Larry Brent Classic 070: Ewiger Hass - Dan Shocker - E-Book

Larry Brent Classic 070: Ewiger Hass E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Ein berühmter Schauspieler fühlt sich von einer alten Frau verfolgt. Wenig später erleidet er mehrere schwere Unfälle. In seiner Not wendet er sich an Larry Brent, doch der PSA-Agent hat wenig Zeit. Als X-RAY-3 endlich nach Norddeutschland reist, ist es bereits zu spät.

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Band 70

Dan Shocker

EWIGER HASS

Erstveröffentlichung „Das Scheusal aus dem Nichts“

17.06.1975 als Silber Grusel-Krimi 93 (Zauberkreis-Verlag)

Februar 1977 als Silber Grusel-Krimi-Neuauflage 93 (Zauberkreis-Verlag)

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Fachberatung: Robert Linder

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Illustration: www.ralph-kretschmann.de

Titelbildgestaltung: Mark Freier

Satz: Winfried Brand

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-95719-870-9

Dass er sie schon Jahre vorher zum ersten Mal gesehen hatte, das fiel ihm erst viel später ein. Doch da war es schon zu spät! In Paris, als er mit seiner Freundin Jeanette ein Wochenende verbrachte, merkte Hans Liepert zum ersten Mal, dass etwas in seinem Leben vorging, was man nicht mehr als normal bezeichnen konnte. Merkwürdige Zufälle, die ihn an den Rand des Todes brachten, häuften sich. In der französischen Metropole blieb er zusammen mit seiner Freundin in einem Lift stecken. Zwei Stunden dauerte es, bis man sie herausgeholt hatte. Am gleichen Nachmittag besuchten sie gemeinsam den Eiffelturm. Jeanette, das langbeinige Mädchen mit den großen Augen, war wieder in seiner Begleitung. Die attraktive Französin hatte Hans im letzten Sommer in der Spielbank von Monte Carlo kennengelernt. Zwei Wochen unternahmen sie alles gemeinsam, und als sie sich trennten, bestand bei beiden der Wunsch, sich von Zeit zu Zeit doch mal wiederzusehen. Sie hatten viele gemeinsame Interessen, pflegten einen Briefwechsel und telefonierten seit dem letzten Jahr mindestens zweimal in der Woche miteinander.

Lieperts berufliche Situation brachte es mit sich, dass er sich nur selten freimachen konnte. Er arbeitete als Schauspieler an einer großen Bühne in Hamburg. Dass er an diesem Wochenende in Paris weilte, hing damit zusammen, dass die Theaterleitung am Montag mit einer großen Tournee begann. In Molieres Der eingebildete Kranke spielte Liepert die Hauptrolle. Mit dreiunddreißig war er dafür zwar noch ein bisschen zu jung für einen solchen Typ, doch es gab gute Maskenbildner, die ihn rasch um zwanzig Jahre altern ließen.

Gemeinsam mit Jeanette stand er hinter dem Gitter, ganz oben auf dem Eiffelturm, und sie starrten hinab auf die Häuser, die winzigen Menschen und die Autoschlangen, die sich dort unten wie in Zeitlupe bewegten. Hier oben pfiff der Wind gehörig. Ein blassgrauer Himmel spannte sich über der Stadt. Der Herbst hatte in diesem Jahr früher begonnen als in den Jahren zuvor. Die Wetterexperten prophezeiten einen kalten Winter, andere gar vom Beginn einer neuen Eiszeit, die in tausend Jahren ihren Höhepunkt erreichen sollte. Diese Gedanken gingen Hans Liepert durch den Kopf, während er den Mantelkragen höher schlug. Und dann tat er plötzlich etwas völlig Unsinniges. Er setzte seinen Fuß in das Eisengestänge und kletterte nach oben. Die Tiefe zog ihn magnetisch an.

„Hans! Bist du verrückt geworden!“ Eine Hand griff nach seinem Oberarm und zog ihn zurück.

Liepert erschrak und sah bleich aus. Es waren nicht viele Menschen auf der Plattform, niemand außer Jeanette hatte den Vorfall beobachtet.

„Um Gottes willen! Was wolltest du tun?“ Ihre angenehm dunkle Stimme zitterte.

