Larry Brent Classic 060: Leichenladies - Dan Shocker - E-Book

Larry Brent Classic 060: Leichenladies E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Chopper ruft die Leichen-Ladys Marina ist wieder da - und mit ihr der Chopper. Die dämonische Stimme und die schwarzhaarige Hexe holen zum letzten großen Schlag aus - ihr Ziel: Vernichtung von Larry Brent und der PSA. Um ihren Feldzug zu beginnen, verstecken sie sich in der Klinik des Schönheitschirurgen Dr. Eduard Betschan und verwandeln die Patientinnen in hässliche Leichenladys. Marina braucht sie, um die Herrschaft der Hexen einzuläuten. Larry Brent soll dabei sein, bevor er sein Leben aushaucht. Deshalb locken Marina und Chopper die PSA auf ihre Spur. Erstes Opfer des Racheplans wird der Afrikaner Hans Botumba, als sich der Dybuk bei ihm meldet und dem Taxifahrer großen Reichtum verspricht. Das Unheil nimmt seinen Lauf und Larry Brents Tage sind gezählt. Doch David Gallun, alias X-RAY-1, hat noch einen Trumpf im Spiel ... Rätsel-Tempel des Dschinn Im irakischen Dorf Vasfahan läuten die Hochzeitsglocken. Die Tochter des Teppich- und Antiquitätenhändlers Akbar Manod vermählt sich. Nach einem rauschenden Fest schlafen die Gäste tief und fest. Aber Hasan Kalomak wird das Morgengrauen nicht mehr erleben. Als Erster begegnet er dem bösen Dschinn, der ihn zwingt, sich selbst auf grauenhafte Weise zu töten. Als die Braut den Toten findet, bricht Panik unter den Gästen aus. Wer hat den Geist gerufen? War es Abdul Assard, der Ziehsohn des Brautvaters, oder Achmed Chachmah? Der Ägypter erscheint unerwartet am Ort des Geschehens, weil er nur ein schlechtes Gefühl hatte …

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DAN SHOCKERS LARRY BRENT

BAND 60

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Fachberatung: Robert Linder

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Titelbildgestaltung: Mark Freier

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

978-3-95719-860-0

Dan Shockers Larry Brent Band 60

LEICHENLADIES

Mystery-Thriller

Chopper ruft die Leichen-Ladys

von

Dan Shocker

Prolog

Hans Botumba war kein Deutscher. Seine dunkelbraune Haut und sein schwarzes gekräuseltes Haar kennzeichneten ihn als Einwohner Namibias. Er wohnte in Windhuk, wo die deutschen Einflüsse noch überall zu sehen waren. Straßen und Plätze trugen deutsche Namen, Gasthäuser hatten Schilder mit deutschen Bezeichnungen.

Botumba war ein einfacher Mensch. In einer modernen Schule groß geworden, glaubte er doch noch an Geister, an die aus alten Mythen der Stämme ebenso wie an andere namenlose Geschöpfe aus dem Reich der Finsternis. Er hatte Angst davor, jemals einem Dämon, einem Gespenst oder dem Teufel selbst zu begegnen. In seinen Träumen sah er manchmal Verstorbene. Sie hatten immer eine Botschaft für ihn, aber sie waren nicht imstande, sie ihm mitzuteilen. Ihre Münder – waren zugewachsen. Hans Botumba sprach mit niemandem über seine Träume. Auch mit Malena nicht, mit der er eng befreundet war, und die er zu heiraten beabsichtigte. Der Achtundzwanzigjährige fuhr Taxi. Damit konnte er zwar keine Reichtümer erwerben, aber er verdiente nicht schlecht. Es ging ihm gut in dieser Stadt, in die immer viele Fremde kamen. Hauptsächlich deutsche, englische und amerikanische Touristen. Viele wollten die alten Diamantenminen sehen, aber die lagen ziemlich weit außerhalb. Da kamen schnell ein paar hundert Kilometer zusammen. Die Touristen steckten den Fahrern oft fette Trinkgelder zu, und Botumba sparte sich jede Münze, um für Malena und sich eine Wohnung einzurichten.

»Ich würde nicht so oft an sie denken. Reine Zeitverschwendung!«, vernahm er da die Stimme. Sie klang rau und hohl, als würde jemand durch eine alte, rostige Gießkanne sprechen. Botumba fuhr zusammen und warf den Kopf herum. Er riss die Augen so weit auf, dass das Weiß der Augäpfel unnatürlich viel Raum einnahm und seine Pupillen aussahen wie Billardkugeln, die ihm jeden Moment aus den Höhlen kullern würden.

»Wer spricht da?«, stammelte Hans Botumba.

»Ich ... Chopper«, sagte die Geisterstimme.

Botumba war so erschrocken, dass er statt zu bremsen das Gaspedal drückte. Sein Wagen – ein rubinroter Mercedes – machte einen Satz nach vorn – und schoss über den Fahrbahnrand hinaus. Nur um Haaresbreite verfehlte der Taxichauffeur einen Radfahrer, der um diese späte Stunde noch unterwegs war. Der Mann sah den Wagen vor sich auftauchen und riss sein Gefährt herum. Dies geschah mit solcher Heftigkeit, dass der einsame Radfahrer in hohem Bogen über den Lenker flog und im Straßenstaub landete.

Die Geisterstimme kicherte hohl. »Sehr gut, Botumba. Du hättest noch etwas besser zielen sollen, dann hättest du ihn erwischt ...«

Der Afrikaner erbleichte. »Weiche von mir, Satan!«, stieß er hervor und bekreuzigte sich. Er brachte seinen Wagen unter Kontrolle, hielt und lief dann die vierzig Schritte zurück, wo der Radfahrer sich erhob.

»Tut mir leid!«, entschuldigte sich Botumba, während er heftig atmend dem Mann beim Aufstehen behilflich war.

