und nach Amerika bringen läßt, hat er nicht die geringste Ahnung, daß er sich das Verderben auf sein eigenes Grundstück holt. Denn in der Nacht steigt die grausame Lady aus ihrem Bild und holt sich neue Opfer! Wenn die Knochenmänner tanzen Auf dem Weg nach Torremolinos in Spanien ist Berthold Erskin gezwungen in einer alten, heruntergekommenen Pension in den Bergen zu übernachten. Ein schäbiges und unheimliches Haus. Gegen Mitternacht wecken ihn die feurigen Klänge eines Flamencos aus dem Bett und er wird Zeuge einer Feier, die er besser nicht gesehen hätte, denn was er entdeckt läßt sein Blut gefrieren. Erskin kommt auf grausige Weise ums Leben. Doch er ist nicht der Erste, der auf diese Weise verschwindet. Larry Brent Morna und Ulbrandson fahren die gleiche Strecke und das erfolgreiche Gespann der PSA stößt auf das unheimliche Haus, in dem die Knochenmänner Flamenco tanzen!

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DAN SHOCKERS LARRY BRENT

BAND 32

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Fachberatung: Robert Linder

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Titelbildgestaltung: Mark Freier

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

978-3-95719-832-7

Dan Shockers Larry Brent Band 32

DEBORAH

Mystery-Thriller

Das Schloss der teuflischen Deborah

von

Dan Shocker

Prolog

Sie schreckte zusammen.

Susan Anne Hoogans Herzschlag beschleunigte sich, der Schweiß brach ihr aus, und ihre Hände wurden feucht. Ein beklemmendes Gefühl der Angst überflutete sie, und sie hörte Stimmen, vernahm Geräusche und erblickte schemenhafte Gestalten, die sich aus dem Dunkel vor ihr lösten und auf sie zukamen.

Menschen aus einer anderen Zeit in farbenprächtiger Kleidung umringten sie.

Susan Anne Hoogan schrie gellend auf.

Ich werde verrückt!, hämmerte es in ihrem fiebernden Hirn. Ich drehe durch! Das muss an dem Stoff liegen, verdammt noch mal! Dabei habe ich doch schon wochenlang nichts mehr zu mir genommen!

Sie zitterte am ganzen Körper. Wie in Hypnose starrte sie auf den Schneidetisch, vor dem sie eben noch saß und ihre Filme bearbeitete. Was sie sah, hörte und spürte, ging über ihren Verstand und ihre Kräfte. Die Vierundzwanzigjährige stöhnte. Alles vor ihren Augen verschwamm.

Wie aus weiter Ferne hörte sie das Telefon im angrenzenden Zimmer läuten.

Für einige Sekunden riss sie die Realität aus dem furchtbaren Traum, dessen Personen für sie zu existieren schienen.

Susan Anne jagte in das angrenzende Zimmer. Doch das Grauen und die Beklemmung blieben. Sie konnte sich nicht davon lösen.

Die Gestalten waren hinter ihr. Sie hörte den Lärm aus ihrem Arbeitsraum.

Die Tür flog hinter ihr zu.

Die Filmproduzentin schüttelte sich vor Entsetzen.

Greifbar nahe stand das furchtbare Bild vor ihren Augen.

»Der Kopf! Mein Gott, er schlägt ihr den Kopf ab!« Sie brüllte es heraus, griff zum Telefon und riss den Hörer von der Gabel.

»Helft mir!«, gurgelte sie mit letzter Kraft, während sie in die Knie ging und der Schwäche nicht mehr Herr wurde. »Ich muss sterben!«

»Susan?«, fragte die erschrockene Stimme am anderen Ende der Strippe. Es war eine Frau. »Was ist denn los? So rede doch« Aber Susan Anne Hoogan konnte das nicht mehr. Der Hörer fiel kraftlos aus ihrer Hand. Die Filmproduzentin kippte zur Seite und schlug auf den Boden.

»Susan! Suuusaan?«, klang es leise aus dem baumelnden Hörer. Es war die Stimme von Miriam Brent!

Die Schwester des erfolgreichen PSA-Agenten Larry Brent verließ sofort das kleine Appartement im Herzen von Manhattan, stieg in ihren saphirblauen Sportwagen und brauste davon. Wie ein Geschoss jagte das flache Gefährt durch die belebten Straßen New Yorks.

Miriams Gesicht war maskenhaft starr und kalkweiß. Unmittelbar nach dem Telefongespräch hatte sie die Polizei und einen Arzt verständigt und sie zu Susan Anne Hoogans Adresse geschickt. Miriam wusste nicht, was sich in der Wohnung der Freundin, die durch eine Reihe unkonventioneller und umstrittener Filme bekanntgeworden war, abgespielt hatte. Nur eines war Miriam klargeworden: Es bestand Gefahr! So schnell wie möglich musste jemand in die Wohnung gelangen.

Miriam Brent war fest davon überzeugt, dass die Polizei schon da war. Allerlei Gedanken schossen durch den Kopf der jungen, dunkelhaarigen Amerikanerin.

