Larry Brent Classic 034: Der Unheimliche - Dan Shocker - E-Book

Larry Brent Classic 034: Der Unheimliche E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Die Lady mit den toten Augen Schreiend stürzt eine Frau nachts aus dem Wald, drei Kilometer entfernt von Monmouth. Orientierungslos, verzweifelt und von Schmerzen erfüllt stürzt sie auf die Straße, direkt vor den Wagen der PSA-Agenten Larry Brent und Iwan Kunaritschew, die ihr sofort zu Hilfe eilen. Als sie der Unbekannten die blutüberströmten Hände vom Gesicht ziehen, schauen sie in deren leere Augenhöhlen. Die beiden Freunde bringen die Verletzte in ein Hospital, doch noch in derselben Nacht verschwindet die erblindete Edith Shrink von dort spurlos. In diesem Zusammenhang stoßen Larry und Iwan auf ein furchtbares Geheimnis, des Mörders, der seinen Opfern bei lebendigem Leibe die Augen stiehlt. Der Unheimliche aus dem Sarkophag Die junge Pariserin Mireille Lecure erbt von einem Ägyptologen eine kleine Insel mitten in der Seine. Als sie zusammen mit einem Freund das Haus darauf untersucht, finden sie im Keller einen Sarkophag, den der Erblasser wohl auf Schleichwegen in die französische Hauptstadt gebracht hat. Doch der Sarkophag ist nicht leer. Ihm entsteigt ein Wesen, das nur durch einen Bannfluch Jahrhunderte lang gefangen war. Endlich kann es seinen blutigen Feldzug beginnen, und seine Opfer sind die unschuldigen Menschen der Seine-Metropole. Larry Brent und Morna Ulbrandson werden mit dem Fall betraut, und das was sie herausfinden, läßt ihnen das Blut in den Adern gefrieren.

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DAN SHOCKERS LARRY BRENT

BAND 34

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Fachberatung: Robert Linder

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Titelbildgestaltung: Mark Freier

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

978-3-95719-834-1

Dan Shockers Larry Brent Band 34

DER UNHEIMLICHE

Mystery-Thriller

Die Lady mit den toten Augen

von

Dan Shocker

Prolog

Roy Evans richtete sich auf, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und verließ das Bett. Sein Blick fiel auf den altmodischen Wecker.

Erst halb zwölf!

Er fühlte eine Unruhe und Nervosität, die er sich nicht erklären konnte. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Es war zu warm und die Luft drückend, eine Seltenheit in dieser Gegend.

Nur mit einem Schlafanzug bekleidet, verließ er das kleine, abseits gelegene Haus. In der bergigen Gegend lebte fast niemand, der nächste Ort war zehn Meilen entfernt.

Obwohl er sich leise verhielt, entging seiner Mitbewohnerin nicht, dass die Tür ins Schloss fiel.

»Was ist denn los, Roy?«, erklang die Stimme seiner Mutter durch das geöffnete Fenster. Die alte Frau lebte allein mit ihrem Sohn und hatte oben ihren Schlafraum.

»Ich kann nicht schlafen, Mutter, und gehe kurz raus.«

Tief atmete Roy die noch kühle Luft ein. Seit seiner Geburt lebte er hier, war mittlerweile sechsunddreißig und konnte sich nicht daran erinnern, je einen so heißen Sommer erlebt zu haben.

Die Nacht war lau, der Himmel hing voller Sterne und spannte sich wie ein riesiges Zelt über die gebirgige Landschaft von Nordwales.

Plötzlich raschelte es, und er wandte sich um.

Da stand jemand – eine junge Frau.

Der helle Schein des Mondes lag auf ihrem bleichen, schmalen Gesicht, große Augen sahen aus wie dunkle Höhlen, in denen ...

Das war es!

Roy Evans merkte, wie es ihm eiskalt über den Rücken lief.

Die Fremde hatte keine Augen!

Erschrocken zog er die Luft ein. Das Geräusch war laut genug, um die junge Frau zu warnen. Sie warf sich blitzschnell herum. Ihr sackähnliches, dünnes Kleid flatterte dabei um ihre abgemagerte Gestalt.

»Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?« Roy blieb verwirrt stehen. Zu sehr beeindruckte ihn diese rätselhafte Begegnung, dass er im ersten Moment unfähig war, sich zu bewegen.

Ein Mensch ohne Augen!

Wie ein Schatten huschte die Fremde um das Haus, lief auf dem breiten Weg in Richtung des hügeligen Ackergeländes, an das ein kleiner Wald grenzte.

Mit schnellen Schritten lief er bis zur Hausecke und sah die Frau, die wie ein zum Leben erwachter Scherenschnitt über das freie Feld rannte.

»So bleiben Sie doch stehen! Sie brauchen keine Angst zu haben«, hallte seine Stimme durch die Nacht und wehte der Davoneilenden nach. Aber sie reagierte nicht, lief einfach davon. Was wollte sie hier?

Roy Evans brachte sich das Gesicht der Fremden in Erinnerung.