Der Radfahrer war Ende Fünfzig, sein Haar von grauen Fäden durchwirkt. Der Mann klopfte sich den Staub von der blauen, knittrigen Leinenhose. »Machen Sie immer Jagd auf Radfahrer?«, fragte er mit schmerzverzerrtem Gesicht. Dabei krempelte er sein rechtes Hosenbein hoch. »Da ... schauen Sie sich die Bescherung an! Ich habe mir das Knie aufgeschlagen ... Aber das ist weniger schlimm. Das heilt wieder. Viel schlimmer ist, dass die Hose ein Loch hat.«

»Die werde ich Ihnen ersetzen.« Hastig kramte Botumba zwei Scheine aus seiner Tasche und drückte sie dem Mann in die Hand, dessen Miene sich augenblicklich erhellte.

»Haben Sie was getrunken?«, fragte er den Taxichauffeur.

»Nein, da war ...« Botumba merkte wie ihm die Worte davonzulaufen drohten. Er konnte nicht sagen, dass er einen Geist im Auto hatte. »Da war ... eine Katze. Sie sprang mir plötzlich vor die Vorderräder, und ich musste ausweichen. Dabei bin ich Ihnen zu nahe gekommen. Ich habe sie nicht gesehen.«

»Komisch«, knurrte der Radfahrer, »und ich habe keine Katze bemerkt ...«

Botumba hob das klapprige Rad in die Höhe. Die Lenkstange war ein wenig verbogen. Er drückte sie zurecht und war froh, dass er mit dem Mann vernünftig reden konnte und dieser kein Gezeter machte. Der Vorfall konnte ihn nämlich die Lizenz kosten und die war sein tägliches Brot. Da ließ er lieber noch mal zehn Dollar springen, und sein Kontrahent war zufrieden. Botumba wusste, dass er damit eine ganze Zeit umsonst gearbeitet hatte. Aber der Schreck, ausgelöst durch die Geisterstimme und den Beinahe-Unfall saß ihm noch derart in den Gliedern dass er zu einer klaren Entscheidung nicht fähig war. Außerdem kam es ihm darauf an, den anderen so schnell wie möglich loszuwerden. Und das erreichte er damit. Der Mann hockte sich auf sein Rad und fuhr davon.

Mit gemischten Gefühlen kehrte Hans Botumba zu seinem Taxi zurück. Die Tür zur Fahrerseite stand noch weit offen. Alles war so, wie er es verlassen hatte. Botumba schlich um sein Fahrzeug herum und blickte durch jedes einzelne Fenster. Vorsichtig öffnete er dann die linke Hintertür und tastete die Rücksitze ab.

»Du solltest lieber wieder einsteigen!«, meldete sich da die unangenehm klingende Stimme aus dem Nichts erneut. Botumba prallte zurück. »Sonst könnte einer noch glauben, du willst das Auto stehlen. Wenn sich dann noch herausstellt, dass du es selbst fährst, wird man glauben, du seist nicht mehr ganz recht im Kopf.«

»Vielleicht bin ich das wirklich nicht«, wisperte Botumba tonlos. »Vielleicht ist das der Anfang ... vom Wahnsinn ...«

»Quatsch! Das ist der Anfang eines Geschäftes, das dich ... reich machen kann.«

Auf diesem Ohr war Botumba nicht taub. Reichtum war etwas, wovon ein Taxifahrer nur träumen konnte. Es sei denn, er machte einen Riesengewinn in der Lotterie. Aber gewinnen ... taten immer nur die anderen.

»Wieso willst du mich ... reich machen? Bist du ein guter Geist?« Botumba fragte lauernd, und seine Augen befanden sich in stetiger Bewegung. Er suchte noch immer das Wageninnere ab. Aber da war nichts zu entdecken.

»Ja«, kicherte Chopper, »ich meine es gut mit dir. Und um dir den Beweis zu erbringen, solltest du ganz schnell zu Malena fahren.«

»Warum soll ich zu Malena fahren?«, fragte er verwirrt.

»Du liebst sie, nicht wahr?«, fragte die knarrende Geisterstimme.

»Ja, sehr.«

»Hast du dich jemals gefragt, ob sie dieser Liebe auch würdig ist?«

»Das brauche ich mich nicht zu fragen, das weiß ich.«

»So, das weißt du.« Das unangenehme Lachen drang jetzt aus dem Innenspiegel über dem Armaturenbrett. »Dann bist du dir deiner Sache wohl sehr sicher, wie?«

»Ja.« Hans Botumba beugte sich vorsichtig vor und starrte in den Spiegel. Sein angespanntes Gesicht und die vor Schreck geweiteten Augen blickten ihn an.

»Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser, Botumba ... Willst du dich nicht davon überzeugen, ob sie dir ... wirklich treu ist?« Die Frage klang lauernd, und jenes knarrende gespenstische Kichern mischte sich darunter.

»Was willst du damit sagen?«

»Dass du dich mit eigenen Augen von ihrer Treue und Liebe überzeugen sollst, das ist alles.« Die Stimme kam aus dem Rückenpolster des rechten Rücksitzes. »Ich weiß es, denn ich habe sie beobachtet. Du aber glaubst es nur. Das macht den Unterschied.«

Botumba hatte das Gefühl, als würgte ihn ein Kloß im Hals. Er schluckte trocken. Am liebsten wäre er davongelaufen und hätte den Wagen an Ort und Stelle stehen gelassen. Das brachte er aber nicht fertig. Unruhe, Angst und Neugier erfüllten ihn.

Die Neugier und plötzlich aufkeimendes Misstrauen verdrängten alle anderen Gefühle.

»Fahr doch hin!«, stachelte Choppers knarrende Stimme ihn auf. »Hast du Angst vor der Gewissheit?«

»Es gibt niemanden in ihrem Leben außer mir ...«, entgegnete der junge Mann rau. »Warum quälst du mich so?«

»Oh, ich quäle dich? Das tut mir leid. Ich denke, ich helfe dir. Nun, wenn du meine Dienste nicht willst, dann such ich mir eben jemand anderen ... einen, der an meinem Angebot, reich zu werden, interessiert ist. Ich weiß, wo ein Schatz vergraben liegt. Und ich hätte dir die Lage mitgeteilt. Aber wenn du mir die Untreue deiner Braut nicht glaubst, wirst du mir auch den Schatz nicht glauben.« Choppers Geisterstimme kam jetzt aus dem Außenspiegel.

