Larry Brent Classic 066: Killer im Nebel - Dan Shocker - E-Book

Larry Brent Classic 066: Killer im Nebel E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Die PSA fahndet nach einem mysteriösen Serienkiller. Dieses Ungeheuer mordet stets an zwei Orten gleichzeitig. Dass die Spur des Massenmörders weit zurück in die Vergangenheit reicht, finden die PSA-Agenten erst heraus, als es fast zu spät ist. Bonus: Eine Dan Shocker-Story aus dem Jahre 1957!

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Band 66

Dan Shocker

KILLER IM NEBEL

Erstveröffentlichung „Bei Nebel kommt der Schizo-Killer“

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Fachberatung: Robert Lindner

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Illustration: www.ralph-kretschmann.de

Titelbildgestaltung: Mark Freier

Satz: Winfried Brand

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-95719-866-2

Daisy Allerton saß in dem alten Lehnstuhl am Fenster. Das Licht der Stehlampe schuf einen hellen Hof zu ihren Füßen und leuchtete die Seiten des Buches aus, das sie in der Hand hielt. Außerhalb des Lichtkreises lag das Zimmer mit den schweren Möbeln im dämmrigen Halbdunkel. Sie liebte diese Stunden der Einsamkeit.

Daisy Allerton lebte allein in einer Mansardenwohnung. Das Haus, in dem sie wohnte, lag nur wenige Schritte von der Westminster Bridge und der Themse entfernt.

Die junge Verkäuferin, die im weltberühmten Londoner Kaufhaus Harrods Tag für Tag in der Parfümerie-Abteilung Duftwässer, Cremes und Lotionen anbot, hatte es sich bequem gemacht. Daisy Allerton las in dem alten Sessel oft bis in die Nacht hinein. Obwohl sie frühzeitig aufstehen musste, kam sie keine Nacht vor zwölf ins Bett. Und ganz schlimm war es an den Samstagen. Da wurde es zwei oder gar drei Uhr. Sie stand dann gerne immer erst am frühen Sonntagnachmittag auf.

Heute war wieder Samstag. Die altmodische Uhr in dem verschnörkelten Bronzegehäuse zeigte halb zwölf. Damit fing der Abend für Daisy erst an. Sie hatte auf einem Beistelltisch ein Glas Sherry stehen, an dem sie gelegentlich nippte. Ab und zu schob sie salziges Gebäck zwischen ihre Zähne. Bis auf das monotone Ticken der Uhr, das Knacken ihrer Salzplätzchen und das gelegentliche Rascheln des Papiers, war es still in dem kleinen Raum. Die Verkehrsgeräusche von der Straße waren schwach und kaum wahrnehmbar. Kurz vor Mitternacht waren ohnehin nur noch wenige Fahrzeuge unterwegs.

Daisy Allerton wandte den Kopf Richtung Fenster. Aus der Höhe konnte sie die Straße nicht sehen, sondern nur einen Teil des vorgezogenen Schindeldaches. Fahle Nebelschleier wehten vorbei und verdichteten sich. Und wie auf Befehl klappte die junge Frau ihr Buch zu, obwohl dies noch lange nicht der Zeitpunkt war, an dem sie normalerweise zu lesen aufhörte. Sie reckte sich, erhob sich langsam, während sie den Wunsch verspürte, aus dem Fenster zu schauen, um dem Spiel der Nebelfahnen zuzusehen. Und noch ein anderer Wunsch kam in ihr auf - sie wollte einen Spaziergang zu machen. Jetzt, bei Nacht und Nebel! Es zog sie regelrecht hinaus, ohne dass sie es sich erklären konnte.