War Susan Anne wieder rückfällig geworden? Sie war eine Zeitlang von harten Drogen abhängig gewesen, hatte aber den Weg zurück in ein geordnetes Leben gefunden. Wenn man den Zeitungsartikeln über sie – und ihren eigenen Worten – Glauben schenken konnte. Susan Anne Hoogan machte Schlagzeilen damit, dass sie sich aus eigenem Willen auf eine kleine australische Insel zurückgezogen hatte, die nicht bewohnt war. Auf dieser Insel lebte sie, hermetisch abgeriegelt von jeglicher Zivilisation. Einmal wöchentlich war ein kleines Versorgungsboot vom Festland abgefahren, und versorgte sie mit Lebensmitteln und frischem Trinkwasser.

Auf diese Weise hatte Susan Anne Hoogan zwei volle Jahre auf der unbewohnten Felseninsel verbracht, in einer Höhle gelebt und war nur mit dem Notwendigsten ausgerüstet gewesen. Selbst auf ein Radio verzichtete sie, auch auf Besuche von Freunden und Verwandten. Sie wollte keinerlei Kontakte zur normalen Welt, wie sie sich stets ausgedrückt hatte.

Sie lebte in größter Einsamkeit, und es war ihr gelungen, dem Rauschgift zu entsagen. Auf der Insel gab es keine Versuchung, keine Möglichkeit, an Drogen heranzukommen. Es war eine harte, aber heilsame Zeit für Susan Anne gewesen. Sie brach alle Kontakte zu denen ab, die ihr die Mittel besorgt hatten, wurde clean, und seit einigen Monaten lebte sie in einer neuen Wohnung in der 27. Straße und machte Filme.

Miriam lernte sie auf einer Künstlerparty in einem Theaterkeller auf dem Broadway kennen. Das war kurz nach Susan Annes Rückkehr von der Insel gewesen. Die beiden Frauen hatten schnell Kontakt zueinander gefunden und sich von dieser Zeit an öfter gesehen.

Der Hilferuf am Telefon verunsicherte die junge Schauspielerin.

War Susan in ihr altes Leben zurückgefallen?

Miriam konnte sich das schlecht vorstellen. Susan hatte einen so ausgeglichenen und ruhigen Eindruck auf sie gemacht. Sie war besessen von dem Gedanken, so bald wie möglich ein Buch herauszugeben, in dem sie Wege aufzeigen wollte, die auch anderen Süchtigen die Rückkehr in ein normales Leben ermöglichten.

An all diese Dinge dachte sie, als sie Richtung 27. Straße fuhr.

Miriam war so in Gedanken versunken und bemerkte erst im letzten Augenblick, dass sie bei Rot eine Kreuzung passierte. Ein Hupkonzert der von links und rechts anfahrenden Autos erscholl beinahe gleichzeitig.

Miriam gab Gas. Der Wagen schoss nach vorn. Zum Glück gab es keinen Unfall. Doch diesem Manöver folgte aller Wahrscheinlichkeit nach ein Strafmandat. Das nahm sie aber gern in Kauf.

Kurz vor der Einmündung in die 27. Straße sah Miriam eine Funkstreife hinter sich, aber sie hielt nicht. Zweihundert Meter weiter fuhr sie rechts an den Bordstein heran. Dort stand ein Polizeifahrzeug wenige Schritte von dem Haus entfernt, in dem Susan Anne wohnte. Kurzentschlossen parkte sie dicht hinter dem unbesetzten Streifenwagen, knallte die Tür zu und eilte zum Haus hinüber, wo ein Ambulanzwagen stand. Mit klopfendem Herzen wartete Miriam auf die Ankunft des Lifts. Kurz bevor sie einstieg, warf sie noch einen Blick zurück und sah, dass hinter ihrem Wagen die sie verfolgende Streife heranrollte.

Miriam Brent fuhr mit dem Aufzug in das siebte Stockwerk.

Unruhe entstand auf dem Korridor. Neugierige kamen aus den Nachbarwohnungen, um zu sehen, was hier vor sich ging.

Miriam bahnte sich einen Weg durch die Umstehenden und gelangte an die Wohnungstür, wo ein Cop postiert war und sie abweisen wollte.

»Ich bin eine Freundin von Miss Hoogan«, sagte Miriam kurz.

»Ich habe Sie benachrichtigt.« Sie nannte ihren Namen, und der Polizist ließ sie hinein.

In der Wohnung hielt sich ein weiterer Cop auf, der sich aufmerksam umsah, als suche er nach irgendwelchen Spuren. Auch ein Arzt war da und zwei Sanitäter, die mit dem Ambulanzwagen eingetroffen waren, nachdem der Mediziner sie herbeigerufen hatte.

Der Doc packte seine schwarze Tasche, als Miriam Brent in die Wohnung trat. Susan Anne Hoogan lag auf der Trage und war mit einer gestreiften Wolldecke zugedeckt. Miriam Brent sah auf das bleiche, fast durchsichtige Gesicht und legte ihre Hand auf Susans heiße Stirn.

»Susan?«, flüsterte Miriam. »Hallo, Susan? Kannst du mich hören? Was ist denn geschehen, um Himmels willen?«

»Miriam?« Susan Anne Hoogan sprach leise und kraftlos, und ihr Bewusstsein schien aus einer unendlichen Tiefe emporzutauchen.

Die beiden Sanitäter hoben die Trage an und bewegten sich nach draußen. Miriam lief nebenher und fasste nach der schmalen, bleichen Hand, die Susan Anne matt auf der Decke bewegte, als suche sie nach einem Halt.

