Larry Brent Classic 055: Dr. Satanas - Dan Shocker - E-Book

Larry Brent Classic 055: Dr. Satanas E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Die Gehirne des Dr. Satanas Der geniale Gehirnchirurg Dr. Frank Mallert ist tot. Tot und begraben! Doch niemand weiß, dass ein Teil seines Körpers - sein Gehirn - über den Tod hinaus lebt. Mallert wollte beweisen, dass das menschliche Gehirn auch ohne Körper weiterleben und sich seiner Umwelt anpassen kann. Im Geheimen kann Dr. Frank Mallert mit Hilfe seines Freundes Dr. Philip Racker und seiner Ehefrau Daisy das Unglaubliche vollbringen. Doch der teuflische Dr. Satanas erfährt von dem Schicksal des Chirurgen und übernimmt das Experiment. Der grausame Menschenfeind koppelt mehrere Gehirne aneinander und schafft eine neue Dimension des Grauens. Das HIRN entwickelt unglaubliche Fähigkeiten. Es zwingt Menschen unter seine geistige Kontrolle und steuert sie. Larry Brent muss die Gehirne des Dr. Satanasstoppen. Satanische Klauen Unheimliche Dinge ereignen sich in der Nähe des französischen Dorfes Relance. Nach einem Discobesuch werden die junge Ninette Mosque und ihr Liebhaber Raoul Valeau, der Sohn eines bekannten Filmemachers, von einem furchterregenden Wesen angegriffen. Sie können dem Zorn des Feuerwesens nur knapp entkommen. Larry Brent, Erfolgsagent der PSA untersucht den Fall, während seine Kollegin Morna Ulbrandson, alias X-GIRL-C gleichzeitig in einem ähnlichen Todesfall ermittelt. Sie ahnen nicht, dass die Ereignisse mit einem unheimlichen Erlebnis von Josephine Bandelle in Zusammenhang stehen. Als diese auf dem Heimweg glaubt, ein Kind läge vor ihr auf der Straße, hält sie an, um zu helfen. Doch das Kind ist in Wirklichkeit eine Puppe. Voller Angst fährt die Französin nach Hause, bis sie auf dem Rücksitz drei abgetrennte Finger entdeckt. Larry Brent und Morna Ulbrandson können die Zusammenhänge enträtseln, doch das flammende Inferno ist nicht mehr aufzuhalten.

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DAN SHOCKERS LARRY BRENT

BAND 55

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Fachberatung: Robert Linder

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Titelbildgestaltung: Mark Freier

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

978-3-95719-855-6

Dan Shockers Larry Brent Band 55

DR. SATANAS

Mystery-Thriller

Die Gehirne des Dr. Satanas

von

Dan Shocker

Prolog

Er sah, wie sein Leib in den Sarg gelegt wurde, wie er drei Tage später in der dunklen Grube verschwand und dumpf dröhnend die feuchte, schwere Erde dieses verregneten Junitages auf den Sargdeckel klatschte.

Das alles hatte er mitbekommen. Seine Zellen waren noch nicht alle abgestorben gewesen. Dies war ein Beweis für seine Theorie, dass es über den Tod hinaus eine Verbindung zu dem Leib gab, der ihm siebenundvierzig Jahre lang als Hülle gedient hatte. Aber er war nicht nur reiner Geist. Etwas von seinem Leib lebte noch. Das wichtigste aller Organe. Das Hirn.

Er dachte, fühlte und nahm Bilder auf. Aber es waren Bilder aus seiner Erinnerung. Er wusste, dass er an einer komplizierten Apparatur angeschlossen war, dass er gehegt und umsorgt wurde, dass sein großartiges Hirn in einer Flüssigkeit schwamm, die es ständig umspülte, die ihn mit Nahrung und Sauerstoff versorgte. Er hätte zu gern gewusst, wie das aussah. Aber den Blick nach außen, den gab es nicht. Er besaß keine Augen mehr. Alles war wie ein Traum. Und langsam wurde sein Dasein zu einem Alptraum.

»Ich fühle meine Beine, ich möchte gehen, aber ich habe keine mehr, mein linker Arm schmerzt, etwas stimmt nicht, denn ich habe keine Arme mehr. Ich möchte etwas sagen, die Worte liegen mir auf der Zunge, ich kann nicht aussprechen. Ich bin nur noch Hirn. Ich muss mich ihnen bemerkbar machen, ihnen mitteilen, dass ich nicht mehr leben will, so nicht mehr ...«

Ihnen – das waren Daisy, seine Frau, und Philip, sein Freund und Kollege aus dem St. Anne's Hospital, der die Operation vorgenommen hatte.

»Ich möchte tot sein! Schaltet die Apparatur ab!«, schrie es in ihm. »Könnt ihr mich denn nicht hören? Daisy? Phil? Macht ein Ende! Ich habe alles falsch gemacht. Es lohnt sich nicht, so zu leben ... ein Leben ohne Körper!« Zweifel stiegen in ihm auf. Ängste. Die Martern kamen wieder. Entsetzliche Schmerzen peitschten ihn. Er fühlte so, als ob sein Körper noch existiere. Er wollte den Tod überwinden. Er hatte ihn überwunden! Nun bereute er sein Vorgehen. Nun würde alles nach dem Plan ablaufen, den er mit Daisy und Phil besprochen hatte, als er sich entschied, die Operation durchführen zu lassen. Er konnte sich jedoch nicht bemerkbar machen. Er war allein in seiner stillen, dunklen Welt, die nur von den Bildern seiner Erinnerung erhellt wurde.

1. Kapitel

»Das Hirn denkt«, sagte Dr. Philip Racker im gleichen Augenblick. Gemeinsam mit der Frau des operierten Freundes stand er vor den blitzsauberen Armaturen. Der Generator summte, Kontroll-Lämpchen glühten, der Raum war eine Mischung zwischen Operationssaal und Labor und befand sich im Haus des toten Professors, der seinen Tod überlistet hatte.