Sie betrat den Flur, warf sich einen dünnen Mantel über und verließ die Wohnung, ohne das Licht der Stehlampe zu löschen. Die Tür fiel ins Schloss, die junge Frau verharrte. In der Stube war es warm und gemütlich. Außerdem gab es Warnungen der Polizei. In letzter Zeit häuften sich grausame Morde in und um London zu einer wahren Serie. Der Täter, der inzwischen von der Presse als der Mörder mit dem Satansmal bezeichnet wurde, war bis zur Stunde unbekannt und konnte jederzeit wieder zuschlagen. Wenn jemand nicht unbedingt unterwegs sein musste, sollte er nach Einbruch der Dunkelheit nach Möglichkeit die Wohnung nicht mehr verlassen. Vor allem nicht allein. Da der Unbekannte einsame Frauen als Beute aussuchte, sollten diese Damen sich besonders vorsehen.

Warum also verlässt du deine Wohnung?, durchfuhr es Daisy Allerton, doch sie verwarf ihre Bedenken sofort wieder, knöpfte ihren Mantel vollständig zu und überquerte die Fahrbahn. Nur dreißig Schritte weiter begann das Ufer der Themse. Unweit der Westminster Bridge befand sich eine Anlegestelle für Ausflugsschiffe. Das hell gestrichene Häuschen, in dem die Leute ihre Fahrkarten kaufen konnten, war normalerweise vom Gehweg aus zu sehen. In dieser Nebelnacht jedoch nicht. Daisy Allerton ging am Ufer entlang und entfernte sich von der Brücke. Die dunklen Bäume, die den Straßenrand säumten, waren wie überdimensionale bizarre Gestalten, die wie durch einen Zauberspruch erstarrt schienen.

Die Straße samt Gehweg entlang des Themse-Ufers war menschenleer. Und so tauchte der Fremde für Daisy Allerton völlig überraschend auf. Sie hatte weder Schritte vernommen, noch sonst etwas bemerkt. Wie ein dunkler Schatten stand er plötzlich vor ihr. Sie lief dem Fremden geradewegs in die Arme. Der Mann trug ein helles, rüschenbesetztes Seidenhemd und einen vermutlich dunkelblauen Samtanzug. Genau konnte sie es nicht sagen, weil es zu finster und neblig war, um alles deutlich zu erkennen. Daisy Allerton bemerkte lediglich, dass die Manschetten auffallend groß und gefaltet waren, wie bei Hemden, die man vor Jahrhunderten getragen hatte. Auffällig war auch die weiße, gewellte Perücke.

„Wer sind Sie?“, stieß Daisy Allerton hervor und wich unwillkürlich zurück. Von einer Sekunde zur anderen begann sie zu frieren. Es war nicht nur die vom Fluss herüberziehende Feuchtigkeit, die in ihre Kleidung drang.

Der Angesprochene gab keine Antwort und stieß zu, noch ehe Daisy Allerton ausweichen konnte. Ein scharfer Gegenstand durchbohrte ihre Kleidung. Die Augen der jungen Frau wurden groß wie Untertassen, ihre Hand zuckte an die Stelle des Körpers, die brennend schmerzte. Sie wollte schreien, doch es kam nur ein Krächzen aus ihrem Mund. Verwundert betrachtete sie das Blut an ihren Händen. Er war es! Der vonScotland Yard gesuchte Mörder mit dem Satansmal! Niemand wusste, wer er war und wann er auftauchte. Und sie lief ihm direkt in die Arme!

Ihr knickten die Beine weg, sie fiel hart auf beide Knie. Der Schmerz raste wie ein Feuerball durch ihre Eingeweide.

Der Fremde ballte seine Rechte zur Faust und drückte ihr diese mitten auf die Stirn. Sie fühlte den Abdruck des scharfkantigen Ringes nicht mehr und konnte auch nicht sehen, was für ein Zeichen jetzt mittig auf ihrer Stirn prangte. Es schien, als wäre ihre Haut mit einem glühenden Brenneisen in Berührung gekommen. Oberhalb der Nasenwurzel war münzgroß ein teuflisch grinsendes Antlitz mit zwei scharf gekrümmten Hörnern zu sehen. Das Zeichen des Satans!

Daisy Allerton kippte nach vorn, das Leben wich aus ihrem Körper. Ihre Armbanduhr wurde so beschädigt, dass sie sofort stehen blieb. Die Zeit, in der der Mord an Daisy Allerton passierte, war auf die Sekunde genau festgehalten: Zwei Minuten nach Mitternacht.

