Larry Brent Classic 036: Das Atoll - Dan Shocker - E-Book

Larry Brent Classic 036: Das Atoll E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Ruine der Kopflosen Die Freunde Burt Taylor und Rolf Weber - unterwegs auf einer sechswöchigen Radtour durch Schottland - haben ein seltsames Erlebnis, am Fuße der Burgruine BLACK WALLS. Mitten in der Nacht wachen sie von den Geräuschen eines Degenkampfes auf. Als sie aus ihren Zelten blicken gibt es keine Ruine mehr, sondern vor ihnen erhebt sich plötzlich eine Burg. Und vor den neu erstandenen Mauern können sie zwei Männer bei einer Auseinandersetzung auf Leben und Tod beobachten. Doch einer der Kämpfer ist schneller. Er köpft seinen Gegner und die beiden Gestalten lösen sich in Luft auf. Geschockt verlassen die beiden Freunde ihr Zelt und finden Blutspuren. Neugierig wagen sie sich in die Ruine, wo sie der Fluch von BLACK WALLS erwartet. Atoll des Schreckens Eine mysteriöse Sekte verschleppt die junge Doreen auf eine winzige Insel im Atlantik. Geschöpfe einer in ewiger Dämmerung liegenden unterseeischen Wasserwelt fallen über sie her und reißen sie mit in die Tiefe, aus der es keine Rückkehr mehr gibt. Die PSA erfährt davon und um mehr zu erfahren wird die attraktive Agentin Morna Ulbrandson als Köder eingesetzt. X-GIRL-C lockt die Tangwesen an die Oberfläche, um zu erfahren, welches Schicksal Unschuldigen zuteil wurde. Larry Brent liegt auf der Lauer. Er ist gewarnt - und kann doch das Schreckliche nicht verhindern. Morna wird von den unheimlichen Bewohnern der See in die Tiefe gezogen.

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DAN SHOCKERS LARRY BRENT

BAND 36

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Fachberatung: Robert Linder

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Titelbildgestaltung: Mark Freier

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

978-3-95719-836-5

Dan Shockers Larry Brent Band 36

DAS ATOLL

Mystery-Thriller

Ruine der Kopflosen

von

Dan Shocker

Prolog

»Hier haben sie mal gestanden«, sagte Burt Taylor und wies auf die überwachsenen Mauerreste. Er meinte die Ruine Black Walls. So nannte man sie hier in Schottland, eine von vielen Burgruinen in den Highlands. »Die dunklen, massigen Mauern«, fuhr er fort, »sind nur noch ein paar morsche Steine.« Als wolle er seine Aussage beweisen, schlug er mit einem Stock, den er die ganze Zeit über zum Stochern benutzte, gegen die verwitterten Mauerreste. Aber so morsch, dass sie zusammenfielen, waren sie nun auch wieder nicht. Der Stock zerbrach.

Die beiden jungen Leute lachten.

Es machte Rolf Weber Spaß, an der Seite seines englischen Freundes die Fahrt durch das Land zu erleben. Es war ein Bilderbuchsommer. Hier in Schottland wurde er nie zu heiß. Aus einer Brieffreundschaft, die vor zehn Jahren in der Schule begann, hatte sich eine feste Freundschaft entwickelt.

Der stiernackige, etwas untersetzte Burt Taylor war ein Bursche, der das Herz auf dem rechten Fleck hatte. Fast immer war er zu einem Scherz aufgelegt.

Seit drei Wochen war Rolf Weber auf der Insel, und er verstand sich blendend mit ihm.

Sie waren zu einer sechswöchigen Radtour durch Schottland gestartet. Burt hatte sich bereit erklärt, seinem Freund das Land, in dem seine Vorväter geboren wurden und lebten, zu zeigen.

Burt Taylor kannte Schottland auch nur vom Hörensagen. Er stammte aus Amerika und war der Sohn einer schottischen Mutter und eines amerikanischen Vaters.

Seit drei Jahren lebte er wieder hier.

Die Freunde hockten auf ein paar Felsstücken, rauchten eine Zigarette und blickten von dieser Höhe weit über das hügelige Land. Die Sonne sank. In der Ferne schimmerte kupfern einer der zahlreichen Seen, die es in Schottland gab.

Rolf sah nach Norden. Hinter den Hügeln musste Loch Ness liegen, und dahin wollten sie auch noch. Während es dunkler wurde, unterhielten sie sich angeregt und zündeten ein Lagerfeuer an. Das Zelt stand bereits.

Der Anstieg war beschwerlich gewesen, der Weg steil und schmal. Sie mussten die Räder mit dem schweren Gepäck schieben. Oben angekommen, sahen sie weit und breit keinen Menschen, kein bewohntes Haus stand hier. Das nächste Dorf war zwanzig Meilen entfernt.

Auf dem Hügel der Black Walls war es ruhig, die Luft klar – Grillen zirpten.