Phil Racker war einige Jahre älter als sein Kollege Mallert, in dessen Haus er zu dessen Lebzeiten ein- und ausgegangen war und nun weiterhin verkehrte. Dies aus zwei Gründen: erstens wegen der Durchführung des Experiments. Racker hatte sich verpflichtet, den Fortgang des risikoreichen Unternehmens zu überwachen und zu einem guten Ende zu führen. Dieses gute Ende sollte darin bestehen, das Gehirn eines Tages so weit zu bringen, dass es eine Möglichkeit der Kommunikation fand, die sich nicht nur auf dem Oszillographenschirm ablesen ließ. Als Mallert den entscheidenden Schritt ging, sich von seinem todkranken Körper zu trennen, war er überzeugt davon, dass er eines Tages wieder in der Lage sein würde, sich mitzuteilen, nicht nur zu denken, sondern seine Gedanken in hörbare Worte umzusetzen. Frank Mallert war stets überzeugt davon gewesen, dass die hochentwickelten grauen Zellen in der Lage sein würden, die Funktionen anderer Zellen zu übernehmen. Dies alles sei nur eine Frage der Zeit. Eine solche Entwicklung brauche vielleicht hundert oder zweihundert Jahre. Vielleicht auch tausend oder zehntausend. Ebenso gut aber könne sich bereits nach einem oder zwei Jahren schon eine Veränderung auf dem Weg dorthin zeigen. Dies sollte Racker beobachten und eine wissenschaftliche Studie darüber anfertigen.

Der zweite Grund, weshalb Racker jede freie Minute erübrigte, war Daisy Mallert. Die Frau des Kollegen hatte es ihm angetan. Daisy Mallert war eine ausgesprochene Schönheit. Volles, halblanges, dunkles Haar rahmte ihr rassiges Profil, und mit ihren zweiundvierzig Jahren war sie eine reife, gutaussehende Frau, Typ Gina Lollobrigida, die sich ihres Aussehens und ihrer Wirkung auf die Männer sehr wohl bewusst war. Daisy Mallert machte nicht den Eindruck der trauernden Witwe. Der Mann, den sie liebte, war am Leben. Das war Phil Racker. Ihr Ehemann hatte von der Verbindung nichts bemerkt. In dieser Beziehung war er ein rechter Trottel gewesen, der nur seine Forschungen im Kopf gehabt hatte und seine Frau darüber vernachlässigte.

Daisy Mallert stand neben dem Mann, den sie liebte, und ihre Augen waren auf den fußballgroßen Schwamm gerichtet, der in dem rechteckigen Behälter schwamm. Das Gehirn ihres toten Gatten. Farbige Kabel ragten aus der Deckplatte und verschwanden hinter silbern schimmernden Metallflächen. Die Nährflüssigkeit hatte einen leicht grünlichen Schimmer. Rechts neben dem Behälter mit dem lebenden Hirn befand sich ein runder Bildschirm, über den ständig Kurven liefen. Schwächer werdend, stärker ausgeprägt. Elektrische Ströme. Sie bewiesen, dass das Hirn noch lebte, dass es funktionierte. Ein leises Lächeln umspielte die Lippen der schönen Frau. »Was mag wohl jetzt in seinem Kopf vorgehen?«, flüsterte sie. Sie redete immer so, als ob es Frank wirklich gäbe, als ob er noch am Leben sei. Sie redete von seinem Kopf. Aber es existierte nur noch das Gehirn.

»Wir wissen es nicht. Wir können es nur erraten.«

Sie sah zu Phil auf. Er war ein stattlicher Mann mit breiten Schultern, einem athletischen Körperbau und einem energischen Mund. Ein Mund, der küssen konnte wie kein zweiter. In diesen Armen, unter diesem Körper war sie noch mal zur Frau geworden. Aber selbst ihr Aufblühen war Frank entgangen. In den letzten Monaten vor seinem Tod – falls man davon sprechen konnte – war er mehr denn je nur noch mit sich selbst beschäftigt gewesen.

»Ob er über uns nachdenkt?«, fragte sie leise.

»Vielleicht.«

»Er hat nie etwas geahnt. Aber vielleicht merkt er jetzt etwas.«

»Mhm.« Racker legte seinen Arm um ihre Schulter und drückte sie an sich.

»Schon möglich. Wir sehen nur die Kurven und merken: er denkt. Aber was hinter diesen Kurven steckt, das entzieht sich unserer Kenntnis.«

Daisy Mallert lächelte noch immer, und ein verführerischer Schimmer lag in ihren Augen. »Jetzt – jetzt werden sie wieder ganz stark.« Die grünen Striche auf dem Schirm zuckten heftig auf und ab. »Sieht aus, als ob er wütend sei«, fügte sie hinzu.

»Daraus erkennen wir, dass das Gehirn voll aktiv ist, dass es nicht schläft.

Wenn es ruht, sind die Kurven ganz flach und schlagen kaum aus.« »Vielleicht ärgert er sich.« »Möglich.« »Wenn wir sprechen, gibt es Schwingungen. Es könnte sein, dass er diese Schwingungen spürt.« »Das wäre möglich. Wenn seine Theorie stimmt, müssten seine grauen Zellen Ohren bekommen, um zu hören und einen Mund, um zu sprechen.« Sie lachte. »Ich stell mir das gerade illustriert vor. Er würde ulkig aussehen.« »Vielleicht würde man äußerlich nicht mal allzu sehr etwas davon bemerken, Daisy. Die Zellen würden Funktionen übernehmen, das ist alles. Aber wenn du mich fragst, halte ich Franks Theorien für leicht überspannt. Die Zeitspanne, um eine solche Entwicklung einzuleiten, ist zu groß. Das ist meine Meinung. Alle unsere Organe sind dafür vorgesehen, sehr alt zu werden. Hundertfünfzig oder zweihundert Jahre kann man als Durchschnittsalter annehmen. Doch jetzt kommt das große Aber. Es braucht durch eine Krankheit, durch eine erbbedingte Situation ein Organ vorgeschädigt zu werden, dann fällt dieses Organ früher aus. Ein Rädchen greift ins andere. Die anderen Organe werden überstrapaziert und verschleißen schneller. Krankheiten treten auf. Der Mensch stirbt. Bei einigen dauert dieser Vorgang vierzig oder fünfzig Jahre, andere können achtzig, neunzig oder auch hundert Jahre alt werden. Das bedeutet schon viel für ein Menschendasein. Frank ging von dem Gedanken aus, dass sein Hirn kerngesund sei, dass es ein Alter von rund zweihundert Jahren erreichen könne. In der Theorie mag das stimmen. Nehmen wir an, Franks Hirn lebt noch hundertfünfzig Jahre, dann werden wir längst nicht mehr sein, und wir werden nie erfahren, was aus diesem irrsinnigen Experiment geworden ist. Er hat uns in seinem Testament untersagt, irgendetwas zu unternehmen, was ihn schädigen oder verletzen könnte. In diesem Testament steht außerdem, dass wir verpflichtet sind, einen jungen Spezialisten, der sich auf dem Gebiet der Hirnforschung und -chirurgie einen Namen machen wird, in das Experiment beizeiten einzuweihen, damit er eines Tages meine Stelle übernehmen kann. Er hat weit vorausgedacht, dein Mann!«