Es war eine Stunde vor Mitternacht. Auf der Straße herrschte noch reger Verkehr, auch Passanten waren unterwegs. All diese Dinge registrierte Botumba aus den Augenwinkeln. Das normale Leben nahm seinen Gang. Niemand kümmerte sich um ihn, niemand merkte, was hier vorging. Außer ihm schien seltsamerweise niemand sonst die Stimme zu hören. Aber die anderen Leute waren auch zu weit weg.

»Nein, warte!«, stieß er hastig hervor.

»Ja, was ist noch?«, fragte Chopper knarrend. Ihm war die Verärgerung anzuhören.

»Ich habe es mir überlegt. Ich fahre zu Malena. Und du wirst sehen, dass ich recht habe. Etwas anderes noch, was den Schatz betrifft ... Kannst du mir darüber etwas mehr sagen?«

»Es geht um eine stillgelegte Mine, Botumba. Sie liegt zweihundert Kilometer von Windhuk entfernt. In einem Stollen sind Rohdiamanten im Wert von etwa einer Million Dollar versteckt.«

»Einer ... Million ... Dollar?«, stotterte Botumba und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.

»Ja. Aber du hast ja kein Interesse daran ...«

Hans Botumba klemmte sich ans Steuer und schlug die Tür ins Schloss. Er blickte auf das Handschuhfach, aus dem die Stimme zuletzt gekommen war. »Was du mit mir vorhast, ist das eine Art Prüfung, Chopper?« Er hatte schon viel über Geister gelesen, und auch schon oft mit Freunden und Kollegen darüber gesprochen. In irgendeiner Form wusste jeder etwas anderes über sie zu berichten. »Oder – ist es ein Geschäft auf Gegenseitigkeit? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mir rein aus Jux das Versteck eines Schatzes nennst und dann auf Nimmerwiedersehen verschwindest. Die Geisterwelt hat ihre eigenen Gesetze.«

»Richtig, Botumba.«

»Das heißt, du wirst mir noch Bedingungen stellen?«

»Ich habe es doch schon getan.«

»Du meinst, wenn ich bei Malena nach dem Rechten sehe, ist alles abgegolten?«, fragte Botumba zweifelnd. »Genau so ist es«, bestätigte Chopper. Er ist verrückt, dachte Botumba. Ich habe es mit einem schwachsinnigen Geist zu tun. Na, so etwas mag's vielleicht auch geben.

Der Afrikaner fuhr los und fing an, sich an sein ungewöhnliches Erlebnis zu gewöhnen. Die Sache machte ihm mit einem Mal sogar regelrecht Spaß.

Windhuk war zwar groß, hatte aber durch die Höhe und die Form seiner Gebäude eher seinen kleinstädtischen Charakter beibehalten. Meistens gab es ein- und zweistöckige Gebäude, in den neuen Siedlungsgebieten fand man auch moderne Häuser im Bungalow-Stil. Die meisten gehörten weißen Einwohnern, ehemals Deutschstämmige, vielen Engländern und auch Holländern. Mitten unter den Weißen lebten die Schwarzen. Die scharfe Trennung zwischen den Rassen wie im Nachbarstaat kannte man hier nicht. An der Peripherie waren in den letzten Jahren auch etliche Mietshäuser gebaut worden, um Wohnraum für die wachsende Bevölkerung zu schaffen. Malena wohnte dort. Vor ihrem grau-beigen Haus, vier Stockwerke hoch, lag die Straße düster und verlassen. Weit und breit war kein Mensch zu erblicken. Das Haus selbst lag auch im Dunkeln. Die Menschen darin schliefen.

Malena lebte in einer kleinen Zweizimmerwohnung. Seit einigen Monaten hatte auch Hans Botumba sein Domizil hier aufgeschlagen. Ihr beider Verdienst machte es möglich, dass sie sich diese verhältnismäßig luxuriöse Wohnung mit Einbauküche, Teppichböden und Einbauschränken leisten konnten. Davor hatte Malena die Wohnung von ihrem eigenen Gehalt allein bestritten und hatte dementsprechend sparsam leben müssen. Die siebenundzwanzigjährige Afrikanerin hatte aber diesen Nachteil gern auf sich genommen, um endlich in den eigenen vier Wänden leben zu können. Als Zweitälteste in einer achtköpfigen Familie hatte sie lange genug unter engsten Verhältnissen gelebt.

Malenas Wohnung lag in der dritten Etage. Alles war still. Die Tür zum Schlafzimmer war geschlossen, offen stand die Balkontür zur Straße. In der milden Nachtluft bewegten sich sanft die weißen Gardinen. Die Frau lag in dem breiten französischen Bett. Sie war nur mit einem dünnen Laken zugedeckt, das sich hell von ihrer dunklen und makellos glatten Haut abhob. Malena lag auf dem Bauch, hatte das rechte Bein ausgestreckt und das linke leicht angezogen. Sie schlief völlig nackt, und sanfte Lichtreflexe, die von dem hellen Sternenlicht stammten, das durch die Gardinen sickerte, spielten schimmernd auf ihrer ebenholzfarbenen Haut.

Die Wohnung war verschlossen. Ohne Schlüssel kam hier niemand herein. Es sei denn, er käme als Fassadenkletterer übers Dach und die Fensterbrüstung oder als Einbrecher mit einem Nachschlüssel. Weder das eine noch das andere war der Fall bei der Gestalt, die plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, mitten im Schlafzimmer stand. Es war kein Mann, sondern eine Frau die wie eine Spukerscheinung auf der Bildfläche erschien.

Lautlos stand sie mitten im Zimmer. Sie trug eine enganliegende schwarze Hose, hochhackige goldfarbene Schuhe und eine raffiniert geschnittene schwarze Bluse, die mit schmalen Goldstreifen durchwirkt war. Die Bluse war ärmellos und hatte einen gewagten Ausschnitt, der viel freie gebräunte Haut und den Ansatz der Brüste sehen ließ. Die Frau hatte schwarzes Haar, ein ausgesprochen hübsches Gesicht und wirkte anziehend auf Männer. Um ihre schöngeschwungenen Lippen spielte allerdings ein Lächeln, das einen heimlichen Beobachter der Szene zur Vorsicht gemahnt hätte. Es war ein rätselhaftes, teuflisches und gefährliches Lächeln. Das Lächeln eines Vamps, der sich seiner Wirkung auf Männer wohl bewusst ist, und der weiß, dass er über Macht verfügt. Genau das traf bei der geheimnisvollen nächtlichen Besucherin zu, die nicht durch eine Tür oder ein Fenster gekommen war, sondern durch die Luft.

