Lass den Sommer in dein Herz - Nele Blohm - E-Book
SONDERANGEBOT

Lass den Sommer in dein Herz E-Book

Nele Blohm

0,0
3,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ida Nielsen verwirklicht sich mit ihrem kleinen Laden Nähkomplizin einen großen Kindheitstraum auf Sylt. Dort verkauft sie verschiedene Stoffe, Garn und Selbstgeschneidertes, vorzugsweise für Babys und Kinder. Nur sie selbst hat noch nicht ihr Glück gefunden. Als Moritz Christiansen auf der Nordseeinsel auftaucht, scheint es Liebe auf den ersten Blick zu sein. Während Ida ihr Herz in die Waagschale wirft und sich ihre Zukunft mit Moritz in den schillerndsten Farben vorstellt, ist er von einen Tag auf den anderen von der Nordseeinsel verschwunden. Wird Ida sein Geheimnis lüften können?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nele Blohm

 

Lass den Sommer in dein Herz

 

 

 

 

Über das Buch:

Ida Nielsen verwirklicht sich mit ihrem kleinen Laden Nähkomplizin einen großen Kindheitstraum auf Sylt. Dort verkauft sie verschiedene Stoffe, Garn und Selbstgeschneidertes, vorzugsweise für Babys und Kinder. Nur sie selbst hat noch nicht ihr Glück gefunden. Als Moritz Christiansen auf der Nordseeinsel auftaucht, scheint es Liebe auf den ersten Blick zu sein. Während Ida ihr Herz in die Waagschale wirft und sich ihre Zukunft mit Moritz in den schillerndsten Farben vorstellt, ist er von einen Tag auf den anderen von der Nordseeinsel verschwunden. Wird Ida sein Geheimnis lüften können?

 

 

Über die Autorin:

Hinter Nele Blohm steht die erfolgreiche Bestsellerautorin und Selfpublisherin Mila Summers. Sie wurde 1984 in Würzburg geboren. Als Kulturwissenschaftlerin arbeitete sie lange für eine Onlinedruckerei, bevor sie in der Elternzeit zum Schreiben fand, dem sie sich nun ganz widmet. Sie liebt das Meer und Liebesgeschichten mit Happy End, die uns an wunderschöne Orte entführen. Mit Mann, Kindern und ihrem übermütigen Jack Russell Lizzy lebt sie in ihrer Heimatstadt.

 

Du willst keine Veröffentlichung mehr verpassen? Dann melde dich hier zum Newsletter an.

Bisher von der Autorin erschienen:

Wie das Leuchten von Bernstein

Dein Flüstern im Meereswind

Weihnachten auf Hiddensee

Die Liebe will Meer

Alles auf Sommer

Weihnachtszauber auf Föhr

Weihnachtsglanz

Meer Zeit für die Liebe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

NELE

BLOHM

 

 

Lass den Sommer in dein Herz

 

Roman

 

 

 

 

Deutsche Erstauflage Juni 2024

Copyright © Nele Blohm

Lektorat: Textwerkstatt Anne Paulsen

Korrektorat: SW Korrekturen

Covergestaltung: Nadine Kapp

Covermotiv: Shutterstock ©vertukha, ©Elein K ©Le Panda, ©Evgenia_art_art

Impressum: D. Hartung

Frankfurter Str. 22

97082 Würzburg

 

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Danksagung

Weitere Bücher der Autorin

Kapitel 1

 

 

»Ich weiß nicht. Das Kleid ist so … schlicht. Das ist nicht wirklich das, was ich mir für meinen großen Tag vorgestellt hatte. Wenn ich ehrlich bin, wollte ich schon immer ein eher extravagantes Brautkleid. Eines, das den Leuten im Gedächtnis bleibt.«

Antonia Vogt, meine aktuelle Kundin, hatte bisher schon von jedem Brautkleidmodell behauptet, es wäre schon immer ihr Traum gewesen. Von einer schlichten A-Linie hatten wir uns über einen Zweiteiler bestehend aus mittelweitem Rock und enger Corsage bis zum Empiremodell vorgearbeitet. Und nun war es also die Duchesse oder eben das besser bekannte und bildlich eher vorstellbare Prinzessinnenkleid, das sie ins Auge gefasst hatte.