In der Sauna dampfte die Luft, die Hitze ließ die Körper der Anwesenden krebsrot werden. Mehrere Männer und Frauen hielten sich in dem Raum auf. Ein blonder Mann mit sportlicher Figur und blaugrauen Augen, lag auf einer der oberen Bänke. Nicht weit von ihm hockte ein Kleiderschrank, ein wahrer Muskelprotz mit einem struppigen Vollbart und einer ebensolchen Frisur. Einige Stufen tiefer schwitzten drei Freundinnen, sich angeregt unterhaltend.

Der breitschultrige Mann ganz oben mit dem wilden rötlichen Vollbart tastete nach seinem Handtuch und tupfte sich das schweißüberströmte Gesicht ab. „Schade um all die schönen Sachen, die man hier wieder ausschwitzt, Towarischtsch“, sagte er mit leisem Stöhnen und hob den Kopf in Richtung seines ebenfalls transpirierenden Begleiters. „Wir waren vorzüglich essen, Wodka vom Feinsten, und nun tropfen all die schönen Drinks hier aufs Holz.“

Der Blonde schmunzelte. „Aber das ist doch der Sinn der Sache, Brüderchen. Du entschlackst deinen Organismus und kannst danach umso massiver wieder zuschlagen.“

Der rotbärtige Russe seufzte. „Du hast recht, so sollte man es sehen. Ich nehme an, dass wir in einer halben Stunde fertig sind. Wir gehen dann in ein tolles Restaurant, wo es vernünftige Steaks gibt. Ich hab Hunger wie ein Bär, Towarischtsch. Ich fühle mich völlig entkräftet.“

„Natürlich, mein Freund. Wie spät haben wir‘s eigentlich, Brüderchen?“

Iwan Kunaritschew wandte den Kopf und spähte in die Tiefe. Auf der untersten Bank lag eins der drei Mädchen, nur mit einem winzigen Handtuch bedeckt. Ihre linke Hand ragte über den Rand der Bank. Iwan konnte die Ziffern der Uhr und die Stellung der Zeiger deutlich sehen.

„Kurz nach sieben, Towarischtsch. Der Abend fängt gerade an.“

„Wenn ich mich recht entsinne, waren wir erst vor einer Stunde essen.“

„Solange ist das schon her? Kein Wunder, dass mir der Magen knurrt.“

„Du darfst eines nicht vergessen, Brüderchen. Wir sind nicht zu unserem Vergnügen hier.“

„Stimmt, dann ist es nicht verwunderlich, dass ich mich so elend fühle. Ne handfeste Schlägerei ist mir lieber. Da weiß man wenigstens, warum man ins Schwitzen gerät.“

„Ich finde es angenehm hier. Wir sind im Dienst und können gleichzeitig etwas für die Gesundheit tun. Und schließlich sind wir in netter Gesellschaft.“

Eines der drei hübschen Mädchen, sie fiel auf durch ihren französischen Akzent, erhob sich, schlang das Handtuch um ihre Hüften und begab sich zum Pool. Die beiden anderen folgten ihr. Eine nach der anderen ließen sie ihre Handtücher zu Boden gleiten und sprangen ins eiskalte Wasser. Lachen und Quieken vermischte sich mit Wasserplatschen. Die Girls tauchten ab und prustend wieder auf. Doch eine blieb länger unter Wasser. Die süße Französin mit dem Puppengesicht. Sie bewegte sich weit unter der Wasseroberfläche. Die Umrisse ihres nackten Körpers waren noch zu sehen. Dann kam sie in die Höhe. Larry und Iwan sahen sich einander an. Sie vermissten das lange Haar, mit dem das Mädchen eingetaucht war. Im ersten Moment sah es so aus, als hätte sie eine Langhaarperücke getragen, die sie im Wasser verloren hatte. Doch das Schreien ihrer Begleiterinnen ließ die PSA-Agenten alarmiert hochfahren. Die hübsche Französin hatte sich verändert! Mit ihrem langen Haar war auch ihr Puppengesicht verschwunden! Auf ihren Schultern leuchtete ein roter Teufelskopf mit schräg liegenden, kalt funkelnden Augen und zwei Hörnern.