Es war verzerrt vor Angst gewesen und typisch für einen Menschen, der viel mitgemacht und darüber den Verstand verloren hatte.

Während er hinter ihr herrannte, überlegte er, dass sie nur aus der Anstalt, die nicht weit von hier entfernt war, kommen könnte.

Das kleine Haus, in dem er mit seiner Mutter lebte, stand auf einer Anhöhe. Von hier aus hatte man einen prächtigen Blick über das Land. Vor einem Acker blieb er stehen.

Die schattengleiche Gestalt verschwand hinter den ersten Ausläufern der Baumgrenze.

Roy Evans Neugierde war geweckt.

Er folgte der Fliehenden. Ständig sah er das verzerrte, bleiche Gesicht mit den schwarzen Augenhöhlen vor sich und konnte sich eines gewissen Unbehagens nicht erwehren. Diese leeren, toten Augen!

1. Kapitel

Edith Shrink fuhr mit dem Rad über die wie eine dunkle, mattschimmernde Schlange vor ihr liegende gewundene Straße.

Die Dreiundzwanzigjährige war oft in dieser Gegend. Von Monmouth aus legte sie die Strecke in das nur sieben Kilometer entfernte Heimatdorf in dieser Jahreszeit immer mit dem Rad zurück und war es gewohnt, in der Dunkelheit unterwegs zu sein. Davor hatte sie keine Angst.

Die junge Frau besuchte regelmäßig ihre Eltern, die in Monmouth lebten. Beide waren gesundheitlich angeschlagen und darauf angewiesen, dass sie hin und wieder nach ihnen sah und sie betreute. Sie hatten ihrer Tochter schon vorgeschlagen, in dem Ort zu bleiben, bis sie wieder ganz gesund seien. Doch davon wollte diese nichts wissen, schließlich hatte sie selbst Familie. Zwar war ihr Mann die ganze Woche über als Vertreter unterwegs, und es hätte keine besonderen Umstände gemacht, mit der zweijährigen Daisy nach Monmouth überzusiedeln, aber Edith tat es nicht. Es genügte, wenn sie regelmäßig nach ihren Eltern schaute.

Außerdem war dieser Zustand nur vorübergehend, und ihr machten diese Spazierfahrten sogar Spaß. Edith war etwas burschikos und jungenhaft, trug am liebsten Jeans, saloppe Shirts oder Pullis.

Während sie einsam durch die Nacht fuhr, dachte sie daran, dass sie schon als kleines Mädchen ein richtiger Wildfang gewesen war. Wie ein abenteuerlustiger Junge kletterte sie auf Bäume, zerriss ihre Hosen und handelte sich Kratzer und Wunden ein. Oft streifte sie durch die nahen Wälder – auf der Suche nach seltenen Tieren und Pflanzen, immer in der Hoffnung, einmal etwas zu entdecken, wovon niemand in der Welt auch nur die geringste Ahnung hatte.

Edith Shrink bog von der asphaltierten Straße nach rechts ab auf einen schmalen Weg, der mitten durch den Wald führte. Den nahm sie aus Zeitersparnis immer.

Dunkel und undurchdringlich breiteten sich die dichtstehenden Bäume beiderseits des Pfades aus. Im Laub raschelte es. Ein Kauz schrie in der Ferne. Der Lichtschein ihrer Fahrradlampe hüpfte auf und nieder, leuchtete auf Grasbüschel, knorrige Stämme und erfasste einen Hasen, der blitzschnell den Weg passierte und im Dickicht verschwand.

Edith lächelte.

Mit einem Mal musste sie bremsen. Vor ihr lag ein Baumstamm quer über dem Weg.

Sie stieg ab, mühte sich aber nicht, den Stamm auf die Seite zu ziehen, sondern wollte ihn umgehen. Währenddessen hörte sie ein Rascheln – aber keines, das ein streunendes Tier verursacht, wenn es von Menschen aufgescheucht worden war. Es schien, als hätte sich ein Mensch bewegt.

Da rissen sie auch schon zwei Hände herum!

Instinktiv ließ Edith Shrink das Fahrrad los, damit sie sich wehren konnte, wurde jedoch sofort zu Boden geschleudert.

Eine dunkle Gestalt warf sich über sie. Edith riss ihr Knie in die Höhe und wollte es dem Gegner zwischen die Beine stoßen. Sie hatte gelesen, dass dies die beste Abwehr war, wenn eine Vergewaltigung drohte.

Aber da war noch jemand!

Edith erhielt einen so heftigen Schlag ins Gesicht, dass ihr Kopf zur Seite flog. Beine und Arme wurden ihr brutal festgehalten. Sie wehrte sich mit all ihr zur Verfügung stehenden Kraft, schrie aus Leibeskräften, dass es grauenvoll durch den nächtlichen Wald hallte.

Zwei Männer fielen über sie her.

Eine Hand legte sich auf ihr Gesicht, und sie konnte nicht mehr schnell genug den Kopf zur Seite werfen.