»Das Schloss – Manor-Castle – ich glaube, ich habe es jetzt.« Ihre Stimme klang unendlich schwach, als würde sie jeden Moment versagen. Miriam musste sich weit an Susans Mund herabbeugen, um etwas zu verstehen. »Der Film – dort gemacht – musst darauf aufpassen – kümmere dich um ihn – mein Kopf wird fallen – ich habe es gesehen – schon eine Hinrichtung – auf Manor-Castle – ich sehe die Zusammenhänge!«

Susan Anne schwieg. Ihr Atem ging schnell, stoßweise und kurz. Sie war nicht imstande, die Zusammenhänge, die nur ihr klargeworden waren, mitzuteilen, obwohl dies offenbar von allergrößter Wichtigkeit für ihre plötzliche und unbegreifliche Krankheit war.

Matt stammelte sie: »Tod und Verderben – von Manor-Castle.« Immer wieder dieses Wort. »Die Geister der Vergangenheit greifen nach mir – das Schloss ist verhext – warne – du musst warnen.«

Sie sagte noch das eine oder andere, was jedoch unverständlich war, obwohl sich Miriam bemühte, jede Silbe zu verstehen.

»Warnen? Wen soll ich warnen, Susan?«

Die Sanitäter blieben stehen. Sie wollten Miriam die Chance geben, noch ein paar Worte mit der Kranken zu wechseln. Doch diese war nicht vollends bei Bewusstsein, versuchte aber offensichtlich mit aller Kraft, ihrer Freundin etwas Wichtiges mitzuteilen.

»Wovor soll ich jemand warnen?«, drängelte Miriam Brent.

»Weiß nicht«, klang es zurück.

»Was ist passiert?« Miriam formulierte ihre Worte klar und deutlich und sprach sehr laut, damit die Freundin sie hören konnte. »Die Geister der Vergangenheit? Was meinst du damit? Du hattest es doch geschafft, Susan! Ist es wieder das Rauschgift?«

»Nein, du verstehst mich falsch!« Die junge Filmproduzentin versuchte die Augen zu öffnen, doch es gelang ihr nicht.

»Die Gefahr kommt aus Manor-Castle, verstehst du mich?« Mühevoll brachte sie einen Satz zusammen. »Die Geister der Vergangenheit kommen von dort. Phantome, Schatten, es spukt auf Manor-Castle. Der Film beweist es.«

Es war zu viel für Susan.

Das Atmen fiel ihr schwer und sie sprach nicht mehr.

Miriam fühlte, wie sie jemand zur Seite zog. Es war der Arzt, den sie gerufen hatte.

Die Sanitäter brachten ihre Freundin fort. Die Wohnungstür wurde sofort wieder geschlossen.

»Es hat keinen Sinn mehr«, sagte der Arzt leise zu Miriam.

»Zum Schluss hat sie Sie gar nicht mehr gehört und war sehr verwirrt. Wann haben Sie Susan Anne Hoogan das letzte Mal gesehen, Miss Brent?«

Miriam presste die Lippen zusammen. »Vor zwei Tagen«, sagte sie, ohne nachdenken zu müssen. Dr. Hallow kniff die Augen zusammen. »Aber das kann nicht sein!«, entfuhr es ihm.

»Doch, es ist so. Ich kann es Ihnen sogar beweisen, falls es für Susan wichtig sein sollte. Was ist mit ihr passiert, Doktor? Sie sah so verändert aus, so ganz anders, so erschrocken. Wurde sie überfallen? Haben Sie etwas in der Wohnung bemerkt?« Rasch warf sie einen Blick auf den Cop, der nur einen Schritt von ihnen entfernt stand und ihr Gespräch verfolgte. Der Uniformierte, an den die letzte Frage offensichtlich gestellt war, schüttelte nur den Kopf.

Miriam fuhr fort: »Es muss etwas Entscheidendes passiert sein«, sinnierte sie. »Diese Veränderung! Sie muss sehr krank sein.«

»Das ist das, was ich vorhin zum Ausdruck bringen wollte. Diese Veränderung, die innerhalb von zwei Tagen eingetreten sein muss. Miss Hoogan scheint seit einiger Zeit keinen Bissen zu sich genommen zu haben. Sie ist körperlich vollkommen am Ende. Dieser Schwächeanfall kommt nicht von ungefähr. Ihr Herz schlägt sehr schwach.« Dr. Stan Hallow sah besorgt in die Runde. »Was hat Sie dazu veranlasst, mich anzurufen, Miss Brent?«

»Ich habe nach Susan Annes Hilferuf im Branchenverzeichnis nachgeschlagen und einfach den Namen eines Arztes herausgesucht, der so nahe wie möglich an oder vielleicht sogar direkt in der 27. Straße seine Praxis hat.«

»Okay!« Hallow nickte. Er hatte ein rosiges Aussehen, was ihn jünger erscheinen ließ, als er in Wirklichkeit war. »Das leuchtet mir noch ein. Aber was hat Ihre Freundin Susan am Telefon zu Ihnen gesagt?«

