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Mehr als 9000 Meter tief im Erdinneren Genau 9101 Meter schaffte der Tiefbohrer in Windischeschenbach, dann versagte er aufgrund der großen Hitze von mehr als 300 Grad. Welche Schichten im Erdinneren stecken und wie diese beschaffen sind, das analysiert Georg Schwedt hier höchst anschaulich. Er reist entlang der "Deutschen Vulkanstraße", und ganz nebenbei erfahren die Leser zum Beispiel, dass sie sich bei einer Hornhautbehandlung mit Bims die Füße mit dem Vulkangestein Magma schrubben. Unendliche Weiten oder die Chemie der Planeten Wie setzt sich der Schweif eines Kometen zusammen oder welche chemischen Bestandteile finden sich auf Sonne und Mond? Die Chemie der Planeten ist zwar schwer zu erforschen, aber dafür spannend und faszinierend - ranken sich doch um Venus, Saturn oder Mars Mythen aus alter Zeit und verbanden doch schon die Babylonier die Venus, den hellsten Wandelstern, mit den Göttinnen. Aristoteles und Galileo Galilei: Wie alles anfing Dieses Buch bietet die neusten Erkenntnisse über Erde und Universum, gleichzeitig aber auch einen sehr unterhaltsamen Rückblick auf die Anfänge der Wissenschaftsgeschichte. Von Aristoteles, der um 334 v. Chr. eine Theorie über die Kugelgestalt der Erde entwickelte, bis zu Galileo Galilei, der 1616 wegen seines Eintretens für das heliozentrische Weltbild von der Inquisition angeklagt wurde, entsteht hier ein buntes, spannendes Bild, das große Lust auf Wissenschaft macht.
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Seitenzahl: 304
Inhalt
Vorwort
1 Einleitung
1.1 Frühe Ansichten über das Erdinnere
1.2 Vom geo- zum heliozentrischen Weltbild
1.3 Zu den Anfängen der Kosmologie
2 Reisen zum Mittelpunkt der Erde
2.1 Jules Vernes Roman
2.2 Am Tiefbohrloch in Windischeschenbach
2.3 Geochemie
2.4 Zur Chemie des Vulkanismus
2.5 Methoden der geowissenschaftlichen Forschung
2.6 Der Schalenaufbau der Erde
2.7 Zur Entstehung der Erde
3 Reisen in das Universum
3.1 Weltraumreisen in der frühen Science-Fiction-Literatur
3.2 Zu Besuch in Benediktbeuern – Fraunhofers Linien im Sonnenspektrum
3.3 Meteorite
3.4 Methoden der Astrochemie
3.5 Das Radioteleskop Effelsberg und das Hubble-Weltraumteleskop
3.6 Die Sonne: Vom Wasserstoff zur Kernchemie
3.7 Mondchemie
3.8 Die Chemie der Planeten
3.9 Kometen und Asteroiden
3.10 Vom Urknall bis zur Supernova: Die Entstehung chemischer Elemente
Glossar geochemischer Fachbegriffe
Glossar astronomischer Fachbegriffe
Quellen und weiterführende Literatur
Personenverzeichnis
Sachverzeichnis
Georg Schwedt
Lava, Magma, Sternenstaub
Weitere Titel aus der Erlebnis Wissenschaft Reihe …
Groß, M.
9 Millionen Fahrräder am Rande des Universums
Obskures aus Forschung und Wissenschaft
2011
ISBN: 978-3-527-32917-5
Will, Heike
„Sei naiv und mach’ ein Experiment“: Feodor Lynen
Biographie des Münchner Biochemikers und Nobelpreisträgers
2011
ISBN: 978-3-527-32893-2
Schatz, G.
Feuersucher
Die Jagd nach den Rätseln der Zellatmung
2011
ISBN: 978-3-527-33084-3
Hüfner, J., Löhken, R.
Physik ohne Ende
Eine geführte Tour von Kopernikus bis Hawking
2010
ISBN: 978-3-527-40890-0
Roloff, E.
Göttliche Geistesblitze
Pfarrer und Priester als Erfinder und Entdecker
2010
ISBN: 978-3-527-32578-8
Zankl, H.
Kampfhähne der Wissenschaft
Kontroversen und Feindschaften
2010
ISBN: 978-3-527-32579-5
Ganteför, G.
Klima – Der Weltuntergang findet nicht statt
2010
ISBN: 978-3-527-32671-6
Christensen, L. L., Fosbury, R., Hurt, R. L.
Verborgenes Universum
2009
ISBN: 978-3-527-40868-9
Christensen, L. L., Fosbury, R.
Hubble
15 Jahre auf Entdeckungsreise
2006
ISBN: 978-3-527-40682-1
Autor
Prof. Dr. Georg Schwedt
Lärchenstr. 21
53117 Bonn
1. Auflage 2011
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Satz Mitterweger & Partner, PlankstadtDruck und Bindung Ebner&Spiegel GmbH, UlmUmschlaggestaltung Bluesea Design, Vancouver Island BC
ISBN: 978-3-527-32853-6
Vorwort
Im Unterschied zu zahlreichen populärwissenschaftlichen Büchern über Geologie und vor allem über Astronomie stellt dieses Buch die chemischen Vorgänge vom Erdinneren bis in den Weltraum in den Vordergrund. Wissenschaftler haben in den letzten Jahrzehnten den Aufbau sowohl der Erde als auch des Universums detailliert untersucht, und sie forschen noch immer daran. Von gesicherten Kenntnissen aus Tiefbohrprojekten ausgehend, werden in diesem Buch nach dem Verlassen der Erde die Chemie des Mondgesteins und die Ergebnisse der »spektroskopischen« Weltraumanalytik erläutert.
In jedem Teil des Buches werden historische Orte wie das Tiefbohrloch in Windischeschenbach (inzwischen ein Geozentrum mit Kursen für Besucher), die Vulkanparks der Eifel, die Fraunhofer-Glashütte von Benediktbeuern oder das Radioteleskop Effelsberg vorgestellt, die sich dem Leser als Ziel informativer virtueller oder »wirklicher« Reisen anbieten. Spezielle Kapitel beschreiben die Methoden der Forschung.
