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Amelia Cadan

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Beschreibung

Immobiliendynastie-Erbe versus Bad Boy aus dem Hockeyteam

Seit Summer denken kann, ist sie in ihren besten Freund Jayden verliebt. Allerdings ist für Jay alles, was über einen One-Night-Stand hinausgeht, schon eine Langzeitbeziehung. Aber ihm wirklich fernzubleiben, ist auch keine Option und so wechselt sie an sein Ostküstencollege. Nur um mal wieder dabei zuzusehen, wie er in Sekundenschnelle auf jeder Party irgendein Fangirl abschleppt, das dem Star der Hockeymannschaft nicht widerstehen mag. Doch als Summer den charmanten Kanadier Calvin kennenlernt, der noch dazu Jays größter Konkurrent im Uni-Team ist, gerät Summer endgültig zwischen die Fronten. Schwankend zwischen Eifersucht und Sorge um seine beste Freundin, unternimmt Jay nämlich alles, um einen Keil zwischen Summer und den Typen mit der zweifelhaften Vergangenheit zu treiben ...

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Seitenzahl: 534

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© 2023 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagkonzeption: Suse Kopp, Hamburg

unter Verwendung einer Abbildung von © Stocksy United (Milles Studio)

MP · Herstellung: UK

Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss

ISBN 978-3-641-30049-4V001

www.cbj-verlag.de

Für Ursel

Bis wir uns wiedersehen.

Prolog

Zwei Jahre zuvor

Es ist kurz vor Mitternacht. Mein bester Freund sitzt auf dem Geländer der Brücke, von der seine Mutter sich in den Tod gestürzt hat, und baumelt mit den Beinen über dem Abgrund.

Der Anblick lässt mir das Herz gefrieren.

Ich habe geahnt, dass ich ihn hier finden würde. Weil ich ihn immer hier finde, wenn er bis in die Nacht hinein spurlos verschwindet. Trotzdem fühlt es sich jedes Mal an wie in einem dieser Albträume, in denen man fällt und fällt – wissend, dass man irgendwann aufkommen wird, aber es einfach nicht passiert. Dieses Gefühl raubt mir den Atem.

Die Kälte der Nacht frisst sich unerbittlich in meine Haut und sekundenlang stehe ich einfach nur starr am Rand der Brücke und fühle mich hilflos. Weil ich weiß, dass es nichts gibt, das ihm seinen Schmerz nehmen kann, nichts, das ich tun oder sagen könnte. In Jays Herz lebt seit Jahren eine stille Dunkelheit und manchmal … manchmal führt sie ihn an ebendiesen Abgrund, und ich kann immer nur hoffen, dass ich es bemerke, damit ich rechtzeitig hier sein kann. Auch wenn alles, was ich ihm in diesem Moment geben kann, meine Freundschaft ist.

Ich gehe auf ihn zu, langsam, damit er nicht erschrickt. Dabei hat er mich sicher längst bemerkt. Aber er dreht sich erst zu mir herum, als ich ihn beinahe erreicht habe und meine Hand nach ihm ausstrecke.

»Solltest du nicht im Bett sein?«

Das fragt er jedes Mal. Seit ich zwölf Jahre alt war und ihn das allererste Mal hier habe sitzen sehen. Inzwischen bin ich siebzehn. Und er weiß, dass mich die strengen Regeln meiner Mutter nicht mehr interessieren, wenn ich annehmen muss, dass mein bester Freund auf dieser Brücke sitzt.

»Ich sollte genau hier sein«, sage ich und greife sanft nach seinem Unterarm, weil es mir Sicherheit gibt, zu wissen, dass ich ihn festhalte. Er blickt darauf herab. Meine weiße Hand auf seiner braunen Haut. In der Nacht, nur unter dem Licht des abnehmenden Mondes, erscheint der Unterschied so viel deutlicher als tagsüber.

Ich will ihm sagen, wie leid es mir tut. Dass ich alles tun würde, um ihm wenigstens einen Teil der Trauer zu nehmen, die ihn gerade beherrscht.

Aber egal, wie oft ich ihn hier habe sitzen sehen. Wie oft ich hierherkomme und nach seiner Hand greife. Ich weiß nie, was ich sagen soll. Jedes Wort fühlt sich unzureichend an und schlicht falsch.

Also stehe ich nur da und halte ihn fest, ein kleines bisschen nur. So weit er mich eben lässt.

»Hast du auch manchmal Angst vor der Zukunft?«, fragt er.

Er löst sich aus meinem Griff. Geschmeidig wie ein Tänzer steht er auf und balanciert auf dem Geländer.

»Nein. Ehrlich gesagt freue ich mich darauf. Hier wegzukommen, die Welt zu sehen.«

Er wendet den Kopf und lächelt mich von oben herab an. Es ist ein echtes, warmes Lächeln, wie man es nur selten auf seinem Gesicht sieht. »Ich hoffe, dass du dort draußen findest, was dir diese winzige Stadt nicht geben kann.«

Ich ziehe die Schultern hoch. »Aber ich suche gar nichts.«

»Dann solltest du damit anfangen. Du unterschätzt dich dauernd. Dieser Ort zwängt dich ein. Er gibt dir das Gefühl, einsam zu sein.«

»Ich bin nicht einsam, Jay. Ich habe dich.«

Er erwidert nichts, tänzelt nur an mir vorbei, dreht eine halbe Pirouette und beginnt von Neuem.

Die Stille kriecht mir den Rücken hinauf und hinterlässt eine schauderhafte Gänsehaut. Sie macht mir Angst. Ich lege meine Hand an seinen Knöchel und halte ihn so vom nächsten waghalsigen Schritt ab. »Jay?«

»Was ist?«

»Versprichst du mir etwas?«

Er hockt sich hin, sieht mich an, den Kopf gesenkt, sodass ich seine Augen nicht sehen kann. Sie liegen im Schatten und ich vermisse ihre Vertrautheit. »Was denn?«

»Wenn wir irgendwann studieren …«

»Falls. Falls, Sam.«

Ich schüttle heftig den Kopf. »Du wirst das schaffen, hörst du? Du wirst deinen Abschluss machen, du wirst ein Stipendium bekommen, du wirst in ein hervorragendes Eishockey-Programm aufgenommen werden, und du wirst in der ersten Division für eines der besten Teams spielen.«

Er grinst schief. Der Ausdruck lässt die Wärme in mein Herz zurückkehren, nur für einen kurzen Moment. »Wow, Sam. Ich wusste gar nicht, für wie großartig du mich hältst.«

»Ich halte dich für verdammt großartig, hörst du? Wenn irgendwer es aus diesem Kaff herausschafft, dann bist du das.«

Sein Lächeln verblasst. Ich strecke die Hand danach aus, als könne ich es festhalten. Nur für ein paar Sekunden länger sehen, wie weich und liebevoll es seine Züge werden lässt, auskosten, wie sicher ich mich fühle, wenn ich es betrachte.