»Das hat er immer. Darüber hat er stets den Augenblick vergessen. Ich hoffe, du wirst niemals so, dass dir dieses Experiment wichtiger ist als ich, Phil.« Sie richtete die dunklen Augen auf ihn. »Mein Mann hat dir den Löwenanteil seines Vermögens vermacht, um das Experiment auf eine gesicherte finanzielle Basis zu stellen. Mich hat er mit einer monatlichen Rente bedacht, die sich sehen lassen kann. Kleinlich war er nie. Das muss man ihm lassen. Ich habe zehn Jahre meines Lebens an der Seite eines besessenen Forschers und erfolgreichen Gehirnchirurgen gelebt. Ich weiß, was es heißt, von einer Idee besessen zu sein! Ich kann mir vorstellen, dass du nicht mehr schlafen konntest, als Frank dich zu seinem Vertrauten und Hüter machte. Ein solches Angebot gibt es nur einmal in tausend Jahren. Meine Zustimmung habt ihr beide nicht gebraucht. Das war auch nicht nötig. Du kannst zufrieden sein. Dir ist die Operation gelungen, und Franks Hirn lebt, auch über den Tod seines Körpers hinaus. Du kannst dich um den Fortlauf des Experimentes kümmern, du musst dich darum kümmern! Aber, Phil, verfalle nie auf die Idee, nur noch dafür da zu sein. Sollte ich merken, dass du mich wegen Frank vernachlässigst, werde ich kurzerhand die Kabel herausreißen.« Mit diesen Worten griff sie blitzschnell nach drei roten Kabeln, die sich genau in der Mitte der metallischen Abdeckplatte befanden und umfasste sie.

Eiskalt lief es Phil Racker über den Rücken. »Daisy! Nicht!«, rief er. Seine Hand umklammerte ihr Armgelenk, und langsam lösten sich ihre schlanken Finger von den lebenserhaltenden Leitungen.

»Nur eine Demonstration! Du sollst es wissen. Das Gehirn wird sterben, wenn du mich darüber vergisst! Ich bin keine Mörderin, Phil. Frank ist tot. Alle Welt weiß das. Und einen Toten kann man doch nicht zweimal sterben lassen, nicht wahr?«

Etwas Bedrohliches lag in ihrer Stimme, aber er hörte es nicht heraus, wollte es nicht hören. Die Angst davor, seine Zuneigung, seine Liebe zu verlieren, musste so groß sein, dass sie sich zu einer solchen Drohung hinreißen ließ. »Du brauchst keine Angst zu haben«, flüsterte er in ihr Ohr und führte seine Hand zärtlich über ihren Kopf. »Ich werde nie so besessen sein, wie Frank das war, das verspreche ich dir.« Sie küssten sich – vor dem Glasbehälter, in dem das graue, schwammartige Gebilde hing, das Hirn Dr. Mallerts.

»Komm, nicht hier«, wisperte sie und berührte beim Sprechen zärtlich weiterhin seinen Mund mit ihren Lippen. »Nicht hier, vor seinen Augen.«

»Er kann uns nicht sehen.«

»Wer weiß? Vielleicht entwickeln sich seine Zellen schon. Oben ist es gemütlicher.«

Sie ließen das geheime Labor, das nur ihnen bekannt war, hinter sich. Mallerts Haus lag inmitten einer reinen Wohngegend. Großzügige Grundstücke befanden sich hier und keine Verkehrsstraße. Der nächste Nachbar lag mehr als fünfhundert Meter vom Anwesen entfernt. Dichter Baum- und Buschbestand umringte das Haus. Von der Straße aus sah man mehr Grün als Hauswand und Fenster. Angenehmes Dämmerlicht erfüllte die Räume. Daisy Mallert knipste kein Licht an. Sie genoss diese Stimmung. Ein schwerer Portwein passte dazu. Er heizte ihr Blut auf. Die beiden tauschten Zärtlichkeiten aus und sprachen kaum ein Wort miteinander. Er entkleidete sie, zuerst die Bluse, dann den Rock. Ihre langen, festen Beine schälten sich wie helle, aus Marmor gemeißelte, wohlgeformte Säulen, die man enthüllte, aus dem Rock. Dann folgten der BH und ihr Höschen. Als Daisy splitternackt vor ihm stand, nahm Phil sie auf seine Arme und trug sie auf den weichen, flauschigen Teppich vor dem offenen Kamin ...

Zwei Stunden gehörten ihnen. Um neun Uhr verließ Phil Racker das Haus, um seinen Dienst anzutreten. Der begann um zehn und endete am anderen Morgen um sechs. Im Morgengrauen wollte Phil Racker zum Frühstück wieder zurück sein. Die Welt war in Ordnung. Phil Racker und Daisy Mallert hatten ihre eigenen Vorstellungen und Wünsche. Aber sie hatten die Rechnung ohne Dr. Satanas gemacht. Der Menschenfeind lag auf der Lauer, und sie wurden in den Strudel unheimlicher Ereignisse gerissen, die durch Frank Mallerts ungeheuerliches Experiment ausgelöst wurden.