Fast wöchentlich berichten heute die Wissenschaftsseiten überregionaler Tageszeitungen über neueste Forschungsergebnisse, die erst kurz zuvor in Fachzeitschriften wie Nature oder Science veröffentlicht wurden. Zunehmend findet man aktuelle Erkenntnisse der Astrophysik und Kosmochemie sogar auf Titelseiten. So ging es beispielsweise im April 2010 um Vulkane auf der Venus anhand von Daten der Sonde »Venus Express« (Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln); regelmäßig liest man auch von den spektakulären Experimenten zur Erforschung der Geschichte des Universums im Protonenspeicherring des CERN-Labors in Genf.
Das vorliegende Buch will deshalb vor allem eine (historisch akzentuierte) Einführung in die rasant wachsenden Gebiete der Geo- und vor allem Kosmochemie bieten.
Bonn, im November 2010
Georg Schwedt
In der antiken Naturphilosophie gilt der von etwa 610 bis nach 547 v. Chr. lebende Anaximander als derjenige, der erste Gedanken zur Struktur der »Erdkugel« äußerte.
Anaximander war ein Schüler des Thales von Milet (um 625 bis um 547 v. Chr.). Thales sah die Erde als eine auf dem Meer schwimmende Scheibe, woraus er auch die Erklärung für Erdbeben ableitete. Anaximander entwickelte bereits eine Kosmogenese, und zwar in seiner Schrift Über die Natur (um 550 v. Chr.), die als erstes griechisches Buch zur Naturphilosophie bezeichnet wird. Nach seinen Vorstellungen entstand der Kosmos aus einer Urmasse in Form eines feuchtkalten Kerns mit trockener heißer Hülle. Diese Hülle zerfiel in schlauchförmige Ringe, deren Löcher den Eindruck von Gestirnen hervorriefen. Der Kern jedoch trocknete zur bewohnbaren Erde aus. Die Gestalt der Erde beschrieb Anaximander als rund, gewölbt und in der Art eines steinernen Säulensegments einem Zylinder ähnlich. Wir Menschen stünden auf einer der Grundflächen.
Der um 483 bis 425 v. Chr. lebende Empedokles aus Akragas (heute Agrigent auf Sizilien), Philosoph, Naturforscher, Arzt und Politiker, welcher auch die Grundlagen der ersten Elementlehre von Aristoteles schuf, erweiterte die frühen Ansichten von der Erde durch seine Erfahrungen mit den vulkanischen Erscheinungen Siziliens: Er nahm als erster methodisch vorgehender Beobachter eine feuerflüssige Beschaffenheit des Erdinneren an.
Erst 2000 Jahre später entwickelten zwei bedeutende Philosophen und Naturforscher in einer Philosophie der Erde auch differenzierte Vorstellungen vom Erdinneren.
Der Philosoph, Mathematiker und Naturforscher René Descartes (1596–1650), aus einem alten Adelsgeschlecht stammend, erhielt seine Ausbildung am renommierten Jesuitenkolleg La Flèche. Von 1613 bis 1617 studierte er Jura, Literatur, Mathematik und Philosophie in Paris. Im Dreißigjährigen Krieg war er ab 1618 in Diensten der Armeen des Moritz von Nassau (Prinz von Nassau-Oranien) und des Kurfürsten Maximilian von Bayern. 1625 bis 1629 lebte er in Paris, danach in Holland, wo er den größten Teil seiner Werke verfasste. 1649 folgte er einer Einladung Königin Christines von Schweden nach Stockholm, wo er bereits vier Monate später an den Folgen einer Lungenentzündung verstarb.
Abb. 1: Darstellungen zum Aufbau der Erde nach Descartes aus seinem Werk »Principia philosophia«, 1644 (Erläuterungen im Text).
Im vierten Teil seines Werks »Principia philosophiae« (1644) beschreibt Descartes die Erde und auch ihre Entstehung aus seiner Sicht. Danach bestand die Erde, wie auch die Sonne, anfangs nur aus Lichtmaterie, die im Innersten der Erde noch zu finden ist (I). Dieser Kern ist von einem dichteren Körper (M) umgeben. Über die Entstehung der Erde schrieb Descartes:
»Diese beiden inneren Regionen der Erde gehen indessen uns wenig an, weil bis jetzt niemand zu ihnen gelangt ist. Es bleibt bloß die dritte Region (A) und wir werden später zeigen, dass daraus alle Körper, welche uns hier umgeben, entstehen konnten.«
In seiner »Geschichte der Geophysik« (erschienen 1999) ergänzt der Braunschweiger Geophysiker Walter Kertz (1924–1997) dazu folgendes Zitat:
»Dabei handelt es sich um Materieteilchen, die von vielen Ätherkügelchen umgeben sind. Die sich bewegenden Ätherkügelchen stoßen die dichteren Materieteilchen nach unten. So bildet sich der dichtere, harte und dunkle Körper C. B dagegen ist dünn, flüssig und durchsichtig – wir würden ihn als gasförmig bezeichnen …«
(Unter »Äther« verstand Descartes ein alles erfüllendes Medium, in das man sich die Materie eingebettet vorstellte.) Die Kruste (E) beschrieb Descartes als von Poren und Spalten durchzogen. Die Erwärmung durch die Sonne habe bewirkt, dass Materie nach oben gestiegen sei, wodurch die Kruste (E) an Dicke zugenommen habe. Darunter sei ein verdünnter Raum (F) entstanden, zu dessen Füllung ja nur dünne Materie aus B zu Verfügung stehe. Somit spanne sich die Kruste (E) wie ein Gewölbe über D und F. Weiter heißt es bei Descartes:
»Wenn wir nun bedenken, dass unter den Körpern B und F die Luft verstanden wird, unter C die innerste dickste Kruste der Erde, aus der die Metalle entstehen, unter D das Wasser und endlich unter E die äußere Erde, welche aus Steinen, Ton, Sand und Schmutz gebildet ist, so wird man leicht unter dem über die Bruchstücke 23 und 67 überragenden Wasser die Meere, unter den andern nur sanft gelehnten und von Wasser nicht bedeckten Bruchstücken 89 und v × die Flächen der Ebene und unter dem mehr aufgerichteten wie 12 und 94 v die Berge erkennen.«