Bis mir bewusst wird, dass … dass dies eine Grenze ist, die wir niemals überschreiten. Beste Freunde. Nicht weniger. Aber auch nicht mehr als das. Ich ringe mir ein Grinsen ab und anstelle der zärtlichen Geste kneife ich ihm spielerisch in die Wange. »Nicht aufgeben, verstanden? Wir setzen uns morgen gemeinsam an die Uni-Bewerbungen und schauen uns am besten schon die Papiere an, die du fürs Stipendium brauchst. Wir suchen die Zeugnisse von deinen Sommerjobs zusammen und bitten deine ehemaligen Coaches um Empfehlungsschreiben, den aus dem Sommercamp dieses Jahr, den vom Wintercamp in Spokane und dann …« Ich versinke in einem Plapperanfall. Um von meinen Gefühlen abzulenken, aber vor allem, weil ich möchte, dass Jay sieht, welche Chancen er hat. Dass ihm die Welt offensteht. Trotz allem.

Er hat seine Mom verloren, als er gerade einmal elf war. Und sein Dad ist alles andere als eine Hilfe … Im Prinzip ist Jay seither auf sich gestellt. Und trotzdem hat er es zum besten Hockeyspieler der Highschool gebracht. Vermutlich ist er der beste siebzehnjährige Hockeyspieler in ganz Montana.

Dass er trotzdem nicht an seine Zukunft glaubt … das darf nicht sein. Nicht nach allem, was wir gemeinsam geschafft haben. Was er in den letzten Jahren erreicht hat.

»Samy?«

»Ja?«

»Hör auf.«

»Aber wieso? Ich meine …«

Jay springt mit einem Satz vom Geländer herunter, landet sicher neben mir. Er legt mir einen Arm um die Schultern, zieht mich zu sich heran, bis mich sein vertrauter Geruch einhüllt. Es fühlt sich so sehr nach zu Hause an, dass es wehtut.

Jedes Mal, wenn er auf dieser Brücke sitzt und zweifelt, jagt es mir eine Heidenangst ein, und ich fürchte, er könne irgendwann das Gleiche tun wie seine Mom. Und einfach springen. Das darf er auf keinen Fall.

»Ich weiß das. Ich weiß, wie sehr du an mich glaubst. Du hast mich nie daran zweifeln lassen«, flüstert er. Aber trotz des Windrauschens in den Bäumen am Ufer kann ich ihn problemlos verstehen. Sein Mund ist so nah an meinem Ohr. »Du hast mich nie alleingelassen. Und ich werde das bei dir auch nicht tun, okay?«

Er nimmt mein Gesicht in seine Hände, sieht mich eindringlich an, und sein Daumen streicht über meine Wange. Die Geste ist viel zu sanft für ihn. Viel zu sanft für mich. Sie bricht mir das Herz, so sanft ist sie.

»Wir gehen zusammen aufs College, weg von hier, du wirst Kunst studieren, und ich werde Hockey spielen und irgendwo weit weg von hier werden wir ein verdammt glückliches Leben führen.«

»Zusammen«, wiederhole ich. »Du. Und ich.«

Er lacht und lässt mich los. »Natürlich du und ich. Was dachtest du denn?«

»N-nichts«, sage ich. »Nur …«

»Nur was, Samy?«, fragt er, hat sich schon halb von mir abgewandt, die Unterarme auf das Brückengeländer gestützt.

»Du … Mit wem wolltest du noch mal auf den Abschlussball gehen?«

Er runzelt die Stirn. »Das ist in acht Monaten, Cookiecrumble. Keine Ahnung, was in acht Monaten ist. Ich sollte jetzt wahrscheinlich Julia sagen, weil ich sie gerade date. Aber sie beginnt, mich zu nerven mit ihrem ständigen Harvard hier, Brown da. Soll sie froh sein, dass Mommy ihr das überhaupt bezahlen kann. Oh, und Francine hat mir neulich in Englisch geholfen, da brauche ich eine gute Note, also … vielleicht frag ich sie, ob sie mal ausgehen will.« Er zwinkert mir zu. Schelmisch und ungeniert, während ich hier stehe und mit einem halbherzigen Lächeln zu kaschieren versuche, dass er mir gerade das Herz aus der Brust gerissen hat. Schon wieder.

»Aber wolltest du nicht etwas ganz anderes wissen?«, fragt er. »Vorhin. Du sagtest, ich solle dir etwas versprechen. Was hast du gemeint?«

»Nichts. Vergiss es«, sage ich und starre noch immer auf seine Hand, in der er mein kleines Herz hält. Direkt über dem Abgrund. Er muss nur die Hand öffnen und es fällt hinunter. Aber das würde er nicht tun. Er wird es festhalten, er wird es mir sogar zurückgeben, sanftmütig und liebevoll – nur um es mir von Neuem zu stehlen. Und jedes Mal frage ich mich, wie lange ich das noch aushalten kann.

Ich kann ihm nicht das Versprechen abnehmen, mich gehen zu lassen. Ich muss es allein tun – mich auf andere Colleges bewerben als er. Fortgehen. Weit weg. Weg von ihm.

Hoffen, dass ich es überleben werde, ohne ihn zu sein.

Und dass er es überleben wird, ohne mich zu sein.

Kapitel 1

Der General Edward Lawrence Logan International Airport hat wohl den längsten – und hässlichsten – Namen, den ich jemals gehört habe. Zugutehalten kann ich den Bostonern lediglich, dass sie sich als Namenspatron für ihren internationalen Flughafen wenigstens keinen notorischen Rassisten ausgesucht haben.

Hässlich ist der Flughafen trotzdem. Und total unübersichtlich! Sie sollten beim Betreten Handzettel mit Lageplänen ausgeben. Während ich also daran scheitere, mich in diesem Gewühl orientieren zu wollen, klingelt auch noch mein Smartphone.