Ein Wattebausch presste sich auf ihre Nase und ihren Mund.

Dann bemerkte sie einen scharfen Geruch, der in ihre Lungen strömte – Chloroform!

Heftig versuchte sie nach Luft zu schnappen, aber ihr Kopf fiel schlaff zur Seite, ihre Glieder streckten sich.

Die Männer – einer hager, der andere zwei Köpfe kleiner und untersetzt – arbeiteten Hand in Hand. Sie wussten genau, was zu tun war. Einer zog eine Tasche heran, griff hinein, öffnete einen lederbezogenen Besteckkasten, in dem sich blitzende Instrumente befanden.

Der Untersetzte hielt Ediths Kopf fest wie in einem Schraubstock, während sein Kumpan das schwere Augenlid der Betäubten hob.

Edith Shrink merkte nicht, wie das lange, löffelähnliche Instrument in den Winkel eines ihrer Augen geschoben und der Augapfel herausgeschält wurde.

Blut quoll über das untere Lid. Mit einem raschen Schnitt des Skalpells durchtrennte der Hagere die Nervenbahnen. Mit dem anderen Auge des Opfers verfuhr er ebenso.

Edith hatte das Gefühl, als würde sie aus den Tiefen eines Meeres emportauchen. Ein ungeheurer Druck lastete auf ihrem Körper, besonders auf dem Kopf.

Was war los mit ihr? Was war passiert?

Sie konnte sich in den ersten Sekunden an nichts erinnern und versuchte, die Augen zu öffnen. Empfindungen von Schmerzen und Angst drangen allmählich in ihr benommenes Bewusstsein.

Warum tat ihr alles so weh? Warum sah sie nichts?

Es war stockfinster um sie herum. Vorsichtig richtete sich Edith auf und tastete mit beiden Händen ihr Gesicht ab. Sie spürte Erde und etwas Klebriges, das sie nicht identifizieren konnte. War sie in eine Schlammpfütze gefallen? Warum aber war alles so schwarz um sie herum? Sie fuhr über ihre Augen.

Augen?

Edith zuckte zusammen. Die ganze Welt schien auf sie herabzustürzen, und sie wurde bis in die innersten Tiefen ihrer Seele erschüttert.

Sie hatte keine Augen mehr!

Da waren nur noch breiige Löcher, aus denen Blut sickerte.

Edith Shrink saß da, nahm ihre Hände vom Gesicht und hielt sie vor sich – aber sie sah sie nicht, obwohl sie die geschwollenen Augenlider weit aufriss.

Man hatte ihre Augen gestohlen!

Panik stieg in ihr hoch, ihr Herz raste, und sie konnte das Zittern ihrer Hände nicht unterdrücken.

Aber so etwas gibt es doch nicht, wollte sie schreien, aber es wurde nur ein dumpfes, gequältes Stöhnen. Schluchzend vor Schmerzen und Grauen kam sie taumelnd auf die Beine.

Waldboden ... Laub ... feucht und faulig ... Dann ein Stamm – rissig und rau.

Die junge Frau wusste, wo sie sich befand.

Der Baumstamm lag immer noch quer über dem Weg, dort, wo sie hatte absteigen müssen.

Wo war das Rad?

Da stolperte sie, fiel über das Fahrrad, spürte die Speichen, die sie ergriff – instinktiv nach Halt suchend.

Alles in Edith befand sich in Aufruhr. Ihr Gehirn war wie ein Fremdkörper in ihrem Schädel. Es pochte und klopfte, und sie hatte das Gefühl, es müsse drei oder viermal so groß sein. Sie glaubte, es könne jeden Augenblick aus ihrer Schädeldecke platzen.

Ich werde verrückt, dachte sie, diese Dunkelheit, meine Augen ...

Mühsam erhob sie sich wieder.

Tastend ging sie an den Bäumen entlang. Schluchzend und stöhnend wankte sie durch die Nacht.

Die beiden Männer!

Nach und nach kam ihr alles wieder in den Sinn.

An der Bodenbeschaffenheit unter ihren Sohlen merkte sie, ob sie sich auf dem Waldweg befand oder davon abwich. Handelte dabei mechanisch, krank vor Angst und Schmerzen – kurz davor, den Verstand zu verlieren.

Sie brauchte Hilfe. Was war mit ihren Augen geschehen ...?

Die für ihr Leben Gezeichnete blieb wieder stehen und führte ihre zitternden Hände erneut zu den Augenhöhlen. Sie schloss die Lider und berührte mit den Fingerspitzen die geschwollene Oberfläche, die sich seltsam hohl anfühlte. Das, was hinter den Augenlidern pulsierte, war weich, schwammig und nachgiebig – nur dicke Haut und Gewebe!

Edith Shrink durchlebte in diesen Sekunden alle Höhen und Tiefen, zu denen ein Mensch überhaupt fähig war. Sie schwankte zwischen Hoffnung und tiefer Furcht, zwischen Verzweiflung und wilder Entschlossenheit, zwischen Zweifel und Ratlosigkeit.