Grausames Lachen drang aus der Kehle der unheimlichen Gestalt. Die beiden anderen Mädchen hielten die Veränderung offensichtlich für einen Scherz. Die eine streckte quiekend ihre Hände nach dem Teufelskopf aus. Doch das so veränderte Mädchen riss beide Hände empor und packte ihre Freundin an den Haaren und drückte so ihren Kopf unter die Wasseroberfläche. Das Schreien verstummte, Luftblasen stiegen auf. Das dritte Mädchen kraulte kreischend an den Beckenrand zurück.

Larry und Iwan spurteten laut rufend zum Becken. Der Mädchenkörper mit dem Satanskopf ließ von seinem Opfer ab, teilte mit kraftvollen Schwimmbewegungen das Wasser und erreichte die andere Seite. Dort schwang sich der Teufelskopf über den Rand und raste aus dem Baderaum. Die nackten Füße klatschten laut auf den Boden.

Larry und Iwan verstanden sich wie immer blind. Der Russe kümmerte sich um die junge Besucherin, die geschockt zu ertrinken drohte. Mit einem Hechtsprung sprang X-RAY-7 ins Becken und tauchte nach dem absinkenden Mädchen. Larry jagte am Beckenrand entlang, um den flüchtigen Teufelskopf einzuholen. Doch die veränderte Französin hatte einen respektablen Vorsprung und schlug Larry eine Zwischentür vor der Nase zu. Der PSA-Agent setzte splitternackt die Verfolgung durch einen Nebenkorridor fort. Die Französin mit dem Teufelskopf hielt ihren Vorsprung, war bereits am Ausgang und Sekunden später auf der Straße. Der Himmel hatte sich der bizarren Szenerie angepasst, er wirkte wie in Feuer getaucht. Glutrot ging die Sonne unter. Die Luft war kühl. Die Straße, in der mehrere Lokale und diese Freizeithalle lagen, war um diese Zeit noch belebt. So blieb die ungewöhnliche Verfolgungsjagd nicht ohne Zeugen. Ein nackter Mann und eine nackte Frau liefen um die Wette. Eigentlich akzeptabel, nur der grässliche Teufelskopf auf dem hübschen Mädchenkörper brachte die Passanten aus der Fassung. Bremsen quietschten, Autos knallten aufeinander, als die Frau mit dem Teufelskopf quer über die Straße lief und hinter einer Hausecke verschwand.

Larry schlängelte sich zwischen querstehenden Autos durch. Die Insassen glotzten entsetzt. Männer grimmig, Frauen eher amüsiert. Eine ältere Dame winkte dem nackten PSA-Agenten übermütig zu, der Mann neben ihr zog ein zerknittertes Gesicht. X-RAY-3 verlor wertvolle Sekunden, weil die Autos dicht an dicht standen. Es blieb ihm keine andere Wahl; er sprang auf die Kühlerhaube eines lindgrünen Pontiacs. Die beiden männlichen Insassen bekam ihre Münder nicht mehr zu. Verdattert starrten sie auf die Abdrücke die Larrys nasse Füße auf dem glänzenden Lack hinterlassen hatten.

Larry erreichte den Gehweg auf der anderen Straßenseite. Zwei Frauen hatten sich beidseitig postiert und feuerten ihn durch schnelles Klatschen und mit freudig glänzenden Gesichtern an. Larry sah den Teufelskopf um eine Ecke biegen. Das Mädchen hatte ihren Vorsprung ausgebaut und Larry beschleunigte sein Tempo.

Das Ziel dieser Flucht war offensichtlich der geräumige Parkplatz hinter den Häusern, der einem hellerleuchtenden Kino gegenüberlag. Vor dem Kino herrschte reger Betrieb. Viele Jugendliche standen herum, rauchten, redeten oder sahen sich die Szenenfotos in den Schaukästen an. Ein grellbuntes Plakat fiel Larry im Vorbeilaufen auf. Ein Fantasy-Film mit Sauriern, Streitäxten, Flammenschwertern und einer schwarzhaarigen Frau.