»Da müsste ich noch mal ein ganz neues Kleid schneidern.«

Zwar bemühte ich mich inständig, mir das Entsetzen darüber nicht anmerken zu lassen. Allerdings war ich mir nicht ganz sicher, dass mir das auch geglückt war.

Antonia Vogt lächelte.

»Wie gut, dass es bis zur Hochzeit noch fast zwei Monate sind.«

Bei ihren Worten wurde mir ganz anders.

»Frau Vogt, ich habe jetzt drei Kleider für Sie genäht, die Ihnen alle nicht gefallen. Ich befürchte, ich kann Ihnen kein weiteres Kleid nähen, wenn wir vorher keinen gültigen Kaufvertrag miteinander abgeschlossen haben.«

So jetzt war es heraus.

Nora ermutigte mich ständig, mich nicht unter Wert zu verkaufen. Aber das Brautkleiderschneidern war noch neu für mich. Erst zu ihrer Hochzeit im vergangenen Jahr hatte ich das erste Modell angefertigt.

Seither waren zwar einige weitere gefolgt, allerdings waren das auch alles Bräute gewesen, die ein Exemplar bei mir bestellt hatten und dieses dann auch kauften. Eine Kundin wie Frau Vogt war mir bisher noch nicht untergekommen. Es hätte mich stutzig machen sollen, als sie mir erzählte, dass sie extra vom Festland anreiste, um bei mir das perfekte Kleid zu finden.

»Einen Kaufvertrag? Aber bisher ging es doch auch ohne.«

Ihre Stirn legte sich in Falten, während sie sich durch das lange blonde Haar strich und mir dabei einen Blick zuwarf, in dem eine Mischung aus Bestürzung und Widerwille zu erkennen war.

»Bisher ging ich auch davon aus, dass Sie die Kleider, die ich Ihnen schneidere auch kaufen. Ich habe kein reines Brautgeschäft, Frau Vogt. Ich arbeite nur auf Bestellung.«

»Ich bin mir ganz sicher, dass Sie die drei Kleider, die Sie für mich angefertigt haben, spielend leicht verkauft bekommen, wenn Sie sie ins Schaufenster hängen würden.«

Frau Vogt war ein harter Brocken. Und so langsam bekam ich das Gefühl, dass sie nicht nach Sylt gekommen war, um sich ein Kleid bei mir anfertigen zu lassen, weil mir mein guter Ruf vorausgeeilt war. Vielmehr befürchtete ich, dass sie diese Masche schon das ein oder andere Mal mit anderen Näherinnen abgezogen hatte. Nur nachweisen konnte ich es ihr natürlich nicht.

»Was ich mit den anderen Kleidern mache oder nicht, bleibt meine Angelegenheit. Wenn Sie ein viertes Modell möchten, dann nur gegen eine Anzahlung und einen Kaufvertrag«, blieb ich beharrlich, auch wenn ich spürte, wie unwohl ich mich in meiner Haut fühlte.

Es war nicht meine Art, für mich und meine Belange einzustehen. In der Vergangenheit hatte ich ein ganz schwaches Selbstwertgefühl. Aber da ich während meiner Schulzeit von meinem Mathelehrer gemobbt wurde, der sich einen Heidenspaß daraus gemacht hatte, mich vor der ganzen Klasse vorzuführen, gelang es mir nur sehr schwer, in mir mehr als eine Versagerin zu sehen.

Dementsprechend anspruchsvoll war diese Unterhaltung für mich. Denn mit jedem weiteren Satz, den Frau Vogt äußerte, hatte ich das Gefühl, ihr zustimmen und das nächste Kleid auch wieder auf eigene Rechnung anfertigen zu müssen.

Mir schwirrte der Kopf.

»Dann muss ich mir das noch mal überlegen, Frau Nielsen.«

Noch ehe ich etwas erwidern konnte, zog Frau Vogt den Vorhang der Umkleidekabine zu, nur um wenige Augenblicke später wieder in Jeans und Shirt vor mir zu stehen. Das Brautkleid, das sie zuvor getragen hatte, lag lieblos am Boden.

Ohne ein weiteres Wort stürmte sie an mir vorbei nach draußen.

»Hoppla, was war das denn für eine?«, fragte Nora in meinem Rücken, während ich das Brautkleid, an dem ich fast eine Woche gearbeitet hatte, vom Boden aufklaubte und auf den Bügel gab, der in der Umkleidekabine hing.