»Hi, Sugar, bist du schon da?«, dringt die Stimme meines besten Freundes an mein Ohr.

Ich verdrehe die Augen. Jay und seine blöden Kosenamen … Er meint sie natürlich nie ernst. Und ich sollte froh darüber sein! Aber ich bin ein verkorkster Krümelkeks und kann die Hoffnung einfach nicht aufgeben, er würde es irgendwann vielleicht doch tun.

»Ich bin gerade erst gelandet«, sage ich und folge einem weiteren Schild, das mich zur Gepäckausgabe führen soll. Es ist das gefühlt dreizehnte, seit ich den Flieger verlassen habe. Für einen dieser putzigen Golfcarts wäre ich jetzt echt dankbar … Stattdessen biege ich in den nächsten nimmer endenden Korridor ein.

»Okay«, nuschelt Jay, und im nächsten Moment habe ich das charakteristische Knuspern von Salt-&-Vinegar-Chips im Ohr. Und, ja, es sind garantiert Salt & Vinegar. Weil Jay nur diese Sorte isst.

Dort! Endlich. Ich erspähe ein Gepäckband am Horizont. »Ich muss jetzt noch meine Dufflebag holen und den Ausgang finden.«

»Kannst du Quinn Zigaretten mitbringen? Du kriegst die doch duty-free.«

»Ernsthaft?!«

»Bütte, bütte, Schmusipoo?«

Ich schnaube. Muss dabei aber lachen, weil ich mir Jay – Jay, der Sommer wie Winter seine schwarze Lederjacke trägt und inzwischen Tattoos bis auf die Unterarme hat – mit zitternder Unterlippe und Hundewelpenblick vorstelle. »Fein. Welche Sorte?«, frage ich und manövriere mich durch die Wartenden vor dem Gepäckband. Gerade rechtzeitig: Meine Dufflebag kommt gleich als eins der ersten Gepäckstücke herangerauscht. Jetzt muss ich das Ding nur noch …

»Keine Ahnung. Irgendwas. Nimm das Billigste«, sagt Jay. Ich höre Protest im Hintergrund, während ich mir das Smartphone unter die Wange klemme und die Hände nach meiner Tasche ausstrecke.

»Kann ich dir helfen?«, fragt mich ein Typ mit blonden Haaren und schiefem Basecap.

»Nein, danke, ich schaffe das schon«, ächze ich und wuchte das doofe Ding vom Band. Verdammt. Ich hätte mir doch einen Kofferkuli nehmen sollen, wie ich ihn in Seattle hatte.

»Sicher? Wir können uns den Gepäckwagen teilen, wenn du möchtest, ich habe nur einen Koffer«, sagt Basecap.

Im selben Moment tönt Jays Stimme wieder klar vernehmbar durch den Hörer: »Sam?«

»Wartest du mal einen Moment?«, frage ich. Und weiß selbst nicht, wen von beiden ich eigentlich meine. Diese Situation überfordert mich.

»Was ist?«, fragt Jay.

»Moment!«

»O-kay«, flötet er. Denn es hätte ihm auch wirklich nicht ähnlichgesehen, einfach mal still zu sein …

Ich wende mich an Mr Basecap: »Sorry. Also, schätze, das mit dem Gepäckwagen wäre echt nett.«

Er lächelt. »Kein Problem«, dann deutet er auf mein Smartphone, »dein Freund?«

Ich blinzle. »Äh, nein. Also Freund – ja. Nur eben nicht so. Sondern halb. Also ganz! Also: ein Freund. Ohne M. Nicht mein …« Ich geb’s auf … Ich hasse es, über unsere Freundschaft zu reden. Und besonders über die Tatsache, dass es »eine« Freundschaft ist. Denn natürlich ist es gut, dass es nur eine Freundschaft ist! Jay ist nämlich ungefähr so beziehungsfähig wie eine Schillerspinne. Und die essen das Weibchen nach dem Sex.

»Cool.«

Ja, total cool … Ich zwinge mich zu einem Lächeln.

»Kommst du zum Studium nach Boston?«, fragt Basecap unbeirrt weiter.

»Ja. Ich wechsle an die Atlantic. In Whitbey! Das ist … keine Ahnung, wie weit von hier entfernt.«

»Eine Stunde mit dem Auto«, nuschelt Jay hilfsbereit an einem Mundvoll Chips vorbei. Ach ja. Er ist auch noch da …

»Eine Stunde mit dem Auto!«, wiederhole ich.

»Oh, die mit dem Hockeyteam in der Division I?«

Ich nicke. »Genau!«

Und Jay diktiert: »Sag ihm, dass du mich kennst: Jayden Sanderson, die Sieben der Atlantic Seahawks, der praktisch beste Forward der NCAA-Geschichte. Er wird dir aus der Hand fressen, versprochen.«

»Sei still!«, zische ich.

Basecap sieht mich irritiert an.

»Sorry, nicht du«, beeile ich mich zu sagen.

Basecap nickt. Dann flüstert er: »Wird er eifersüchtig?« Und grinst geheimnisvoll.

»Äh. Nein.« Ich glaube nicht, dass Jay weiß, wie man eifersüchtig auch nur schreibt. Denn um eifersüchtig zu sein, müsste man ja erst mal wissen, wie man romantische Gefühle empfindet. Und die Einzige von uns beiden, die sowohl romantische Gefühle als auch Eifersucht empfinden kann, bin leider ich.

»Sicher? Ich wäre nämlich eifersüchtig«, sagt Basecap und zwinkert mir zu.

Ich runzle die Stirn. »Wieso das denn?!« Der Kerl kennt mich nicht mal!

Jay indes lacht sich halb tot. An meinem Ohr.

Ich wende mich etwas von Basecap ab, der sowieso gerade mit seinem Koffer beschäftigt ist. »Was ist denn so komisch?«, flüstere ich in mein Smartphone.

»Er versucht, mit dir zu flirten. Und ist grottig!« Ich kann ihn nur schwer verstehen, weil er aus dem Lachen kaum noch herauskommt.

»Das ist nicht witzig!«

»Aus meiner Perspektive schon, Snickerdoodle.«

»Ach, halt die Klappe …«, nuschle ich und lege auf. Ich sehe Jay sowieso gleich in der Ankunftshalle. Bis dahin kann er sich allein totlachen.