»Eigentlich komisch«, meinte Rolf Weber, als er wieder zu den Mauerresten hinübersah. »Ich muss immer daran denken, dass hier einst Menschen gelebt haben. Hier wurde geliebt, gehasst, gegessen und getrunken, hier haben die Herren Ritter getafelt und ihren Damen Keuschheitsgürtel angelegt, wenn sie längere Zeit nicht auf der Burg weilten.«

»Aber ob sie damit Erfolg hatten, ist fraglich. Die Sache mit den Keuschheitsgürteln, meine ich. Vielleicht lag dort hinter jenem Baum schon der Liebhaber, und der Nachschlüssel klimperte in seiner Tasche, während der Herr Ritter mit vor Stolz geschwellter Brust und in der Annahme, dass seine Holde ihm treu bleiben würde, davonritt«, sagte Burt leise lachend.

Rolf fuhr sich durch das dichte, lange Haar, zündete sich eine weitere Zigarette an und zeigte auf den nur noch andeutungsweise vorhandenen Torbogen, der in einen öden und trostlosen Hof mündete. »Es geht mir immer so, wenn ich Zeugnisse einer vergangenen Epoche sehe. Dann werde ich nachdenklich und frage mich, wie diese Menschen wohl gedacht, gelebt und gefühlt haben. Die Mauern da vor uns ... Jeder einzelne Stein könnte uns etwas erzählen.« Und zusammenhanglos fügte er hinzu: »Ich glaube, eines Tages werde ich es doch noch. Und wenn es nur zu meinem privaten Vergnügen ist.«

Sein Freund wusste, was er damit sagen wollte. In seinen Briefen hatte er schon immer davon geschrieben. Er wollte studieren und Archäologe werden, aber das scheiterte am Widerstand der Eltern. Rolfs Vater hatte einen Handwerksbetrieb, der florierte. Rolf war der einzige Sohn. So hatte er Spengler und Installateur werden müssen, um später das väterliche Geschäft zu übernehmen.

Das Lagerfeuer erlosch. Sie gossen aus einer nahen Quelle, die einen gurgelnden Wildbach bildete und dann zwischen Gestrüpp und gewaltigen Steinen halb unterirdisch weiterfloss, Wasser auf die Feuerstelle, um die letzten Flammen zu löschen.

»Warum nennt man diese Ruine eigentlich Black Walls?«, wollte Rolf Weber wissen, während sie sich auszogen und in die Schlafsäcke schlüpften.

»Keine Ahnung, vielleicht deshalb, weil die Steine besonders dunkel sind. Möglich, dass hier im Laufe der Zeit auch mal ein Burgherr residierte, der sich mit schwarzer Magie beschäftigte, wer weiß ... Hier gibt es viele Schlösser und Burgen. Die berühmtesten haben ihre Legenden. Von anderen wiederum weiß man gar nichts. Über die Black Walls jedenfalls habe ich noch nichts gelesen. Stell dir einfach vor, ein Magier habe darin gelebt!«, sagte Burt mit schläfriger Stimme.

Sie waren beide müde von der strapaziösen Anreise, denn die Fahrt. Unter normalen Umständen hätten sie sich nicht vor Mitternacht in ihr Zelt zurückgezogen, schließlich war es erst halb zehn.

»Meine Phantasie arbeitet schon«, flüsterte Rolf. »Ich sehe ihn vor mir, wie er an einem riesigen Trog steht und in einer giftgrünen Brühe eine Alraunwurzel kocht und beschwörende Formeln murmelt, die wie Gift durch die Mauern schleichen und die Menschen erfassen, die am Fuß der rätselhaften schwarzen Burg wohnen. Der Magier holt ihre Seelen, ihr Blut, um seine künstlichen Alraungeschöpfe zu beleben. Einen Dorfbewohner nach dem anderen verschleppt er auf das Schloss. Das Dorf stirbt aus, und heute gibt es keine Spuren mehr, die darauf hinweisen. Den Namen hat man vergessen, die Häuser sind versunken, der Staub der Jahrhunderte bedeckt sie. In den schwarzen Mauern der Ruine aber lauert noch heute das Grauen. Nachts kann man sie hören, die teuflischen Geschöpfe, denen der Magier ewiges Leben verliehen hat. Wie Fledermäuse flattern sie dann durch die Luft in diesem verrufenen Bezirk, und man kann ihre furchtbaren Schreie hören, die sie von sich geben, und ...«

Burt seufzte. »Die Archäologie ist nichts für dich, Rolf. Bei deiner Phantasie musst du Schriftsteller werden. Wenn du weiter so daherredest, wird es mir komisch zumute. Außerdem ...« Er brach mitten im Satz ab. Vor dem halbgeöffneten Zelt bewegte sich etwas – flatterte erregt hin und her. Nervös setzte er sich auf, war schnell am Eingang und schlug das Zeltteil zurück.

Fledermäuse!

»Ich werde verrückt«, entfuhr es ihm und er schluckte. »Deine Alraunmännchen!«

Die Freunde sahen sich an und schlugen sich auf die Schultern. Noch immer lachend verschlossen sie das Zelt, nachdem sie beobachten konnten, dass aus dem Turmrest neben dem Eingang zum ehemaligen Schlosshof weitere Fledermäuse flatterten und sich dem Zelt näherten.