»Frag besser nicht«, erwiderte ich seufzend.

»Ist das die, die ständig ein neues Brautkleid möchte?«

Ich nickte resigniert, da ich wusste, was jetzt kommen würde.

»Ich hoffe, du hast ihr nicht noch ein weiteres Modell versprochen.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Nein, diesmal bin ich hartnäckig geblieben und habe ihr gesagt, dass ich nur gegen Anzahlung und einen Kaufvertrag weiter mit ihr zusammenarbeiten kann.«

Nora lächelte anerkennend.

»Das hast du sehr gut gemacht. Ist sie deshalb wie ein Wirbelwind aus deiner Nähkomplizin hinausgerauscht?«

Ich nickte bestätigend.

»Sie meinte, ich könnte die übrigen Exemplare leicht weiterverkaufen. Als ich da anderer Meinung war, hat sie das Kleid ausgezogen, auf den Boden geworfen und ist dann einfach aus dem Laden spaziert, ohne noch etwas zu sagen.«

Nora schüttelte den Kopf.

»Leider hatte ich schon bei deinen Erzählungen von der Frau befürchtet, dass sie kompliziert sein könnte.«

Vorsichtig zupfte ich das Kleid auf dem Bügel zurecht. Auf den ersten Blick konnte ich keine Flecken oder Knitter erkennen. Das war schon mal gut.

Weniger gut war, dass ich jetzt noch ein Brautkleid mehr hatte, in das ich viel Zeit, Energie und Geld in Form des teuren Stoffs gesteckt hatte und nun auch auf diesem sitzenbleiben würde.

So ungern ich es auch zugab, ich musste Frau Vogt rechtgeben und die drei Kleider im Schaufenster zum Verkauf anbieten. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob ich dafür noch den vollen Preis verlangen konnte. Zwar hatte es noch keine Braut an ihrem großen Tag getragen, doch extra angefertigt hatte ich es für die potenziellen Bräute, die meinen Laden wegen der Modelle betreten würden, auch nicht. Und für ein Kleid, das nicht nach den eigenen Wünschen hergestellt worden war, war man vermutlich auch nicht gewillt ganz so viel zu bezahlen.

Mit den Worten »Worüber denkst du nach?«, riss Nora mich aus meinen Gedanken.

»Ich bin mir nicht sicher, zu welchem Preis ich die Brautkleider nun verkaufen soll, die ich für Frau Vogt angefertigt hatte.«

Nora nahm mir das Brautkleid aus der Hand, hängte es zurück an den Haken und bugsierte mich dann hinüber zu der Couch, die voller Stoffmuster für meine nächste Baby- und Kinderkleiderkollektion lag.

Seit dem letzten Jahr hatte ich eine Kooperation mit einer Carla, einer Unternehmerin aus Mönchengladbach mit mehreren Fachgeschäfte für Baby- und Kinderkleidung, in denen sie bevorzugt Ware von kleineren Labels verkaufte.

Und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann machte mir die Arbeit auch viel mehr Spaß, als das Anfertigen von Brautkleidern. In diesen Bereich war ich irgendwie hineingeschlittert. Gut möglich, dass ich auch einfach nicht rechtzeitig genug Nein gesagt hatte. Und nun kamen immer neue Anfragen und ich wagte es nicht, meine Kundinnen zu enttäuschen.

Nora schob die Stoffbahnen ein wenig zur Seite, sodass wir auf der Couch Platz nehmen konnten.

»Du verlangst natürlich den vollen Preis, den auch Frau Vogt hätte bezahlen müssen. Deine Arbeit ist tadellos, Ida. Nur weil diese Schnepfe die Kleider nicht gekauft hat, heißt das nicht, dass du minderwertige Ware produziert hast. Deppen gibt es überall, sagt Oma Enna immer.«

Bei den Worten meiner besten Freundin musste ich gleich aus zweierlei Gründen lachen. Einerseits wegen der Tatsache, dass sich mich mal wieder aufzubauen versuchte. Das hatte sie schon damals in der Schule gemacht, wenn unser Mathelehrer mich mal wieder getritzt hatte. Und andererseits wegen Oma Enna, die wirklich zu jeder Gelegenheit den passenden Spruch auf den Lippen hatte.