Es war Marina, die Hexe. Sie ging auf die Schläferin zu und legte ihre Hand flach auf die Stirn der Ahnungslosen. Marinas Lippen bewegten sich. Schnell sprach sie eine Formel, die nur ihr bekannt war. Es waren Worte darunter, mit denen ein Normalsterblicher nichts anzufangen wusste. Das Gesicht der Schläferin schien zu einem Spiegelbild dessen zu werden, was in ihr vorging. Malena schien ganz bestimmte Traumbilder und Eindrücke zu empfangen.

»Wenn ich meine Hand von deiner Stirn nehme«, flüsterte die geheimnisvolle Besucherin – sie sprach englisch, »wirst du den Wunsch haben, den Mann zu umarmen, der durch deine Schlafzimmertür kommt. Er ist jung, schön und stark.«

Marina zog ihre Hand zurück. Im gleichen Augenblick schlug Malena die Augen auf. Ihr war warm, und sie strampelte das dünne Laken völlig nach unten, reckte ihren schönen, geschmeidigen Körper und streckte die Arme in die Luft, als wollte sie nach etwas greifen. Sie richtete sich auf und blickte sich verwirrt um.

Die Fremde stand im Dunkeln und löste sich auf wie ein Schemen. Die Geistergestalt, die für einige Minuten so real vorhanden war, verschwand, als hätte es sie nicht gegeben.

Die Afrikanerin wirkte ein wenig beunruhigt. Ihr kam es so vor, als würde sich jemand in unmittelbarer Nähe aufhalten, den sie bloß nicht wahrnehmen konnte. Malena fühlte die Beklemmung, die wie ein stählernes Band ihr Herz einengte. Einen Moment hatte sie das Gefühl, in großer Gefahr zu schweben, und sie sagte sich, dass es besser wäre, aufzustehen, sich anzuziehen und die Wohnung zu verlassen. Aber dann schalt sie sich im Stillen eine Närrin. Ihre Furcht war unbegründet. Sicher hatte sie schlecht geträumt.

Da klopfte es sanft an der Tür. Noch ehe Malena leise Herein sagen konnte, wurde die Klinke bereits niedergedrückt. Im Türrahmen stand ein fremder Mann. Nur jetzt, wo es eigentlich einen Grund für die innere Unruhe und die Furcht gab, verhielt die Frau sich umso befremdlicher. Sie schwang die langen Beine über den Bettrand und lief dem nächtlichen Besucher entgegen.

»Endlich!«, stieß sie hervor und warf sich dem Fremden in die Arme. »Ich habe schon so auf dich gewartet ...«

Sie reagierte, wie der hypnotische Befehl es von ihr verlangte. Der Mann war groß und blond, hatte breite Schultern und sah aus wie ein Germane oder Römer aus vorchristlicher Zeit. Malena hatte eine Schwäche für muskulöse Männer, vor allem für Blonde. Das war ihr Traummann! So hatte sie ihn sich stets vorgestellt. Sie umarmte ihn und spürte seine starken Arme, die sich um ihre Schultern und ihre bloßen Hüften legten. Fest presste der andere sie an sich. Sie küsste ihn heiß und leidenschaftlich und vergessen war Hans Botumba, mit dem sie ein gemeinsames Leben plante. Der geheimnisvolle Besucher, dessen Hände über ihren jugendlichen verführerischen Körper glitten, erfüllte ihr ganzes Denken und Fühlen. Er trug ein blaues Sporthemd und eine khakifarbene Hose. Mechanisch begann sie, die Hemdknöpfe zu öffnen. Dann zog sie ihn quer durchs Zimmer auf ihr Bett. Seine Hände fuhren durch ihr dichtes, langes Haar, das sie nachts immer offen trug.

Unten in die stille Straße fuhr mit hoher Geschwindigkeit ein Auto und hielt genau vor dem vierstöckigen Haus, in dem Malena ihre Wohnung hatte. Es handelte sich um ein Taxi, am Steuer saß Hans Botumba.

»Okay, Chopper«, sagte er in den Rückspiegel und nickte, als hockte dort ein Wesen, das jedes seiner Worte und jede seiner Gesten verfolgen konnte. »Wir sind da. Nun werde ich dir beweisen, dass ich recht habe und nicht du ...«

»Wir werden sehen«, antwortete die knarrende Geisterstimme.

Hans Botumba verließ sein Auto und warf einen Blick an der Hausfassade empor. Hinter sämtlichen Fenstern herrschte tiefe Dunkelheit. Alle Bewohner schliefen, auch Malena.

»Sie liegt im Bett, wenn du das meinst«, meldete sich die knarrende Stimme erneut. »Aber schlafen kann man das, was sie tut, nicht nennen.«

Botumba schluckte trocken und war blass um die Nase. Der Geist konnte sogar seine Gedanken lesen. Der Taxifahrer schloss die Tür auf und lief durch das dunkle Treppenhaus nach oben, ohne auch nur ein einziges Mal Licht anzuknipsen. Der Schein des durch die Fenster des Treppenhauses fallenden Sternenlichts reichte ihm vollkommen.

»Eigentlich hätten wir eine Wette abschließen sollen«, machte Chopper sich erneut bemerkbar.

»Und wie hättest du dir den Ablauf dieser Wette vorgestellt?«

»Wenn du recht behältst, kriegst du den Schatz. Wenn ich recht behalte, verschreibst du mir deine Seele.«

Botumba blieb auf dem letzten Treppenabsatz vor der Wohnungstür stehen. »Dann bin ich froh, dass ich mich auf eine solche Wette nicht eingelassen habe.«

»Also fängst du doch schon zu zweifeln an?!«, triumphierte der Geist.