»Sie sind echt, Gott sei Dank«, bemerkte Burt. »Du und deine Flattermänner. Ich glaube, ich träume heute Nacht davon.« Träume konnten, wenn man eine lebhafte Phantasie hatte, furchtbar sein. Aber die Wirklichkeit war oft viel schlimmer.

Von einer Sekunde zur anderen war Rolf hellwach. Er vermochte nicht zu sagen, wie lange er geschlafen hatte.

Ein seltsames Geräusch hatte ihn geweckt.

Es hörte sich an, als ob jemand zwei harte Eisenstangen im gleichen Rhythmus aneinander schlage. Er warf einen Blick auf den Freund an seiner Seite.

Burt schlief wie ein Murmeltier.

Das Geräusch draußen dauerte an.

Rolf robbte zum Eingang und schlug die Plane zurück.

Dem Zelt genau gegenüber lagen die schwarzen, dicken Mauern der Ruine.

Ruine?

Der Deutsche war fassungslos.

Da stand keine Ruine mehr! Massig und trutzig erhoben sich die riesigen Schlossmauern vor ihm, als wären sie eben erst erbaut worden. Kein Stein fehlte, alle Zinnen waren erhalten, die dunklen, spitzen Türme an der Seite und hinter der Schlossmauer erhoben sich wie fremdartige Zelte. Der Himmel war düster und bewölkt. Mächtige Wolkenberge stauten sich über dem Land, und in der Ferne donnerte es bereits. Aber die Wolkendecke war noch nicht so geschlossen, dass kein Lichtstrahl des vollen Mondes durchgedrungen wäre. Sie riss hin und wieder auf, und in dem klaren, kalten Licht, das sich auf die Felsen und die schwarzen, riesigen Mauern ergoss, sah Rolf Weber etwas vor der Schlossmauer, was nicht sein konnte!

Von dort kam auch das metallische Klingen.

Zwei Degenfechter trugen ihren Kampf aus.

Wie benommen starrte er auf die Szene und glaubte zu träumen. »Das ist nicht wahr, das kann nicht sein«, murmelte er und rieb sich die Augen.

Doch die Szene mit den beiden Kämpfern verschwand nicht, auch nicht das Schloss, dessen wuchtige Mauern ihn zu erdrücken schienen. Nochmals kniff er sich in den Handrücken und biss sich auf die Lippen.

Er spürte den Schmerz, also war er wach!

Gebannt starrte er auf die beiden Männer in der fremdartigen, altmodischen Kleidung. Sie trugen Wams und Hosen, wie sie in vergangener Zeit üblich gewesen waren. Die beiden Fechter lieferten sich einen verbissenen Kampf auf Leben und Tod.

Der eine war ein breitschultriger Hüne mit einem kantigen Schädel, kräftiger Nase, aufgeworfenen, zynisch herabgezogenen Lippen und buschigen Augenbrauen, die über der Nasenwurzel zusammenwuchsen. Selbst diese Einzelheiten nahm Rolf Weber wahr, so dicht spielte sich alles vor ihm ab. Der Mann war dunkelhaarig und trug ein dunkelblaues Wams, das mit einem rotgefärbten Pelz eingesäumt war. Sein Gegner war einen Kopf kleiner, viel schlanker, ein flinker Kämpfer mit langem blondem Haar und einem roten Wams. Seine ledernen Stiefel reichten ihm bis über die Knie.

Funken sprühten, als die Klingen gegeneinanderschlugen.

Der Blonde gewann offensichtlich die Überhand. Er war im Verhältnis zu seinem massigeren Gegner wie ein Wirbelwind, der blitzschnell seine Stellung wechselte.

Der Mond verschwand hinter einer schwarzen Wolke, deren Ränder im silbernen Streulicht bizarr wie Felsen wirkten.

»Nun, großer Meister«, vernahm Rolf die spöttische Stimme des blonden Degenfechters. »Es ist nicht weit her mit Eurer Fechtkunst ...« Es folgten einige Worte, die nur bruchstückhaft zu verstehen waren. Dann folgte ein Satz, gut hörbar für alle: »Ich werde Euch töten. Und damit allem ein Ende bereiten.«

»Weder das eine noch das andere wird Euch gelingen«, antwortete der Mann mit den groben Gesichtszügen.

Auf einmal überstürzten sich die Ereignisse.

Der Dunkelhaarige verlor einen Augenblick die Kontrolle über seine Beine und stolperte über ein Hindernis. Instinktiv senkte er den Degen, als wolle er sich abstützen, um den Fall zu verhindern. Dabei beugte er seinen Oberkörper ein wenig vor ...

Diese wenigen Sekunden reichten seinem Kontrahenten, dem Kampf ein Ende zu bereiten. Er stach nicht zu. Sein Degen wischte durch die Luft. Mit einem einzigen Hieb trennte er den Kopf von den Schultern seines Gegners!