Ihr machte man nichts vor und sie ließ sich auch nichts sagen. Insgeheim erhoffte ich mir mal so zu werden, wie Noras Großmutter. Auch wenn ich wusste, dass mein Weg dorthin noch lang war.

»Lass uns nicht weiter über Frau Vogt und die Kleider reden. Ich finde dafür schon eine Lösung«, behauptete ich, auch wenn ich mir im Klaren darüber war, dass ich die ein oder andere Nacht schlaflos darüber brüten würde.

So souverän, wie ich mich vor Nora gab, war ich nämlich nicht.

»Kommst du mit zum Sylter Ringreiterturnier? Jonte hat sich dem Verein ja im letzten Jahr wieder angeschlossen, nachdem er Jahre im Ausland gelebt hat. Und jetzt steht also sein großer Ritt kurz bevor.«

Nora lachte.

Es war noch immer ein wenig merkwürdig für mich, wenn meine beste Freundin, die im letzten Jahr mehr oder minder spontan meinen Bruder geheiratet hatte, so vertraut von ihm sprach.

Bis zu ihrem Hochzeitstag war ich fest davon ausgegangen, dass Nora Max, ihren Langzeitfreund, heiraten würde. Doch dieser hatte offenbar gespürt, dass zwischen meinem Bruder und meiner besten Freundin nicht nur die Wortfetzen sondern auch die Funken flogen. Daraufhin hatte er sie freigegeben und war an eine Schule in Nordrheinwestfalen versetzt worden. Das war jetzt fast ein Jahr her. Wie die Zeit doch verging.

»Es ist fest eingeplant«, erwiderte ich, ohne auf den Gedankengang einzugehen, der mir soeben durch den Kopf gegangen war.

Schon im nächsten Augenblick musste ich daran denken, wie stolz Jonte war, bei den Ringreitern mitreiten zu dürfen. Es war eine Ehre, ein Teil dieser Gilde zu sein.

Alljährlich im Mai fand die alte Sylter Tradition statt, bei der Reiter hoch zu Ross und mit einer Lanze bewaffnet, versuchten einen mickrigen Messingring aufzuspießen, der an einem Seil befestigt baumelnd zwischen zwei Balken, am sogenannten Galgen, hing.

Auf Sylt gabt es acht Ringreitervereine mit über zweihundert aktiven Mitgliedern. Dabei fanden sie in Archsum, Morsumund und Keitum statt.

Und im Jahr 2021 wurde das Ringreiten sogar zum Immateriellen Kulturerbe des Landes Schleswig-Holstein gezählt.

»Ich freu mich riesig, dass ich meinem Göttergatten nicht allein zuschauen muss.«

Nora schien ehrlich erleichtert.

»Ist denn alles gut bei euch?«, hakte ich nach.

Nora winkte ab.

»Das Übliche. Wir sind uns mal wieder nicht einer Meinung, was so ziemlich alles in unserem Leben anbelangt. Aber trotz oder gerade deswegen kommen wir echt gut miteinander aus. Als ich Jonte letztes Jahr im Sommer mehr oder minder spontan geheiratet habe, war ich mir nicht sicher, ob das dauerhaft zwischen uns funktionieren würde. Bisher scheint es zu klappen. Ich habe allerdings keine Ahnung, wie wir das schaffen. Wenn ich nur daran denke, dass er heute Morgen mal wieder alles stehen und liegengelassen hat, als ihm aufging, dass seine Praxis schon geöffnet hat, weiß ich echt nicht, wie ich es mit dem Mann aushalte.«

Während sie von Jonte erzählte, strahlte sie übers ganze Gesicht.

So war das also mit der Liebe.

An meine letzte Beziehung und das herrliche Gefühl des Verliebtseins konnte ich mich fast schon nicht mehr erinnern, solange war das her. Seither hatte ich das Gefühl, nie den passenden Deckel zu meinem Topf zu finden. Auch wenn Nora diesbezüglich ganz anderer Meinung war.

»Jonte kann einen wirklich zur Weißglut bringen.«

Nora nickte lächelnd.