»Du hast mich verunsichert. Aber das ist sicher deine Absicht. Du kannst kein guter Geist sein.«

»Und wieso nicht?«

»Du hast meine Seele ins Gespräch gebracht. Wenn du meine Seele willst, dann bist du entweder ein Bote der Hölle oder Luzifer in Person. Gleich, wie das Spiel auch ausgeht, auf das ich mich eingelassen habe, du hast kein Recht auf mich. Ich allerdings habe ein Recht darauf zu erfahren, wo der Schatz verborgen liegt. Ich habe dein Wort ...«

Im gleichen Augenblick, als Botumba dies sagte, kamen ihm ernsthafte Zweifel, ob er einem unsichtbaren Wesen wie Chopper überhaupt Glauben schenken konnte. Geschöpfe der Hölle logen und betrogen. Ganz kurz wurde der Gedanke in ihm wach, auf der Stelle umzukehren, sich wieder ins Auto zu setzen und seiner Arbeit nachzugehen, als wäre nichts geschehen. Was er hier tat, war ein Vertrauensbruch der Frau gegenüber, der er bestätigt hatte, sie zu lieben, an deren Liebe und Treue auch für ihn kein Zweifel bestehen durfte. Genau hier setzte das Böse an. Die Stimme aus dem Unsichtbaren hatte im Prinzip schon erreicht, was sie wollte. Sie hatte sein Misstrauen gegenüber Malenas Ehrlichkeit geweckt. Und er ärgerte sich über sein eigenes Verhalten, dass er nicht die Kraft besaß, jetzt noch umzukehren und jenem Geisterwesen die Genugtuung nicht zu gönnen.

Leise steckte er den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn vorsichtig und lautlos herum.

»Warum so bedächtig? Hast du Angst sie zu wecken?«, fragte Chopper höhnisch.

»Ich will vielleicht nicht, dass sie sich ängstigt und auf ein Geräusch erschrickt.« Er ärgerte sich im gleichen Augenblick über seine eigene Antwort. Der Unsichtbare hatte ihn völlig verwirrt und beherrschte sein Denken und Fühlen. Botumba erkannte, dass er schon jetzt nicht mehr frei war. Auf Zehenspitzen durchquerte er die winzige Diele und drückte die Schlafzimmertür, die nur angelehnt war, vollends nach innen.

1. Kapitel

Zur gleichen Zeit überquerte in der Innenstadt von Windhuk eine junge, attraktiv aussehende Frau in enganliegenden, seidig schwarzen Hosen und einer ärmellosen Bluse, die mit Goldfäden durchwirkt war, die Hauptverkehrsstraße und betrat eine Telefonzelle. Dort wählte die schwarzhaarige Schöne eine Nummer. Marina, die Hexe, wartete. Auf der anderen Seite der Strippe schlug das Telefon insgesamt sechsmal an, ehe der Hörer abgenommen wurde. Unwillig meldete sich eine müde klingende Stimme.

»Ja?«

»Spreche ich mit Dr. Betschan?«, fragte der Vamp.

»Wenn Sie meine Privatnummer gewählt haben, muss ich's wohl sein. – Worum geht es? Und wer sind Sie, dass Sie mich zu nachtschlafender Zeit anrufen?«

»Mein Name ist Dr. Coplin, Marina Coplin ... Sie sind der bekannte Schönheitschirurg, von dem sich die prominente Damenwelt behandeln lässt, nicht wahr?«

Durch den Hörer war ein schweres Ausatmen zu hören. »Um mich das zu fragen, Dr. Coplin, rufen Sie mich mitten in der Nacht an?«

»Ich musste mich erst vergewissern Doc, ob Sie auch wirklich zu Hause sind. Diese Zeit schien mit am geeignetsten, Sie zu erreichen – und nicht Ihre Sekretärin, eine Mitarbeiterin oder einen anderen Kollegen, der mich vielleicht abgewimmelt hätte.«

»Das ist genau das, was Ihnen jetzt auch passieren wird«, fiel Dr. Betschan ihr ins Wort ehe sie sich weiter erklären konnte. »Gleich, worüber Sie mit mir sprechen wollen – ich nehme an, es hat Zeit bis morgen. Mein Tagesablauf beginnt im Morgengrauen und endet spät am Abend. Ich bin rechtschaffen müde und habe bereits geschlafen. Rufen Sie mich bitte morgen an, dann können wir über alles sprechen und ...«

»Morgen kann es zu spät sein, Dr. Betschan. Ich wollte Ihnen ein Geschäft vorschlagen. Ein Millionending, gewissermaßen ... Sie haben die Kontakte zu den Leuten, die viel Geld auszugeben bereit sind, und ich besitze das Wissen und die Mittel, um Patienten Ihres Sanatoriums wirklich zu verjüngen. Um zwanzig bis dreißig Jahre im Durchschnitt. Ohne den Einsatz eines Skalpells, ohne das Herausschneiden von Hautfalten, das Straffen von Gesichts und Halspartien ...«

»Sie sind betrunken, Dr. Coplin!«, erklang es aus dem Hörer.

Marina lachte leise. »So mag es sich im ersten Moment anhören. Dabei klingt meine Stimme doch fest, finden Sie nicht auch?« Sie wartete keine Erwiderung ab, sondern fuhr fort. »Ich habe eine Formel, aus der ich eine Substanz herstellen kann, die zur umgehenden Verjüngung führt. Bereits zehn Minuten nach Auftragen des Präparates ist der Verjüngungsvorgang abgeschlossen.«

»Unmöglich!«

»Mit dem Wissen, das Ihnen zur Verfügung steht, ja. Nicht mit den Kenntnissen, die ich habe.«

»Was ist das für eine Substanz?«

»Die will ich Ihnen vorführen – aber nicht hier am Telefon beschreiben. Ich wollte mich nur darüber informieren, ob grundsätzliches Interesse besteht oder ob Sie von vornherein meinem Vorschlag ablehnend gegenüberstehen.«

»Nicht ablehnend – allerdings skeptisch ... Ich habe noch immer den Verdacht, dass der Name Coplin nur erfunden ist und hinter dem Anruf in Wirklichkeit eine gute alte Bekannte steckt. Vielleicht eine frühere Studienkollegin, die mich in Windhuk ausfindig gemacht hat und sich nun einen Scherz mit mir erlaubt.«

»Es ist mir bitterernst. Wir kennen uns nicht, wir hatten nie miteinander zu tun. Ich war lange Zeit als Ärztin im Busch, habe viele Stämme und deren Magie kennengelernt. Ich habe angefangen umzudenken. Dinge, von denen man manchmal hört und liest, wurden für mich Wirklichkeit. Liebestränke, Totenbesprechungen und Verjüngungspraktiken ... ich habe sie mitgebracht. Ich kann Ihnen alles vorführen. Und gerade der Aufenthalt der Filmschauspielerin Ada Vandura, die sich bei Ihnen regenerieren will, gibt uns beiden die Chance, zu zeigen, was wir vermögen. Ada Vandura ist fünfundsechzig.«

»Niemand kennt ihr wahres Alter«, widersprach Betschan.