Benommen stürzte sie zu Boden, als sie gegen einen Baum rannte, blieb aber nicht lange liegen, kam schnell wieder auf die Beine. Und weiter ging ihr Weg über Laub, zwischen Bäumen und Strauchwerk hindurch, in dem sie häufig hängenblieb.

In der tiefen, beklemmenden Dunkelheit hatte sie ständig das Gefühl, in eine verzauberte Welt geraten zu sein. Äste und Zweige griffen nach ihr. Die Geräusche der Finsternis schienen lauter als je zuvor.

Überall raschelte es. Erschrockene, aus dem Schlaf gerissene Vögel flatterten auf. Edith bemerkte nicht, dass sie den Weg verlassen hatte, dem sie anfangs gefolgt war.

Als sie es registrierte, suchte sie verzweifelt nach dem Pfad. Doch sie fand ihn nicht mehr, fiel in einen Busch, zerkratzte sich Arme und Beine und riss sich wieder los. Ihre Kleidung zerfetzte, aber sie achtete nicht darauf.

Die junge Frau wusste nicht, wohin sie lief und warum sie lief. Wie von Furien gejagt, wie von fremden Mächten gepeitscht, stürmte sie weiter.

War es Nacht, war es Tag? Sie wusste es nicht, wusste überhaupt nichts. Wie lange war sie bewusstlos gewesen? Minuten? Stunden? Tage?

Das letzte konnte sie sich selbst beantworten. Es bewies ihr, dass sie trotz der Schrecken, die sich wie glühende Nadeln in ihr Bewusstsein bohrten, noch zu klaren Gedanken fähig war.

Tage konnten es nicht sein.

Das Blut auf ihrem Gesicht und an ihren Händen war warm und frisch, und sie schmeckte noch das Chloroform in ihrem Mund.

Benommen lief sie weiter, und ewige Nacht und höllische Gedanken hüllten sie ein.

»Und ich sage dir eins, dieses Mal haben wir unseren Urlaub ehrlichverdient, Towarischtsch«, meinte der stoppelhaarige Russe und dehnte seinen breiten Brustkasten. Sie waren noch spät unterwegs und kamen aus dem Norden von Wales. Ihr letzter Fall hatte sie in die Nähe von Montgomery verschlagen.

Larry Brent, alias X-RAY-3, saß hinter dem Steuer des Bentleys und ließ den Leihwagen gleichmäßig über die nächtliche Straße rollen.

Sie hatten einen kurzen, aber harten Einsatz hinter sich. Die Freunde waren vor drei Tagen nach Wales gekommen. In einem alten Castle, acht Meilen außerhalb von Montgomery, waren die Schatten der Vergangenheit erwacht.

Doch das lag nun hinter ihnen.

Iwan Kunaritschew erzählte gerade, dass er die folgenden drei Wochen im hohen Norden Kanadas verbringen und Forellen fangen wolle. Es sollte ein richtiger Faulenzerurlaub werden.

Auch Larrys Reiseziel stand fest: Er wollte an einer Fotosafari teilnehmen. Die hatte er schon lange im Sinn, aber immer wieder verschieben müssen.

»Weißt du ...«, begann Larry und wandte den Blick nicht von der leeren Fahrbahn, die links und rechts von Baumreihen begrenzt war.

Plötzlich torkelte eine Gestalt quer über die Straße – eine Frau.

X-RAY-3 reagierte sofort.

Blitzschnell bremste er, zog den Wagen auf die Seite, steuerte dagegen, um nicht ins Schleudern zu geraten.

»Zum Teufel«, knurrte Iwan. »Was ist denn jetzt passiert? Da denkt man an nichts Schlechtes, höchstens an seine zukünftige Schwiegermutter, und dann passiert so etwas.« Er öffnete die Tür und sprang hinaus, noch ehe der Wagen richtig stand.

Iwan sah, wie die Fremde schwankte, erreichte sie aber, ehe sie zu Boden stürzte und fing sie auf.

»Aber – wie konnten Sie denn ...« Mehr sagte er nicht, denn es verschlug ihm die Sprache. Er sah das geschundene Gesicht mit den fehlenden Augen, das verkrustete Blut auf den Wangen und musste schlucken.

Eilig näherte sich Larry.

»Sieh dir das an.« Mehr brauchte Iwan nicht zu sagen.

Die Freunde wechselten einen raschen Blick und knieten nieder. Die Frau stand unter einem schweren Schock. Auf den ersten Blick war zu erkennen, dass die schrecklichen Wunden, die man ihr beigebracht hatte, noch sehr frisch waren.

»Wer sind Sie? Wo kommen Sie her? Was ist passiert?« Larry stellte die Fragen in einem Atemzug und fasste die Fremde fest an den Schultern. Der Kopf fiel ihr vor Erschöpfung auf die Brust. Man musste sie förmlich anschreien, um sie überhaupt noch zu erreichen.