»Ich muss dann leider auch schon wieder zurück in meine Werkstatt. Heute Nachmittag steht noch die Besprechung einer Hochzeit an und den Workshop fürs nächste Wochenende habe ich auch noch nicht geplant.«

Nora hatte in der alten Werkstatt ihres verstorbenen Großvaters ihr kleines Trockenblumenreich. Dort band sie zu jedem Anlass kreative Ringe und Sträuße aus Trockenblumen, bot Workshops an und plante Messeauftritte in Norddeutschland und Dänemark.

Als sie schwungvoll von der Couch aufstand, verzog sich ihr Gesicht schmerzvoll.

»Nora, ist alles in Ordnung bei dir?«, fragte ich besorgt.

»Alles bestens. Da hat nur etwas in meinem Bauch gekniffen. Vermutlich hätte ich bei Oma Ennas Mittagessen nicht ganz sosehr zulangen dürfen. Aber ich liebe Fisch mit Salzkartoffeln und ihrer Honig-Dill-Sauce einfach unglaublich gerne. Da kann ich mich nur schwer zurückhalten.«

»Oh, das kann ich gut verstehen. Deine Großmutter kocht wie eine Göttin.«

Nora grinste nickend.

»Du musst unbedingt mal wieder mit zum Essen kommen. Oma Enna würde sich freuen. Sogar Jonte kommt jetzt manchmal mit, wenn es die Arbeit in seiner Praxis zulässt.«

Mein Bruder war nach seinem Medizinstudium und Jahren, in denen er für die Ärzte ohne Grenzen gearbeitet hatte, im letzten Jahr endlich wieder nach Sylt zurückgekehrt, um die alte Landarztpraxis von Dr. Schröder zu übernehmen.

Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass Jonte mal sesshaft werden würde. Aber wenn ich mir das alles so ansah, dann brauchte es offenbar nur den entsprechenden Menschen, um sein Leben komplett auf den Kopf zu stellen und sich zu verändern.

Musste Liebe schön sein!

»Hat er denn viel zu tun?«

Nora zuckte leicht mit den Schultern.

»Das ist immer ein wenig unterschiedlich. Im Herbst und Winter letzten Jahres hätte ich mir allerdings gewünscht, unsere Wohnung würde nicht direkt über der Praxis liegen. Gefühlt hat ständig jemand bei uns auch außerhalb der Sprechstundenzeiten geklingelt, weil ein Kind hoch fieberte oder dringend Medikamente verschrieben werden mussten. Seit dem Frühling ist es wieder besser. Ich kann nur hoffen, dass das so ein Saisonding ist. Und dass Jonte seinen Patienten erklärt, dass er auch seine Freizeit braucht, um zu regenerieren. Aber du kennst ihn. Er würde jedem zu jeder Tages- und Nachtzeit helfen. Er kann da einfach nicht aus seiner Haut.«

»Oh, ja! Jonte hatte schon immer ein Helfersyndrom. Das kann ich mir durchaus vorstellen, dass das mitunter auch ein wenig anstrengend für dich ist.«

»Na ja, es gibt Schlimmeres. Kunden beispielsweise, die Brautkleider in Auftrag geben und sie dann nicht kaufen.«

Wie hatte Nora denn den Bogen zurück zu Frau Vogt geschlagen? Die hatte ich für den Moment doch tatsächlich ganz vergessen. Und ich konnte nicht behaupten, dass mir das besonders missfallen hätte. Ganz im Gegenteil.

»Auch dafür wird sich schon eine Lösung finden lassen«, behauptete ich zuversichtlicher, als ich mich nach wie vor fühlte.

»Dann sehen wir uns ja spätestens zum Ringreiterpringen wieder. Ich muss jetzt leider echt los.«

Nachdem ich mich auch erhoben hatte, schlang Nora ihre Arme um mich und drückte mich fest an sich.

»Bis später«, rief ich ihr noch nach, während ich mich wieder an die Arbeit machte.

Kapitel 2

 

 

»So ein Mist! Können Sie denn nicht aufpassen?«

Mit wild klopfendem Herzen sah ich auf mein Kleid hinunter, das ich mir extra für des Ringreiterturnier geschneidert hatte. Und nun war das schöne Blumenmuster mit Senf beschmiert, weil irgendein dahergelaufener Idiot anstatt auf seinen Weg zu achten, mitten in mich hineingerauscht war.