Mit einem Lächeln versuchte er die Situation zu meistern, während er innerlich selbst von Angst geschüttelt wurde. „Ein Scherz, mehr nicht“, murmelte er. Aber es war kein Scherz gewesen! Ganz deutlich hatte er den Drang der Tiefe gespürt. Er hatte wirklich springen wollen.

„Lass uns nach unten gehen“, flüsterte die hübsche Französin. Der Wind zerrte an ihrem Kopftuch, das sie sich umgebunden hatte. Ihr ebenmäßiges Gesicht war wie aus Marmor gemeißelt. In ihren dunklen Augen flackerte die Angst. „Du wolltest in die Tiefe springen.“

„Unsinn“, entgegnete er rau.

„Manche Menschen neigen dazu, aus großen Höhen plötzlich in die Tiefe springen zu wollen.“

Der Deutsche presste die Lippen aufeinander und wollte etwas sagen, unterließ es aber.

Jeanettes Stimme drang wie aus weiter Ferne an sein Ohr. „… es gibt eine Statistik. Im Jahr springen zahlreiche Menschen im Höhenrausch vom Eiffelturm.“

Ich habe nie einen solchen Koller verspürt!, fieberten Lieperts Gedanken. Sein ausgeprägtes männliches Gesicht, in dem der Mund etwas zu breit wirkte, war starr wie eine Maske. Das ist nicht mein erster Besuch hier oben. Vor drei Jahren war ich schon mal hier. Aber, verbesserte er sich im Stillen gleich, in drei Jahren kann sich manches ändern. Man ist halt nicht mehr der alte. Mit einem hastigen Blick in die Runde registrierte er, dass sich außer ihm und Jeanette vier weitere Personen auf der Plattform befanden.Ein Vater, der neben seinen zwei Jungs vor dem Gitter hockte und in die Tiefe deutete.Nicht weit entfernt stand eine Frau. Liepert nahm sie nur flüchtig wahr.Sie trug einen braunen Mantel mit Fuchskragen, dazu eine passende Mütze.Für einen Augenblick kam es ihm so vor, als ob die Fremde ihn ernst und aufmerksam ansehe.

Die seltsamen Zwischenfälle blieben auch in den nachfolgenden Tagen nicht aus. Zurück in Deutschland, stürzte Hans Liepert fast die Gangway herab. Ein Steward, der zufällig hinter ihm ging, griff ihm noch unter die Arme und verhinderte Schlimmeres.

Von da an ging es Schlag auf Schlag. Die erste Aufführung während der Tournee in Bremen endete beinahe in einer Katastrophe. Hinter der Bühne fing die Kulisse Feuer. Die bei Theateraufführungen stets anwesende Feuerwehr, konnte den Brand jedoch unter Kontrolle bringen. Die Zuschauer verhielten sich diszipliniert, die Vorstellung konnte erfolgreich zu Ende gespielt werden. Den tosenden Beifall war Liepert gewöhnt. Er blickte, als er sich an der Rampe verbeugte, in den hell erleuchteten Zuschauerraum. Festlich gekleidete Menschen saßen da, in der ersten Reihe die Honoratioren der Stadt und ein paar alte Freunde, denen er mit leichtem Lächeln zu verstehen gab, dass er sie sah. Nach der Aufführung wollte man sich noch treffen, ein paar Worte miteinander wechseln. Noch in dieser Nacht ging es weiter. Morgen Abend gastierten sie bereits in einer anderen Stadt. Das bedeutete drei volle Monate Stress. Mit diesen Belastungen wurde er jedoch spielend fertig. Wenn nur diese seltsamen Unfälle nicht wären. Liepert begann, sich Sorgen zu machen. Das alles ging ihm durch den Kopf, während er zum dritten Mal vor den Vorhang gerufen wurde, sich verbeugte und einen leisen Dank murmelte.

Viele Gesichter, anonyme Menschen. Das Theater war ausgebucht. Hans Liepert blickte in die Tiefe, dann wieder nach vorn. Dort saß eine merkwürdige Frau, sie klatschte nicht, beobachtete ihn nur. Es war die gleiche Frau, die den Schauspieler bereits auf der Plattform des Eiffelturms in Paris beobachtet hatte.