Ich habe ihm nie gesagt, dass ich mehr für ihn empfinde als … was auch immer er empfindet. Weil das meine Garantie ist, nicht so zu enden wie alle anderen seiner Bekanntschaften. Die für ihn praktisch nicht mehr existieren, nachdem er sie erst mal gevögelt hat …

»Sollen wir?«, fragt Basecap.

Ich nicke.

Woraufhin er gleich weiterredet: »Ich gehe auf die BU. Die haben auch ein Hockeyteam! Vielleicht sehen wir uns ja mal.«

Ich ziehe die Schultern hoch. »Ja, vielleicht?«

»Oder ist Hockey nicht dein Ding?«

»Nicht wirklich.« Okay, irgendwie ist Hockey schon mein Ding. Weil es Jays Ding ist. Genauso wie Zeichnen sein Ding ist, weil Kunst meins ist. Er hat mir sogar zum Schulabschluss ein Grafiktablet geschenkt. Da hatte ich ihm noch nicht gesagt, dass ich nicht mit ihm an die Ostküste kommen würde …

Ich konnte es nicht. Ich konnte nicht mit ihm mitkommen. Ich konnte nicht einerseits der absolut wichtigste Mensch in seinem Leben sein und andererseits einfach nicht genug, um … mehr zu sein als seine beste Freundin. Ich konnte ihm nicht weiter dabei zusehen, wie er ein Mädchen nach dem anderen anbaggert, ausführt, abschleppt und augenblicklich wieder fallen lässt, während ich danebenstehe und … Urgh.

Am Ende – also: jetzt – stehe ich sowieso wieder hier … Weil ich ohne ihn auch nicht kann.

»Und was machst du dann so, in deiner Freizeit?«, fragt Basecap.

»Ich male.«

»Malen! Cool! So mit Pinsel und Farbe?«

»Auch das. Und mit Kohlestiften oder auf dem Tablet.«

»Darf ich mal sehen?«, fragt Basecap.

»Eher nicht«, erwidere ich und lege meine Hand an den Gepäckwagen, damit er stehen bleibt. »Ich muss dann auch … Zigaretten kaufen!«

Er verzieht das Gesicht. »Du rauchst?!«

Ich nicke heftig. »Ja! Ständig!«, sage ich, hebe meine Dufflebag vom Wagen und wuchte sie mir auf den Rücken.

Er mustert mich skeptisch. »Soll ich … vielleicht mitkommen? Deine Sachen tragen? Oder willst du den Wagen haben?«

»Nein, schon okay. Aber danke!«

Ich atme auf, als er verschwindet. Auch wenn die Tasche echt verdammt schwer ist. Aber ich bin mies in diesem Kram – Small Talk. Flirten. Ich fühle mich immer wie ein Fisch an Land, der hilflos mit den Flossen wackelt.

Also schleppe ich mich zum Duty-free-Shop und danach direkt in die Ankunftshalle. Als ich dort ankomme, spüre ich zwar jede Faser meiner offenbar nicht vorhandenen Rückenmuskulatur, aber wenigstens ist von Basecap keine Spur mehr zu sehen. Es ist auch schlicht und ergreifend zu voll dazu. Sorge, meinen besten Freund in dem Gewühl nicht zu finden, habe ich dagegen nicht. Er ist zwar – im Gegensatz zu den meisten Eishockeyspielern – »nur« durchschnittlich groß, aber Jay würde ich selbst in einem zweihundert Quadratmeter großen Raum voller Menschen entdecken. Zudem sticht er hier einfach heraus, in seinen zerfetzten Jeans, der Lederjacke und den schwarzen Haaren, die mit oder ohne Haargel immer gleich zerwühlt aussehen. Als wäre er gerade erst aus dem Bett aufgestanden. Womit man bei ihm immerhin auch oft genug rechnen muss.

Sobald er mich entdeckt, kommt er auf mich zu. Es sind nur noch zwanzig Meter Abstand zwischen uns. Zwanzig Schritte, in denen plötzlich all die Gefühle wieder hochkommen, die ich doch so unbedingt verdrängen wollte. Ich war am anderen Ende der Vereinigten Staaten. Des verdammten Kontinents! Ich habe mir das College ausgesucht, das am weitesten entfernt ist von seinem. Weil ich es nicht mehr ertragen habe. Ich konnte meinen Überfluss an Gefühlen für diesen Kerl einfach nicht mehr aushalten.

Und trotzdem stehe ich wieder hier.

Wir sind beste Freunde, seit Jay vor siebzehn Jahren in mein Bett gepinkelt hat. Damals war er zwei und seine Mom der festen Überzeugung, dass er keine Windeln mehr bräuchte. Und meine Mom hielt es für eine gute Idee, uns im selben Bett schlafen zu lassen – wir waren schließlich erst zwei. Was sollte schon passieren? Außer dass ich nicht mehr ohne ihn könnte. Und er nicht mehr ohne mich.

Ich habe es versucht. Himmel, ich habe es wirklich versucht.

Ich habe mich ein ganzes College-Jahr lang gequält und mir eingebildet, glücklich werden zu können, ohne dass er in meiner unmittelbaren Umgebung sein muss. Telefonate, Videocalls, Chats – beste Freunde sein, ohne uns jeden Tag zu sehen. Ohne ihn jeden Tag bei mir zu haben, ihn zu berühren und zu umarmen. Und zwei Sekunden später mit irgendeinem neuen Mädchen teilen zu müssen, die mich zwei Wochen später hassen und verachten wird. Weil ich Jay dann noch immer habe. Und sie nicht.

Ich spüre, wie mein Herz sich bei seinem Anblick zusammenkrampft. Wie es schrumpft und immer, immer kleiner wird. Bis ich nicht mehr sicher bin, ob es überhaupt noch dort ist. Oder ob Jay es bereits wieder an sich gerissen hat. Wie früher. Warum habe ich nur geglaubt, ein Jahr Pause würde irgendetwas ändern?

Jays Umarmung fühlt sich vertraut an. Vertraut und fremd zugleich. Er riecht nur anders. Mehr nach irgendeinem Sportdeodorant und weniger nach Jay. Und trotzdem ist es noch viel zu viel. Ich vergrabe meinen Kopf an seiner Brust und genieße das Gefühl seiner Lippen an meiner Stirn, auch wenn ich weiß, dass es ihm nichts bedeutet – nicht das, was es mir bedeutet. Er legt mir einen Arm um die Schulter und zieht mich damit im selben Moment von sich weg. Eine dieser zahllosen Gesten, wie nur er sie beherrscht.