»Ich kenne es, wie Sie bemerken. Sie rennt noch herum wie eine Junge, übernimmt die gefährlichsten Passagen in ihren Filmen selbst, ohne einen Stuntman einzusetzen, und schwingt sich wie einst Tarzans Jane als Dschungellady von Ast zu Ast. Aber sie wird älter – und Sie sollen die zusätzlichen Falten entfernen.«

»Woher wissen Sie das alles?« Dr. Betschan konnte seine Überraschung nicht mehr verbergen.

»Ich sagte Ihnen doch: Ich war lange Zeit unter Eingeborenen und habe Dinge gelernt, die wir sogenannten Zivilisierten als Scharlatanerie oder Hokuspokus abwerten.«

»Ich bin interessiert, Dr. Coplin, wenn das wirklich Ihr richtiger Name ist«, sagte er unvermittelt.

»Einverstanden. Dann werde ich kommen, wenn Ada Vandura bei Ihnen eintrifft. Das wird gegen zehn Uhr am Vormittag sein. Ich glaube, wir werden miteinander eine erfolgreiche Geschäftsverbindung eingehen und beide daraus Nutzen ziehen. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Dr. Betschan. Ich bin um zehn Uhr bei Ihnen!« Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, legte sie auf. Marina, die Hexe, war zufrieden. Ein weiterer Grundstein für das große Unternehmen, das sie gemeinsam mit dem unheilbringenden Geist Chopper plante, war gelegt. Um Marinas Lippen spielte ein gefährliches Lächeln. Sie sah in dem schwarzen Gehäuse des Telefonapparates das verwaschene Abbild ihres hellen Gesichtes, umrahmt von einer Flut schwarzen, gewellten Haares.

»Wir werden dich kriegen und diesmal vernichten«, zischte sie wie eine Schlange. »Dieser massiven Wucht hast du nichts entgegenzusetzen, Larry Brent! Ein Grab in Windhuk ist alles, was von dir bleiben wird – und eventuell nicht mal das.«

Was er sah, ließ ihm die Galle aufsteigen, und alles, was ihm eben noch durch den Kopf gegangen war, hatte er vergessen. »Malena!« Er schrie wie ein waidwundes Tier. Dann setzte sein Denken aus. Hans Botumba sah Rot. Mit einem Hechtsprung durchquerte er das Zimmer und warf sich auf den Mann, der sich mit Malena im Bett wälzte.

Malena, der er Liebe und Treue geschworen, der er einen solchen Vertrauensbruch nie zugetraut hätte, lag mit einem anderen im Bett!

Hans Botumba handelte nur noch und benahm sich wie ein Berserker. Er riss den Fremden herum, der vom Auftauchen des Afrikaners ebenfalls überrumpelt worden war. Botumba schoss seine Rechte ab. Der Mann stieg vor ihm empor, wurde zurück und aus dem Bett geworfen. Malenas Liebhaber flog in hohem Bogen gegen die Wand. Die junge Frau schien im gleichen Augenblick aus tiefem Schlaf zu erwachen, schrie auf und schnellte in die Höhe. Da war Botumba auch schon über sie hinweg und sprang den Fremden erneut an, ehe dieser sich von seiner Überraschung erholen konnte. Der Taxifahrer warf den anderen gegen die offenstehende Balkontür. Die krachte vollends gegen die Wand und zersplitterte. Die Scherben spritzten über den Boden und beide Männer schnitten sich daran. Botumba achtete nicht auf die Verletzungen im Gesicht und an den Händen. Er gab dem Überraschten keine Chance zur Gegenwehr, packte ihn an beiden Schultern und schleuderte ihn förmlich auf den Balkon. Der andere taumelte und fiel mit dem Rücken gegen die niedrige eiserne Brüstung. Botumba gönnte ihm keine Atempause und setzte zu einem neuen Schwinger an.

»Hans! Nicht!«, gellte da die zu Tode erschrockene Stimme hinter ihm. Malena war aus dem Bett gesprungen und hinter ihm hergeeilt. Die nackte Frau klammerte sich an Botumbas Hemd, und er spürte die spitzen Fingernägel, die durch den Stoff stachen und sich in seine Haut krallten. Aber der Wütende war nicht zu halten. Er schoss seinen Schwinger ab und hebelte den überraschten Liebhaber über die Balkonbrüstung. Der Getroffene ruderte wild mit Armen und Beinen, stürzte wie ein Stein in die Tiefe, und sein langgezogener Schrei hallte schaurig durch die Stille der dunklen Straße.

»Hans!« Malenas Schrei drang ebenfalls in seine Ohren und schien seine Wut noch mehr anzustacheln. Ehe sich die Afrikanerin versah, packte Botumba auch sie und schüttelte sie so heftig, dass ihre Haare flogen.

»Kleine, billige Nutte!«, fuhr er sie an, und seine Stimme war ihm selbst fremd. »Das hättest du nicht tun sollen. Nicht mit mir!«

Dort unten auf der Straße lag reglos und in seltsam verdrehter Haltung der Mann, mit dem er Malena im Bett überrascht hatte.

»Lass mich los!«, schrie Malena. »Mach dich nicht unglücklich ... Bring mich nicht um!«

Er vernahm ihre Stimme gedämpft wie durch Watte. Er erfasste aber nicht ihren Sinn und überließ sich ganz seiner Wut, seinem Schmerz und dem Hass, der ihn erfüllte. Eine scharfe, ruckartige Bewegung, und dann merkte er, wie das Gewicht, das eben noch an seinen Händen hing, plötzlich nicht mehr da war.