Am Ende relativiert Descartes allerdings seine Einsichten (oder besser Ansichten) vom Entstehen und Aufbau unserer Erde:
»Wenn man auch vielleicht auf diese Weise erkennt, wie alle Naturkörper hätten entstehen können, so darf man daraus doch nicht folgern, dass sie wirklich so gemacht worden sind. Denn derselbe Künstler kann zwei Uhren fertigen, die beide die Stunden gleich gut anzeigen und sich äußerlich ganz gleichen, aber innerlich doch aus sehr verschiedenen Verbindungen der Räder bestehen, und so hat unzweifelhaft auch der höchste Werkmeister, Gott, alles Sichtbare auf mehrere verschiedene Arten hervorbringen können, ohne dass es dem menschlichen Geiste möglich wäre zu erkennen, welches der ihm zur Verfügung stehende Mittel er hat anwenden wollen, um sie zu schaffen. Ich gebe diese Wahrheit bereitwilligst zu, und ich bin zufrieden, wenn die von mir erklärten Ursachen derart sind, dass alle Wirkungen, die sie hervorzubringen vermögen, denen gleich sind, die wir in den Erscheinungen bemerken, ohne dass ich mir deshalb den Kopf zerbreche, ob diese auf diese oder eine andere Weise hervorgerufen sind.«
Auch der Polyhistor Athanasius Kircher (1602–1680) beschäftigte sich ausführlich mit dem Aufbau der Erde. Kircher wurde am 2. Mai 1602 (am Tag des St. Athanasios, griechischer Kirchenvater, um 295 bis 373) in Geisa bei Fulda geboren. 1618 fand Kircher als Novize Aufnahme im Kollegium von Paderborn, wo er 1620 mit dem Studium der scholastischen Philosophie begann. Während des Dreißigjährigen Krieges musste er 1622 beim Herannahen des Herzogs Christian von Braunschweig fliehen. In Köln setzte er sein Philosophiestudium fort und schloss es dort 1623 ab; anschließend studierte er in Koblenz klassische Literatur und lehrte an der dortigen Jesuitenschule Griechisch. Ab 1625 lehrte er in Heiligenstadt Mathematik, Hebräisch und Aramäisch. Bei einem Besuch des Kurfürst-Erzbischofs von Mainz (wahrscheinlich Johann Schweikard von Kronberg, 1553–1626, oder dessen Nachfolger Georg Friedrich von Greiffenklau, 1573–1629) demonstrierte Kircher seine Begabung für mechanische Erfindungen und beeindruckte durch bewegte Bühnenbilder und ein Feuerwerk. Man verdächtigte ihn der schwarzen Magie, bis er offenlegte, wie seine Vorführungen funktionierten. 1628 wurde er zum Priester geweiht. Nach weiteren Lehrtätigkeiten in Würzburg, Speyer und Mainz gelangte er auf der Flucht vor den protestantischen Truppen Gustav Adolfs nach Avignon. 1633 erhielt er einen offenbar unwillkommenen Ruf nach Wien auf die Position eines habsburgischen Hofmathematikers in der Nachfolge von Johannes Kepler (gest. 1631). Da eine Reise durch Deutschland gefährlich war, wählte er einen Umweg über Italien. Mit dem Schiff über Marseille und Genua kam er nach Rom. Dort erhielt er den Befehl, im römischen Jesuitenkolleg zu bleiben und die Hieroglyphen zu studieren; daraufhin blieb er in Rom bis an sein Lebensende.
Abb. 2: Porträt von Athanasius Kircher 1664. Lateinischer Text in der Übersetzung: »Maler und Dichter sagen vergeblich: hier ist er: sein Antlitz und sein Name sind auf der ganzen Erde bekannt.«
Von dort aus unternahm er ab 1636 eine Reise nach Sizilien als Beichtvater von Landgraf Friedrich von Hessen-Darmstadt, Landesvater von Kirchers Geburtsort, zum Katholizismus bekehrt und später sogar zum Kardinal erhoben. Unterwegs beschäftigte er sich vor allem mit Naturwissenschaft, etwa der Entstehung einer Fata Morgana, der Zoologie und vor allem der Vulkanologie. In Syrakus versuchte er herauszufinden, ob es Archimedes möglich gewesen sein konnte, römische Schiffe mithilfe eines Hohlspiegels und der Sonnenstrahlen in Brand zu setzen. Bevor die Reisegesellschaft ihre Rückreise im März 1638 antreten konnte, brachen der Ätna und der Stromboli aus. Es gab ein Erdbeben und Kircher wurde Zeuge des Untergangs der Insel Euphemia. Alle diese Naturerscheinungen beschäftigten ihn sehr, und als bei der Ankunft in Neapel auch noch der Vesuv auszubrechen drohte, ließ sich Kircher in den Krater abseilen.
Nach Rom zurückgekehrt, wurde er zum Mathematikprofessor am Collegium Romanum (Gregoriana) ernannt. Diese Stelle hatte er bis 1648 inne, danach ließ er sich von seinem Amt beurlauben, um sich intensiv seinen Werken widmen zu können. Aufgrund seines Rufes besuchten ihn zahlreiche Gelehrte, er erhielt Briefe und Materialien aus der ganzen Welt. Er baute ein Museum aus Artefakten, naturgeschichtlichen Merkwürdigkeiten und wissenschaftlichen Geräten auf, für das ihm eine große Halle – das Museo Kircheriano – zur Verfügung gestellt wurde. Kircher starb am 27. November 1680 in Rom. Er gilt als bedeutender Polyhistor seiner Zeit. Seine zahlreichen Werke beschäftigen sich mit Mathematik, Physik, Chemie, Geographie, Geologie, Meteorologie, Astronomie, Biologie, Medizin, Sprachen, Philologie und Geschichte.
Abb. 3: Titelkupfer zu »Mundus subterraneus« (Amsterdam 1665). Gottes Hand hält eine Kette, an welcher die Erde aufgehängt ist, ausgesetzt den Einflüssen von Sonne und Mond.