Vor mir stehen drei Jungs. Männer. Jungmänner. Wie auch immer. Hockeyspieler jedenfalls, jeder Einzelne von ihnen. Man sieht es ihnen an der Nasenspitze an – oder vielmehr: an der Statur. Sie alle sind groß – größer als Jay – und verbringen eindeutig zu viel Zeit in den Trainingsfacilitys auf dem Campus. Denn während die Atlantic University an und für sich nicht besonders groß ist, werden dort zwei Dinge sehr, sehr großgeschrieben: Hockey. Und Trainingsfacilitys. Fast die Hälfte der Fläche geht dafür drauf. Für Eishalle, Fitnesscenter, Basketballcourt und diverse andere Gebäude. Es gibt sogar eine eigene Mensa nur für die Student Athletes.

Woher ich das alles weiß? Weil Jay mich praktisch überallhin mitgenommen hat im letzten Jahr – virtuell, mit dem Smartphone. Ich kenne sogar ein paar aus seinem Team: Quinn, der Stressraucher, der links vor mir steht, mit ewig langen Wimpern, um die ich ihn bereits beneidet habe, als er Jay das allererste Mal bei einem unserer Videocalls das Smartphone aus der Hand geklaut und die Kamera abgeknutscht hat – okay, das war ein bisschen eklig, aber so ist er halt. Dann Paul, über den ich ehrlich gesagt nicht besonders viel weiß. Ich erinnere mich hauptsächlich deswegen an ihn, weil er so still ist. Und, ja, in einem College-Hockey-Team ist still sein definitiv ein Alleinstellungsmerkmal. Ganz rechts steht … keine Ahnung, wie er heißt. Aber er ist groß, blond, blauäugig und hat diesen »Ihr könnt mich alle mal«-Blick drauf. Wahrscheinlich gehört er zu diesen Smarties, die ihre Blutlinie bis zu den Wikingern zurückverfolgen könnten und stolz drauf sind.

»Wo ist Rob?«, flüstere ich. Wenn Jay mich schon nicht ohne Entourage von einem Flughafen abholen kann, hätte er wenigstens ihn mitbringen können … Rob ist Teamcaptain dieses Haufens und der Einzige, dem man sofort anmerkt, dass die unvermeidbaren Stürze aufs Eis ihm nicht die grauen Zellen haben absterben lassen.

»In der WG«, antwortet Jay. »Er hat seine Freundin über den ganzen Summer Break nicht gesehen und jetzt kann er nicht aufhören, sie abzuschlabbern.« Jay schüttelt sich.

Ich kicke ihn in die Seite. »Sei nicht so gemein. Auf den Fotos sehen die zwei total süß zusammen aus!«

Jay nuschelt irgendwas und schiebt mich in Richtung Ausgang, bevor er sich an seine Teamkameraden wendet: »Hey, nimmt jemand ihr Gepäck mit?«

Wikinger schnaubt. Aber Paul, der Stille, hat sich bereits meine Dufflebag geschnappt. Ich lächle ihm dankbar zu, woraufhin Wikinger uns gleich beide wütend anfunkelt. »Was ist denn bei dem kaputt?«, frage ich Jay leise.

Dieser zuckt mit den Schultern. »Beachte Luca nicht weiter. Er weiß nicht, wie man Spaß hat.«

»Warum hast du ihn dann mitgebracht?«

Jay grinst und wackelt mit den Augenbrauen. »Vielleicht, damit er mal rausfindet, wie es geht.«

Ich verdrehe die Augen.

»Komm schon, du wirst dich an sie gewöhnen. Sie sind mein Team, meine Mitbewohner, meine Haustiere. Ich geh praktisch nirgendwo ohne die Jungs hin.«

»Ich weiß«, sage ich resigniert. »Ich warte auf den Tag, an dem du sie mit aufs Klo nimmst.«

Er lacht. »Wir duschen zusammen, Snickerdoodle. Du machst dir keine Vorstellungen, was sich da für Szenen abspielen.«

Ich schlage mir die Hände vors Gesicht. Auch wenn das bedeutet, dass ich keine Ahnung habe, wo ich hinlaufe. Aber das ist egal, denn Jays Griff ist so bestimmt, dass ich gar nicht anders kann, als neben ihm herzugehen.

Wir steuern einen grünen Van an und Paul manövriert meine Tasche in den Kofferraum. Jay öffnet mir die Autotür und macht eine spielerische Verbeugung.

Ich boxe ihn mit der Faust gegen die Brust und steige ein. Er folgt mir und drei Sekunden später sitze ich Schulter an Schulter mit meinem besten Freund auf der Rückbank des Minivans. Quinn fährt. Und ich hoffe, dass Paul sich neben mich setzt, aber Luca-der-Wikinger war schneller. Ich werfe ihm mit gehobener Augenbraue einen Blick zu, aber er ignoriert mich vollkommen.

Vor dem Parkscheinautomaten halten die Jungs an, und Jay springt raus, um ein garantiert völlig überteuertes Ticket zu lösen.

»Irgendwie habe ich mir unter Sam immer jemanden mit Eiern vorgestellt«, philosophiert Wikinger in die Stille hinein.

Quinn lacht. Paul will ein Grinsen unterdrücken und scheitert.

Ich seufze. »Warum? Du hast doch offensichtlich auch keine. Oder warum passt du für diesen grandiosen Witz den ersten Moment ab, in dem Jay nicht hier ist? Angst, dass er das kleine Mädchen mehr mag als dich?« Ich ziehe einen Flunsch und blinzle ihn an wie eine Dreijährige, weil er sich gerade selbst wie eine aufführt.

Paul räuspert ein Lachen beiseite, während der Wikinger neben mir schnaubt und seine blonde Mähne schüttelt. Wie ich es mir gedacht habe: große Klappe und nichts dahinter … Ich hoffe nur, dass Jay sich nicht mit ihm die WG teilt. Ich weiß, dass Rob sein Zimmer gleich nebenan hat, aber sonst ist außer ihm und Quinn niemand während unserer Videocalls reingeplatzt.

»Hier!« Jay schwingt sich zurück ins Auto und reicht Quinn die Parkkarte.

Der Wagen fährt ruckartig an und ich werde zurück ins weiche Sitzpolster gedrückt.

Ich bin so verdammt müde.