Am nächsten Abend kam es zu einem erneuten Zwischenfall. Eine halbe Stunde vor seinem Auftritt stolperte Hans Liepert über einen Teppich in seiner Garderobe und verstauchte sich das Bein. Nur unter der Wirkung einer schmerzstillenden Spritze überstand er den ersten Akt. Er vergaß mehrmals seinen Text. Es kam die Szene, in der er im Rollstuhl sitzend nach seinen Pillen und Tabletten verlangte, die er laut Textbuch mengenweise in sich hineinschaufelte. Er griff nach einem mit Wasser gefüllten Glas, trank, und verschluckte sich. Die Folge war ein Hustenanfall, wie er ihn noch nie erlebt hatte. Liepert lief blau an, die Vorstellung musste unterbrochen werden. Der Vorhang fiel. Unruhe im Zuschauerraum.

Der Veranstalter fühlte sich nach fünf Minuten veranlasst, doch ein paar Worte an die erregten Theaterbesucher zu richten. In spätestens einer Viertelstunde könne die Vorstellung fortgesetzt werden. Die Aufführung fand in der Turnhalle eines kleinen Ortes zwischen Bremen und Worpswede statt. Die Menschen, mit Theateraufführung nicht sehr verwöhnt, warteten geduldig. Nur eine Zuschauerin war unter ihnen, die triumphierte. Aber das sah man der Frau nicht an. Das schmale Gesicht mit den dunklen Augen war bleich, die Lippen eng zusammengepresst.

„Sie ist wiederda“, sagte Liepert in seiner Garderobe, auf einem Sofa liegend. Sein Atem ging schnell, der Schauspieler sah totenbleich aus. Er sprach wie im Fieber.

„Wer ist wieder da?“, fragte der Arzt, der sich zufällig im Zuschauerraum aufgehalten hatte und nun Erste Hilfe leistete.

„Die Frau! Sie muss irgendetwas damit zu tun haben.“

„Welche Frau? Zu tun haben, womit?“

„Mit meinem Pech.“

„Unsinn!“

„Sagen Sie das nicht!“ Liepert richtete sich auf. Langsam kehrte wieder Farbe in sein Gesicht zurück. „Sie glauben nicht an solche Dinge, nicht wahr?“

„An welche Dinge, Herr Liepert?“ Der Arzt musterte ihn nachdenklich.

„Dass bestimmte Menschen Unglück bringen können.“ Liepert starrte gedankenversunken vor sich hin, als lausche er seinen eigenen Worten nach.

„Nein, so etwas gibt es nicht.“

„Oh doch!“

Die Vorstellung wurde ohne weitere Zwischenfälle einige Minuten später fortgesetzt.

Obwohl er abends Schlaftabletten genommen hatte, konnte Liepert nicht einschlafen. Zum Glück war der nächste Tag spielfrei. Den wollte er nutzen. Ausschlafen und dann ganz entspannt einen Spaziergangmachen. Sein Nervenkostüm war nicht mehr das Beste, innerhalb kurzer Zeit war er zu einem Angsthasen geworden. Ständig fürchtete er, es könne etwas Furchtbares passieren.

Am Nachmittag verließ er das Hotel. Er wollte allein sein und nachdenken. Es war windig, aber die Sonne schien. Ein schöner Herbsttag. In einer Stunde sollte die Abfahrt mit dem Bus in den nächsten Ort erfolgen. In der verbleibenden Zeit wollte er sich noch mal die Beine vertreten. Er gingeine menschenleere Landstraße entlang. Ein Windstoß fuhr in das bunte Blattwerk der Alleebäume und wehte das welke Laub durch die Luft. Heute Abend würde das Ensemble wieder auf einer größeren städtischen Bühne spielen. Liepert fühlte sich im Moment wie ausgelaugt und fürchtete sich sogar vor seinem Auftritt.

Würde er wieder stürzen? Sich wieder verschlucken? Noch tausend andere Möglichkeiten gab es, um ihn zu Fall zu bringen. Merkwürdig, dass er sich mit einem Mal mit solchen Gedanken herumschlug. Er bewegte sich sonst auf der Bühne so sicher wie im Leben. Und mit einem Mal war alles vorbei. Er hatte Angst!