1665 erschien Kirchners Hauptwerk Mundus subterraneus (Unterirdische Welten; 2. Band 1678, Amsterdam). Aus den auf der Reise nach Sizilien und am Vesuv gesammelten Beobachtungen entwickelte er darin eine erste Theorie von der Beschaffenheit des Erdinneren. Das Erdinnere, schrieb er, sei von kontinuierlich bewegten Kanälen durchzogen, die gelegentlich auch als Sicherheitsventile dienten. Ebenso vermutete er im Erdinneren Kanäle aus Wasser. Beide Phänomene seien im Zusammenspiel mit dem Wind für die geologischen und meteorologischen Ereignisse verantwortlich. Insgesamt entwickelte er in seinem Werk das Denkmodell einer von Gott geschaffenen unterirdischen Welt. Er beschreibt sie in 12 »Büchern« (Kapiteln), aufgeteilt auf zwei Bände. Die Zahl Zwölf deutet auf die Harmonie und Vollkommenheit der Welt hin. Obwohl es sich in erster Linie um ein geologisches Textbuch handelt, enthalten die beiden reich illustrierten Bände Kapitel über Schwerkraft, Mond und Sonne, Sonnenfinsternisse, Meeresströmungen, Salzstöcke, Fossilien, Gifte, Metallurgie, die Entstehung von Insekten, eine astrologische Medizin und die Kunst der Feuerwerke. Kirchers Werk war zwar in Latein verfasst, aber doch so allgemeinverständlich gehalten, dass es in seiner Zeit weite Verbreitung fand. Hauptanliegen des Autors war es, das Wirken der Elemente Feuer, Wasser und Luft an der Erdoberfläche und im Erdinneren darzustellen. Er berichtete über die Vorgänge der Erosion und eine erste Theorie der Gesteinsbildung durch Feuer. Wie Descartes und auch Leibniz glaubte er an ein Zentralfeuer im Erdkern, bestärkt durch die Berichte der Bergleute, dass es mit zunehmender Tiefe wärmer wird. Dieses Zentralfeuer bilde Sekundärfeuer in den Spalten, welche die Erde durchziehen. Manchmal würden diese Sekundärfeuer an die Oberfläche treten, dann entstünden Vulkane. (Zu Kirchers Ansicht über Mond und Sonne s. Kap. 3.6 bzw. 3.7). – J. Godwin stellt in seinem Buch »Athanasius Kircher. Ein Mann der Renaissance und die Suche nach verlorenem Wissen« (1979, deutsche Ausgabe 1994) fest, dass Kirchners Vorstellungen und Erklärungen zum Erdinneren, zu geologischen und auch meteorologischen Phänomenen angesichts der Beobachtungsmöglichkeiten seiner Zeit keineswegs eine schlechte Lösung gewesen sind.
Abb. 4: Unterirdische Feuer aus dem »Mundus subterraneus« von A. Kircher (1678, I, S. 180): Ein Zentralfeuer unterhält in Spalten viele Sekundärfeuer. Treten sie zutage, so bilden sich Vulkane.
Aristoteles, der neben Platon bedeutendste Philosoph der Antike, wurde um 384 v. Chr. als Sohn eines Arztes geboren. Er lebte in Athen und war über 20 Jahre lang Schüler Platons in der athenischen Akademie. 343 v. Chr. lehrte er Alexander den Großen, 334 v. Chr. gründete er eine eigene philosophische Schule, das Lykeion. In die Astronomiegeschichte ist er eingegangen, weil er die damals allgemein geltende Lehrmeinung über das geozentrische Weltsystem in seine Philosophie aufnahm. Aristoteles gilt auch als bedeutendster Naturforscher seiner Zeit. Er entwickelte ein auf der Mathematik begründetes Wissenschaftssystem, und seine auf Ganzheitsbetrachtungen beruhende Lehre übte bis in die Renaissance einen wesentlichen Einfluss auf die Wissenschaftsmethodologie aus. Um 334 v. Chr. entwickelte Aristoteles eine Theorie über die Kugelgestalt der Erde und deren Ruhelage im Mittelpunkt der Welt. Als Argument führte er u.a. die runde Form des bei Mondfinsternissen sichtbaren Erdschattens an.
In der »Chronologie der Naturwissenschaften« beschreibt Karl-Heinz Schlote die Kosmologie des Aristoteles weiterhin wie folgt:
»Die Welt wird von Aristoteles in einen sublunaren Bereich vom Mittelpunkt (der Erde) bis zur Mondsphäre sowie in einen supralunaren Bereich vom Mond bis zur äußersten Sphäre geteilt. Der erste, vielgestaltig, wandlungsfähig, besteht aus der Elementemischung von Erde, Wasser, Luft und Feuer, der zweite enthält das besondere Element Äther, später als Quintessenz, fünftes Element, bezeichnet.«
Von Aristoteles sind auch einige naturwissenschaftliche Schriften überliefert, u.a. das Werk »Vom Himmelsgebäude«.
Der griechische Astronom Claudius Ptolemäus (griech. Klaudius Ptolemaios) wurde um 100 n. Chr. in Oberägypten geboren und starb nach 160 wahrscheinlich in Canopus bei Alexandria. In seinem Hauptwerk beschäftigte er sich mit der Zusammenstellung und Weiterentwicklung des astronomischen Wissens seiner Zeit. Die sogenannte »Megale syntaxis«, um 800 von der Arabern übersetzt und abgekürzt als »Almagest« bezeichnet, diente bis zum Ende des Mittelalters als Grundlage der Astronomie. 1175 erfolgte die erste Übersetzung ins Lateinische, 1496 der erste Druck in Venedig. Über Ptolemäus und sein Werk, das über ein Jahrtausend das geozentrische Weltbild bestimmte, schreibt Karl-Heinz Schlote: »Er bildet das geozentrische Weltbild mathematisch so durch, dass die Vorhersage von Planetenpositionen für längere Zeit möglich wird.« Aus der Beobachtung, dass sich der Nachthimmel als perfekte Halbkugel darstellt, schloss der Verfasser, dass sich die Erde im Mittelpunkt des Universums befindet. Im Almagest behandelte er zahlreiche Themen, denen sich 300 Jahre zuvor bereits der griechische Astronom und Geograph Hipparchos von Nikaia (Hipparch, um 190 v. Chr. bis um 125 v. Chr.) gewidmet hatte. Ptolemäus nahm den Sternkatalog des Hipparch auf und erweiterte ihn durch eigene Beobachtungen.
Abb. 5: Skulptur (Ausschnitt) des Astronomen Claudius Ptolemäus (Holzbüste von Jörg Syrlin d.Ä. (um 1425 bis 1491)) am Chorgestühl des Ulmer Münsters, 1469–1474.