Ich bin vor sechzehn Stunden aufgestanden und habe die Nacht zuvor zu dreißig Prozent damit verbracht, meine Entscheidung zu bereuen, an Jays College zu wechseln, fünfzig Prozent der Nacht gingen dafür drauf, über ihn und unsere Freundschaft nachzudenken – und zwanzig Prozent in unruhigem Halbschlaf.

Jay legt mir den Arm um die Schultern und zieht mich zu sich heran, bis mein Kopf ganz von allein auf seine Brust fällt. Und ich kann nicht widerstehen und schlinge meinen Arm um seine schmale Hüfte.

Kapitel 2

Ich muss auf der Fahrt nach Whitbey eingeschlafen sein. Jedenfalls wache ich davon auf, dass Jay mich mit einem Schulterzucken weckt. Ich hasse es, wenn er das tut. Und weil ich ein kategorischer Aufwachmuffel bin – nein, kein Morgenmuffel, denn die Tageszeit spielt dabei absolut keine Rolle –, werfe ich ihm einen missbilligenden Blick zu und kralle mich beim Aufsetzen in sein Shirt. Beziehungsweise seine Brustmuskulatur … Was ein Fehler ist. Ich blinzle und drücke mich von ihm weg.

»Na los, Honeybunny. Ich stell dir die anderen vor und dann zeig ich dir mein Zimmer. Es ist doppelt so groß wie die Streichholzschachteln in deinem Dorm – und ich muss es nicht mal teilen.« Er grinst.

»Angeber.«

Jay wohnt nicht auf dem Campus, sondern in einem riesigen, schicken, modern eingerichteten Haus, gemeinsam mit vier anderen Hockeyspielern. Es gibt mehrere dieser Häuser für Division-I-Athleten, allesamt von der Uni gesponsert, damit sich die kleinen Prinzen der AU voll und ganz auf den Sport konzentrieren können …

Drinnen erwartet mich Chaos. Sämtliche Möbel in dem geräumigen Wohnzimmer sind an die Wand gerückt worden und gleich neben dem Eingang stapeln sich Bierfässer. Ich seufze und drehe mich zu Jay um. »Ist das der Grund, warum du mich erst ausgerechnet hierhergeschleift hast? Ihr schmeißt eine Party?«

Er verzieht das Gesicht. »Nein, die Party ist morgen. Betrachte das hier als deinen Willkommensempfang. Schau!« Er deutet auf ein großes Pinboard, wo zwischen Boston-Bruins-Fanmerch, einer vergilbten Hausordnung, einem halb nackten Mädchen mit F-Coup und einem Campusplan ein Poster hängt, mit der Aufschrift: »Welcome back, Sam!«

Ich runzle die Stirn. »Yay?«

»Saaam!«, ruft jemand hinter mir und als ich mich umdrehe, sehe ich Rob das Treppengeländer hinunterrauschen. Er überspringt die letzten Stufen und kommt mit Punktlandung vor mir zum Stehen. »Schön, dass du da bist! Vielleicht kannst du Jay davon überzeugen, ausnahmsweise mal für und nicht gegen sein eigenes Team zu spielen.« Er hält mir seine Faust hin und ich schlage erleichtert ein. Er zieht mich sogar in eine knappe Umarmung, ohne dass es komisch wirkt. Wenigstens einer, der normal ist …

Jay hingegen macht eine Grimasse und murmelt: »Schon klar, Rob, ich bin furchtbar.« Er schiebt mich in Richtung Treppe.

Ich will ihn schon fragen, was Rob mit seiner Bemerkung gemeint hat, als dieser uns noch nachruft: »Hey, Sam, du kommst doch morgen auf die Party, oder? Sag Cat einfach, dass sie dich mitnehmen soll!«

»Cat …?«, frage ich, an Jay gewandt.

Er verdreht die Augen. »Catalina. Du erinnerst dich: Robs neue Freundin? Sie ist deine Zimmergenossin.«

»Na toll.«

»Keine Sorge, Rob ist …«, er verzieht das Gesicht und vervollständigt, »… nicht wie ich. Die beiden sind ein Herz und eine Seele, Pech und Schwefel, Pest und Cholera. Widerlich jedenfalls. Es wäre wesentlich problematischer, wenn du mit einer von Lucas oder Jacksons Teilzeitfreundinnen in einem Zimmer wärst.«

»Ist es schlimm, wenn ich morgen Abend bereits sämtliche Namen deiner Freunde und deren Freundinnen wieder vergessen habe?«, frage ich.

Er legt den Kopf in den Nacken und lacht. Dann markiert er seine besonders eklige Version einer Telefonsex-Stimme und sagt: »Der Einzige, den du dir merken musst, Babygirl, ist meiner.«

Ich verziehe das Gesicht. »Schon klar, Hasenpupsimausipoo.«

»Igitt. Wo hast du die immer her, Sam? Deine Spitznamen sind einfach nur furchtbar. Ich gebe mir wenigstens Mühe.«

»Sugar hat mit Mühegeben nichts zu tun. Das ist total ausgelutscht.«

Er seufzt und legt sich eine Hand aufs Herz – die Linke, mit dem Ring am Daumen. »Es tut mir leid, dass ich deine Bedürfnisse in unserer Beziehung nicht erfüllen kann. Ich werde in Zukunft dafür sorgen, dich weniger auszulutschen, Popsickle.«

»Du bist ein hoffnungsloser Fall.«

Jay lacht und stößt eine Tür auf.

Sein Zimmer ist tatsächlich kaum kleiner als das im Haus seines Dads über dessen altem Pub. Es sieht sogar fast genauso aus: Er hat seine PlayStation hier, einen kleinen Kühlschrank und überall sind Klamotten verstreut. Zwei Bierdosen liegen in der Ecke neben dem völlig überfüllten Mülleimer – und eine leere Salt-&-Vinegar-Chipstüte auf dem Bett.

»Mi casa es tu casa!«, sagt Jay und macht eine ausladende Geste.

Ich grinse und lasse mich auf sein Bett fallen. Großer Fehler. Denn beim ersten Atemzug habe ich seinen Duft in meiner Nase. Er riecht so verdammt gut. Als wäre ich wieder zu Hause. Oder irgendwo in einem der National Parks rund um Kalispell. Nach einem Jahr Exil endlich wieder zu Hause. Gleichzeitig entflammt der Geruch neuerlich einen stechenden Schmerz in meinem Brustkorb, der mich ein Wimmern in Jays Bettdecke ersticken lässt.