»Ich hatte angerufen, ohne triftigen Grund, und wollte ein bisschen mit ihr plaudern. Sie konnte gerade noch den Hörer abheben, jedenfalls hatte ich diesen Eindruck. Sie rief sofort nach Hilfe – mit erstickter, gurgelnder Stimme. Dann muss sie zu Boden gestürzt sein. Auf mein Rufen hat sie nicht mehr geantwortet. Ich ging davon aus, dass unmittelbar mit meinem Anruf etwas in der Wohnung passiert sein muss, was tödliche Gefahr für sie bedeutete. Denn Susan rief mit scheinbar letzter Kraft ins Telefon. Sie behauptete, sie müsse sterben. Ich konnte mir nicht erlauben, auch nur eine Sekunde zu verschwenden, solange ich nicht wusste, was sich wirklich abspielte und rief zuerst die Polizei an und dann Sie, Doktor.«

Dr. Hallow brummte etwas in seinen Bart. Miriam konnte es nicht verstehen, aber es klang nach Zustimmung. »Was ist passiert, Doktor?«

»Wenn ich das wüsste, wäre ich einen Schritt weiter, und ich hätte mir ersparen können, sie sofort ins Krankenhaus einweisen zu lassen, meine liebe Miss Brent. Was immer auch passiert ist: Ein Verbrechen war es auf keinen Fall!«

»Sie wissen vielleicht, dass Susan drogenabhängig war, dass die Ärzte sie bereits aufgegeben hatten. Kann es sein, dass sie wieder rückfällig geworden ist?«

Dr. Hallow kaute auf seinen Lippen herum. »Das war mein erster Eindruck, als ich sie auf dem Boden liegen sah. Nein, mit Rauschgift scheint sie nichts mehr zu tun zu haben. Ich habe ihren Körper auf eventuelle Einstiche untersucht. Es gab sie nicht. Susan Anne Hoogan ist vor Schwäche zusammengebrochen. Was dazu geführt hat, ist noch ein Geheimnis.«

»Ein Geheimnis«, murmelte Miriam. »Sie hat doch noch eine Chance?«, fragte sie dann.

Dr. Hallow zuckte die Achseln. »Es sieht schlimm aus. Ich habe keine große Hoffnung, Miss.«

1. Kapitel

Das Geheimnis blieb.

Miriam Brent beschäftigte sich ständig mit dem, was ihr Susan noch versuchte mitzuteilen.

Manor-Castle spielte dabei eine Rolle, ferner Geisterglaube und ein Film.

»Sie hatte Fieber«, wies Dr. Hallow darauf hin. »Vergessen Sie das nicht, Miss Brent. Alles, was Ihre Freundin von sich gab, muss mit Vorsicht genossen werden.«

»Aber Manor-Castle gibt es wirklich.«

»Ich weiß.« Dr. Hallow ging zur Wohnungstür. »Schließlich lese ich auch die Zeitung. Manor-Castle hat vor rund einer Woche seine Wiedergeburt erlebt. David T. Wimburn, Milliardär von Gottes Gnaden, hat den Steinkoloss errichten lassen. Ein altes schottisches Gespensterschloss.« Er lachte leise. »Wahrscheinlich hat sie davon gelesen.«

»Und das allein kann einen Menschen so umwerfen, Doktor?«

»Das allein nicht. Ihre Freundin muss schon über eine lebhafte Phantasie verfügen!«

Der Arzt ging, ohne sich weiter darüber auszulassen. Er war nicht der richtige Gesprächspartner, um Miriams Fragen zu beantworten. Vorher erbat sie sich noch den Namen des Krankenhauses, um Susan Anne besuchen zu können. Miriam Brent ging mit dem immer noch anwesenden Polizisten einmal durch das Appartement, sah nach, ob alle Fenster geschlossen waren und nahm den Wohnungsschlüssel an sich. Da sie Susans beste Freundin war, hielt sie dies für angebracht. Wenn Susan etwas brauchte, musste jemand in die Wohnung können. Familie hatte die Filmproduzentin nicht. Ihre Eltern lebten nicht mehr. Sie waren vor drei Jahren, auf dem Höhepunkt von Susans Drogensucht, bei einem Flugzeugabsturz in Nebraska ums Leben gekommen.

Zusammen mit dem Cop verließ Miriam das Haus. Die Streifenbeamten aus dem Wagen, der ihr gefolgt war, standen noch immer unten und erwarteten sie offensichtlich.

Miriam näherte sich mit bitterem Lächeln ihrem Sportwagen.

»Sie erwarten mich schon?«, fragte sie belustigt, öffnete ihre Handtasche und zog ihre Geldbörse hervor. »Machen wir's kurz. Was bin ich Ihnen schuldig? Ich weiß, ich habe eine Kreuzung bei Rot überfahren und außerdem etwas zu stark aufs Gaspedal getreten. Geschwindigkeitsübertretung im Staate New York ist nicht billig, ich weiß.« Sie sah abwechselnd von einem Streifenbeamten zum anderen. Der eine hatte etwas Jungenhaftes, Verschmitztes an sich. »Aber es war heute ein bisschen hektisch. Ich musste mich beeilen«, fügte sie wie entschuldigend hinzu.

Der Cop grinste. »Aber wir sind doch gar nicht so, Miss Brent. Wir wissen nichts von einer roten Ampel und auch nichts von überhöhter Geschwindigkeit! Mein Kollege war auf dem Weg, mich nach Hause zu bringen. Wir kamen aus der Seitenstraße und sahen Ihren Wagen, Miss Brent.«

Er nannte den Namen schon zum zweiten Mal. »Sie kennen mich?«, fragte sie verwundert.