Edith Shrink bewegte zwar die Lippen, brachte aber keinen Ton heraus.

»Was für eine Bestie hat das getan?«, fragte Iwan Kunaritschew. Mit seinen starken Armen hob er die junge Frau auf. Sie trug verschmutzte und zerrissene Jeans und eine Bluse, die diese Bezeichnung nicht mehr verdiente.

Die beiden Agenten gingen zum Auto zurück, das dicht neben dem Straßenrand parkte.

»Was ist vorgefallen?«, wollte Larry wissen, während sein Freund die Unbekannte auf den Rücksitz bettete. Larry Brent blickte sich um. Niemand war zu sehen, alles war ruhig. Er setzte sich wieder hinter das Steuer und wendete das Auto. Monmouth war die größte Stadt in der Nähe, dorthin wollten sie zurückkehren. Die Verletzte musste sofort in ein Krankenhaus gebracht werden.

Wortlos saßen die beiden Freunde im Wagen. Jeder hing seinen Gedanken nach.

Drei Kilometer vor Monmouth ereignete sich noch etwas in dieser Nacht, das von großer Bedeutung sein sollte.

Ein helles Zischen durchbrach die Stille.

Am nächtlichen Himmel zeigte sich ein glühender Fleck. Ein schnell größer werdender Punkt raste zur Erde, als ob sich ein Stern vom Firmament gelöst hätte.

»Eine Sternschnuppe!«, rief Iwan.

Der breite Lichtstrahl jagte mit ungeheurer Geschwindigkeit zu Boden. Die Luft zitterte. Dann gab es eine Explosion. Der Detonationsknall war so laut, dass es in ihren Ohren dröhnte. Ein Ruck ging durch den Wagen. Die Erde bebte.

Larry Brent stoppte.

Der Wagen schaukelte hin und her. Die Wellen der Erschütterung verliefen quer unter dem Boden. Dann herrschte Ruhe.

»Ein Meteor«, murmelte Larry. »Ich habe immer nur darüber gelesen, dass ein solcher Brocken auch mal auf die Erde fallen könnte. Wir haben Glück, so etwas zu erleben. Aber so ganz angenehm ist das doch nicht, Brüderchen!«

Iwan Kunaritschew kratzte sich im Nacken. »Scheint ziemlich in der Nähe runtergekommen zu sein. Wenn ich mir vorstelle, dass uns das Steinchen sogar auf den Kopf hätte fallen können, wird mir schlecht. Wir hätten mindestens eine kräftige Beule davongetragen.«

»Ich glaube, es wäre etwas mehr geworden«, warf Larry ein und startete den Wagen wieder.

Noch ehe Larry in Monmouth einfuhr, sah er die Menschen auf den Straßen. Überall standen sie in Gruppen, diskutierten aufgeregt miteinander. Die Bewohner des ganzen Ortes waren auf den Beinen, als gäbe es ein Volksfest. Aber die Menschen sahen nicht glücklich aus, sondern wirkten ernst und erschrocken. Immer wieder starrten einige in die Höhe, als warteten sie auf etwas Besonderes, vielleicht auf eine zweite Himmelserscheinung.

Die PSA-Agenten lieferten die geschwächte Edith Shrink im St. Mary's-Hospital ab. Auch im Krankenhaus sprachen die Leute von dem unheimlichen Meteor, der irgendwo in die Berge gestürzt war. Der ungeheure Knall war weit zu hören gewesen.

Larry und Iwan warteten in einem kleinen Büro, während der diensthabende Arzt sofort alles in die Wege leitete. Es war zu einem kurzen Gespräch gekommen, das zeigte, dass unter diesen Umständen die Polizei benachrichtigt werden musste, wofür die beiden Freunde volles Verständnis zeigten.

Wer die Fremde war, ließ sich zunächst nicht feststellen.

Der Arzt verabreichte ihr kreislauffördernde Mittel und leitete eine Schockbehandlung ein. Außerdem war die übel zugerichtete Patientin in einem schlechten Allgemeinzustand, der rasch stabilisiert werden musste.

Die Polizei stellte einige unangenehme Fragen, denn dass sich die von Larry und Iwan aufgefundene Frau die abscheulichen Verletzungen nicht allein beigebracht haben konnte, sah man auf den ersten Blick.

Die beiden PSA-Agenten wiesen sich aus und gaben einen genauen Bericht von ihrer Begegnung mit der Fremden.

Larry Brent klärte den Beamten auf: »Wir hatten die Absicht, heute nach London weiterzufahren. Das werden wir nun ändern. Ich hoffe, dass die Patientin morgen früh so weit ist, dass man einige Fragen an sie richten kann. Vielleicht erzählt sie uns dann, was mit ihren Augen passiert ist. Alles weist darauf hin, dass die junge Frau fürchterlich misshandelt wurde.«

Als sie das Hospital verließen, waren die Menschen noch immer auf der Straße. Überall standen in den Häusern die Fenster offen.