Die Matratze sinkt neben mir ein und ich spüre seine warmen Finger an meiner Schläfe. Er streicht mir die Haare zurück und das Metall seines Rings kratzt gegen meinen Ohrstecker.

»Alles okay?«, fragt er leise.

Ich nicke und wende ihm mein Gesicht zu, auch wenn ich die Lider geschlossen halte. »Ich bin nur erschöpft.«

»Wieso warst du weg?«, flüstert er. Die Worte streifen meinen Handrücken. Seine Lippen müssen nur Millimeter von meiner Haut entfernt sein.

»Habe ich dir nur ungefähr einhundert Mal erklärt: Ich wollte auf ein College, das mich auf die Med School vorbereitet, und das gab es hier nicht.«

»Bullshit, Sam. Selbst wenn es hier an der Atlantic keine gibt – in Boston sind gleich mehrere Colleges mit Prepkursen für die Med School.«

»Die haben mich nicht genommen.« Das stimmt. Aber auch nur, weil ich mich nie dort beworben habe … Ich habe zwanzig Bewerbungen an sämtliche Colleges der Westküste geschickt – weil dort kein College ein Division-I-Hockeyteam hat, das Jay ein Stipendium hätte anbieten können.

Er seufzt resigniert. »Dann sag mir wenigstens, warum du zurückgekommen bist. Ist etwas passiert? Ging es dir dort nicht gut?«

»Nein, was soll schon passiert sein?«, erwidere ich grantig – weil ich nicht will, dass er diese Fragen stellt. Dass er überhaupt fragt.

»Manche Exemplare der Gattung Homo sapiens legen ein ziemlich schräges Verhalten an den Tag«, sagt er.

Ich schnaube. »Keine Sorge, mit diesen Homines sapientes komme ich schon zurecht.«

Er hebt die Brauen. Und für einen kurzen Moment verschwindet all der Schalk, der normalerweise in seinen Augen ruht. Ohne diesen belustigten Schimmer sind sie ernst, dunkel und warm. »Bist du dir sicher?«

»Ja, Jay. Ganz sicher. Versprochen.« Ich will nicht, dass er sich Sorgen macht. Aber weiter darüber reden will ich auch nicht. Also frage ich stattdessen: »Und bei dir? Dein Leben ist doch sowieso viel aufregender als meins.«

Er geht darauf ein, fragt »Mein Leben?« in einem Tonfall, als redeten wir über eine Soapopera. »Damit kennst du dich ohnehin besser aus als ich. Nicht nur, dass ich dich praktisch alle zwei Stunden über jede Neuigkeit in meinem ach so aufregenden Leben informiert habe – du besitzt noch dazu Erinnerungen an diverse Nächte, von denen in meinem Hirn nur noch ein Blackout übrig ist.«

Ich seufze. »Du hast doch damit aufgehört, oder?«

»Womit?«, fragt er und klingt unschuldig. Viel zu unschuldig.

»Du bist in einem Division-I-Team, Jay! Du wolltest immer hierher, es ist dein absoluter Traum. Wieso gefährdest du das mit irgendwelchen dämlichen Saufgelagen?«

»Fuck, Samy, hör auf damit. Du klingst schon wie dieser Kanadier.«

»Kanadier? Ist das wieder eine neue dämliche Beleidigung, von der ich noch nie gehört habe?«

Er lacht. »Sehr verlockender Gedanke. Aber da Wayne Gretzky auch Kanadier war, fällt das bedauerlicherweise flach. Trotzdem raubt der Typ mir den letzten Nerv.«

»Wer? Wayne Gretzky?«

Kurz schmunzelt er, aber dann zieht er wieder genervt die Brauen zusammen, als wäre allein der Gedanke an den Kanadier eine Zumutung. »Oliver, der Quebe-Käse. Ein völlig untalentierter Schwachmat, der in der Defense ständig Duelle verliert und trotzdem glaubt, er hätte Ahnung von Hockey. Davon abgesehen besitzt er einen wirklich miesen Charakter. Was gemessen an meinem Standard fast eine Leistung für sich ist … Ich wette, der ist nur hier, weil Mommy und Daddy ihm den Slot im Team gekauft haben.«

»So was geht?«

»Meh. Vielleicht. Aber …«, er seufzt, »… keine Ahnung. Schätze, er ist kein schlechter Hockeyspieler. Er ist einfach nur … Vergiss es. – Erster Tipp fürs neue College: Solltest du jemals diesen Namen hören: Renn! Sofort.«

Ich muss lachen. »So schlimm?«

Jay verzieht das Gesicht. »Ja. Ja, definitiv so schlimm.« Dann bedient er sich derselben schwachen Ablenkungstaktik wie ich vorhin und stellt eine Frage, deren Antwort er ohnehin längst kennt: »Malst du noch?«

»Ich habe Art als Major gewählt.«

Er hebt eine Augenbraue. »Jetzt schon?«

Ich zucke mit den Schultern. »Wieso nicht? Ist ja nicht so, als ob meine Mom es hassen würde oder so …«

Ich wollte immer malen. Immer nur malen. Aber Malen bezahlt keine Rechnungen. Künstler gibt es wie Sand am Meer und sie sterben arm und einsam. – Meine Mom war überglücklich, als ich in Seattle die Prepkurse für die Med School gemacht und meinen Künstlertraum erst mal aufgeschoben habe.

Aber mein Herz schlägt nicht für die Medizin. Allgemein scheint mein Herz Schwierigkeiten zu haben, sich für die richtigen – oder wenigstens gesunden – Dinge zu interessieren. Unter meinem weiten Pullover mit dem Highschool-Hockeyteam-Print verstecke ich dementsprechend das Ergebnis aus einem halben Jahr Frustfuttern und regloser Einsamkeit. Als Winterspeck kann man das jedenfalls nicht mehr bezeichnen – erst recht nicht Anfang September …

Ich habe es gehasst. Ich habe das College gehasst, mein Hauptfach, meine Kommilitonen, meine beiden Mitbewohnerinnen und an besonders schlechten Tagen sogar mich selbst. Und Jay. Gott, habe ich Jay gehasst.

Ich fluche leise und vergrabe mein Gesicht in den weichen Decken.

»Hey, das wird schon wieder, okay?«, murmelt er, missversteht meine Wut auf mich selbst und nimmt mich in den Arm. Und weil ich eine Masochistin bin, lasse ich mich hineinfallen, atme tief seinen Duft ein und schaffe es, für drei Sekunden zu vergessen, dass mir diese Geste so viel mehr bedeutet als ihm.