»Oh, das tut mir wirklich sehr leid. Ich war gerade so in Gedanken. Kann ich Ihnen irgendwie …«

Und noch ehe er seinen Satz zu Ende gesprochen hatte, tupfte er mir ungefragt mit einem Tuch über das Dekolletee, genau an der Stelle, wo sich der Senffleck befand.

»Was machen Sie denn da?«, blaffte ich den Mann mir gegenüber an.

Es musste sich bei ihm um einen Touristen handeln, der zu dem Ringreiterturnier gekommen war, um sich dieses nordische Spektakel auf seiner Urlaubstour nicht entgehen zu lassen.

»Oh, das war jetzt vielleicht ein wenig … übergriffig.«

»Ein wenig?«, hakte ich nach, während er die Hand mitsamt dem Taschentuch darin sinken ließ.

Dann kramte er in seiner Tasche und zog eine Visitenkarte daraus hervor und überreichte sie mir feierlich.

Dr. Moritz Christiansen stand dort geschrieben. Er war in Würzburg am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte beschäftigt. Eine Telefonnummer und eine Emailadresse waren darauf auch verzeichnet.

»Bitte schicken Sie mir doch die Rechnung für die Reinigung.«

»Das ist … Danke«, erwiderte ich ein wenig verwirrt, während sich Dr. Moritz Christiansen mit den Fingern durchs Haar fuhr.

Dabei machte er auf mich den Eindruck eines zerstreuten Professors, der gerade nicht zum ersten Mal mit jemandem zusammengestoßen war, weil er in Gedanken versunken gewesen war.

Seine warmen blauen Augen sahen mich verunsichert an, während ihm eine schwarze Locke seines Haars unkontrolliert in die Stirn fiel.

»Darf ich Sie vielleicht auf ein Getränk einladen? Als kleine Wiedergutmachung? Neben der Übernahme der Reinigungskosten, selbstverständlich.«

Schon lange war mir kein Mann mehr begegnet, der sich so viel Mühe mit mir gab, mich beinahe hofierte. Dabei konnte ich fast über das Senfdebakel hinwegsehen.

»Ein Aperol Spritz wäre nett«, erwiderte ich ein wenig kleinlaut.

Es musste eine Ewigkeit her sein, dass ich mich mit einem fremden Mann unterhalten hatte. Dementsprechend ungewohnt war die Situation für mich. Dennoch versuchte ich mir nicht anmerken zu lassen, wie unerwartet das alles für mich war.

»Das klingt nach einer vortrefflichen Wahl«, meinte er daraufhin und klang dabei ähnlich verunsichert, wie ich mich fühlte.

Das machte mir Dr. Moritz Christiansen äußerst sympathisch.

Also schenkte ich ihm ein einnehmendes Lächeln, das er prompt erwiderte.

»Wollen Sie mich an die Bar begleiten?«, fragte er und reichte mir dann wie ein Kavalier der alten Schule den Arm, damit ich mich daran unterhaken konnte.

»K-klar. W-wieso nicht?«, erwiderte ich nicht ganz so souverän, wie ich mich geben wollte.

»Waren Sie schon öfter bei einem Ringreiterturnier?«, fragte er auf dem Weg.

Ich nickte.

»Ja, ich bin hier auf Sylt geboren und aufgewachsen. Mein Bruder ist einer der Reiter. Er nimmt heute an dem Turnier teil.«

Allmählich fiel es mir leichter, in seiner Gegenwart zu sprechen.

Überhaupt fühlte sich seine Nähe vertraut an. So, als hätten wir uns bereits vor langer Zeit kennengelernt und dann wieder aus den Augen verloren. Nur um uns hier auf dem Ringreiterturnier wiederzusehen.

»Oh, dann sind sie eine Insulanerin«, merkte er an und schenkte mir dabei einen anerkennenden Blick.

Als hätte ich dafür eine bestimmte Leistung erbracht. Oder mich besonders stark ins Zeug gelegt. Dabei hatte ich rein gar nichts dazu beigetragen, hier auf Sylt geboren zu werden. Nur hatte ich früh erkannt, wie schön es bei uns war. Deshalb hatte ich später alles darangesetzt, auf der Insel wohnen bleiben zu können. Letztlich war mir das durch meine Selbständigkeit auch gelungen.

»Eine waschechte.«

Grinsend stand ich neben ihm, als wir an der provisorischen Freiluftbar angekommen waren, in der es von Menschen nur so tummelte.