Jeder wollte wissen, was passiert war. Aus Gesprächsfetzen, die Larry und Iwan mitbekamen, als sie im Raglan Hotel zwei Zimmer mieteten, war herauszuhören, dass einige überzeugt waren, eine fliegende Untertasse, andere in der Lichterscheinung einen Meteoriten gesehen zu haben. Der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt, solange niemand Genaues wusste.

Ihr Gepäck wurde nach oben gebracht. Aber weder Larry noch Iwan suchten sofort ihre Zimmer auf. Sie saßen eine Weile in der Bar, nahmen einen Drink zu sich, sprachen über den Meteoriten und besonders über die Fremde mit den leeren Augenhöhlen.

»Ein Komet kündigt manchmal etwas Schlimmes an, wenn man den Beobachtungen Glauben schenkt, die man in früheren Zeiten gemacht hat: Kriege und Hungersnot oder andere schwere Schicksalsschläge für die Menschheit oder den einzelnen.« Iwan griff nach seinem Glas. »Ich bin nicht abergläubisch, aber wenn ich dich so sehe, habe ich das Gefühl, als könnten wir unseren Urlaub streichen. Du interessierst dich ernsthaft für den Fall, nicht wahr?«

»Ja! Du doch auch, oder nicht?«

»Komisch, Towarischtsch. Ich habe kein gutes Gefühl. Erst die junge Frau, dann der Komet. Das beschäftigt mich. Ich glaube, dass die Maschine morgen ohne uns vom London Heathrow-Airport abfliegt.«

Wenige Minuten später hörten sie die Nachrichten. Der Sprecher erwähnte den Vorfall am Ende der Meldungen und sagte:

»Vor einer Stunde wurde ein unbekanntes Himmelsobjekt über Wales gesichtet. Aus noch nicht geklärten Gründen kam es dabei zu einer der schwersten Explosionen, die es je in Großbritannien gegeben hat. Die Ursache war wahrscheinlich ein Meteor, der in die Berge von Wales stürzte. Der Knall wurde hundert Kilometer weit gehört. Viele Menschen rannten aus ihren Häusern. Augenzeugen wollen einen breiten Lichtstrahl gesehen haben, der zur Erde fiel. Die Universität Edinburgh registrierte eine für die Britischen Inseln ungewöhnlich starke Erderschütterung. Wissenschaftler wollen versuchen, die Einsturzstelle in dem unbewohnten und bergigen Gebiet zu finden. Professor Watkins, Meteorologe an der Universität Edinburgh, vergleicht die Zeugenaussagen mit Schilderungen eines Meteoritenniedergangs vor rund fünfzig Jahren. Trotz umfangreicher Suchaktionen konnte seinerzeit jedoch nichts gefunden werden. Professor Watkins schätzt die Wahrscheinlichkeit gering ein, dass man den vom Himmel gefallenen Stein dieses Mal finden wird.«

Der absonderliche Einsiedler Roy Evans fand, dass dies eine der verrücktesten Nächte war, die er je erlebt hatte. Erst die Begegnung mit der jungen Unbekannten, der er vergeblich nachgelaufen war. Sie war irgendwo in dem unzugänglichen Gebiet untergetaucht, als hätte sie der Erdboden verschluckt.

Unverrichteter Dinge war er in die abseits gelegene Hütte zurückgekehrt.

Dann gab es den gewaltigen Knall.

Auch Roy Evans war Zeuge der Himmelserscheinung, hatte den breiten Lichtstrahl gesehen, die Explosion gehört und auch die Erderschütterung wahrgenommen.

Ein Meteor war vom Himmel gestürzt. Mitten in die Berge. Roy hatte sogar den brenzligen Geruch und den Rauch eingeatmet, den der milde Wind zu ihm herübergetragen hatte.

Der Meteor musste also ganz in der Nähe eingeschlagen sein.

Sogar Roys Mutter hatte ihr Bett verlassen und sich angekleidet. Sie war unruhig und ängstlich. »Das ist kein gutes Omen«, flüsterte sie. Wie eine Schlafwandlerin lief sie in dem kleinen, halb gemauerten und halb aus Brettern zusammengebauten Haus herum und wurde mit dieser ungewöhnlichen Naturerscheinung nicht fertig.

Auch Roy Evans hatte sich angezogen. Der kleine Transistor, den sie besaßen, war ihre einzige Verbindung zur Außenwelt. Durch ihn erfuhren sie, was draußen passierte.

Mrs. Evans und ihr Sohn waren in der selbstgewählten Einsamkeit zufrieden, und alles, was den normalen Tagesablauf störte, wurde als feindselig betrachtet.

Besonders die alternde Frau mit dem grauen, strähnigen Haar und den kleinen, tiefliegenden Augen hatte die Einsamkeit seltsam werden lassen.

»Wo willst du hin?«, fragte sie, als ihr Sohn zum dritten Mal die Hütte verließ. Das erste Mal, um frische Luft zu schnappen, das zweite Mal, um den Meteor zu sehen und nun, um die Einschlagstelle zu suchen.

