Larry Brent Classic 076: Die Hexe aus der Urne - Dan Shocker - E-Book

Larry Brent Classic 076: Die Hexe aus der Urne E-Book

Dan Shocker

0,0

Beschreibung

Ein gut aussehender junger Mann erwirbt ein einsames Haus im Wald. Bei Renovierungsarbeiten entdeckt er wertvollen Münzen, dann eine merkwürdige Urne. Wenig später erwacht in dem Jahrhunderte alten Haus das Grauen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 114

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Band 76

Dan Shocker

DIE HEXE AUS DER URNE

Erscheinungstermine von „Die Hexe aus dem Urnengrab“

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Fachberatung: Robert Linder

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Illustration: www.ralph-kretschmann.de

Titelbildgestaltung: Mark Freier

Satz: Winfried Brand

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-95719-876-1

„Das Haus ist über vierhundert Jahre alt“, sagte der fette Makler und schnaufte asthmatisch.

Horst Schaicher ließ seinen Blick mitleidig über den gewaltigen Bauch seines Begleiters schweifen. „Ja, das sieht man. Da gibt es einiges zu tun.“

Der Glatzköpfige tupfte sich mit einem zerknüllten Taschentuch die Stirn ab. „Dafür ist es aber auch billig. Sechzigtausend. Das ist geschenkt, bei den heutigen Grundstückspreisen, die hier in der Gegend gezahlt werden. Kommt immer darauf an, wofür man ein solches Haus erwirbt. Für Ihre Zwecke ist es bestens geeignet. Sie haben, wie Sie sagen, die Nase voll vom Stress, vom Alltag und den Menschen. Sie wollen allein sein, ein bisschen aus Ihrem bisherigen Leben aussteigen. Und hier passt alles. Es sind nur zwanzig Kilometer bis zur nächsten Großstadt. Mit dem Auto sind Sie in einer halben Stunde dort. Ein kleinerer Ort liegt nur drei Kilometer von hier. Wenn Sie mal Lust auf ein kühles Bier haben, finden Sie die nächste Kneipe praktisch vor Ihrer Haustür. Und doch sind Sie in der von Ihnen gewünschten Einsamkeit.“

Schaicher nickte, ließ sich aber die Begeisterung, die er beim Anblick des alten Fachwerkhauses empfand, nicht anmerken. Wenn er sich unentschlossen zeigte, konnte er möglicherweise den Preis noch etwas drücken. Er trat näher an das kleine Haus heran. Das Fachwerk wirkte stabil. Die Außenmauern waren in Ordnung und das Dach wies nur einen geringfügigen Schaden auf. Innen sah es allerdings fürchterlich aus. Die Räume machten einen heruntergekommenen Eindruck. Durchweichte Tapeten hingen in Fetzen herab, in einigen Räumen häuften sich kleinere Schuttberge. Wände waren eingerissen und an anderer Stelle neu errichtet worden. In einigen Plastikkübeln klebte steinharter Zement. Von Lage und Form her gefiel Horst Schaicher dieses Haus. Er war ein begeisterter Heimwerker und freute sich schon darauf, dieses Anwesen wieder auf Vordermann zu bringen.

Mit dem Makler wurde er rasch einig, als dieser ihm siebentausend Mark erließ.

„So ein Haus findet man kaum noch“, sagte der dickliche Hausvermittler. „Hier kann jeder Stein, jeder Balken, jeder Fußbreit Boden eine Geschichte erzählen. Im Dreißigjährigen Krieg war das hier mal eine Kneipe.“ Er musterte Schaicher mit einem vielsagenden Blick. „Ein Kind von Traurigkeit scheinen Sie nicht zu sein. Ich kann mir vorstellen, dass hier bald ein paar tolle Frauen rumlaufen und heiße Partys gefeiert werden.“

Schaicher, dunkelhaarig, gut aussehend, ein Errol-Flynn-Typ, lachte und zeigte zwei Reihen makellos weißer Zähne. „So eine Art von Haus wollte ich eigentlich nicht eröffnen.“

Die Männer klopften sich gut gelaunt gegenseitig auf die Schulter und gingen auf den Wagen des Maklers zu, der vor ihnen hellblau durch die Büsche schimmerte. Die letzten fünfzig Meter des steilen Weges waren mit dem Auto nicht befahrbar gewesen, dafür war der Pfad zu schmal.