Das Blut schoss wie eine Fontäne aus der riesigen Wundhöhle.

»Burt!«, schrie Rolf. »Burt! Schnell! Sieh dir das an!« Seine Stimme überschlug sich. Völlig bewegungslos kniete er am Zelteingang und konnte den Blick nicht von dem wenden, was sich da noch immer abspielte.

Der abgeschlagene Kopf rollte wie ein Ball über den steppenartigen Boden, blieb in einer Mulde neben einem Stein liegen, und die weit aufgerissenen Augen glühten in wildem Feuer.

Der Kopflose sank aber nicht zu Boden!

Der blonde Fechter, der glaubte, seinem kompromisslosen Gegner den Sieg streitig gemacht zu haben, wich entsetzt zurück. Ungläubiges Erstaunen und Erschrecken spiegelte sich in seinem Gesicht. Der Geköpfte kam in Angriffsstellung auf ihn zu, attackierte mit dem Degen in der Hand seinen Gegner, der schwach und furchtsam den Angriff parierte.

»Burt! Werde endlich wach, verdammt noch mal!« Rolf Webers Stimme klang schrill, fast hysterisch.

»Was ist denn los?«, erklang es schläfrig hinter ihm. Rolf warf sich herum und schüttelte den Freund, bis er die Augen aufschlug. »Hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu!«

Benommen richtete sich Burt auf. »Du machst einen Krach, als ginge die Welt unter«, knurrte er unwillig.

»Das würdest du auch, wenn du gesehen hättest, was ich gesehen habe.«

»Was denn?«

»Das werde ich dir zeigen. Komm! Ich will wissen, ob ich vielleicht doch träume.«

»Und deshalb weckst du mich? Wie spät haben wir's denn?«

»Keine Ahnung. Aber ich schätze, es müsste Mitternacht sein. Geisterstunde, mein Lieber! Und nun hocke nicht so lange rum. Es brennt!«

»Wo? Wir haben das Lagerfeuer doch ausgeschüttet. Mann, Rolf! Wenn du wüsstest ... Reißt mich aus dem schönsten Traum ...« Dann war er endlich wach, seine Augen blickten klar. »Wenn du wüsstest«, sagte er noch einmal. »Ich habe geträumt, ich hatte eine hübsche, attraktive Burgfrau kennengelernt. Papa Ritter war auf Reisen. Sofort habe ich mich telefonisch mit dem Schmied in Verbindung gesetzt, der mir einen Nachschlüssel für den unbequemen Gürtel anfertigen sollte. So ein Quatsch! Das musst du dir mal vorstellen! Mittelalter – und ich telefoniere!«

»Sieh dir das an, Mann, sieh dir das an«, rief Rolf, drehte den Kopf des Freundes herum und schob ihn durch die Zeltöffnung. »Was siehst du?«

Burt Taylor setzte schon an, eine witzige Bemerkung zu machen, aber da blieben ihm die Worte wie ein Kloß im Hals stecken. »Das gibt es nicht!«, würgte er hervor.

»Du siehst sie also auch. Sie kämpfen noch immer, nicht wahr?«

»Da kämpft niemand, Rolf, aber ...«

Sein Freund sah es, als er wieder hinausschaute. Der Blonde und der Kopflose waren verschwunden.

Rolf suchte die Stelle, wo der Kopf hingerollt war. Er war nicht da. Auch wenn es von den beiden Kämpfenden keine Spur mehr gab, war das schwarze, massige Gemäuer Grund genug, skeptisch und vorsichtig zu bleiben.

»Einer von uns träumt«, knurrte Burt Taylor und presste mehrfach die Augen zusammen. »Rückkehr in die Vergangenheit, Rolf! Ich habe in Science-Fiction-Romanen schon von Zeitreisen gelesen, aber dass es das wirklich gibt ...« Er nahm die ganze Sache noch immer nicht ernst.

»Das ist kein Traum, Burt!« Rolf erzählte aufgebracht, was er beobachtet hatte.

Beide verließen das Zelt, überquerten mit vorsichtigen Schritten den moosüberwachsenen Boden und näherten sich der schwarzen, drohend in die Höhe ragenden Burgmauer.

Burt tastete die kühlen Steine ab. »Ich fühle sie wirklich. Ich glaub, ich spinne.« Er kratzte sich am Kopf. Sein scheuer Blick ging hinüber zu seinem Begleiter, der den Boden neben der Mulde absuchte.

»Komm mal her«, rief dieser mit belegter Stimme. »Sieh dir das an!«

Die Geschichte mit den beiden – und nun verschwundenen – Degenfechtern schien zu stimmen. Burt tunkte seinen rechten Zeigefinger in das klebrige Nass. »Blut!«, murmelte er.

Eine große Lache breitete sich vor ihm aus und bedeckte Gras und Boden.

»Hierhin ist der Kopf gerollt. Nun ist er weg«, bemerkte Rolf mit schwerer Zunge.

Die beiden Freunde waren ratlos, verwirrt, erschrocken und neugierig.

Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, wollten sie es genau wissen.

Es fing an zu tröpfeln, aber das hielt sie nicht davon ab, die geheimnisvolle Burg, die sich aus Mauerresten wie ein schnellwachsender Pilz entwickelt hatte, näher anzusehen.

Sie umrundeten die Burg und bekamen erst so einen Eindruck von der Größe des Bauwerkes. Das Tor zum Burghof stand weit offen. Der große Platz lag totenstill vor ihnen.

Sie wollten sich gar nicht vorstellen, dass sie erst heute Mittag durch einen halbzerfallenen Torbogen gegangen waren, der sich nun massiv und wie neu gemauert darbot.

Das weite Quadrat der dicken Mauern umgab sie. Es regnete stärker, aber das Gewitter kam nur zögernd näher.

»Da!«, sagte Rolf und deutete mit einer Hand nach vorn.

Burt, der sich langsam im Kreis drehte, um alles besser erfassen zu können, sah in die Richtung. Hinter hohen, schmalen Fenstern auf der rechten Seite des Burghofes war schwacher Lichtschein zu erkennen.

Nachdenklich, aber auch neugierig, gingen die Freunde auf die steile Treppe zu und blieben vor einer hohen Tür stehen.

Die schwere, bronzene Klinke bewegte sich lautlos, als Rolf sie mit schweißnasser Hand herunterdrückte.

Die Tür schwang nach innen.

Sie kamen in einen langen Saal.

In den Fensternischen standen kleine Tische mit schweren Kerzenständern. Die Flammen warfen bizarre Schatten und Lichtreflexe an die hellen, hohen Wände. Dort hingen Schilde und Waffen. Am anderen Ende der Halle befand sich ein gewaltiger Kamin, davor mehrere nebeneinanderliegende Felle. Kein Mensch war zu sehen, alles war still. Eine Flasche Wein stand auf dem Tisch. Silbern blinkende Degen hingen gekreuzt neben einem Durchlass, der in einen dunklen Gang führte.

Wie im Traum gingen sie weiter.

Schlagartig wurde die Stille unterbrochen. Plötzlich lag das Klirren aneinanderschlagender Waffen wieder in der Luft.

»Es fängt wieder an«, stammelte Rolf erschrocken. »Genauso war es vorhin.«

»Das sehe ich mir an!« Burt lief zu dem Durchlass, fasste nach einem Kerzenständer und verschwand um die Ecke.

»Burt!«, rief sein Freund. »Warte!« Er griff nach einem an der Wand hängenden Schwert. Mit der ungewohnten Waffe in der Hand fühlte er sich gleich wohler. Sie verlieh ihm ein Gefühl der Sicherheit. Er folgte Burt zu einer Nische, von der eine steil gewundene Treppe in eine stockfinstere Tiefe führte. Hinter einer Säule rechts sah er flackerndes Kerzenlicht, das auf dem Mauerwerk spielte.

Dahinter bemerkte er einen langgezogenen Schatten, der von Burt stammen musste.

Die vorgezogene Mauer verbarg den nachfolgenden Raum.

Rolf machte sich gerade Gedanken darüber, welcher Kampf im Innern des gespenstischen Schlosses stattfand, als ein Schrei durch die Nacht hallte, auf den Totenstille folgte. Betroffen hielt er inne, dann stürmte er in die Dunkelheit.

»Buuuurt!«, schrie er entsetzt, als er sah, dass dessen Kerzenständer klappernd auf den steinernen Boden fiel. Eine Kerze verlöschte sofort. Die andere flackerte noch.

Mit schnellen Schritten war Rolf Weber heran und riss den Leuchter empor.

»Burt?«, fragte der Deutsche matt. Seine andere Hand umklammerte den Griff des Schwertes.

Der Saal, in dem er sich befand, musste riesig sein.

Zwei Schritte vor ihm saß jemand auf dem Boden. An dem blauen Hemd erkannte er, dass es sein Freund war. »Mann, Burt«, flüsterte er.

»Was ist denn los, warum ...?« Es blieb für alle Zeiten unausgesprochen, was er fragen wollte.

Burt Taylor erhob sich und kam auf Rolf zu.

Der hielt den Kerzenständer höher, um das Gesicht seines Gegenübers zu sehen. Eiskaltes Grauen packte ihn, und er glaubte, alles Leben würde aus seinem Körper weichen.

»Burt!«, gellte es aus seinem Mund, als er endlich wieder sprechen konnte. Der Freund hatte keinen Kopf mehr!

Dumpfes Gurgeln brach aus Rolfs Kehle.

Burt Taylor, der Kopflose, bewegte sich wie ein Roboter auf ihn zu. Seine Arme waren nach dem Freund ausgestreckt, und sie zuckten, als würden elektrische Stromstöße durch sie hindurchfahren.

Rolf Weber warf den Kerzenständer gegen diese gespenstische Erscheinung.

Als würde er erkennen, was geschah, reagierte Burt Taylors Torso blitzschnell – ohne Sinnesorgane! Ohne Augen!