Wie ein Schatten huschte der Mann durch den Garten und sah, wie sich die Tür öffnete. Dr. Racker nahm Abschied von der Geliebten. Sie küssten sich. Die Schritte des Gehirnchirurgen hallten auf dem Plattenweg. Die Gartentür klickte. Dem Fremden entging nichts. Seit Tagen lag er auf der Lauer und wusste, wie die Menschen in diesem Haus zueinander standen und was dort vorging. Er wartete, bis Phil Rackers Wagen sich entfernt hatte. Dann löste er sich aus dem Versteck, kletterte über den Gartenzaun und näherte sich auf ganz normalem Weg dem Haus. In seiner Tasche trug er einen Nachschlüssel. Den hätte er benutzen können wie in den letzten Tagen auch, aber heute tat er das nicht. Diesen Schlüssel hatte er gebraucht, um heimlich ins Haus und vor allen Dingen ins Labor einzudringen. Weder Daisy Mallert noch Philip Racker ahnten etwas von diesem gefährlichen Mitwisser, der den Fortgang des Experiments verfolgt hatte und nun die Zeit für gekommen hielt, einzugreifen. Dr. Satanas war durch die Niederschriften, die in einem speziellen Tresor im Labor lagerten, aufs Genaueste informiert. Er wollte sich Mallerts Ideen zunutze machen. Man konnte da etwas tun, woran Frank Mallert nicht gedacht hatte ...

Ein teuflisches Grinsen lag um die schmalen Lippen des bleichen Mannes, dessen Blässe durch das dunkle, flache Haar nur noch unterstrichen wurde. Er klemmte seine Aktentasche, in der sich einige wichtige Utensilien befanden, fester unter den Arm und klingelte. Eine Minute verstrich. In der Sprechanlage knackte es.

»Ja, bitte? Wer ist da?«, fragte Daisy Mallert mit sanfter Stimme.

»Ein Freund Ihres Mannes, Mrs. Mallert. Dr. Satas.«

»Dr. Satas?«, echote die Frau des toten Professors. »Ich erinnere mich nicht, ich ...«

»Das kann ich mir denken«, fiel Satanas ihr ins Wort. »Frank und ich – wir kennen uns noch aus unserer Studienzeit. Ich bin zufällig auf der Durchreise. Durch einen Bekannten erfuhr ich, dass sich Frank hier in Kalifornien niedergelassen hat. Ich habe seinen Namen und seine Telefonnummer aus dem Telefonbuch. Erst wollte ich anrufen und mich anmelden, aber dann dachte ich mir, die Überraschung wäre perfekter, wenn ich einfach auftauche. Wir haben uns zwanzig Jahre nicht gesehen. Frank wird Augen machen. Ist er zu Hause?«

Ein langes Atmen war alles, was aus dem Lautsprecher drang. Dann: »Ja, er würde sich bestimmt sehr freuen, einen alten Bekannten nach so langer Zeit wiederzusehen, Doktor. Nur, fürchte ich, wird das nicht gehen.« Pause ...

Satanas grinste. Er wusste, weshalb das nicht ging. Aber er spielte den Überraschten. »Es geht nicht?«

»Nein. Am besten Sie kommen herein, Dr. Satas. Ich werde Ihnen alles erklären. Bitte, gedulden Sie sich einen Moment! Ich muss mir schnell etwas überziehen. Ich war dabei, ins Bett zu gehen.«

Sie wirkte ernst, vornehm und kühl. Daisy musterte ihn von Kopf bis Fuß mit einem schnellen, unauffälligen Blick. Dieser Mann mit den tiefliegenden, stechenden Augen und den schmalen Lippen gefiel ihr nicht. In seiner Nähe fühlte sie sich unsicher und bedrückt. Daisy Mallert fragte sich, ob es richtig gewesen war, den Besucher einzulassen. Der Gedanke kam ihr, sich seinen Ausweis zeigen zu lassen, aber diese Idee ließ sie ebenso schnell wieder fallen, wie sie ihr gekommen war. Dr. Satas wusste so viele Einzelheiten aus der gemeinsamen Studienzeit zu berichten, dass er doch mit Frank zu dessen Lebzeiten zusammen gewesen sein musste und nicht ein raffinierter Vertreter war, der sich durch einen Trick Einlass ins Haus der Witwe verschafft hatte. In der letzten Zeit machten nämlich Trickbetrüger die Gegend unsicher.

Daisy Mallert erklärte dem Gast die Zusammenhänge.

»Frank – tot?« Satanas spielte den Betroffenen. Das Schauspiel ging über die Bühne, und Daisy Mallert merkte nicht, dass sie zum Mitspielen gezwungen wurde. Sie bot ihrem Gast einen Drink an und ließ sich dazu überreden, ebenfalls ein Glas zu nehmen. Satanas plauderte von der angeblichen gemeinsamen Vergangenheit, und sie wünschte sich, allein zu sein. Nur mit halbem Ohr hörte sie zu. Dies interessierte sie alles nicht. Aber Daisy Mallert wollte nicht unhöflich sein. Sie machte gute Miene. Satanas griff nach einer Zigarettenschachtel und bot der Frau des Gehirnchirurgen Mallert ein Stäbchen an. Sie lehnte ab. Er suchte nach Streichhölzern, hatte aber keine dabei. Dies war nur der Vorwand, um sie vom Tisch zu locken. Daisy Mallert musste draußen welche holen.