Das schöne Wetter hatte sicher noch den ein oder anderen Kurzentschlossenen zur Veranstaltung gespült. Neben den Insulanern, von denen auch ich nicht alle kennen konnte, waren sicher auch unzählige Touristen hier.

Die Stimmung war ausgelassen und vorfreudig.

Nora hatte mir im Vorfeld bereits erzählt, wie aufgeregt mein Bruder Jonte war. Ihn selbst hatte ich heute noch gar nicht gesehen. Spätestens bei Beginn des Turniers würde sich das ändern.

»Einen Aperol Spritz und einen Ballantines«, bestellte mein Begleiter.

»Whiskey?«, fragte der Mann hinter der Theke ungläubig.

»Ja, genau«, erwiderte Dr. Moritz Christiansen.

»Tut mir leid. Den haben wir hier nicht«, entgegnete sein Gegenüber kopfschüttelnd.

»Nicht? Ja, dann … Hm … Dann nehme ich auch einen Aperol.«

So standen wir uns wenig später ein wenig unbeholfen gegenüber, ehe wir miteinander anstießen.

»Auf den Senfzwischenfall«, prostete er mir zu.

»Wie bitte?«

»Na ja, wenn es das kleine Missgeschick meinerseits nicht gegeben hätte, dann hätten wir uns womöglich nie kennengelernt«, erklärte er augenzwinkernd.

»Da steckst du ja. Ich habe dich schon überall gesucht.«

Noras Stimme erklang in meinem Rücken, sodass ich mich ruckartig zu ihr umdrehte.

»Was ist denn mit deinem Kleid passiert?«

»Daran bin ich schuld«, erkläre ihr Dr. Christiansen.

»Und Sie sind?«

Nora sah ihn mit einer gewissen Skepsis im Blick an.

»Mein Name ist Dr. Moritz Christiansen. Ich bin Historiker aus Würzburg und forsche zu der Tradition des Ringreiterturniers in Schleswig-Holstein.«

Interessant, womit manche Menschen ihren Lebensunterhalt bestritten.

»Das klingt … spannend.«

Nora war anzuhören, dass sie Dr. Moritz Christiansen für einen Spinner hielt. Aber wenn ich ehrlich war, dann war ich im ersten Moment auch versucht, ihn in diese Kategorie einzuordnen. Dann hatte er mir aber eine Seite von sich gezeigt, die sehr charmant und gentlemanlike war. Und konnte ein Gentleman ein Spinner sein? Wohl kaum!

»Für die meisten Menschen klingt es eher ziemlich trocken. Ich kann das auch gut nachvollziehen. Allerdings hat wohl jeder etwas, das ihn interessiert und fasziniert. So wie andere in der Schule von Sprachen oder der Mathematik begeistert sind, war es bei mir immer die Geschichte.«

»Nun, was die Schule anbelangt, war ich einfach nur froh, als ich dort raus war«, entgegnete Nora ohne Umschweife.

Mein Gegenüber zwang sich zu einem gequälten Grinsen, während ich am liebsten im Erdboden versunken wäre.

Dabei war ich mir sicher, dass Nora das gar nicht böse gemeint hatte. Sie sprach immer offen aus, was ihr auf dem Herzen lag. Während ich jedes Wort auf die Goldwaage legte, ehe es meinen Mund verließ, handelte Nora meist intuitiv und war damit bisher immer gut gefahren.

»Waren wir das nicht alle?«, warf ich übertrieben vergnügt ein, weil mir die Situation ein wenig peinlich war.

Nur weil der Senfattentäter ein Faible für Geschichte hatte, hieß das ja noch lange nicht, dass er ein Idiot war. Aber so wie Nora ihn ansah, hatte sie ihr Urteil über den Mann, den ich sehr sympathisch fand, längst gefällt.

»Ich werde dann mal rübergehen, um Jonte anzufeuern. Kommst du mit?«

Nora machte keinen Hehl daraus, dass sie nicht verstehen konnte, was ich an dem Kerl fand.

Und so genau konnte ich das selbst noch nicht sagen. Ich wusste nur, dass ich mich wohl in seiner Gegenwart fühlte und den Moment nicht ungenutzt verstreichen lassen wollte. Dann würde ich mich heute Abend fragen müssen, was wohl gewesen wäre, wenn ich diesem Gefühl tief in mir drinnen nachgegeben hätte. Aber das wollte ich nicht.