Der Kerzenständer verfehlte sein Ziel, flog an dem Kopflosen vorbei und krachte auf den Boden. Ehe die beiden Flammen verlöschten, erkannte Rolf noch, dass der abgeschlagene Kopf seines Freundes dort lag und ihn mit großen Augen musterte.

Der Deutsche rannte, als wäre der leibhaftige Satan hinter ihm her.

Er jagte durch den folgenden Gang, erreichte den Rittersaal und stürzte auf die Tür zu, die ins rettende Freie führte. Kühle, feuchte Nachtluft schlug ihm entgegen. Rolf lief durch den Innenhof und hatte das Gefühl, als griffen tausend unsichtbare Finger nach ihm. Diese Nacht voller Schrecken stellte sein Weltbild auf den Kopf!

Es nieselte, und im Norden spaltete ein bizarrer Blitz die Nacht. Erst viel später war der Donner zu hören, immer noch sehr fern.

Rolf Weber hetzte durch das Tor und hielt die Waffe noch umklammert. Er rannte zu dem Zelt, blieb dort kurz stehen und sah sich nach eventuellen Verfolgern um.

Dieser Platz war verhext, verflucht! Hier konnte er nicht länger bleiben.

An einem Baum hatten sie ihre Räder abgestellt. Er riss seines an sich und schwang sich auf den Sattel.

Nur weg von hier! So schnell wie möglich.

Das Schwert war zu lang, es hinderte ihn beim Fahren, deshalb schleuderte er es von sich. Steil und holprig ging der schmale Pfad abwärts. Der junge Mann hatte Mühe, das Rad einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Mehr als einmal wurde ihm bei der rasenden und risikoreichen Fahrt der Lenker aus der Hand gerissen.

Da geriet er in ein Loch – das Vorderrad wurde herumgerissen und saß in einer Mulde fest.

Rolf flog über die Lenkstange, riss instinktiv die Arme hoch, um den Kopf zu schützen, aber seine Reaktion erfolgte einen Atemzug zu spät.

Mit voller Wucht krachte er gegen einen spitzen Stein, aber er spürte den Schmerz nicht mehr. Tiefe Bewusstlosigkeit hüllte ihn augenblicklich ein.

1. Kapitel

Er war immer sehr früh auf den Beinen. Sobald der Morgen graute, hielt ihn nichts mehr im Bett.

Walt McTobish lebte seit drei Jahren im House of Sunshine. Der Name klang verführerisch nach einer herrlich gelegenen Pension, nach Ruhe und Erholung. Ein bisschen von allem hatte es auch. Trotzdem wäre kein normaler Reisender auf die Idee gekommen, hier nach einer Unterkunft zu fragen.

House of Sunshine war ein Haus besonderer Art – psychisch Kranke fanden hier Aufnahme.

Walt McTobish litt unter Depressionen. In einem solchen Zustand hatte er vor seiner Einlieferung seine Frau angefallen und lebensgefährlich verletzt. Der rothaarige Schotte war nicht gemeingefährlich. Man musste ihn nicht in einer verschlossenen Zelle halten. Hier in der Anstalt war Walt ruhiger geworden. Die Ärzte waren mit seinem Zustand zufrieden, und das Pflegepersonal hatte wenig Arbeit mit ihm. Walt ging ihnen sogar zur Hand, räumte gebrauchtes Geschirr weg, und er erledigte Botengänge innerhalb der Anstalt.

Er durfte im Garten spazierengehen und brauchte keinen Bewacher.

Nur eines war ihm untersagt: jenen Bezirk der Anstalt zu betreten, den die weniger ernsthaft Kranken benutzen konnten. Dort gab es Ausgänge, von denen man in den nahen Wald und auf in die Berge führende Spazierwege gelangte.

Doch diesen Luxus genossen die wenigsten.

Walt McTobish gab sich mit seinen Spaziergängen im Garten zufrieden, der so großzügig angelegt war, dass man schon von einem Park sprechen musste.

Die Vögel zwitscherten, und das erste Tageslicht zeigte sich verstohlen im Osten. Walt trug einen blauen Trainingsanzug mit orangefarbenen Streifen. Das taufeuchte Gras raschelte unter seinen Schritten. Es war ein herrlicher Morgen, und er genoss in vollen Zügen die frische Luft, die hier in den Bergen herrschte.

Die nächste Autostraße lag meilenweit entfernt. Hierher kamen nur die Versorgungsfahrzeuge, die Autos der Angestellten und der Besucher. Hinter fast allen Fenstern war es noch dunkel. Die meisten Patienten schliefen noch.

Walt ging zwischen den Blumenbeeten spazieren, dann auf dem Rasen zwischen Bäumen und Sträuchern entlang.

Niemand befand sich in seiner Nähe, niemand kontrollierte ihn.

Er rieb seine rötliche Knollennase und lächelte stillvergnügt vor sich hin.