„Ich sollte mir einen Esel zulegen und bis zum Hauseingang reiten“, scherzte Schaicher, doch der Gedanke, hier in der Abgeschiedenheit ein solches Tier halten zu können, gefiel ihm. Zufrieden drehte er sich noch einmal um und bemerkte etwas Merkwürdiges. Vor dem Haus stand eine junge Frau und blickte ihnen nach. „Wer ist das?“, fragte er überrascht.

„Was meinen Sie?“ Der Makler sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Das Mädchen …“ Schaicher blieben die restlichen Worte im Hals stecken.

„Was für ein Mädchen? Ich sehe niemand.“

Schaicher schluckte, schloss kurz die Augen und öffnete sie wieder. „Weg“, stieß er überrascht hervor. „Sie ist tatsächlich verschwunden! Eben war sie noch da!“ Er lief den Weg zurück.

Der Makler folgte ihm kopfschüttelnd.

„Sie war wirklich da!“, rief Schaicher aufgeregt. „Sie trug ein dunkles Kleid und eine weiße Schürze. Sie sah aus wie ein Dienstmädchen, vielleicht …“

„Hier ist doch keiner.“ Der Makler drehte sich suchend im Kreis.

Schaicher umrundete das Haus und warf einen Blick in den Schuppen, der an der Rückwand des Gebäudes angebaut war. Hier gab es jede Menge Gerümpel und stapelweise Brennholz.

„Hier ist niemand außer uns.“ Der Makler keuchte und tupfte sich erneut die Halbglatze. „Wenn sich da jemand herumgedrückt hätte, wäre er jetzt auch noch da. So schnell kann niemand verschwinden. Da hätten wir doch was hören müssen. Rascheln im Gebüsch, knackende Äste.“

„Sie ist nicht gekommen, und sie ist auch nicht gegangen“, murmelte Schaicher mehr zu sich selbst. „Sie ist … einfach verschwunden. Wie ein Geist.“

„Licht und Schatten unter dem Blätterdach gaukeln einem manchmal etwas vor, was nicht ist.“

Es hatte keinen Sinn, weiter nach der rätselhaften Erscheinung zu suchen. Nachdenklich stieg Horst Schaicher zu dem Makler ins Auto, und als der den Wagen wendete, blickte Schaicher noch einmal zurück. Alles war still, schön und sehr einsam.

Schaicher vergaß den unerklärlichen Vorfall. Direkt nach dem Notartermin machte er sich an die Arbeit. Er ließ einen Baucontainer so nahe wie möglich ans Haus bringen, beschaffte sich eine Schubkarre und weitere notwendige Geräte. Zuerst wollte er seinen neuen Besitz von Unrat und Schutt befreien. Danach richtete er sich einen Raum als provisorischen Schlafplatz ein. Obwohl es in dem alten Haus alles andere als gemütlich war, fühlte er sich von Anfang an wohl. Alles war so, wie er es sich immer gewünscht hatte.

Er schleppte Schutt und Dreck eimerweise nach draußen, mit der Schubkarre transportierte er alles zum Container. Am späten Nachmittag bereitete er sich auf einem Gaskocher heißes Wasser für einen Kaffee, dazu aß er belegte Brote. Er genoss die Ruhe, die nur durch das Zwitschern der Vögel im Wald unterbrochen wurde. Er hatte Natur pur. Das kleine Haus mit den niedlichen Dachgauben stand auf einer bewaldeten Anhöhe. Von der Südseite des Hauses, dort befand sich ein Balkon, besaß er einen herrlichen Blick weit hinein ins Mittelgebirge des Vogelsbergkreises, das aus einer Vielzahl an vulkanischen Basaltdecken bestand.

Horst Schaicher begann schnell, sein neues Leben zu genießen. Einfach und genügsam sollte es sein. Allerdings nicht völlig ohne Annehmlichkeiten. Fernsehen interessierte ihn nicht, doch auf ein Radio mochte er nicht verzichten. Er wollte hier in der freien Natur lesen, schreiben und malen. Jedes Zimmer sollte individuell zu einem kleinen Schmuckstück eingerichtet werden.

In der ersten Nacht schlief er auf einer Luftmatratze. Das Feuer in dem alten Kanonenofen spendete anhaltende Wärme, ehe es gegen Mitternacht erlosch. Draußen blies der Wind und spielte raschelnd in den Baumwipfeln. Nicht weit vom Haus entfernt schrie ein Käuzchen. Im Dachgebälk knisterte es. Das alte Haus war von unzähligen Geräuschen erfüllt und mitten in der Nacht vernahm er plötzlich einen gellenden Schrei, so laut und durchdringend, dass er erschrocken hochfuhr. Er lauschte mit angehaltenem Atem in die Dunkelheit hinein. Dann hörte er eine Stimme. „Dies war der dritte Teil unserer neuen Grusel-Hörspiel-​Serie. Schalten Sie morgen wieder ein, wenn es heißt: Mitternachts-Time, Gruseltime.“ Schaicher schmunzelte. Der Timer seines tragbaren Radios war offenbar eingeschaltet gewesen. Er nahm das kleine Radio vom Strom und schlief durch bis zum Morgengrauen.