Satanas hatte Zeit gewonnen. Er brauchte nur drei Sekunden. Mit schneller Hand schüttete er ein vorbereitetes Pulver in das Glas seiner Gesprächspartnerin. Geruch- und geschmacklos löste sich das Präparat sofort auf. Die schöne Frau kam zurück und reichte ihrem Besucher Feuer. Gemeinsam tranken sie ihre Gläser leer, und Satanas erhob sich, um sich zu verabschieden. Wie aus weiter Ferne nahm Daisy Mallert seine Stimme wahr. In ihren Ohren hallte und dröhnte es. Die Bilder vor ihren Augen waren perspektivisch verzerrt. Sie sah ein großes, blasses Gesicht wie einen Mond vor sich aufleuchten. Die Augen waren unnatürlich groß und tief, wie in einem Totenschädel. Sie merkte, dass irgendetwas mit ihr geschah und wollte schreien. Aber kein Laut kam über ihre Lippen. Sie wollte sich erheben, fühlte sich aber schwach und hilflos. Das Gesicht vor ihr grinste teuflisch. Das Mittel wirkte. Dr. Satanas, der mit Menschenleben und Schicksalen spielte, hatte noch mehr auf Lager. Daisy Mallert ahnte nichts von dem Schrecklichen, das sie erwartete. Es war ihre erste Begegnung mit diesem Mann, von dem niemand wusste, woher er kam. Sie hatte nie etwas von Dr. Satanas gehört. Das war kein Wunder. Wer ihm begegnet war, wessen Nähe er suchte, der war nicht mehr am Leben. Die Zweiundvierzigjährige kippte langsam auf die Seite. Dr. Satanas tat nichts, um zu verhindern, dass sie vom Stuhl fiel. Daisy Mallerts Augen waren weit aufgerissen, als wolle sie alles in sich aufnehmen, was sich um sie herum abspielte. Aber ihre Pupillen empfingen kein Licht, ihr Gehör keine Geräusche mehr. Damit wurde sie zum willenlosen Werkzeug des Menschenhassers, der stets unerwartet und grausam zuschlug, der kein Herz hatte und keine Skrupel kannte. Dr. Satanas stand mit den Dämonen und dem Teufel im Bund. Die PSA, die geheimnisvolle Psychoanalytische Spezialabteilung, die in einem geheimen Kellergeschoss eines namhaften Tanz- und Speiselokals von New York etabliert war, wusste als einzige Verbrechen und Verbrecher bekämpfende Organisation von der Existenz dieses Mannes, der als Mensch auftrat, aber niemals Mensch sein konnte. Dr. Satanas war der vielgesuchte Mann ohne Gesicht, der Mann mit den tausend Gesichtern, der Mann, der alles sein konnte und den doch niemand kannte.

Er streifte den eleganten, flauschigen Mantel von den Schultern der schönen Frau. Darunter trug Daisy Mallert kein weiteres Kleidungsstück. Er zog die Witwe kurzerhand ins Bad. Dort spielte sich ein Ritual ab, das tausendmal exerziert zu sein schien. Jeder Handgriff saß. Daisy Mallert rutschte in die Wanne, und wie durch Zauberei hielt der unangenehme Besucher plötzlich ein kleines Messer in der Hand, mit dem er von der Stirn der Betäubten ein kleines, daumennagelgroßes Stück Haut herauslöste. Frisch und blutig, wie es war, klebte er es sich oberhalb der Nasenwurzel zwischen die Augen. Ohne sich zu beeilen, drückte er dann den Gummipfropfen in das Abflussloch der Badewanne und holte aus der dunklen Tasche, die er mitgebracht hatte, ein braunes Fläschchen. Den Inhalt schüttete er einfach über die Professorenfrau und kümmerte sich nicht weiter um das, was die hochwirksame Säure mit dem Körper Daisy Mallerts anrichtete. Der ruchlose Mörder wandte sich dem großen Badezimmerspiegel zu und begutachtete genau sein Aussehen. Ein paar Tropfen einer öligen Flüssigkeit rieb er mit seinem Zeigefinger auf das fremde Hautstück und verstrich es von dort aus dann kreisförmig über die ganze Stirn. Leise murmelte er dabei geheimnisvolle, dumpf klingende Worte vor sich hin. Die Haut verfärbte sich, wurde erst rötlich, dann gelb. Wie ein Nebel legte sich der Dunstschleier, der plötzlich entstand, über sein Gesicht. Die Haut wurde weich und schwammig, und die Sinnesorgane waren in dem gelblichen Teig nur noch andeutungsweise zu erkennen. Die ursprünglichen Gesichtszüge lösten sich auf. Satanas hob beide Hände und näherte seine spitzen Finger vorsichtig den Backenknochen. Er konnte die teigige, formlose Masse, die aussah, als hätte eine fressende Säure auf seine Haut eingewirkt, wie eine Maske von seinem Kopf lösen. Ein gesichtsloses Wesen stand vor dem Spiegel, und jeder, der ihn jetzt hätte sehen können, wäre zu Tode erschrocken. Was unter der abgelösten Fleischschicht zum Vorschein kam, war ein grauer, formloser und blasenwerfender Sumpf. Nur etwas erinnerte noch an Haut: das winzige Stück, das er aus Daisy Mallerts Stirn herausgenommen hatte. Das frische, lebende Gewebe auf einem grauen Untergrund. Unablässig murmelten Satanas' Lippen unverständliche magische Worte. Die Beschwörungsformeln durchsetzten wie dämonischer Atem die Luft im Bad. Der unheimliche Mörder beschwor die Geister des Dämonenreiches. Die Unsichtbaren kamen! Er spürte die Veränderung in der Luft. Sie konnten sich dem Bann der beschwörenden Worte nicht entziehen, der ihre schreckliche Existenz bestimmte. Das Licht im Badezimmer sah plötzlich aus, als würde es gefiltert. Die Atmosphäre war wieelektrisch geladen. Es lag etwas in der Luft. Unruhe, Ängste und Beklemmung würden einen Außenstehenden befallen haben, wäre er Zeuge dieses Vorgangs gewesen. Unsichtbare Kräfte wurden wirksam. Die Zellen von Daisy Mallerts Haut vermehrten sich. Tausendmal schneller als ein Krebsgeschwür wuchert, verteilten sich die Zellen auf dem formlosen Brei und brachten ihn in einer neuen Form zum Erstarren. In einer Zelle sind die Baupläne für den gesamten Körper enthalten. Was DNS-Forscher und Biologen in langjähriger Forschungsarbeit herausgefunden hatten und wovon sie träumten – hier wurde es Wirklichkeit. Dr. Satanas übernahm mit Hilfe der teuflischen Geister, die er gerufen hatte, das Aussehen und das Wesen Daisy Mallerts. Diesmal reichte ihm nicht nur ein Gesichtswechsel. Diesmal musste es der Körper einer Frau sein. Dr. Satanas – wurde zu Daisy Mallert! Die dunklen, sinnlichen Augen, der schöngeschwungene Mund, das rassige Profil ... Nichts fehlte, und die typisch weiblichen Merkmale traten hervor. Satanas wisperte und beschwor noch immer. Stärker, intensiver, fordernder als je zuvor. Diesmal brauchte er mehr. Einen ganzen Körper …

Drei Minuten dauerte die Umwandlung. Dann war es geschafft. Vor dem Spiegel stand nicht mehr der unheimliche Besucher mit den magischen Kräften, sondern Daisy Mallert. Schön und verführerisch fuhr sie sich mit einer zarten Geste durchs Haar.