Er sagte es ihr, aber die alte Frau war nicht damit einverstanden.

»Bleib hier, Roy!«

»Es kann nichts passieren.«

»Es ist Nacht.«

»Ich bin mehr als einmal nachts draußen gewesen. Was ist schon dabei?«

»Das ist keine Nacht wie die anderen. Etwas ist vom Himmel gefallen. Das ist kein gutes Zeichen.«

»Unsinn, Mutter! Vielleicht finde ich das, was heruntergefallen ist. Du hast selbst gehört, was sie im Radio gesagt haben. Sie wollen Forscher schicken. Das interessiert die Leute, und auch mich.«

Ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich. Das war typisch für ihn. Die Einrichtung des Hauses war bescheiden, um nicht zu sagen ärmlich, aber es gab einen Schatz an Büchern, der sich sehen lassen konnte. Die Regale, aus einfachen Brettern selbst zusammengeschreinert, reichten vom Boden bis zur Decke und bogen sich unter der Last der Bücher.

Es gab komplette Serien wissenschaftlicher Schriften, die Roy Evans von der ersten bis zur letzten Zeile gelesen und durchgearbeitet hatte. Sein Wissen war enorm. Es hätte manchen Wissenschaftler in Erstaunen versetzt.

Roy verließ das Haus und ging zielstrebig in die Dunkelheit. Die sternenklare Nacht ließ ihn genug erkennen, daher kam er schnell vorwärts. Rasch ließ er das Haus hinter sich. Hügel, Büsche und verkrüppelte Bäume säumten den Weg oder zwangen Roy, einen Ausweichpfad zu nehmen.

Nach einer Stunde Fußmarsch veränderte sich die Landschaft um ihn. Deutlich sah er das an den Büschen und am Dorngestrüpp. Das Blattwerk war herbstlich verwelkt, die Äste und Zweige waren geschwärzt und verkohlt, als wäre ein Feuersturm über sie hinweggerast.

Der Meteor, dachte Roy.

Das war seine Spur!

Unwillkürlich beschleunigte er seinen Schritt, lief zwischen den verkohlten Sträuchern, die wie eine Schneise wirkten, direkt auf den kleinen Krater zu.

Der Einschlag hatte ein etwa einen halben Meter durchmessendes Loch gerissen.

Roy Evans atmete schnell, Schweiß perlte auf seiner Stirn. Das war schneller gegangen, als er erwartet hatte! Aber dass es so nahe passiert war, das hatte er geahnt.

Um noch einmal tief durchzuatmen, blieb er kurz stehen, ging dann weitere zwei Schritte nach vorn. Die letzten.

Der Krater lag vor ihm – er blickte hinein.

In diesem Augenblick geschah es!

Ein Blitz bohrte sich in Roys Gehirn, er sah eine gleißende Helle und schloss geblendet die Augen. Dann stürzte er zu Boden, mit dem Gesicht neben den Krater, die Augen wie im Krampf fest zusammengepresst, als müsse er sich vor der Lichtflut schützen, die sich wie glühende Nadeln in seine Augäpfel bohrte.

In dieser Haltung blieb er auf dem Boden liegen und rührte sich nicht mehr. Alles Leben schien aus seinem Körper gewichen.

Der Morgen graute.

In Monmouth erwachte das Leben. Die Menschen verließen ihre Häuser und gingen zu den Bushaltestellen, um von dort aus zu ihren Arbeitsplätzen zu fahren. Viele Autos waren unterwegs. Monmouth unterschied sich in nichts von anderen Städten – es gab verstopfte Straßen und Wartezeiten.

Das Hauptgesprächsthema war aber nicht der neue Sexskandal in den Reihen der britischen Regierungsmitglieder, der die Gemüter bis zum Vortag erregt hatte, sondern das geheimnisvolle Himmelsobjekt, das von vielen gesehen und gehört worden war. In Edinburgh bereitete Professor Watkins die Untersuchungsgruppe vor und stellte sie zusammen.

Iwan und Larry, die im Hotel ihr Frühstück einnahmen, schnitten das Thema Meteor nur ganz kurz an. Sie interessierte mehr das rätselhafte Geschehen, in das sie hineingezogen worden waren. Wenn die Unbekannte ohne Augen die Nacht gut überstanden hatte, war vielleicht damit zu rechnen, dass sie über ihr Erlebnis sprechen konnte.

Von dem, was sie sagen würde, war abhängig, wie sich das weitere Vorgehen der Agenten gestaltete. Erwies sich die Angelegenheit als besonders mystisch, bestand nicht der geringste Zweifel daran, dass sie hier aktiv werden würden. Doch das letzte Wort hatte X-RAY-1, der geheimnisvolle Leiter der PSA.

Sie frühstückten in Ruhe und fuhren dann in das St. Mary's-Hospital.

Dort erwartete sie eine Überraschung.

Vertreter der Polizei befanden sich im Haus. Der freundliche, grauhaarige Beamte war anwesend, wie auch zwei Herren von der Murder Squad, um die Ärzte und das Pflegepersonal zu vernehmen.