Der Cop freute sich, als hätte er gerade dem Präsidenten der Vereinigten Staaten die Hand gedrückt. »Erst mal zum Geschäftlichen. Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass uns beim Herausfahren aus der Seitenstraße aufgefallen ist, dass die rechte Wagentür nicht geschlossen war. Darauf müssen Sie achten, Miss Brent.«

Miriam wandte schnell den Kopf und fand die Worte des Streifenbeamten bestätigt. »Oh, das habe ich nicht bemerkt. Wie leichtsinnig von mir! Aber Sie haben mir immer noch nicht gesagt, woher Sie mich kennen?«

»Ich war vorgestern im Hamilton-Theatre. Sie sind dort in dem Stück Die Tochter der Finegans aufgetreten. Sie haben die Liz hervorragend gespielt.« Er grinste von einem Ohr zum anderen und nahm einen Notizblock aus seiner Brusttasche.

»Ich wollte gern ein Autogramm von Ihnen, Miss Brent. Als ich Sie vorhin in Ihren Wagen erkannt habe, musste ich Ihnen einfach folgen.« Er drückte ihr den Block in die Hand, und Miriam schrieb lächelnd ein paar persönliche Worte auf das Papier, die sie mit ihrer Unterschrift krönte.

»Das ist ja mal eine richtig nette Begegnung mit der Polizei«, meinte sie, während sie den Block zurückreichte. »Da stehen Sie extra hier und warten auf mich, und das alles wegen eines Autogramms. Und ich dachte schon ...« Sie sprach nicht zu Ende, reichte dem Cop die Hand und verabschiedete sich.

Miriam Brent fuhr nachdenklich durch die Straßen.

Je länger sie grübelte, desto mysteriöser kam ihr die Situation vor, in die Susan Anne Hoogan geraten war. Miriam fuhr schließlich auf den Parkplatz eines kleinen, aber beliebten Restaurants, in dem sie schon öfter mit Freunden gespeist hatte.

Es war Mittagszeit. Miriam Brent suchte sich einen Ecktisch. Sie wollte alleine bleiben. Noch ehe sie die Speisekarte studierte, kam ihr eine Idee.

Sie musste daran denken, dass Susan Anne etwas fürchtete. Etwas bedrohte sie. Ein Geist, ein Phantom.

Genau das war es!

Ihre Freundin war innerhalb weniger Stunden oder Minuten so zusammengefallen, als hätte sie seit Wochen nichts mehr zu sich genommen. Etwas saugte ihr Leben aus.

Miriam ergriff abermals die Initiative. Ihre Freundin hatte auch eine Warnung ausgesprochen, dass es auch anderen so ergehen könne wie ihr. Dies war deutlich herauszuhören gewesen.

Miriam erhob sich und ging in die Telefonzelle. Kurzentschlossen wählte sie eine geheime Nummer.

»Larry?«, fragte sie als am anderen Ende der Leitung eine männliche Stimme erklang.

»Erraten, Schwesterherz!« Larry Brents Stimme klang überrascht und erfreut. Er erklärte ihr, dass er während der letzten Stunde, seit er sich in seinem Büro aufhielt, versucht hatte, sie zu erreichen.

Miriam erfuhr, dass ihr Bruder gegen elf Uhr in der Stadt eingetroffen war. Hier sollten Vorbereitungen für einen größeren Einsatz getroffen werden, über den er jedoch nichts Näheres verlauten ließ. Sie erfuhr nur so viel, dass Morna Ulbrandson und Iwan Kunaritschew mit von der Partie waren. Das Dreiergespann sollte in einem Fall eingesetzt werden, der top secret war und der in allen Einzelheiten durchdiskutiert werden musste.

Zu diesem Zweck hielt sich Larry in New York auf. Er erwartete die Rückkehr von Morna und Iwan, die irgendwo auf der Welt ebenfalls ihre Aufträge so gut wie abgeschlossen hatten.

»Ich hatte eigentlich vor, mit dir essen zu gehen«, schloss Larry die umfangreiche Einleitung. »Wie steht's damit?«

»Dagegen ist nichts einzuwenden, Larry«, erwiderte Miriam.

»Nur, komm doch hierher! Ich sitze im Restaurant Lantern in der 31. Straße und erwarte dich. Ich muss etwas Wichtiges mit dir besprechen. Dich schickt der Himmel nach New York! Fast bin ich geneigt anzunehmen, dass es so ist, Larry. Eine Frage, mein Lieber: Was hast du inzwischen über Manor-Castle gehört?«

»Nanu, bist du schon so weit die Treppe hochgefallen? Warst du vielleicht bei den geladenen Gästen, als Manor-Castle von David T. Wimburn mit allem Pi-Pa-Po eingeweiht wurde?«

»Nein, aber ich habe davon gehört und gelesen. Zu den oberen Tausend gehöre ich noch nicht. Zwar habe ich mich schon auf Partys von Millionären gelangweilt, aber ich hatte noch nicht die Ehre, eine Einladung von einem Milliardär zu erhalten.«