Anfangs hatte er getobt und geschrien, als er erkannte, dass er in einer geschlossenen Anstalt festgehalten wurde. Aber schnell merkte er, dass ihm dies nur zum Schaden gereichte. Also fing er es anders an. Er wurde ruhiger, ausgeglichener, schien sich in sein Schicksal zu fügen und vor allem zu erkennen, dass ihm hier die Welt nichts Böses wollte.

Schließlich war er ein Verrückter! Das glaubten alle. Nur er selbst nicht. Aber innerhalb einer solchen Anstalt war das schwer zu beweisen.

Eines war sicher: Er hatte eindeutig versucht, seine Frau zu töten. Psychiater hatten ihn untersucht, da seine Frau angab, dass er sie schon des Öfteren geschlagen habe. Das stimmte. Aber das hing damit zusammen, dass sie ihm den Whisky versteckt und schließlich in den Ausguss gekippt hatte.

Er war Trinker gewesen, und der reichlich genossene Alkohol, so sagten die Fachleute, hätte sein Ich und seine Intelligenz zerstört.

Walt war nicht mehr voll zurechnungsfähig, und sein ganzes Seelenleben eine einzige Ruine. Der Hass auf seine Familie hatte eine solche Form angenommen, dass er zu recht hier eingewiesen wurde. Eine Aussicht auf Entlassung bestand vorerst nicht. Es war zwar eine Besserung eingetreten, aber die Ärzte schoben das mehr der ruhigen und ausgeglichenen Zeit in diesem Heim zu, als der medikamentösen Behandlung.

Ein wenig gebückt, als würde eine Last auf seinen Schultern liegen, ging Walt McTobish durch den Park. Das Heimgebäude war nur noch andeutungsweise hinter den Blätterwänden wahrnehmbar.

Er schien allein in diesem grünen Paradies zu sein. Die aufgeworfenen, ein wenig rissigen Lippen des Dreiundfünfzigjährigen zuckten. Walt war aufs äußerste erregt, aber er ließ es sich nicht anmerken.

Heute war es soweit!

Seit Monaten arbeitete er an dem Plan, von hier zu verschwinden.

Dieser Teil des Gartens war von einer fünf Meter hohen steinernen Mauer umgeben. Unter normalen Umständen war sie unüberwindlich. Aber diese Umstände existierten seit einiger Zeit für Walt McTobish nicht mehr.

Hinter dem Buschwerk fand er auf Anhieb die Stelle, an der er gearbeitet hatte. Unter dem untersten Stein an der Mauer lag die Eisenfeile. Nur dieses eine Instrument hatte er an sich genommen, um die Gefahr, dass ein Fehlen von Bestecken und Geräten bemerkt würde, so gering wie möglich zu halten.

Er holte die Feile hervor und begann, die Fugen eines Steines nachzuziehen, der etwa einen halben Meter über dem Boden lag. Was aussah wie alter Mörtel, entpuppte sich als lockere Erde, die sich abkratzen ließ. Eine Weile später konnte er den Stein herausnehmen und hatte damit eine Kerbe in der Wand, die ausreichte, um seinen Fuß hineinzustellen.

Vorsichtig legte Walt den Stein auf den weichen Laubboden und reckte dann beide Arme weit in die Höhe. Auch hier oben befand sich bereits ein präparierter Stein, aus dessen Fugen er nur die feuchte, leicht angedrückte Erde entfernen musste. Der Stein fiel fast von selbst.

Die mühsame Kleinarbeit von Monaten trug nun ihre Früchte. Jetzt brauchte er nur noch zu ernten.

Walt McTobish stellte einen Fuß in die unterste Kerbe und hielt sich mit der anderen Hand oben fest. In der Mitte saßen weitere gelockerte Steine, die er Millimeter für Millimeter aus dem Mörtel löste. Auf diese Weise entstanden in bestimmten Abständen Stufen, die er wie eine Treppe benutzen konnte.

Walt stand in drei Metern Höhe über dem Boden. Mit den Fingern seiner linken Hand krallte er sich kräftig in die Kerbe über ihm, mit der anderen Hand stocherte er in Hüfthöhe einen gelockerten und mit dunkler Erde getarnten Stein aus den Fugen. Er machte sich jetzt nicht mehr die Mühe, die Steine einzeln nach unten zu bringen, achtete aber darauf, dass sie nicht aufeinanderfielen. Solche Geräusche durften nicht auf sein Tun aufmerksam machen.

Mechanisch arbeitete er sich nach oben, erreichte das Ende der Mauer und setzte sich darauf. Sein Körper war schweißüberströmt, und das rötliche Haar klebte auf seiner Stirn.

Trotzdem gönnte er sich keine Ruhe.

Es ging auf der Außenseite der Mauer weiter. Gleich in Reichweite befand sich der nächste Stein, der sich leicht herausschieben ließ. Der letzte, der zweieinhalb Meter über dem Erdboden gelockert werden musste, lag nun vor ihm. Aus dieser Höhe musste er springen. Das traute er sich zu. Aus noch größerer Höhe war es ihm zu riskant, und er fürchtete, sich zu verletzen. Dies wäre gleichbedeutend mit einer Rückkehr in das House of Sunshine. Und genau davor grauste ihm.