»Neeeiiinnn!«, gellte der schaurige Schrei durch die Nacht, und Botumba sah seine geliebte Malena – wie zuvor den Fremden durch die Luft segeln. Dann klatschte der Körper der Frau unten auf. Der Schrei verstummte, und Hans Botumba, der sich mit blutunterlaufenden Augen und schweißbedecktem Gesicht über das Geländer beugte, schien aus tiefem Schlaf zu erwachen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in die Tiefe auf die reglosen Körper, die nur wenige Meter voneinander entfernt lagen. Fahrig fuhr er sich durchs Haar, über sein schweißnasses Gesicht. »Oh, mein Gott ... was habe ich getan?«

Am Haus gegenüber quietschte ein Fenster. Es wurde vollends geöffnet, und eine dunkle Gestalt zeigte sich silhouettengleich im Viereck. Umgekehrt nahm der andere gegenüber auch Hans Botumba wahr. Der verlor die Nerven. Er war ein Mörder, er hatte zwei Menschen umgebracht und musste nun so schnell wie möglich verschwinden. Botumba rannte aus der Wohnung, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Er polterte die Treppe hinab. Hinter ihm wurde eine Wohnungstür aufgerissen, gleich darauf flammte das Deckenlicht im Hausflur an.

»Botumba!«, rief eine Stimme durchs Treppenhaus. Man hatte ihn erkannt. Auch hier im Haus war die mörderische Auseinandersetzung nicht unbemerkt geblieben.

Hans Botumba stürzte auf die Straße. Er musste über eine Leiche springen, um auf dem kürzesten Weg zu seinem Fahrzeug zu kommen. Da geschah etwas Schockierendes, und Botumba schrie auf wie von Sinnen. Die tote Malena, die mit verrenkten Gliedern, gebrochenem Genick und blutbesudelt auf dem Straßenpflaster lag, streckte ruckartig die zerschmetterte Rechte nach ihm aus und umklammerte sein Fußgelenk!

Das Grauen ließ seinen Körper erbeben. In der Angst, die ihn packte, war er zu einer Kräftemobilisation ohnegleichen fähig. Sein Körper straffte sich, und in dem Augenblick, als die Finger der Toten sich schlossen, warf er sich gewaltig nach vorn. Hans Botumba fiel mit dumpfem Schlag gegen sein Auto.

Er riss seinen Fuß förmlich zwischen den unglaublich stark packenden Fingern durch. Das geschah mit solcher Kraftanstrengung, dass ihn die Bewegung schmerzte.

Außer Atem und völlig verschwitzt warf er sich ans Lenkrad, drehte den Schlüssel im Zündschloss und startete. Das rote Taxi machte einen Satz nach vorn und fegte mit quietschenden Reifen über die Straße. Hinter mehreren Fenstern waren inzwischen Lichter angegangen, und Anwohner, die aus dem Schlaf erwacht waren, starrten aus den Fenstern. Weder die beiden aus dem Fenster Gestürzten, noch die überhastete Flucht Hans Botumbas waren unbemerkt geblieben. Mit Sicherheit hatte einer der Beobachter inzwischen auch schon die Polizei verständigt.

Scharf beschleunigend jagte Botumba sein Taxi durch die nächtlichen Straßen.

»Ich hab Mist gebaut!«, presste er zerknirscht hervor. »Du bist ein Geist! Du kannst durch Wände sehen und Gedanken lesen. Ich nehme an, du bist mit meiner Arbeit zufrieden. Es muss doch eine Genugtuung für dich sein, dich bestätigt zu wissen. Nun nenn mir das Versteck, wo der Schatz sich befindet. Ich fahre gleich dorthin. Ich muss sowieso verschwinden ...«

Chopper antwortete nicht. Botumba leckte den Schweiß von seiner Oberlippe.

»Nun mach keinen Quatsch. Sag endlich etwas! Du warst vorhin doch so gesprächig ...«

Er blickte sich nervös nach allen Seiten um, zum Innenspiegel, auf die Klappe des Handschuhfaches, auf den Nebensitz ... überall dorthin, wo während der Fahrt hierher schon die Geisterstimme gekommen war. »Gib mir einen Tipp, verdammt nochmal!«, stieß er beinahe weinerlich hervor. Seine Hände zitterten, und in seinen Augen flackerte kaltes, unruhiges Licht. »Du kannst mich doch jetzt nicht im Stich lassen ...«

Chopper konnte. Mit keinem Laut meldete er sich. Aus der Ferne vernahm Botumba das Jaulen der Polizeisirenen. Die Jagd auf ihn begann ...

Und er war noch mitten in der Stadt. Da kam er auch nicht mehr raus. Die Ausfallstraßen waren sicher gesperrt. Die Jagd führte durch Windhuks Zentrum. In seiner Verzweiflung raste Botumba schließlich mitten in eine Sperre. Zwei Polizisten sprangen im letzten Augenblick zur Seite. Die hölzerne Barriere, die aufgerichtet worden war, flog krachend zur Seite und splitterte. Die Sperre hatte er überwunden, aber dennoch war seine Flucht hier zu Ende. Sie schossen auf ihn ...

Zwei Kugeln jaulten über das Fahrzeugdach, zwei andere bohrten sich in die Hinterreifen. Der mit hoher Geschwindigkeit fahrende Wagen geriet ins Schlingern und brach aus. Der Mercedes drehte sich einmal um die eigene Achse. Botumba stieg gleichzeitig auf die Bremse und griff ins Steuer. Der Wagen überschlug sich und landete krachend an einer Reklamesäule, die mit bunten Plakaten beklebt war. Die Tür zur Fahrerseite flog auf, und Botumba, der sich in der Eile nicht angeschnallt hatte, meinte, von einer riesigen Faust gepackt und vom Sitz gerissen zu werden. Er spürte einen harten Schlag, im nächsten Moment wurde es schwarz um ihn. Als er die Augen wieder aufschlug, lag er noch am Boden. Aber er war nicht mehr allein. Zwei Polizisten knieten neben ihm. Der eine ließ sofort die Handschellen um seine Armgelenke klicken. Botumba erkannte daraus, dass seine Ohnmacht nur wenige Sekunden angedauert haben musste. Er zerdrückte einen Fluch zwischen den Zähnen und kam taumelnd auf die Beine. Ein weiteres Polizeifahrzeug raste die Straße entlang, schließlich noch ein drittes. Die Flucht war zu Ende, ehe sie richtig begonnen hatte.