Und die echte Daisy Mallert?

Die gab es nicht mehr! Ein dickflüssiger Brei lag in der Badewanne. Die furchtbare Säure hatte ganze Arbeit geleistet. Satanas-Daisy Mallert zog die Kette, und gurgelnd verschwand der Brei im Abfluss. Der unheimliche Mörder brauchte nur noch mit der Brause nachzuspülen, und die Wanne war wieder sauber.

Phil Racker verließ das Hospital pünktlich. Es war fünf Minuten nach sechs Uhr morgens, als er sich hinter das Steuer seines seegrünen Ford Mustangs klemmte und startete. Von der Stadt bis in das Wohnviertel der gehobenen Mittelschicht und der Reichen war es ein Fahrtweg von gut einer Viertelstunde. Um diese Zeit konnte er es sogar in zehn Minuten schaffen. Die Schnellstraße war jetzt noch nicht überlastet. Racker fuhr schnell. Er freute sich auf den Tag mit der Geliebten, und er war gespannt auf die letzten Auswertungen. Aber das durfte er Daisy nicht sagen. Er durfte überhaupt nicht zu erkennen geben, dass das Experiment mit Frank Mallert ebenfalls einen Großteil seines Denkens und Fühlens einnahm. Hier wurde Pionierarbeit geleistet ...

Professor Mallert war seines Wissens der erste Mensch, der einen Selbstversuch in dieser ungewöhnlichen Form durchführte. Mallert hatte an Krebs im fortgeschrittenen Stadium gelitten. Inoperabel. Die Schmerzen hatten ihn gefoltert. Sein ganzer Organismus war verseucht. Bei vollem Bewusstsein und klarem Verstand hätte er das Unabwendbare ertragen müssen. Er wuchs über sich selbst hinaus und weihte den Freund und Kollegen Racker ein, die Operation an ihm durchzuführen, sein Gehirn aus dem Kopf zu nehmen und alles so zu vollziehen, wie er selbst es durchgeführt hätte, wäre das Schicksal gnädiger mit ihm gewesen. Auf dem Papier hatte er hundertmal und mehr diese Operationen vorgenommen. Theoretisch war alles klar. Mallert hoffte immer, ein geeignetes Versuchsobjekt zu erhalten. Er hatte sich an Todkranke gewandt und an Todeskandidaten, auf die der elektrische Stuhl oder die Gaskammer warteten. Er hatte ihnen auf seine Weise ein langes Leben versprochen. Aber niemand hatte etwas davon wissen wollen, als er ihnen erklärte, in welcher Form sie weiterexistieren würden. Da war ihnen das Schicksal, das ihnen gewiss war lieber. Das Labor und der Operationssaal blieben leer. Ein Dasein als lebendes Hirn, nicht wissen, was einen erwartete, wie man empfand, ob man Schmerzen erdulden musste – das alles waren ungelöste Fragen, denen sich niemand aussetzen wollte. Ungewissheit war für Menschen etwas Schlimmes.

Professor Frank Mallert riskierte den Sprung, als das Schicksal ihm zu verstehen gab, dass sein Ende näher war, als er vor Monaten noch annahm. Er ließ die Operation durchführen, ehe ein praktischer Versuch vorausgegangen wäre.

Wie dachte er? Was empfand er? Daran musste Philip Racker denken, während er über die Schnellstraße jagte. Die Sonne ging rotglühend auf, und es versprach ein herrlicher Spätsommertag zu werden. Der Gehirnchirurg fühlte sich leicht beschwingt und keineswegs müde. Die Nacht war ruhig verlaufen, und er hatte einige Stunden schlafen können. Auf der Station war nichts Besonderes vorgefallen, obwohl zwei Schweroperierte, denen man Tumore im Kleinhirn entfernt hatte, Anlass zur Besorgnis gaben. Die Geschwülste waren schon zu tief im Stamm verwurzelt gewesen.

Racker machte sich einen Plan für den heutigen Tag: Gemütlich mit Daisy frühstücken, die Routinearbeit bei Mallerts Hirn verrichten, und danach könnte sich eigentlich ein netter Ausflug mit dem Wagen anschließen. Heute war Samstag, und er musste erst Montag früh wieder ins Krankenhaus. Er hörte Nachrichten und Morgenmusik und pfiff den beschwingten Song mit, der aus dem Lautsprecher schallte. Dann verließ er den Highway und fuhr kurz darauf die vertraute asphaltierte Straße Richtung Ozean. Die graue Betonwelt, aus der er kam, wechselte über in angenehmes Grün. Viele Bäume ...