Der dänische Astronom Tycho Brahe (eigentl. Tyge Brahe; 1546 in Knudstrup auf Schonen geboren, 1601 in Benátky bei Prag gestorben) studierte zunächst Jura in Kopenhagen, ab 1562 in Leipzig und 1566 bis 1570 in Wittenberg, Rostock und Basel. Er wurde zum Gegenspieler von Kopernikus, der die Wende zum heliozentrischen Weltbild einleitete. Brahes geozentrisches (»Tychonisches«) Weltsystem war eine Modifikation des ptolemäischen Systems, wonach sich die Planeten zwar um die Sonne drehen, die Sonne ihrerseits aber um die ruhende Erde kreist. Mit Unterstützung des Königs Friedrich II. von Dänemark, den der Landgraf Wilhelm von Hessen (Kassel) auf Brahes herausragende Fähigkeiten aufmerksam gemacht hatte, baute der Astronom auf der Insel Hven (Ven im Sund), einem Geschenk des Königs, zwei Sternwarten (1580 und 1584) – vor der Erfindung des Galilei’schen Fernrohrs (1609). Seine genauen Planetenbeobachtungen (vor allem am Mars) ermöglichten es später seinem Assistenten Kepler, die tatsächlichen Bewegungen der Planeten zu berechnen. Nach dem Tod des dänischen Königs verließ Brahe Dänemark und ging 1599 als kaiserlicher Mathematiker und Astronom an den Hof Kaiser Rudolfs II. nach Prag, wo Kepler 1602 sein Nachfolger wurde.
Ein heliozentrisches Weltbild hatte schon Aristarchos von Samos entwickelt, der auch »der griechische Kopernikus« genannt wird. Aristarch wurde um 310 v. Chr. auf der Insel Samos geboren. Er lebte und forschte bis zu seinem Tod (230 v.Chr.) an Orten, die nicht überliefert sind. Thomas Bührke nahm in einem Roman der antiken Astronomie – »Die Sonne im Zentrum. Aristarch von Samos« (C. H. Beck, München 2009) – Alexandria als Aristarchs Wirkungsstätte an. Von Aristarchs heliozentrischem Weltbild wissen wir nur aus Zitaten späterer Gelehrter, u.a. aus einem Brief des Archimedes (um 285 bis 212 v. Chr.) an König Gelon II. von Syrakus, in dem es heißt:
»Du, König Gelon, weißt, dass Universum die Astronomen jene Sphäre nennen, in deren Zentrum die Erde ist … Dies ist allgemeine Ansicht, wie du sie von Astronomen vernommen hast. Aristarch aber hat ein Buch verfasst, das aus bestimmten Hypothesen besteht … Seine Hypothesen sind, dass die Fixsterne und die Sonne unbeweglich sind, dass sich die Erde um die Sonne auf der Umfangslinie eines Kreises bewegt, wobei sich die Sonne in der Mitte dieser Umlaufbahn befindet …«
Diese Hypothese fand in seiner Zeit neben den Theorien des Aristoteles und des Ptolemäus kaum Zustimmung. Im Gegenteil, Kleanthes (ein Zeitgenosse) soll Aristarch sogar der Gottlosigkeit bezichtigt haben, »dafür, dass er den Herd des Universums, die Erde, in Bewegung versetzt habe…, unter der Annahme, der Himmel befände sich in Ruhe und die Erde drehe sich in einem schiefen Kreis und rotiere dabei um ihre eigene Achse.«
Anerkennung fand Aristarch nur durch einen anderen griechischen Astronomen des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts, Seleukos von Seleukia (am Tigris), geboren um 190 v. Chr., manchmal auch Seleukos von Babylon genannt. In einer seiner Schriften verteidigte er das heliozentrische Weltbild. Erst 2000 Jahre später sollte Kopernikus die Theorie des Aristarch wiederentdecken.
Nikolaus Kopernikus (eigentliche Koppernigk, 1473 in Thorn geboren, 1543 in Frauenburg gestorben), aus einer deutschen Familie aus Frankenstein/Schlesien stammend, gilt als der eigentliche Begründer des heliozentrischen Bildes. Er studierte 1491–1494 in Krakau Mathematik und Astronomie, 1496–1503 in Bologna und Padua Medizin und Rechtswissenschaft. 1500 wurde er von Papst Alexander VI. zu Vorlesungen über Astronomie nach Rom gerufen. 1503 schloss er in Ferrara eine juristische Promotion ab. In Frauenburg war er Sekretär und Leibarzt seines Onkels Lukas Watzenrode, Bischof von Ermland, ab 1510 Domherr zu Frauenburg. Bereits 1514 veröffentlichte er eine Schrift (»De hypothesibus motuum commentariolus«), in der er mehrere Argumente gegen das herrschende ptolemäische Weltbild formulierte. Die Bedeutung des Werkes wurde jedoch nicht verstanden. In seinem zweiten großen Werk »De revolutionibus orbium« formulierte er vorsichtig das heliozentrische System als ein Modell, das einfacher zu handhaben sei als das ptolemäische; es nahm der Erde ihre Vorzugsstellung im Weltall.
Der italienische Mathematiker, Physiker und Astronom Galileo Galilei (1564–1642) entdeckte mit seinem Fernrohr 1610 die vier hellsten Jupitermonde und beobachtete als Erster Mondgebirge und -krater, den Saturnring sowie 1611 die Sonnenflecken. Die Phasenwechsel der Venus und des Merkur wertete er als Beweis für die Richtigkeit der kopernikanischen Lehre. Mit seinem öffentlichen Eintreten für das heliozentrische Weltbild als Anhänger des Kopernikus geriet er in Widerstreit zur damaligen kirchlichen Lehrmeinung, vor allem im Hinblick auf zwei Stellen der Bibel (1. Chronik 16,30 und Jos. 10,12). 1616 wurde er von der Inquisition angeklagt. Er musste erklären, dass er das neue Weltsystem weder lehren noch verteidigen würde. Zehn Jahre später, von 1626 bis 1630, verfasste er dennoch eine Verteidigungsschrift als »Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme, das ptolemäische und das kopernikanische«, in der er die Richtigkeit des heliozentrischen Systems zu beweisen versuchte. Daraufhin wurde auf Betreiben von Papst Urban VIII. das Werk noch im Jahre des Erscheinens 1632 eingezogen und Galilei wurde in einem Prozess 1633 gezwungen, dieser Lehre öffentlich und feierlich abzuschwören. Seine letzten Lebensjahre musste er unter Hausarrest in seinem Landhaus bei Florenz (als Gefangener der Inquisition) verbringen. Der ihm zugeschriebene Ausspruch – »Und sie bewegt sich doch!« – ist wohl eine Legende.