Das Zwitschern der Vögel weckte ihn. Gleich nach dem Frühstück begann er wieder mit seinen Aufräumarbeiten. Der Keller war ein altes Gewölbe mit niedrigen Decken und Bogengängen. Jeder, der hier während der vergangenen Jahrhunderte schon mal gelebt hatte, schien auch etwas an Unrat zurückgelassen zu haben. Was Schaicher an Holz und Papier fand, schichtete er sorgfältig auf, damit konnte er im Winter heizen. Unnützen Müll warf er in den Container.

Nach einigen Stunden stieß Horst Schaicher auf einen Hohlraum hinter einem Mauervorsprung, dessen Steine verstreut in der Nähe lagen. Er schaffte sie beiseite und entdeckte schließlich ein Loch, das unterhalb des Wandabschlusses lag und schräg in den Boden führte. Er legte sich flach auf den Bauch, tastete in die Öffnung und fühlte grobes Gewebe. Es handelte sich um einen kleinen erdverkrusteten Sack mit Inhalt. Es schepperte metallisch, als er ihn herauszog. Würmer und Maden klebten an dem durchfeuchteten Gewebe. Der Sack war mit einem rostigen Draht verschlossen. Schaicher begann damit, ihn aufzudrehen. Als er den Verschluss geöffnet hatte, kippte er den Inhalt auf den Kellerboden. Münzen! Gelb wie Gold. Goldmünzen! Hastig nahm er eine zur Hand, betrachtete sie im Schein der Taschenlampe. Sein Herz begann schneller zu schlagen, die Münze trug die Jahreszahl 1635. Der Rand der Münze war glatt, sie selbst schwer und massiv. Alle Münzen glichen sich.

Horst Schaicher ahnte, dass er eine sehr wertvolle Entdeckung gemacht hatte. Er war auf ein Versteck gestoßen, das seit Jahrhunderten hier lag, und von dem keiner der vorherigen Bewohner etwas zu wissen schien. Vielleicht handelte es sich um einen Schatz aus dem Dreißigjährigen Krieg? Jemand musste in diesem Haus sein Vermögen begraben haben. Es war Gold, pures Gold! Möglicherweise gab es noch mehr davon in diesem Erdloch. Er spähte hinein, tastete in die schlauchförmige Höhlung und erfasste als nächstes einen Gegenstand mit glatter Oberfläche. Das Objekt fühlte sich an wie ein großer Krug oder eine Vase. Es war ein mattschimmerndes Gefäß, glatt und völlig schmucklos, auf dem ein mit Wachs verschlossener Deckel saß. Das Gefäß erinnerte ihn an eine Urne.

Schaicher nahm den Behälter zwischen die Hände und schüttelte ihn vorsichtig. Es war kein Scheppern zu hören. Demnach war das Gefäß entweder leer, oder es enthielt etwas Weiches, das kein Geräusch beim Schütteln verursachte. Angespornt durch den Münzenfund, den Schaicher allein vom Goldwert her auf hunderttausend Mark schätzte, konnte es Horst Schaicher kaum erwarten, den Deckel der Urne zu öffnen. Mit einer Messerspitze kratzte er das alte Wachs aus der umlaufenden Fuge. Der Deckel begann zu wackeln, er konnte ihn schließlich abheben. Das Geräusch, das dabei entstand, erinnerte ihn an das Herausziehen eines Flaschenkorkens. Sogleich traf ihn ein heftiger Luftstrom im Gesicht. Ein singender Ton erfüllte den öden Keller, so durchdringend, dass Schaicher glaubte, ihm würden die Trommelfelle platzen. Instinktiv ließ er von dem Gefäß ab. Die Urne fiel auf den Schutt, den er aus der Höhlung unter der Wand gekratzt hatte. Wie in einem orientalischen Märchen der legendäre Geist aus der Flasche entweicht und als mächtige Nebelwolke über seinem Finder schwebt, so wurde auch Schaicher von einer schemenhaften Gestalt angefallen. Den Deckel konnte er nicht mehr aufsetzen, weil der Druck von innen zu stark war. Er schrie, als der singende Nebel ihn umhüllte. Das Fremde, das in der Urne gesteckt hatte, fiel förmlich über ihn her.