Gärten ... Darin versteckt – die Bungalows und Villen. Racker hörte die Vögel zwitschern. Das Dach des Mustangs war zurückgeklappt, und der kühle Morgenwind fächelte sein Gesicht. Es roch würzig nach Meer und frischem Grün. Er parkte vor Mallerts Haus. Es war eines der schönsten und größten in der Straße. Durch die Blätterwand sah er, dass die Plastikrollos noch herabgelassen waren. Offenbar war Daisy spät ins Bett gegangen. Der Chirurg klingelte nicht. Er besaß einen Schlüssel zum Haus, öffnete die Gartentür, ging den Plattenweg zum Eingang und schloss auch hier leise auf. Auf Zehenspitzen schlich er in den düsteren Flur. Daisy schlief tatsächlich noch, obwohl sie wusste, dass er heute früher eintreffen würde. Sie hatte verschlafen. Normalerweise war um diese Zeit schon der Tisch gedeckt, und der Geruch von Kaffee lag in der Luft. Racker öffnete vorsichtig die Tür zum Schlafzimmer. »Es darf nicht wahr sein!«, murmelte er, als er sah, dass Daisy tatsächlich im Bett lag. »Sonst mit den Hühnern auf den Beinen, schläft sie jetzt wie ein Murmeltier.« Er nahm neben ihr auf der Bettkante Platz. Die angebliche Daisy Mallert seufzte, streckte sich, und ihre langen Beine strampelten die leichte Zudecke nach unten. Wie ein Schattenriss zeichnete sich ihr makelloser Körper unter dem durchsichtigen Nachtgewand ab. »Langschläferin«, sagte er und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn.

Satanas-Daisy Mallert schlug die Augen auf.

»Phil!«, entrann es den Lippen der schönen Frau. »Du bist schon da?«

»Schon ist gut, Darling. Es ist nach halb sieben.«

»Halb sieben! Oh, Phil, ich hatte ganz vergessen, dass du heute Morgen ...«

»Schon gut, Daisy. Wenn ...«

»Nichts ist gut«, fiel sie ihm ins Wort. »Sonst mache ich dir immer einen Kaffee, weil du abgespannt und hundemüde bist, und heute ...«

Diesmal unterbrach er sie. »Aber heute bin ich weder abgespannt noch hundemüde.« Er legte den Arm um sie, und sie schmiegte ihr heißes Gesicht an seine Schulter. »Es ging alles sehr gut, und ich konnte sogar ein paar Stunden schlafen. Ich habe nicht mal mehr den Wunsch, ins Bett zu kriechen.«

»Oh, Phil! Das spricht aber nicht gerade für mich.«

»Ich habe vom Schlafen geredet, Darling. Wenn ich zu dir ins Bett krieche, dann komme ich nicht zum Schlafen.«

Er zog sie an sich ...

Beim Frühstück plauderten sie über den bevorstehenden Tag. Die Sonne schien hell und strahlend. Auf der Terrasse war es warm. »Noch eine Tasse?«, fragte Satanas-Daisy Mallert, und Philip Racker ahnte nicht, dass er dem teuflischsten aller Lebewesen gegenübersaß. Der Gehirnchirurg nickte und zündete sich eine Zigarette an. Sich wohlig räkelnd, lehnte er sich in den großen, mit einem weichen Kissen ausgelegten Korbsessel zurück und streckte sein Gesicht der warmen Sonne entgegen. Er trank die zweite Tasse, nichtsahnend, dass sie sich in ihrem Inhalt bedeutend von dem der ersten unterschied. Satanas-Daisy Mallert hatte ein Pulver hinzugegeben, das sich geschmack- und rückstandslos auflöste.

Dr. Phil Racker ahnte nichts von seinem Ende. Er machte noch Pläne für den Tag und ging gemeinsam mit seinem Mörder in das geheime Kellerlabor, die Kontrollen zu überprüfen und Aufzeichnungen anzufertigen. Da fiel ihm auf, dass jemand vor ihm hier unten gewesen sein musste. Neben dem Operationstisch stand ein Tablett mit blitzsauberen Instrumenten. Eine Infusion war vorbereitet, ein Kittel hing am Haken. »Daisy!«, wunderte er sich, und ruckartig warf er den Kopf herum, als er die Veränderungen bemerkte. »Was soll das? War jemand hier und ...«

Plötzlich merkte er, dass mit ihm etwas nicht mehr stimmte. Er griff sich an die Stirn. Ein ungeheures Druckgefühl breitete sich in seinem Schädel aus. Er hatte Seh- und Hörstörungen. »Daisy ...?«, fragte er matt, die Augen verdrehend und wie ein Betrunkener torkelnd. Der Kaffee, grellte der Gedanke in ihm auf. Gift!

»Nein, nur ein Betäubungsmittel«, sagte eine dumpfe, eisige Stimme aus dem Mund der schönen, rassigen Daisy, als hätte Satanas die Gedanken seines Opfers erraten.

»Daisy? Was hast du vor?« Phil Racker wollte einen Schritt nach vorn machen. Wie Streichhölzer knickten seine Beine weg. Doch diesmal ließ Satanas-Daisy Mallert es nicht zu, dass das Opfer zu Boden stürzte.

»Du könntest dich verletzen«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Dein Hirn könnte Schaden davontragen. Das will ich vermeiden. Ich brauche es noch!« Und der Blick Satanas-Daisy Mallerts ging zu dem grauen Schwamm in dem mit Flüssigkeit gefüllten Behälter und zu dem Oszillographenschirm, auf dem die Kurven sehr ruhig verliefen. Professor Mallerts Gehirn schlief noch. »Du wirst sehr schnell wach werden«, sagte Satanas-Daisy Mallert mit höhnisch klingender Stimme. Phil Racker hörte diese Worte nicht mehr. Wie ein Mantel hatte sich etwas um sein Bewusstsein gelegt, und alle Sinneswahrnehmungen waren erloschen. »Ihr werdet euch beide sehr ähneln, wenn alles vorüber ist, und ich werde auf die Kurven gespannt sein, die dann zu sehen sind. Du wirst Einblick in die Gedankenwelt Phil Rackers haben, Frank Mallert! Das wird ganz neue Daseinsperspektiven für dich eröffnen. Ihr werdet eine Einheit bilden und euch doch spinnefeind sein. Das ist erst ein Schritt zu dem, was mir vorschwebt ...«

Die Operation dauerte sechs Stunden und siebzehn Minuten. Satanas legte nicht ein einziges Mal eine Pause ein. Philip Rackers Gehirn wurde fein säuberlich und fachmännisch aus der schützenden Hirnschale genommen. Adern und Nervenverbindungen wurden direkt mit denen verbunden, die auch Frank Mallerts Hirn versorgten. Der Behälter war groß genug, auch das zweite Hirn aufzunehmen. Die Kurven auf dem Schirm erfolgten schneller und schlugen stärker aus. Kontrollbirnchen flackerten. Mallerts Hirn registrierte etwas Fremdes.