Bereits 1609 gelang es Johannes Kepler (1571–1630) mithilfe der von ihm entdeckten Gesetze der Planentenbewegung (Kepler’sche Gesetze), das kopernikanische Weltbild durch exakte Beobachtungen zu beweisen. Kepler zählt neben Galilei und Newton zu den bedeutendsten Naturforschern der beginnenden Neuzeit. Nach einem Studium der Theologie, Mathematik und Astronomie mit dem Abschluss eines Magisters 1591 in Tübingen war er 1594–1598 Professor für Mathematik und Moral an der Stiftsschule zu Graz, wurde 1600 Mitarbeiter Tycho Brahes in Prag und 1601 dessen Nachfolger. Von dort ging er 1612–1626 als Professor für Mathematik an das städtische Gymnasium in Linz.
Abb. 6: Der Mathematiker, Physiker und Astronom Galileo Galilei (1564–1642).
Abb. 7: Johannes Kepler, der 1609 die nach ihm benannten Gesetze der Planetenbewegung entdeckte. Auf dem Gemälde mit der Jahreszahl 1627 wird »Consecr. Matthias Bernegger« (1582–1640) genannt, der als Philologe und Professor in Straßburg mit Kepler korrespondierte.
Issac Newton (1643–1727) schließlich fasste die Beobachtungen und Theorien des kopernikanischen Weltbildes zusammen, stellte sie auf eine mathematische Grundlage und schuf so die »klassische Himmelsmechanik«.
Die moderne Kosmologie untersucht den Ursprung und die Entwicklung des Universums. Die Liste zentraler Fragen beginnt mit »Hat das Universum einen Anfang?« und endet mit »Wird das Weltall eines Tages in sich zusammenstürzen oder auf ewige Zeit expandieren?« (H.-U. Keller). Die Bezeichnung Kosmogonie wird für die Lehre von der Entstehung der Welt nach mythologischer Auffassung und für Weltentstehungsmythen verwendet.
Abb. 8: Das Weltbild der alten Völker: Die Erde ist eine vom Weltmeer umflossene Scheibe, der das Kristallgewölbe des Himmels übergestülpt ist. (Aus: Bruno H. Bürgel, Der Mensch und die Sterne.)
Schöpfungsmythen finden wir bereits in den alten Religionen, vom Alten Orient bis zu Beginn unserer Zeitrechnung. Im Babylonischen Weltschöpfungsmythos »Enuma Elisch« entsteht die Ordnung des Universums in der Auseinandersetzung: Nach einem langen Kampf der Götter wird zuletzt durch Marduk, der zunächst eine Stadtgottheit Babylons war, der Kosmos organisiert. Enuma Elisch wurde im 8. Jahrhundert v. Chr. in Keilschrift niedergeschrieben.
Im antiken Griechenland war nach Ansicht des Dichters Hesiod (um 700 v. Chr.) am Anfang das Chaos, die »gähnende Leere«, aus der Gaia (die Erde) und Eros (die Liebe) entstanden. Platon sah die Welt als von einem »göttlicher« Handwerker – einem Demiurgen – geschaffenes Werk. Aristoteles postuliert einen unbewegten Erstbeweger als den Anfang jeder Bewegung und somit auch der Bildung von Erde und Kosmos.
Der altiranische Prophet und Religionsstifter Zarathustra (um 628 bis um 551 v. Chr.) benannte in seinem Buch »Avesta« (über die von ihm gestiftete Religion Zoroastrismus) Ahura Mazda als Schöpfergott. Er habe zuerst die geistige Welt (Menok), danach die materielle Welt (Geti) erschaffen, verkörpere die Macht des Lichts und sei Schöpfer und Erhalter der Welt. Zarathustras Lehren flossen offensichtlich während des Babylonischen Exils der Juden auch in das Judentum ein, das Begriffe wie »Himmel« und »Hölle« zuvor nicht gekannt hatte.
Im Schöpfungsbericht der Bibel lesen wir:
»Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde … Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre und seien Lichter an der Feste des Himmels, dass sie scheinen auf die Erde …« (1. Mose 1, 1–25).
Abb. 9: Die Schöpfung, Darstellung in der »Merian-Bibel« (»Die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments. Nach der deutschen Übersetzung D. Martin Luthers mit den Kupferstichen von Matthaeus Merian«, Original Straßburg 1630).
Steven Weinberg (geb. 1933), Professor in Berkeley und Cambridge und Autor bedeutender Arbeiten zur Kosmologie und Elementarteilchenphysik (Nobelpreis 1979), hielt im November 1973 einen Vortrag zur Einweihung des Undergraduate Science Centers an der Harvard University, aus dem das Buch »Die ersten drei Minuten. Der Ursprung des Universums« entstand. In der Einleitung berichtet er über eine Erklärung für die Entstehung der Welt in der Jüngeren Edda, der bekannten Sammlung nordischer Mythen (um 1220 von dem isländischen Edelmann Snorri Sturleson zusammengestellt). Darin steht, dass am Anfang das »Nichts« war: »Da war nicht Erde unten noch oben Himmel, Gähnung grundlos, doch Gras nirgends.« Und weiter heißt es in der Edda, dass sich nördlich und südlich des Nichts eisige und feurige Welten erstreckt hätten. Verständlicherweise hält Weinberg diese Darstellung für »nicht sonderlich befriedigend« und stellt fest, dass seit dem Beginn der modernen Wissenschaft Physiker und Astronomen immer wieder auf das Problem der Entstehung des Universums zurückgekommen seien.
Der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer (geb. 1947; Professor in Konstanz) zieht in seinem Buch »Die kosmologische Hintertreppe. Die Erforschung des Himmels von Aristoteles bis Stephen Hawking« (2009) Vergleiche zwischen dem geozentrischen Weltbild der Antike und dem Urknall-Modell unserer Zeit anhand von Texten aus der Dichtung »Die göttliche Komödie« von Dante Alighieri (1265–1321). Im Kapitel »Das Paradies« entwickelt Dantes Begleiterin Beatrice die neuplatonische Lehre von der Ordnung des Weltalls:
»Die Glorie des Bewegers aller Dinge
Dringt durch das Weltall, und von ihr erstrahlen
Mehr oder minder die verschiedenen Sphären.