Schaicher wollte aufspringen, wurde aber zu Boden gestoßen. Das nebelförmige Wesen wälzte sich über ihn und presste ihm die Luft aus den Lungen. Schaicher wurde durch eine unsichtbare Kraft gewürgt. In panischer Angst kämpfte er dagegen an. Der Druck wurde stärker, vor Schaichers Augen begann die Luft zu flimmern. Er konnte kaum noch atmen. Mit weit aufgerissenem Mund und vor Schreck geweiteten Augen lag er auf dem Boden und glaubte, in dem wirbelnden Nebel eine widerwärtige alte Hexe zu erkennen, die böse kicherte, weil er in ihre Fänge geraten war.

Der weiße Chevrolet rollte fast lautlos durch den Abend. In der Limousine saßen vier Personen. Der Fahrer hieß Peter Torell. Vor Jahren, als Larry Brent noch seinen Militärdienst in Deutschland ableistete, hatten sich die beiden Männer kennengelernt. Torell war in der Bundesrepublik geblieben. Manchmal, wenn Larry nach Deutschland kam, stattete er seinem alten Freund, wenn es sich einrichten ließ, einen kurzen Besuch ab. X-RAY-3 war der zweite männliche Fahrgast in dem chromblitzenden Fahrzeug, das durch die abendliche Landschaft des Vogelsbergkreises rollte. Außer Larry und Peter saßen noch zwei attraktive Frauen in dem Wagen. Die Platinblonde neben Torell hieß Sharon O‘Connor und stammte aus Irland. Sie war Fotomodell, und Peter, der in der Werbung tätig war, hatte mit ihr in der letzten Zeit eine Kampagne für einen neuen deutschen Kleinwagen durchgeführt. Sharon hatte sich dabei bestens bewährt. Mit ihrer Erscheinung verlieh sie dem Kleinwagen, der sparsam im Verbrauch war und mit dem es keine Parkplatzprobleme gab, ein ganz besonderes Image.

Die Begleiterin an Larrys Seite arbeitete auch als Model und hatte pechschwarzes, gelocktes Haar, das wie eine Löwenmähne ihr apartes Gesicht umrahmte. Sie hieß Suzette Gandier und war Französin. Zu Hause in Lyon arbeitete sie mit vielen bekannten Fotografen von internationalem Rang zusammen. Ihr zartes Gesicht mit den großen unschuldigen Augen, die ihr einen Touch Audrey Hepburn verliehen, hatte schon oft die Titelseiten renommierter Zeitschriften geschmückt. Peter Torell, der auch ausländische Bildagenturen vertrat, stellte Suzette in einer neuen Modekollektion vor.

Bei Tagesbeginn hatte er jedoch sein Studio gegen die Natur getauscht und verband so das Angenehme mit dem Nützlichen. Er benötigte für die aktuelle Kollektion noch einige Hintergrundaufnahmen. Wildromantische, unberührte Natur, die es hier im Vogelsbergkreis noch gab. Die Anwesenheit seines Freundes Larry, der selten länger als einen Tag blieb, nutzte er zu dieser ausgedehnten Spazierfahrt. Nach getaner Arbeit, die jedoch schon fast an Vergnügen grenzte, traten sie bei Dämmerung die Rückfahrt an. Kurz vor zwanzig Uhr rauschten sie mit dem Chevrolet wieder über den Asphalt.

X-RAY-3 fand selten Gelegenheit, dem Stress, der nach Übernahme der Position als X-RAY-1 noch zugenommen hatte, zu entfliehen. Dass Larry durch das Vermächtnis des ersten PSA-Leiters nun auch die Funktion von X-RAY-1 ausübte, wusste niemand, bis auf Simon Sabatzki, dem augenblicklichen Computer-Spezialisten der PSA. Auf den ursprünglichen X-RAY-1 war ein Mordanschlag verübt worden, zu einem Zeitpunkt, als alle Sicherheitsvorkehrungen und Schutzmaßnahmen für diesen Mann gerade neu überdacht wurden.

Dr. Satanas, ein grausamer Feind, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die PSA zu zerstören, hatte entlarvt und vernichtet werden können. Aber auch X-RAY-1 war dabei auf der Strecke geblieben. Larry hatte anfangs geglaubt, dass sein geheimnisvoller Chef bei dem Satanas-Angriff ums Leben gekommen war, denn durch ein elektronisches Testament war er zum geheimen Nachfolger von X-RAY-1 bestimmt worden.{1}