Mit der Feile kratzte er die Fugen tiefer. Zehn Minuten vergingen, zwanzig, eine halbe Stunde – es wurde heller.

Der Schweiß tropfte von Walt McTobishs Stirn, denn er benötigte mehr Zeit, als er berechnet hatte.

Im Haus wurde es lebendig. Ein Fahrzeug fuhr vor. Die ersten Angestellten trafen ein. Helles Lachen und ferne Stimmen klangen an sein Ohr.

Walt wurde nervös und musste sich zur Ruhe zwingen.

Noch eine Viertelstunde – wie endlos lange diese Zeit sein konnte!

Aber dann war es soweit.

Der Stein plumpste aus der Mauer heraus.

Es eilt!, schoss es ihm durch den Kopf. Kurz taxierte er die Entfernung zum Boden – und sprang ...

Er blieb minutenlang im Gras sitzen. Gleich hinter der Mauer begann der Wald.

Walt McTobish wusste, dass er sich in die Berge absetzen und so schnell wie möglich von dort weiter musste. Gerade in der näheren Umgebung würde man mit der Suche beginnen, sobald einer sein Fehlen bemerkte.

Der Mann, von dem man während der Verhandlung nie erfahren konnte, weshalb er seine Frau umbringen wollte, tauchte im Gebüsch unter.

Die Sonne brannte auf sein Gesicht, und Rolf Weber blinzelte.

Es dauerte einen Moment, bis er merkte, dass er nicht im Zelt lag, sondern auf hartem, steinigem Boden. Alles tat ihm weh. Sein Schädel dröhnte, und der Deutsche fühlte die dicke, blutverkrustete Beule an der Stirn.

Der Sturz hatte ihm zugesetzt, aber seine Erinnerung funktionierte einwandfrei. Klar und deutlich stand alles vor ihm.

Traum? Wirklichkeit? Hatten sie gestern Abend zu viel getrunken? War er nachher im Dusel durch die Gegend marschiert und wusste von allem nichts mehr? Sonderbare Dinge kamen ihm in den Sinn. Der Torso des Freundes, die beiden Fechter, von denen der eine kopflos weitergekämpft hatte.

Was für verrückte Bilder sich ihm aufdrängten!

Jetzt, am Tag, waren die Schrecken der Nacht wie weggewischt, und er sah alles in einem anderen Licht. Es gab sicher eine Erklärung dafür.

Rolf rieb sich den Schädel, blieb aber noch auf dem harten Boden hocken. Er schüttelte sich und versuchte sich zu erheben. Da vernahm er knirschende Schritte. Ein Schatten fiel über ihn. »Na, wunderbar«, sagte eine Stimme. »Sie haben es ja ganz von allein geschafft. Da brauche ich gar nicht nachzuhelfen.«

Rolf Weber warf den Kopf herum.

Er sah einen jungen, braungebrannten Mann, etwa dreißig Jahre alt, der einen sympathischen Eindruck machte. »Ich bin gekommen, um Sie zu verarzten«, erklärte der Fremde, der mit kräftigen, ausholenden Schritten den Pfad bezwang. Er trug einen Verbandskasten und lachte. »Vorhin habe ich Sie geschüttelt und auf die Wangen geschlagen, aber Sie kamen nicht zu sich. Hier, nehmen Sie einen Schluck!« Mit diesen Worten reichte er ihm eine kleine Flasche Whisky. »Das wirkt manchmal Wunder, weckt die Lebensgeister.« Der Fremde ging neben ihm in die Hocke, stellte den Verbandskasten ab und fuhr fort: »Übrigens, mein Name ist Larry Brent.«

»Rolf Weber!« Er nahm einen kräftigen Schluck, und der Alkohol brannte wie Feuer in seiner Kehle. Rolf schüttelte sich, und sein Gesicht lief rot an. »Wie haben Sie mich gefunden, Mister Brent?«

Larry deutete auf das Gebüsch, das den steilen, steinigen Pfad säumte.

»Ich habe das Fahrrad von der Straße unten gesehen, und das kam mir komisch vor. Sie müssen wie von Sinnen den Pfad herabgefahren sein. Das Vorderrad ist böse ramponiert. Fühlen Sie sich morgens immer so aktiv, dass Sie wie wild durch die Gegend radeln?« Die Frage klang lustig aus Larrys Mund. Auf der unteren Straße hatte er seinen Wagen abgestellt, um hier nach dem Rechten zu sehen.

Er behandelte die Schürfwunden des Verletzten, dessen Hände und Arme damit übersät waren. Das Gesicht war besonders betroffen. »Sieht gerade so aus, als läge Ihr Unfall schon einige Stunden zurück.«

Rolf Weber nickte. »Es war nicht heute Morgen, es muss heute Nacht passiert sein. So etwa um zwölf.«

»Wissen Sie, wie spät es jetzt ist?«, fragte X-RAY-3, während er seinen Verbandskasten zuklappte.

»Keine Ahnung.«