Im Himmel, der das meiste Licht empfangen,
War ich, und ich sah Dinge, die kann keiner
Verkünden, der von dort herniedersteiget;
Denn unser Geist, der dem ersehnten Ziele
Sich naht, muss sich darein so tief versenken,
Dass das Gedächtnis ihm nicht Folge leistet.
Gewiss, so viel ich aus dem heiligen Reiche
In meinem Geiste Schätze sammeln konnte,
Will ich sie nun in meinem Liede singen.«
Und später ist in diesem »Ersten Gesang« geheimnisvoll zu lesen:
»Es geht den Menschen an verschiednen Orten
Das Licht der Welt auf, doch an jener Stelle,
Wo sich vier Kreise zu drei Kreuzen fügen,
Kommt es mit bester Bahn und besten Sternen
Verbunden und vermag das Wachs der Menschen
Am besten auch nach seiner Art zu prägen.«
Fischer zitiert Bruno Binggeli (geb. 1953), Physiker und Galaxienforscher an der Universität Basel und Verfasser des Buchs »Primum Mobile. Dantes Jenseitsreise und die moderne Kosmologie«, in seinem Kapitel über Dante abschließend wie folgt:
»Als Dante seine Komödie schrieb, war der mittelalterliche Kosmos in seinem Innersten schon dem Tod geweiht, denn mit der Scholastik hatte sich das kritische Denkvermögen endgültig etabliert … Dantes Komödie erscheint uns so wie die letzte Reifung einer goldenen Frucht, kurz bevor diese vom Baum fällt. Es sollte ein langer, freier Fall ins Leere sein.«
Jules Verne (1828–1905) wurde in Nantes geboren, studierte Jura in Paris und begann seine schriftstellerische Laufbahn mit Novellen und Dramen. Bis heute bekannt ist er, einer der ersten Science-Fiction-Autoren, durch seine wissenschaftlich-phantastischen Abenteuerromane. 1864 veröffentlichte er den Roman »Voyage au centre de la terre«, der 1874 erstmals in deutscher Übersetzung erschien (»Reise nach dem Mittelpunkt der Erde«) und bis heute immer wieder aufgelegt wird. Darin geht es um eine abenteuerliche Reise in das Innere der Erde, unternommen von einem Hamburger Professor Otto Lidenbrock, der am dortigen Johanneum Mineralogie und Geologie unterrichtete, seinem Neffen und Assistenten Axel (als Ich-Erzähler des Romans) und dem isländischen Eiderentenjäger Hans Bjelke als Führer.
Lidenbrock hatte ein Manuskript des isländischen Alchimisten Arne Saknussemm erworben, in dem er eine verschlüsselte Mitteilung vermutete. Sein Neffe konnte das Dokument durch Zufall entziffern, und so beginnt die Reise nach Island, wo die drei Männer in den Krater des isländischen Vulkans Snaefellsjöküll steigen, um zum Mittelpunkt der Erde zu gelangen. Nach der entschlüsselten Mitteilung wollte Saknussemm die Reise selbst gemacht haben. Auf dem Kraterboden finden die drei den Eingang zu einer Höhle, gelangen an ein unterirdisches Meer, überqueren es mit einem Floß, entdecken riesige Pilze, frühgeschichtliche Pflanzen, eine kleine Insel mit einem Geysir und werden Zeugen eines Kampfes zwischen einem Ichthyosaurier und einem Plesiosaurier. Sie befinden sich also auf einer quasipaläontologischen Entdeckungsreise in die »erste Erdperiode«. Dem durch Zeichen erkennbaren Weg von Saknussemm folgend, gelangen sie schließlich und endlich in den Krater des ausbrechenden Vulkans auf der Insel Stromboli und werden wieder auf die Erdoberfläche geschleudert. – Dieser phantastische, sehr spannende Roman widerspricht, wie man sieht, allen 1864 schon bekannten Fakten über das Erdinnere.
Die Gestalt des Saknussemm ist eine Anspielung auf den isländischen Gelehrten Arni Magnusson (1663–1730; zu sehen auf der 100-Kronen-Banknote), der in Kopenhagen studierte, zunächst Assistent des Königlichen Archivars wurde und 1701 eine Professur für Philosophie und nordische Altertumskunde in Kopenhagen erhielt. Er sammelte mittelalterliche isländische Manuskripte und lebte und arbeitete von 1702 bis 1712 auf Island. In Reykjavik befindet sich auch seine Sammlung.
Der Snaefellsjöküll ist ein 1446 m hoher Vulkangletscher am westlichen Ende der Halbinsel Snaefellsnes auf Island. Die bergige Halbinsel zählt zu den jungvulkanischen Gebieten Islands. Der letzte große Ausbruch fand um 250 n. Chr. statt.
Der Stromboli ist ein bis heute aktiver Vulkan auf einer der Liparischen Inseln vor Sizilien mit gleichem Namen. Er erhebt sich 926 m über den Meeresspiegel und weist an seiner Basis eine Tiefe von 2300 m auf. In Abständen von nur etwa 10 Minuten erfolgen aus den fünf tätigen Schloten des Kraters regelmäßig Eruptionen, begleitet von aschearmen weißen Dampfwolken.
Im April 2010 sorgte ein erneut aktiv gewordener Vulkangletscher auf Island, der Eyjafjallajökull, für Schlagzeilen, nachdem seine Aschewolken den gesamten Flugverkehr in Europa tagelang lahmgelegt hatten. Der Eyjafjallajökull ist ein sogenannter Stratovulkan, 1666 m über dem Meeresspiegel, und Plateaugletscher, dessen letzte Ausbrüche 1821 bis 1823 stattfanden.
Die bayerische Kleinstadt Windischeschenbach im Oberpfälzer Wald in der Nähe von Weiden verdankt ihre Bekanntheit der kontinentalen Tiefbohrstelle zur Erforschung der Erdkruste. Am 12. Oktober 1994 wurde eine Tiefe von 9101 m erreicht, womit die Bohrungen abgeschlossen wurden. Wie vorher berechnet, versagten die im Bohrkopf untergebrachten elektronischen Messinstrumente bei einer Temperatur von 300°C. Heute befindet sich an der Bohrstelle das Geo-Zentrum und Tiefbohrobservatorium als Informations- und Bildungsstätte, wo Besucher sich nicht nur über das tiefste Bohrloch in Deutschland und die Ergebnisse der Messungen, sondern generell über aktuelle geowissenschaftliche Themen informieren können.