»Sei froh! Wenn du dich schon bei Millionärspartys langweilst, wie furchtbar mag das erst bei Milliardären sein, hmm? Aber wie kommst du gerade auf Manor-Castle?«, wollte Larry wissen. »Ein altes schottisches Gespensterschloss ist das, so sagt man. Genaues weiß niemand. Ziemlich sicher ist nur dies: Erbaut wurde es um die Mitte des elften Jahrhunderts. Seit dem Ende des zwölften Jahrhunderts war es unbewohnt und zerfiel, bis es vor drei Jahren durch einen Zufall wiederentdeckt wurde. David T. Wimburn, Weltreisender aus Passion, fuhr durch Schottland, entdeckte Manor-Castle und wollte es haben. So ein großes Spielzeug hatte der Junge noch nie! Der Formalitäten waren nur wenige, denn ein uralter, verarmter Erbe war froh, die verwitterte Ruine verkaufen zu können. David T. Wimburn erwarb Manor-Castle für ein Taschengeld und beauftragte eine schottische Firma, das Schloss Stein für Stein abzutragen, jeden Brocken einzeln zu nummerieren, in wetter- und seefesten Kisten zu verpacken und zum nächsten Hafen zu transportieren. Das Anwesen wurde Stück für Stück in einem Schiff der Wimburnschen Frachtflotte verstaut und über den Ozean geschleppt. Wimburn machte das in eigener Regie. Wer ein eigenes Frachtschiff hat, kann billig transportieren. So kam Manor-Castle nicht allzu teuer. Der langen Rede kurzer Sinn, Schwesterherz: Auf einem riesigen Parkgelände in Florida ließ Wimburn Manor-Castle wieder Stein für Stein zusammenfügen und die Mängel der Witterung von mehreren Jahrhunderten fein säuberlich beseitigen. Seine größter Kinderwunsch wurde wahr: Er besaß ein echtes schottisches Spukschloss. Ob es allerdings so ist, das bleibt dahingestellt. So viele echte Geister gibt es gar nicht, wie man das bei uns in Amerika gerne haben möchte.«

»Mit Manor-Castle stimmt etwas nicht, Larry. Es gibt dort – davon bin ich überzeugt – wirklich einen Geist! Und zwar einen, der es nicht gut mit uns Lebenden meint.« Sie berichtete in kurzen Sätzen, was Susan Anne Hoogan zugestoßen war. Ihre rätselhafte Krankheit und ihre Warnung waren durch nichts zu erklären.

»Du bist im Lantern Restaurant, hast du vorhin gesagt, Miriam? Ich bin in spätestens einer halben Stunde bei dir!«

Er schaffte es sogar in fünfundzwanzig Minuten.

Das war ein Rekord. Aber wer New York so gut kannte wie Larry Brent, der mied die neuralgischen Punkte in der Stadt.

Miriam strahlte ihren großen Bruder an, als er im Restaurant auftauchte. »Du siehst gut aus«, sagte sie leise, als er sich seinen Stuhl an dem versteckt stehenden Tisch zurechtrückte.

Larry war braungebrannt, wirkte frisch und sympathisch wie immer. Er sah sich mit einem schnellen Blick um. Am Nachbartisch, halb hinter einer vorspringenden künstlichen Wand aus Blumen und Grünpflanzen, saß eine attraktive Blondine mit einem Superbusen und einer Klassefigur.

»Nicht so laut«, wisperte er und blinzelte seiner Schwester zu. Die Blondine am Nachbartisch musterte ihn mit einem vielsagendem Lächeln. »Wenn sie das hört, dann sind meine Chancen im Eimer. Kein Mensch denkt doch, dass du meine Schwester bist.« Er grinste, streckte Miriam die Hand entgegen und sagte laut und deutlich: »Wie ich mich freue, Schwesterherz! Wie lange haben wir uns eigentlich nicht mehr gesehen?«

Miriam Brent verdrehte die Augen und verbiss sich ein Lachen. »Jetzt hast du glücklicherweise deutlich das Wort Schwester in deiner Begrüßung untergebracht. Ich glaube, sie hat begriffen, dass wir miteinander verwandt sind.«

»Psst, jetzt reicht's, sonst wird's peinlich«, wisperte, X-RAY-3. Er setzte sich so, dass er die verführerische Blondine ständig im Blickfeld hatte. »Wenn sie merkt, dass wir übertreiben, glaubt sie vielleicht wieder nicht, dass wir Geschwister sind. Himmel, sieh mich nicht so an«, sagte er, während er die Speisekarte zu sich herüberzog. »Die Blonde interessiert mich.«

»Noch immer eine Schwäche für schöne Frauen?«

»Natürlich. Warum sollte ich mich nicht dafür interessieren, Schwesterlein? Wäre, doch unnormal, nicht wahr?«

Larry ließ sich alles in Ruhe über Susan Anne Hoogan berichten. Er hörte sich auch Miriams Vermutungen an und unterbrach sie nicht ein einziges Mal.

Dann wurde das Essen aufgetragen.

Während sie speisten berichtete Miriam weiter. Sie tat das sehr ausführlich, und Larry wurde äußerst nachdenklich.

Als sie geendet hatte, meinte er: »Da gibt es eine Menge Fragen. Wer oder was bedroht Susan Anne? Was meinte sie mit dem Film, der offenbar große Bedeutung hat und vor allen Dingen: Wie kommt sie darauf, dass es auf Manor-Castle spukt?«

Larry hatte ein klares Bild gewonnen, vor allem was das Leben und die Situation von Miss Hoogan betraf. Sie war auf Wimburns Party gewesen, hatte das Schloss von innen kennengelernt und musste dort etwas erfahren oder erlebt haben, was nun schicksalbestimmend für sie geworden war.