Larry musste unwillkürlich an die legendäre Gestalt der Rha-Ta-N‘my denken. Von dieser Dämonengöttin wusste man, dass sie in grauer Vorzeit auf der Erde geherrscht hatte. Auf ihre Anwesenheit gingen viele erstaunliche Praktiken zurück, die Menschen in die Lage versetzten, auch heute noch grauenvolle Mächte zu beschwören, die einst auf der Erde die Vorherrschaft besessen hatten. Die Welt der Geister und Dämonen war realer, als manch einer wahrhaben wollte. Und genau aus diesem Grund gab es die PSA, die Psychoanalytische Spezial-Abteilung. Die Männer und Frauen, die im Dienst der PSA standen, wussten um das Unheil und das Grauen, das oft durch geheime Pforten in diese Welt eindrang. Magie und Okkultismus waren keine Phantastereien. Und was Larry gerade eben wieder erlebte, bewies nur ein weiteres Mal die Existenz von Kräften, die auch in einer aufgeklärten, modernen Welt immer wieder in Erscheinung traten. Die Unbekannte mit dem Teufelskopf war ein Beweis dafür, dass die Spur, die X-RAY-1, der Leiter der PSA ihnen angegeben hatte, richtig war. Der Gründer und Leiter der schlagkräftigsten Geheimorganisation der Welt, hatte seine beiden Agenten absichtlich in die Sauna der High Street von Allentown geschickt. Durch eine bekannte amerikanische Hellseherin war bei der PSA ein Hinweis eingegangen, wonach es am Abend zu einem in höchstem Maß ungewöhnlichen Vorfall in besagter Sauna kommen sollte. Die Vorhersage war unbestreitbar eingetroffen.

Larry sah, dass die Fliehende nicht auf den Parkplatz lief, wie es einen Moment ausgesehen hatte. Sie schlug einen Haken und rannte zu der Menschentraube vor dem Kinoeingang. Rufe und anerkennende Pfiffe wurden laut, einige Jugendliche klatschten in die Hände. Doch dann mischten sich bereits erste Schreie unter das fröhliche Johlen. Einige sprangen zur Seite, als die nackte Frau wie ein Roboter auf sie zu fegte. Die Unheimliche mit dem Teufelskopf rannte ohne abzubremsen mitten in die Menschenmenge hinein. Zwei Jugendliche stürzten, die anderen stoben schimpfend auseinander. Die Nackte raste ungehindert in das Kino und verschwand in einem dunklen Gang. Larry war ihr inzwischen dicht auf den Fersen. Im Vorraum des Kinos brandete Jubel auf, als man die zwei Nackten bemerkte. Larry selbst war nicht zum Jubeln zumute. Er rannte splitternackt hinter einem Teufelskopf her! Dazu ohne seine Laserwaffe im Schulterholster. Mehr nackt ging einfach nicht mehr. Er brauchte einen Moment, ehe sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Vorn auf der Leinwand ritt die Schönheit vom Filmplakat auf einer Urweltechse durch eine menschenfeindliche Landschaft, schwang ihr riesiges Breitschwert und mähte ihre Feinde nieder, die sich ihr in den Weg stellten.

Die Zuschauer waren im Bann des Geschehens verfangen und achteten nicht darauf, was sich neben den Sitzplätzen abspielte. Erst als eine nackte Frau mit Teufelskopf auf die Bühne kletterte und in den Lichtkegel des Projektors geriet, bemerkten die Zuschauer, dass etwas nicht stimmte. Die Protagonistin im Film schwang ihr Schwert, und die Fremde auf der Bühne lief genau in diesen Hieb hinein! Dies war nicht nur Eindruck der Perspektive, sondern absolut real. Die Klinge erwischte die Nackte genau am Halsansatz. Die Leinwand zerriss. Die Projektion erlosch. Nur noch die winzigen Lichter der Notbeleuchtung an der Wand waren intakt. Einige Besucher sprangen verwirrt auf, Panik brach aus. Die Menschen stürzten von ihren Sitzplätzen zum Haupteingang und zu den Notausgängen.