1993 war die kleine Gemeinde Windischeschenbach (6200 Einwohner) bereits eine Touristenattraktion mit bis zu 10000 Besuchern im Monat. Der Bohrer steckte zu dieser Zeit 8000 m tief in der Erde; computergesteuert wurde das Bohrgestänge in Stücke von 40 m Länge zerlegt, in 200 Einzelteilen herausgeholt und im Bohrturm gelagert, bis es mit einem neuen Meißel versehen wieder in die Tiefe gelangte. Folgende Probleme des mit 528 Mio. DM vom Bundesforschungsministerium finanzierten Projektes waren damals bereits aufgetreten: Bohrer korrodierten, die Spüllösung war von schlechter Qualität, 1992 blieb der Bohrer stecken. Andererseits waren die Deutschen mit diesem Projekt aber auch Vorreiter der Erforschung der kontinentalen Geologie: 400 Wissenschaftler aus 12 Ländern arbeiteten in 140 Forschungsprojekten rund um das Bohrloch.
Geologen, die etwas über die Entstehung von Erdbeben erfahren möchten, müssen sich auf die Stellen konzentrieren, an denen die Platten der Erdkruste aufeinanderstoßen oder auseinanderdriften. An einer solchen Nahtstelle befindet sich auch die Tiefbohrstelle bei Windischeschenbach: am ehemaligen Nordrand von Afrika, einen Meter neben dem ehemaligen Nordkontinent. Vor rund 350 Mio. Jahren kollidierten beide Kontinente, wobei verschiedene Krustenbereiche übereinandergeschoben wurden. Tiefer gelegene Teile der Erdkruste drangen dabei nach oben in »erbohrbare« Tiefen. In den Bohrkernen stießen die Wissenschaftler sogar auf Ozeanboden.
Zunächst hatte man gehofft, bis in Tiefen von 14000 m vordringen zu können, wo man Temperaturen von 300°C erwartete, denen das Material des Bohrers gerade noch standhielt. Doch schon nach 8000 m waren Temperaturen von 240 °C erreicht, so dass man schließlich bei 9101 m stehen bleiben musste. Verlauf und Ergebnisse des Projekts sind weiter unten ausführlich dargestellt.
1998 wurde am Tiefbohrloch bei Windischeschenbach das Geo-Zentrum an der KTB eröffnet, als eine Umweltbildungseinrichtung im Freistaat Bayern mit geowissenschaftlichem Schwerpunkt. Das Geo-Zentrum liegt etwa 5 km vom dem etwa 950 von Mönchen des Klosters St. Emmeram aus Regensburg als Missionsstation gegründeten Ort entfernt. Mit Beginn der Bohrungen am 22. September 1987 wurde das Städtchen in der Nähe des Zusammenflusses von Fichtel- und Waldnaab weit über die Region hinaus bekannt.
Abb. 10: Der KTB-Bohrturm am Geo-Zentrum in Windischeschenbach in der Oberpfalz.
Das Geo-Zentrum gliedert sich in zwei Bereiche, Ausstellungen und Labors. In der Dauerstellung werden multimedial die Themen Vulkanismus, Gebirgsbildungen, Erdbeben, Magnetfeld der Erde, Kontinentaldrift sowie Klima, Wasser, Gesteine und Erdwärme verständlich gemacht. Dabei werden vor allem die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Komponenten des Systems Erde deutlich: Die Ausstellung vermittelt, dass die Erde ein dynamisches System ist, das Wärme produziert und Gase ausstößt, die zum Teil im Gestein gebunden werden. Auch für den Laien wird erkennbar, dass geowissenschaftliche Forschung heute nicht ohne satellitengestützte globale Untersuchungen, chemische Analysen und physikalische Messungen auskommt, deren Ergebnisse sich zum Gesamtbildfügen. In diesem Kontext wird auch das Phänomen des Klimawandels abgehandelt.
Das GEO-Labor (als außerschulischer Lernort) umfasst je zwei Seminar- und Laborräume. Dort werden verschiedene Lernmodule zu Plattentektonik, Vulkanismus, Erdbeben und Tektonik (mit den Schwerpunkten Gebirgsbildung, Grabenbildung und Verwerfungen) sowie zu Themen wie Rohstoffe, Entstehung, Analyse und Gefährdung des Bodens oder Gesteinskunde angeboten.
Als Geburtsstunde des Kontinentalen Tiefbohrprogramms (KTB) der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet Rolf Emmermann vom GeoForschungszentrum Potsdam die Frühjahrssitzungen 1977 der DFG-Senatskommission für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsforschung. Nach einer breiten interdisziplinären Diskussion wurde das Projekt im November 1983 konkret beantragt. Als Ziel des KTB wurde darin Grundlagenforschung über die physikalischen und chemischen Zustandsbedingungen und Prozesse in der tieferen Erdkruste zum Verständnis der Dynamik und Evolution intrakontinentaler Krustenbereiche definiert. Es wurde ausdrücklich festgehalten, dass es nicht das Ziel sei, einen absoluten Tiefenrekord zu erzielen; als Tiefenziel wurde ein Temperaturfenster von 250–300°C festgelegt, das in einer Tiefe von etwa 10 km erwartet wurde.
Es standen aus geologischer Sicht zwei Zielgebiete zur Diskussion – im Schwarzwald und in der Oberpfalz. Da man im Schwarzwald bereits in etwa 7 km Tiefe mit Temperaturen von 250–300°C rechnen musste, fiel die Wahl auf einen Standort in der Oberpfalz. Neben den vor allem geophysikalischen »Attraktionen« wie ausgeprägten Anomalien des Schwere- und Magnetfeldes (verbunden mit einer starken Anomalie des elektrischen Eigenpotenzials) vermutete man in der Nähe des geologisch jungen, ähnlich wie der Oberrheingraben entstandenen Eger-Grabens auch messbare thermische und geochemische Anomalien, die uns hier am meisten interessieren sollen. Der Eger-Graben befindet sich auf einer Scholle, die durch den horizontalen Druck entstand, den die afrikanische Kontinentalplatte ausübt.
Geowissenschaftliche Daten sollten aus Bohrkernen, Spülproben und Bohrlochmessungen gewonnen werden.