»Warum?«, fragte ihn einer der schwarzen Polizisten. »Warum haben Sie das getan?«

Botumba stand da wie ein Häufchen Elend. »Ich war es nicht ... Der Geist ... Chopper ... hat mich dazu gezwungen ... Seine Stimme hat mich hypnotisiert ...«

Er wurde abgeführt und kam noch in der gleichen Nacht in Polizeigewahrsam.

2. Kapitel

»Ich habe etwas für Sie, X-RAY-3«, ertönte unerwartet die vertraute, väterlich klingende Stimme des PSA-Leiters aus dem eingebauten Lautsprecher. Larry Brent, Staragent der PSA, hielt sich in seinem Office auf. Dort erledigte er nach der Ankunft in New York die notwendige Routinearbeit, die keinem Agenten erspart blieb. Der letzte erfolgreich abgeschlossene Fall, der ihn mit den tödlichen Gefahren der verfluchten Burg der von Aspergens konfrontierte, musste abschließend bearbeitet und computergerecht an die Elektronengehirne weitergereicht werden.

»Ich hoffe, es ist etwas Angenehmes, Sir.« Larry blickte vom Schreibtisch auf. Dort lagen noch seine Notizen, die er nun zu einem mündlichen Bericht ausformulierte.

»Sie wollten doch schon immer mal nach Afrika.«

»Ist das ein unerwartetes Urlaubsangebot, Sir?«, fragte Larry vorsichtig, der aus Erfahrung wusste, dass solche Angebote meistens mit einem Haken versehen waren. »Außerdem kommt's darauf an, in welches Gebiet. Ich würde mir gern mal die Serengeti und die letzten Tierparadiese ansehen. Nicht interessiert bin ich an der Teilnahme an einer Großwildjagd. Ich lege keinen Wert auf abgeschossene Dickhäuter, blutiges Elfenbein und ausgestopfte Löwenköpfe, die später in Villen reicher Leute an den Wänden hängen und verstauben.«

»Leider kann ich Ihnen weder mit dem einen und glücklicherweise auch nicht mit dem anderen dienen«, tönte die Stimme von X-RAY-1, von dem niemand wusste, wer er wirklich war. Er war im Hintergrund der große Unbekannte, in dessen Händen alle Fäden zusammenliefen. »Es geht in zivilisiertere Gegenden. Windhuk in Südwestafrika ...«

»Ich nehme an, Sie schicken mich nicht dorthin, damit ich mein Gehalt aufbessern kann, indem ich in stillgelegte Diamantenminen mein Glück versuche ...«

»Das wäre sicher einfacher als das, was vermutlich dort aufzuspüren ist. Chopper hat sich bemerkbar gemacht.«

Larrys Haltung und sein Gesichtsausdruck änderten sich augenblicklich. In seine rauchgrauen Augen trat ein harter Ausdruck, und das Saloppe, Flapsige, das eben noch seinen Bemerkungen anhaftete, war wie weggewischt.

Chopper! Nach zwei Begegnungen mit dem unheimlichen, menschenverachtenden Geist wusste er nur zu gut, was die Stunde geschlagen hatte. Seit Choppers letztem Auftritt in Düsseldorf und London, wo er seine gespenstische Wesensart durch einen Kuss seiner Geisterbraut Marina weitergeben wollte, war klar geworden, dass er über unbekannte Kräfte und Fähigkeiten verfügte, die bisher noch nicht in Erscheinung getreten waren. Chopper war unglaublich wandlungsfähig, und es war bisher nicht gelungen, den magischen Vernichtungsspruch einzusetzen. Diesen hatte der Dybuk-Spezialist, der Israeli, Samuel Goldstein alias X-RAY-20, seinerzeit entdeckt. Seither war dieser Spruch jedem Agenten bekannt. Für den Fall, dass Chopper mal wieder auftauchte und von sich reden machte, war damit eine echte Waffe vorhanden. Einem magischen Spruch verdankte der unheilbringende Geist seine Wiederkunft, einem nicht minder wirksamen Spruch aber auch seine ewige Rettung. Bisher war es leider nicht gelungen, den Spruch anzuwenden. Chopper und seine Helfer hatten sich beim Erkennen dieser Gefahr bisher geschickt aus der Affäre gezogen. Zuletzt hatte Chopper im Körper eines Engländers namens James Bybbs die Flucht angetreten. James Bybbs hatte sich sein Leben lang mit okkulten Praktiken und dämonischen Ritualen befasst. Damit war er zu einem geradezu optimalen Handwerkzeug des gespenstischen Chopper geworden. Chopper brauchte von Fall zu Fall einen menschlichen Körper. Der Kontakt mit diesem Geist höhlte dessen Wirtskörper jedoch aus und vernichtete ihn in kurzer Zeit. Nur wer sich selbst mit Leib und Seele den Mächten der Finsternis verschrieben hatte, konnte Chopper längere Zeit ertragen. Wie lange dieser Zustand andauerte, darüber gab es allerdings noch keine genaue Kenntnis. Ob ein solcher Wirtskörper nur vorübergehend Choppers Behausung war oder ihm für die Ewigkeit diente ...

Ganz risikolos schien der Kontakt – gleich welcher Art der Wirtskörper auch war – jedenfalls nicht zu sein. Marina, die Hexe, die auch noch mal im Horror-Palais von Wien in Erscheinung getreten war, hatte Chopper vorübergehend ebenfalls Unterschlupf in ihrem Körper gewährt. Das Ergebnis war, dass die eine Hälfte ihres Gesichtes geschwürig zerfiel. Ihre Schönheit, die stärkste Waffe dieser Frau, hatte schlimm gelitten. Das Trio Marina, Chopper und der Okkultist James Bybbs waren nach dem letzten Zusammentreffen mit den Agenten der PSA spurlos untergetaucht. Und nun – sollte Chopper sich wieder gemeldet haben?

»Was weiß man über sein erneutes Auftreten, Sir?«