Aus der Ferne vernahm er ein Motorengeräusch. Ein Wagen näherte sich. Liepert ging am Straßenrand. Auf der falschen Seite, das wusste er. Normalerweise sollte man immer an der Seite gehen, an der die Fahrzeuge entgegenkamen.

Es krachte. Liepert flog durch die Luft. Der dumpfe Schlag betäubte seinen Körper und sein Bewusstsein. Ein kurzer, brennender Schmerz, dann wurde alles dunkel um ihn. Er merkte nicht, dass er mit dem Gesicht auf dem Boden lag. Er hatte nicht mal das Fahrzeug gesehen, das ihn erfasst hatte. Der Wagen fuhr weiter, niemand war Zeuge.

Als Liepert erwachte, glaubte er, in seinem Hotelbett zu liegen. Wie spät ist es?, war sein erster Gedanke. Doch dann bemerkte er, dass etwas nicht stimmte. Er konnte sich nicht bewegen, und er war in keinem Hotel, sondern in einem Krankenzimmer. Dieser typische Geruch verriet seinen Standort. Liepert begann zu zittern. Kein Gefühl mehr in den Beinen! Was war geschehen?

Man erzählte ihm, dass er in einem Straßengraben gefunden wurde, seine Wirbelsäule war verletzt. Querschnittlähmung! Rollstuhl! Das bedeutete natürlich das Aus für seine Karriere. Niemals würde er wieder auf einer Bühne stehen!

Wochen vergingen. Die Ärzte taten ihr Möglichstes, doch sie konnten keine Wunder vollbringen. Aus allen Teilen Deutschlands kamen Briefe und Karten. Die Freunde und Kollegen dachten an ihn. Briefe von Jeanette trafen ein, die er sich postlagernd nachschicken ließ. Sie wunderte sich, dass sie schon so lange nichts mehr von ihm gehört hatte. Liepert telefonierte drei Tage später mit ihr. Die Französin wusste nichts von dem schrecklichen Unfall, der sein Leben von Grund auf verändert hatte, und er erwähnte ihn auch nicht. Er sprach von einer Erkrankung, die ihn ans Bett fesselte, und dass die Ärzte ihm äußerste Ruhe verordnet hätten. Für das nächste halbe Jahr dürfe er auf keinen Fall auftreten. Hans Liepert hasste Lügen, aber manchmal ließen sie sich nicht vermeiden. „Wir werden uns bald wiedersehen“, sagte er und sprach so heiter, wie es ihm möglich war, obwohl Ängste, Zweifel, Ratlosigkeit und Unsicherheit ihn erfüllten. Er wollte erst selbst mit allem fertigwerden.

Drei Monate lag er nun schon im Krankenhaus. Sein Zustand besserte sich. Er wurde durch den Klinikpark spazieren gefahren. Erste Schneeflocken wehten ihm ins Gesicht. Der Himmel war grau. In zwei Tagen war Weihnachten. Sie alle hatten ihn eingeladen, aber er wollte zu niemand. Zumindest jetzt noch nicht. Liepert mied die Gesellschaft, die er so geliebt hatte, und zog sich mehr und mehr zurück. Er las viel. Durch einen Zufall fiel ihm ein Buch in die Hände, das ihm ein Patient auf der Station empfohlen hatte. Eine Abhandlung über die Welt der geheimen Mächte und über schwarzmagische Künste, Hexen- und Teufelsbeschwörungen. Liepert las das Buch wie einen spannenden Kriminalroman. Seit jeher fühlte er sich von solchen Dingen angezogen, er war empfänglich für diese Gedankenwelt. Aber im Freundeskreis hatte er nie darüber gesprochen, lediglich durchblicken lassen, dass er an Dinge glaube, dieman nicht unbedingt begreifen kann. Die Bücher lenkten ihn von seinen Grübeleien ab und erfüllten ihn mit neuen Dingen. Wenn sich bestimmte Menschen mit bestimmten Mächten einließen, konnten sie mit Kräften aufgeladen werden, die sie anderen gegenüber überlegen machten. Böse Wünsche konnten Wirklichkeit werden. Hexen, die einen Pakt mit dem Bösen abgeschlossen hatten, konnten anderen Menschen Schaden zufügen.

Hexen!