Was hatte sich ereignet?

Das aber wusste nur Susan Anne Hoogan. Er musste mit ihr sprechen.

Was X-RAY-3 aus der Berichterstattung seiner Schwester entnommen hatte, war interessant und mysteriös genug, um ihn zu beschäftigen.

Kündigte sich hier etwas Unheimliches an?

»Ich muss Susan Anne Hoogan sehen«, sagte er, als sie zu Ende gegessen hatten. Er warf einen bedauernden Blick zum Nachbartisch, wo die Blondine immer noch saß, und seufzte.

»Blondie ade«, sagte er. »Schade, dich hätte ich gern kennengelernt.«

In dem Augenblick steuerte ein schlanker, dunkelhaariger Mann den Tisch der Blonden an. Sie strahlte, er hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn und nahm bei ihr Platz.

Sie sprachen kurz miteinander, der Ober kam, sie zahlte, dann gingen sie. Der Mann fasste um die Hüften des langbeinigen Geschöpfes. Die Art und Weise, wie der Rock unterhalb ihres Pos wippte, war eine Provokation für jeden Mann.

Sie machte eine selbstbewusste Geste mit dem Kopf, und das lange, weichfließende Haar fiel nach hinten.

Blondie warf Larry einen heißen Blick zu und strahlte ihn hinter dem Rücken ihres Begleiters an, dass es eine Offenbarung war.

Susan Anne Hoogan lag auf der neurologischen Station. Man schien das Mädchen für geisteskrank zu halten.

Dr. Roger Flanish, fünfunddreißig Jahre alt, war verantwortlicher Arzt der Station. Mit ihm sprach Larry zuerst. Um die Dinge so unkompliziert wie möglich zu machen, gab er sich als Freund der Patientin aus.

Dr. Flanish war einer von der Sorte Mensch, die nicht viel sagten, auch wenn man ihnen Löcher in den Bauch fragte.

Oder wusste er selbst noch zu wenig, um sich äußern zu können?

Larry wurde daraus nicht klug.

Der junge Arzt gestattete beiden, die Kranke zu besuchen.

»Sie ist ansprechbar«, meinte er. »Manchmal ist sie völlig klar. Reden Sie ruhig mit ihr, reißen Sie sie aus dem Schlaf, in den sie immer wieder zu fallen droht!«

Larry nickte.

Susan Anne Hoogan lag in einem Einbettzimmer.

Ihr Bett stand an einem Fenster mit Blick in den gepflegten Garten des Hospitals. Rechts neben dem Bett stand in Höhe des Kopfendes ein weißer, auf Rollen befestigter Nachttisch, auf dem sich ein Schälchen mit Medikamenten befand und eine Plastikflasche, in der eine farblose Infusion abgefüllt war.

Auch jetzt erhielt sie eine Infusion. An einem Gestell hing eine Plastikflasche, aus der die Flüssigkeit in die Vene von Susans linkem Arm tropfte.

»Susan? Ich bin's, Miriam.« Larrys Schwester beugte sich über sie. Susan lächelte. »Miriam?«, flüsterte sie, schlug die Augen auf und murmelte vor sich hin.

Miriam warf Larry einen traurigen Blick zu. »Mir kommt es so vor, als wäre sie noch dünner, noch schwächer geworden«, sagte sie leise.

Susan Anne Hoogan erzählte ständig weiter, und niemand verstand etwas. Es war, als rede sie im Fieber. Sie hatte die Augen wieder geschlossen. Deutlich sah man, wie sich die Pupillen hinter den fast durchsichtigen Augenlidern bewegten.

»Sie sieht etwas und will es uns erzählen«, wisperte Larry, ohne die Kranke aus den Augen zu lassen.

Was sah sie, was erregte sie in diesem Moment?

Larry versuchte es zu erkennen und lauschte jedem einzelnen Laut, aber nur Susan Anne Hoogan sah und hörte etwas. Sie bewegte sich in einer gespenstischen Welt, die niemand außer ihr wahrnahm.

Sie schwamm in einem unsagbaren Gefühlschaos.

Manchmal erkannte sie, dass es ein Traum war und versuchte, aus dem See der Farben und Geräusche, der Stimmen und Visionen emporzutauchen. Aber es riss sie immer tiefer. Die Eindrücke waren so stark, so intensiv, dass sie förmlich in deren Bann geriet, als würde sie hypnotisiert.

Es ist kein Traum, wisperte es in ihr. Und sie erkannte, dass es ihre eigene Stimme war.

Susan Anne öffnete die Augen. Sekundenlang war sie wieder ganz klar und sah die beiden Gesichter über sich – Miriam Brent und einen Mann, den sie nicht kannte. »Es ist alles wahr, alles. Die Vergangenheit greift nach mir. Ich bin in Manor-Castle.«

Ob Miriam es verstand?

Ja, Susan Anne Hoogan war in Manor-Castle.

Wie ein unsichtbarer Gast streifte sie durch die Räume und Hallen, sah die mächtigen Mauern und die Lüster.

Im Schloss herrschte Unruhe. Etwas ging hier vor.