Larry lief geduckt an der Seite entlang zur dunklen Bühne. Dort lag die Nackte, ihr Teufelskopf rollte neben ihr aus. Die junge Französin aus dem Schwimmbad, geköpft von einem Kinofilm …

Um Larry herrschte Hektik und Aufruhr. Alles lief und schrie durcheinander. Larrys Nacktheit wurde nicht mehr zur Kenntnis genommen, die soeben enthauptete Tote war der Schrecken für die Kinobesucher. Als der PSA-Agent sich neben das tote Mädchen kniete, bemerkte er im Halbdunkel die Umrisse eines Mannes. Wenig später wurden ein weißes Hemd mit auffallend großen Rüschenmanschetten und eine hautenge Samthose erkennbar. Der Mann besaß ein kantiges Profil mit scharf hervortretender Nase. Das Gesicht war lang und schmal und wurde gerahmt von einer weißhaarigen Perücke.

Und wieder geschah etwas, während rings um ihn alles floh, sich die Menschen gegenseitig umstießen und anrempelten. Larry sah die Gestalt plötzlich doppelt, als würde etwas mit seinen Augen nicht stimmen. Die eine schien aus der anderen herauszugleiten, an den Händen zusammengewachsen wie siamesische Zwillinge. Darüber schwebte der rote Satanskopf mit den schräg liegenden Augen, den spitzen Ohren und den Geißbockhörnern. Das groteske Bild währte nicht länger als drei Sekunden und erlosch, als hätte es nie existiert.

Zurück blieben eine zerrissene Leinwand und die Tote ohne Kopf.

Die letzten Besucher hatten das Filmtheater verlassen. Aus der Ferne lärmten Einsatzfahrzeuge heran. Mitarbeiter des Kinos, die zuvor wegen der flüchtenden Menschentraube nicht durchkamen, eilten herbei. Eine Frau drohte zu kollabieren als sie die Geköpfte sah.

„Um Himmels willen!“, stieß ein Mann hervor, der als erster bei Larry war. „Wie ist denn das passiert?“ Sein Blick fiel auf die zerschlitzte Leinwand.

„Jemand muss dahinter gelauert haben!“ X-RAY-3 versuchte es mit einer plausiblen Erklärung. Was er gesehen hatte, das konnte er dem Mann natürlich nicht sagen.

Die eintreffende Polizei begann hektisch das Areal abzusichern. Der nackte Larry wurde erst einmal vorsorglich in Handschellen gelegt. In seinem Aufzug war er natürlich mehr als nur verdächtig und dummerweise hatte er keinen seiner hilfreichen Ausweise dabei. Später wurden Zeugen vernommen, offenbar hatte die Polizei es geschafft, ein Teil des entnervten Publikums noch rechtzeitig abzufangen. Eine genaue Tatbeschreibung vermochte aber niemand abzugeben.

„Diese Frau hat eine andere Person tätlich angegriffen und ist splitternackt aus der Sauna gerannt“, berichtete Larry wahrheitsgemäß. „Sie hat sich vor dem überstürzten Verlassen so etwas wie eine Maske über ihren Kopf gestülpt.“

„Was für eine Maske?“, fragte einer der Uniformierten.

„Eine Teufelsmaske. Die Frau, so kam es mir vor, scheint unter Drogen gestanden zu haben.“

Damit gab man sich fürs Erste zufrieden. Genauer ins Detail gehen konnte Larry später immer noch, wenn die Mordkommission eintraf und gezielte Untersuchungen einleitete. Dann konnte die PSA sich einschalten. Und irgendwie wollte sich Larry auch mal wieder anziehen. Es dauerte eine Zeit, bis man ihm endlich eine Decke brachte. Der so vorgefundene Tatort war für die hiesige Polizei einfach zu verwirrend, um wie gewohnt sachlich vorzugehen. Eine Leiche ohne Kopf, die zerrissene Leinwand, keine Tatwaffe. Das hatte man nicht alle Tage.