Mir erschien es wichtig, mehr über den Mann zu erfahren, der mich noch immer mit diesem angedeuteten Lächeln und den freudig funkelnden Augen ansah. Irgendetwas war da zwischen uns. Und genau das wollte ich herausfinden, bevor er die Insel wieder verlassen hatte.

Ein Wagnis. Darüber war ich mir im Klaren. Und auch darüber, dass ich für gewöhnlich nur höchstselten eins einging. Aber mittlerweile war ich schon fast der Überzeugung, dass es sich lohnen würde.

»Ich komme gleich nach.«

Nora warf einen letzten Blick von mir zu Dr. Moritz Christiansen, ehe sie mir zunickte und sich verabschiedete.

»Ihre Freundin kann mich nicht leiden«, sagte er prompt, als Nora aus unserem Sichtfeld verschwunden war.

»Nein, das kann man so nicht sagen. Sie ist manchmal ein wenig vorschnell, was ihre Meinung zu bestimmten Menschen anbelangt. Aber für gewöhnlich ist sie fair und respektvoll«, nahm ich meine beste Freundin in Schutz.

»Es ist schon okay, Frau …«

Erst jetzt fiel mir auf, dass ich zwar in der Zwischenzeit den Namen des Senfübeltäters erfahren, er aber keinen blassen Schimmer von meinem hatte.

»Mein Name ist Ida Nielsen. Aber nennen Sie mich doch gerne Ida.«

Er grinste schelmisch, woraufhin ihm abermals eine seiner wirren schwarzen Locken in die Stirn hing.

»Nur wenn Sie Moritz zu mir sagen.«

»Das klingt vernünftig«, erwiderte ich, während ich ihn anlächelte und darüber ganz rot im Gesicht wurde.

Auch ohne Spiegel zur Hand war ich mir darüber im Klaren. Denn plötzlich war mir so warm, dass ich das Gefühl hatte, auf meiner Stirn Spiegeleier braten zu können.

»Darauf sollten wir anstoßen«, meinte Moritz und hielt mir sein Glas hin.

Nachdem wir einen Schluck aus unseren Gläsern genommen hatten, standen wir uns ein wenig unbeholfen gegenüber.

Moritz war mir offenbar sehr ähnlich. Auch er machte ungern den ersten Schritt und ließ es lieber auf sich zukommen, anstatt die Fänden selbst in der Hand zu halten. Das machte es nicht ganz einfach, in ein Gespräch zu finden.

Zwar bemühte ich mich inständig darum, ein Thema aufzugreifen, worüber ich mit Moritz sprechen konnte, aber auf die Schnelle wollte mir schlichtweg nichts einfallen.

»Was machst du denn beruflich?«, fragte mich Moritz nach einer ganzen Weile.

Ich atmete erleichtert auf.

»Ich habe einen kleinen Nähladen, wo ich Garne, Stoffe und Wolle verkaufe. Außerdem schneidere ich selbst Baby- und Kinderkleider. Und seit Neuestem auch Brautkleider. Allerdings wird sich zeigen, ob ich diesen Zweig weiter ausbaue. Zudem gebe ich noch Workshops und bringe Interessierten das Nähen an der Maschine bei.«

Moritz machte bei meinen Worten große Augen.

»Dein Beruf klingt sehr vielseitig.«

Erst jetzt wurde ich mir der Tatsache bewusst, dass ich mit keiner akademischen Karriere glänzen konnte. Nach der Schule hatte ich mich nicht mal dazu im Stande gefühlt, zu studieren. Mir erschien das alles ohnehin zwecklos. Schließlich hatte mich mein Mathelehrer in der Schulzeit mehrmals darauf hingewiesen, dass ich nie und nimmer ein Studium überstehen würde. Also hatte ich den Versuch erst gar nicht gewagt.

»Er ist abwechslungsreich und erfüllt mich. Aber natürlich ist er nicht mit deinem vergleichbar.«

Doch Moritz winkte ab.

»In der Hauptsache unterrichte ich Studierende, die oftmals gar nicht so genau wissen, was sie mit der Geschichte anfangen sollen.

---ENDE DER LESEPROBE---