Es herrschte Aufregung.

»Was ist passiert?«, fragte Larry Brent den Grauhaarigen.

»Sie ist verschwunden! Die Fremde ist wie vom Erdboden verschluckt! Wir stehen alle vor einem Rätsel!«

In wenigen Sätzen war erklärt, was passiert war.

Das leere Bett hatte die Nachtschwester entdeckt, als sie in den frühen Morgenstunden nach der Patientin sehen wollte. Sofort begann eine umfangreiche Suche, wobei die Krankenhausleitung vorerst davon absah, die Polizei zu verständigen.

Man ging von der Überlegung aus, dass die Fremde eventuell aufgewacht war und ihr Bett unbemerkt verlassen hatte. Es konnte ohne weiteres der Fall sein, dass sie in der Dunkelheit durch das Gebäude irrte, und durch Zufall niemand auf sie gestoßen war.

Dafür kamen besonders die labyrinthähnlichen Kellergänge in Frage.

Bis in den letzten Winkel hatte man das Haupt- und sämtliche Nebengebäude durchsucht und nichts gefunden. Auch der Park war durchgekämmt worden! Nichts!

War die junge Frau entführt worden?

Auch diese Frage konnte nicht übergangen werden.

Und sie war nicht abwegig, bedachte man, auf welche Weise die Fremde zu den immensen Verletzungen gekommen war. Sie musste einer Bestie in die Hände gefallen sein.

Das konnte auch der Beamte bestätigen, mit dem Larry und Iwan am Abend zuvor gesprochen und dem sie ihre Beobachtungen unterbreitet hatten.

Von Monmouth aus war in den frühen Morgenstunden eine Polizeistreife ausgerückt, um das Gebiet zu durchsuchen, in dem die Fremde mit den leeren Augen aufgetaucht war. Und man hatte etwas gefunden.

Auf einem Waldweg lag das Fahrrad. Man fand eindeutige Spuren, die auf einen Kampf hinwiesen. Die sofort informierten und hinzugezogenen Spurenfachleute der Murder Squad von Monmouth hatten eindeutig die Stelle ausgemacht, wo das Mädchen überfallen worden war.

Larry Brents Gehirn arbeitete sofort fieberhaft.

Der Fremden war aufgelauert worden.

Noch sahen Iwan und Larry jedoch keinen Grund, aktiv zu werden. Der Vorfall interessierte sie, aber es gab genügend Fakten, die darauf schließen ließen, dass es sich hier zwar um ein ungewöhnliches, aber doch immerhin begreifbares Verbrechen handelte, das die lokalen Behörden sicher in den Griff bekamen.

Beiläufig interessierte sich Larry Brent dafür, ob es in der Nähe des Überfallortes Behausungen gab. Nicht direkt, erfuhr er und erntete für seine Frage einen misstrauischen Blick des anwesenden Superintendenten, der sich über so viel Neugier wunderte. Allerdings gäbe es einige Meilen entfernt eine Anstalt für Geisteskranke. Dort wolle die Polizei noch recherchieren. Man müsse schließlich auch die Überlegung berücksichtigen, dass unter Umständen von dort jemand ausgebrochen sei und das furchtbare Verbrechen begangen haben könnte.

Das war eine nicht von der Hand zu weisende Überlegung. Was geschehen war, war die Tat eines Unmenschen, eines Wahnsinnigen.

Der Bestie musste das Handwerk gelegt werden!

Die beiden PSA-Agenten erhielten weitere Informationen über die Anstalt. Sie war in einem alten Schloss untergebracht, das der alternde Lord Billerbroke vor Jahren einer privaten Stiftung vermacht hatte. Er selbst zog sich in den Südflügel zurück und stellte alle anderen Räumlichkeiten für den karitativen Zweck zur Verfügung.

Mit der Anstalt schien alles in Ordnung zu sein, davon war jeder hier überzeugt. Nie war es zu Auffälligkeiten gekommen. Die Kranken, oft schwerste Fälle, denen niemand mehr helfen konnte, waren in dieser abgelegenen Umgebung bestens aufgehoben. Ein gewisser Dr. Anthony Hill betreute die Patienten.

Chief-Superintendent Carlton war ein rühriger Mann. Er hatte bereits alles in die Wege geleitet, um herauszufinden, woher die Fremde in der letzten Nacht kam und wohin sie wollte. Außerdem waren zwei seiner Leute zum Schloss des Lords unterwegs, um festzustellen, ob dort ein Kranker ausgebrochen sei. Und als drittes versuchte er, die auf rätselhafte Weise verschwundene Patientin wiederzufinden.

Jemand, der sich ohne Augen durch die Welt tastet, konnte nicht lange unbemerkt bleiben. Es sei denn, die Frau war absichtlich an einen bestimmten Ort gebracht worden, um sie zu verbergen. Dann allerdings sah die Sache schon wieder ganz anders aus.