Satanas-Daisy Mallert machte Aufzeichnungen und Eintragungen in eine Tabelle und führte praktisch die Arbeit weiter, die Dr. Philip Racker begonnen hatte. Auf einem großen Notizblock waren erste Versuche unternommen worden, bestimmte Kurven miteinander zu vergleichen und einen Codeschlüssel dafür anzufertigen. Für bestimmte Kurven und Ausschläge hatte er Wörter und Begriffe oder ganze Gedankengänge entworfen, ohne allerdings zu einem handfesten Ergebnis zu kommen. Es war zu früh, schon etwas festzulegen. Dennoch glaubte Racker, bestimmte Reaktionen mit eindeutigen Kurvenbildern in Übereinstimmung zu bringen. Er hatte Versuche mit Lichtsignalen unternommen, und das Gehirn hatte reagiert. Das Kurvenbild sah anders aus als bei Dunkelheit. Racker glaubte auch bestimmte Bewegungsabläufe in den Kurven erkannt zu haben. Er schrieb von Zuckungen, von Gehbewegungen, Armbewegungen, Augenöffnen und -schließen, obwohl das Hirn zu derartigen Abläufen nicht mehr fähig war. Hier wurden eindeutig Nachschmerzen empfunden und Bewegungsabläufe nachvollzogen, zu denen die Glieder nicht mehr fähig sind, weil sie nicht mehr vorhanden waren.

Das alles interessierte den teuflischen Experimentator nur am Rande. Er hatte anderes vor. Die Kurven verstärkten sich. Die elektrischen Ströme waren nicht mehr so schwach wie zu Beginn, als nur ein Hirn funktionierte. Die elektrische Kraft war nun doppelt so stark. Wenn es ihm gelang, diese Kräfte in seinem Sinn zu manipulieren, dann würde diese Stadt zu zittern anfangen ...

2. Kapitel

Er erwachte aus einem Gefühl der Benommenheit. Phil Racker wollte die Augen aufschlagen. Er war fest davon überzeugt, es auch zu tun. Aber es blieb trotzdem stockfinster. Was war geschehen? Unruhe erfüllte ihn, und dumpfe Schmerzen breiteten sich in ihm aus. Erinnerungsfetzen ...

Fahrt mit dem Auto ... das Krankenhaus ... Besuch am Morgen bei Daisy ... Kaffeetrinken ... die Terrasse ... Sonnenschein ... dann war die Nacht gekommen. Was lag dazwischen? Eine Lücke in Rackers Erinnerung. Er zermarterte sich das Gehirn. Was war nur gewesen?

Das Labor! Daisy! Aber so ganz anders als sonst. Veränderte Stimme ... ein höhnisches, leises Lachen wie aus unendlicher Ferne.

»Du bist ein Verbrecher, Phil«, sagte eine Stimme. Nein, keine Stimme. Es war ein Gedanke. In ihm. Aber mit der Stimme Frank Mallerts. »Daisy und du – ihr habt mich betrogen. Und ich Trottel habe nie etwas davon bemerkt. Deine Gedanken liegen offen vor mir wie ein aufgeschlagenes Buch.«

Was war das? Racker hielt den Atem an. Da merkte er, dass er überhaupt nicht atmete. Er hatte nur den Eindruck, dass es so sei. Bedrückung, Beklommenheit, Ängste. Gewissensbisse verfolgten ihn im Schlaf. »Ich will wach werden!« Er sagte es laut und deutlich. Aber etwas stimmte mit seinem Mund nicht, der war wie zugeklebt. Er hatte überhaupt das Gefühl, von einer immens dicken Wattewand eingeschlossen zu sein. Racker ballte die Hände zu Fäusten und schlug in die schwarze Wand aus Watte. Kein Widerstand! Etwas mit seinen Armen stimmte auch nicht mehr. Taub, gefühllos, wie gelähmt. Und doch vorhanden! Oder nicht?

»Nein, du hast keine Arme mehr. Auch keine Beine, Racker. Dein ganzer Körper ist weg.« Widerlich und abstoßend war die Stimme von Frank Mallert. Er mied es, das vertraute Phil zu verwenden. Das bedeutete viel.

Wieso kann ich dich hören, Frank?, dachte er entsetzt. Ein Verdacht stieg in ihm auf. Frank Mallert hatte geistige Kräfte entwickelt, die ihn zum Telepathen machten, die er nutzen konnte, um im Schlaf in das Bewusstsein anderer Menschen einzudringen. Mit einer solchen Möglichkeit hatte niemand gerechnet.

»Ich habe mich nicht zum Telepathen entwickelt. Ich bin ein Teil von dir. Racker. Unsere Hirne schwimmen in dem Behälter, den ich konstruiert habe.« Ein hässliches Lachen erfolgte. Phil Racker lief es eiskalt über den Rücken. Rücken? Er hatte doch keinen Rücken mehr. Er registrierte diese Empfindungen in seinem Gehirn.

Ich werde verrückt!, pulsierte es in seinem Bewusstsein. Wie ein Fieberschauer durchlief es ihn. Ich kann nicht mehr aus dieser Dunkelheit! Mallert hat Besitz von mir ergriffen. Oh, mein Gott. Dieser Hass, diese Beschimpfungen!

»Du hast mir Hörner aufgesetzt, Racker. Ich habe dir vertraut, dir, meinem besten Freund. Was hast du aus diesem Vertrauen gemacht! Du kotzt mich an, Racker!«

»Du irrst, Frank.« Er nahm sich zusammen. Er musste sich verteidigen. »Es ist nicht so, wie du denkst. Dein Hirn funktioniert nicht einwandfrei. Ich werde den Schaden beheben. Ich werde mich darum kümmern, sobald ich kann.«

Lachen ... Es dröhnte in ihm. »Sobald du kannst, Racker? Du wirst nie mehr können! Nie mehr!