Es war das gleiche Schloss, das der Milliardär David T. Wimburn Stein für Stein aus Schottland hatte fortschaffen lassen.

Aber das Castle, das Susan Anne Hoogans Geist durchstreifte, war noch neu und von den Menschen, denen es einst gehört hatte, bewohnt.

Sie erlebte Dinge, die viele Jahrhunderte zurücklagen, die Anfang des 12. Jahrhunderts das Schicksal des Spukschlosses bestimmten.

Herr auf Schloss Manor war Sir Howard Manor. Er herrschte mit eiserner Hand, war aber gerecht. Sir Howard wusste seit geraumer Zeit von einer finsteren Verschwörung. Lady Deborah, seine Frau, beschäftigte sich mit schwarzer Magie und diente dem Satan.

Sie war eine Hexe!

Damit hatte sie sich eines todeswürdigen Vergehens schuldig gemacht.

Lady Deborah musste sterben!

Der Henker war bestellt, hielt sich im Schloss auf und wartete auf seinen Auftritt.

Vor Lady Deborahs Zimmer waren zwei mit Hellebarden bewaffnete Wachen postiert.

Die zum Tode Verurteilte hatte einen letzten Wunsch äußern dürfen, der eines ausklammerte: Noch einmal die beiden Söhne zu sehen, die aus ihrer gemeinsamen Verbindung hervorgegangen waren. Dies hatte Sir Howard von vornherein kategorisch abgelehnt.

Aber er war damit einverstanden gewesen, dass sich Lady Deborah vor ihrem Tod von einem Maler porträtieren ließ.

Die Frau mit der strengen Frisur saß dem Künstler unbeweglich wie eine Puppe Modell.

Ihr Blick war finster, in den schwarzen, tiefliegenden Augen glomm ein geheimnisvolles Feuer. Ein rätselhaft unergründliches Lächeln spielte um die blutroten Lippen.

Der Maler stand vor der Staffelei und setzte Pinselstrich nach Pinselstrich. Das Bild, das er vor zwei Tagen begonnen hatte, war fast fertig.

Noch nie hatte er mit einer solchen Besessenheit gemalt.

»Legen Sie alles hinein, was Sie zu geben imstande sind«, sagte Lady Deborah. »In diesem Porträt müssen Sie meine Seele einfangen, Clermont!«

»Sehr wohl, Mylady. Ich habe mir die allergrößte Mühe gegeben.« Die Stimme des Malers klang belegt. Seine Blicke gingen hinüber zu seinem Modell und begutachteten dann wieder das Bild.

Noch ein paar Feinheiten fehlten, dann war die Arbeit abgeschlossen.

Clermont nickte. »Ich bin fertig, Lady Deborah«, sagte er mit schwerer Stimme. Er wusste, was das bedeutete: Mit dem Ende der Arbeit stand Lady Deborahs Hinrichtung unmittelbar bevor.

Aber nicht ein einziges Mal hatte sie darum gebeten, dass er langsamer malen sollte. Sie wollte keine Zeit gewinnen. Es war ihr darauf angekommen, dass dieses Bild so schnell wie möglich zu Ende gebracht wurde.

Lady Deborah erhob sich, verfolgt von Clermonts aufmerksamen Blicken.

In der Nähe dieser Frau fühlte er sich niedergeschlagen und bedrückt. Aber er schrieb es der Stimmung zu, die allgemein im Schloss herrschte. Jeder wusste, was heute passierte.

Der Richtblock war aufgestellt, der Henker wartete.

Lady Deborah kam mit kleinen, fraulichen Schritten von dem Podest herunter, auf dem sie gesessen hatte. Durch das Fenster mit den Butzenscheiben fiel gelblich-braunes Licht. Knorrige, schwarze Zweige zeichneten sich dahinter ab. Es war Spätherbst. Alle Blätter waren gefallen, und es wehte ein scharfer, kalter Wind.

»Gute Arbeit, Clermont«, lobte sie. Ihre Miene veränderte sich nicht. Sie schien kaum zu atmen. Wie eine Statue stand sie da in ihrem enganliegenden, grünen Kleid mit dem eckigen, rüschenbesetzten Ausschnitt. Die langen Ärmel umschlossen wie eine zweite Haut die schmalen, feingliedrigen Arme. »Ja, das bin ich. Sie haben meinen Geist, meine Seele eingefangen. Es ist ein lebensnahes Bild. Meine Kinder werden ihre Freude daran haben.« Ihre Worte klangen merkwürdig. Etwas wie Triumph schwang in ihrer Stimme mit. Minutenlang stand Lady Deborah vor ihrem Porträt, das sie unmittelbar vor ihrer Hinrichtung zeigte.

Dann hob sie leicht die rechte Hand. Ihre schmalen Finger waren dicht aneinandergelegt.

Sie machte einige seltsame, unverständliche Zeichen über dem noch farbfrischen Bild und murmelte dabei unverständliche Worte. Im ersten Moment sah es so aus, als ob sie das Porträt segnen wolle. Aber dann erkannte der junge französische Maler, der seit Wochen als Gast auf Manor-Castle lebte, um hier einige Aufträge des Schlossherrn zu erfüllen, dass die Bewegung über dem Bild kein Kreuzzeichen war.

Clermont stutzte und wurde bleich.

Sprach Lady Deborah mit dem Satan?

Abrupt wandte sie sich von dem Bild ab.