Ich bin todmüde. Und obwohl die Jungs aus Jays Team-Haus – mit Ausnahme von Luca – wirklich nett zu sein scheinen: Noch mehr Gerede über die neue Saison, Trainingseinheiten, Diätpläne und Benotungsskalen für weibliche Rückansichten halte ich nicht aus. Also habe ich Jay nach zwei endlosen Stunden gebeten, mich in mein neues Wohnheim zu bringen. Das mehrstöckige lang gestreckte Gebäude erinnert mich an meine alte Grundschule in Kalispell: der Geruch nach altem Gemäuer, das quietschende Laminat und die unter der Witterung ächzenden Holzfenster.

Jay stellt mein Gepäck mitten im Raum ab. Er stützt die Hände in die Hüften und mustert das kleine Zimmer.

Catalina, meine neue Mitbewohnerin, ist ein typisches Collegegirl: dunkle Lockenflut, hübsches Lächeln und Hotpants auf jedem zweiten Foto. Sie hat bunte Stoffkugellaternchen entlang der Wände ihrer Zimmerhälfte aufgehängt und unter dem Kopfkissen ihrer altrosafarbenen Samtbettwäsche lugt der Zipfel eines Atlantic-Seahawk-Shirts hervor. Ich wette 10 : 1, dass darauf Robs Name geschrieben steht.

Wie wundervoll für sie. Und für ihn. Für alle beide.

Jay hatte recht: Es ist widerlich.

Ich schlucke den Neid herunter. Catalina ist immerhin mit Rob zusammen. Und Rob ist schwer in Ordnung. Ich sollte mich für sie freuen, anstatt die beleidigte Leberwurst zu spielen, weil andere Menschen offenbar kein Problem damit haben, normale Beziehungen zu führen. Beziehungen-Beziehungen. Nicht welche à la »Hey, Babygirl, ich mag dich echt gerne, so als eine Freundin«.

Ich seufze. Im selben Moment öffnet sich die Tür hinter uns, und das Lachen zweier Mädchen erfüllt den Raum – bis es abrupt erstirbt.

Ich drehe mich um und sehe in die überraschten Gesichter zweier Cheerleaderinnen im Partnerlook. Die eine dürfte Catalina sein – sie sieht genauso aus wie auf den Fotos. Inklusive Hotpants. Die andere ist laut ihrem Shirt die Nummer vierzehn. Und während sie rein äußerlich ein ungleiches Paar zu sein scheinen – Catalina braun und schwarzhaarig, Nummer vierzehn weiß und rotblond –, bekomme ich sofort »Beste Freundinnen für immer und ewig«-Vibes, wie sie da mit ihren untergehakten Armen und den gleichfarbigen, ausgefransten Freundschaftsbändern stehen. Ich bin die Letzte, die das belächeln sollte. Jay und ich haben mindesten fünf dieser Bändchen. Nur beim gemeinsamen Tätowieren habe ich endgültig Nein gesagt. Meine Pfirsichhaut ist eine der Qualitäten meines Körpers, die ich immer mochte. Sie und meine grün-türkis-irgendwas-blauen Augen.

»Sorry, ich hab nicht gewusst –«, setzt Catalina an, legt dann den Kopf schief, reißt den Blick von Jay los und mustert stattdessen mich. »Du bist meine neue Mitbewohnerin?« Es klingt nicht abwertend. Aber nett ist irgendwie auch was anderes.

Ich zucke mit den Schultern und antworte: »Schätze schon.« Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das Lächeln auf ihren Lippen echt ist – allerdings bin ich mir das bei meinem eigenen Lächeln aktuell auch nicht.

Sie streckt unbefangen ihre Hand aus und sagt: »Cool! Ich bin Catalina. Willkommen auf der AU!«

Ich erwidere den Handschlag und murmle ein Dankeschön.

Catalina deutet auf ihre Freundin und sagt: »Das ist Rosalie, meine beste Freundin. Wir spielen zusammen im Volleyballteam.«

»Volleyball«, wiederhole ich. Also kein Cheerleading. »Cool.«

Sie nickt. »Du kannst zu den Trainings vorbeikommen, wenn du willst! Wir haben in drei Wochen Auswahlspiele.«

Ich habe abwehrend die Hände. »Sport ist nicht … mein Fall.« Ich habe zwei linke Hände, sofern ich nicht gerade zeichne. Wirklich, es ist eine Katastrophe. »Aber … danke!« Glaube ich.

Wow. Mädchenkonversationen. Ich komme mir dabei immer vor wie ein Kerl beim ersten Date: null Ahnung, was ich tun oder sagen soll, aber egal, wer das Mädchen ist, ich will es nicht vermasseln. Und tue es dann meistens doch, weil ich irgendeine ungeschriebene Regel breche wie: Man sagt nicht, wenn ein Kleidungsstück zu klein ist. Oder: Es ist okay, sich dasselbe Deo zu teilen, zur Begrüßung einander die Wange zu küssen und gemeinsam auf die Mädchentoilette zu gehen – aber man trinkt nicht ohne Abwischen aus derselben Flasche! Und vor allen Dingen: Man redet nicht mehr mit dem Kerl, der der Freundin einer Freundin das Herz gebrochen hat. Gerade letztere Regel breche ich quasi am laufenden Band …

Wie aufs Stichwort dreht Jay sich zu mir herum, schlingt einen Arm um meine Taille und zieht mich an sich. In der Geste liegt so viel: ein Hauch Melancholie wegen unserer Trennung, die Freude über das Wiedersehen nach viel zu langer Zeit und unser beider Sehnsucht danach, dass es einfach wieder so werden wird wie früher. »Bis morgen, Cookiecrumble«, flüstert er in mein Ohr. Dann lässt er mich stehen und verschwindet, ohne den Mädchen weiter Beachtung zu schenken.

»Du bist Jays Schwester«, sagt Rosalie, als er weg ist. Es klingt auf schräge Weise hoffnungsvoll.

Ich schüttle den Kopf. »Er ist mein Freund – mein bester Freund, meine ich. Seit dem Sandkasten. Windelalter. Ihr versteht schon.«

Catalina nickt und lächelt immer noch. Aber dieses Mal bin ich mir sicher, dass sie es forciert, auch wenn es nicht unfreundlich wirkt. Rosalie hingegen erwidert nichts.

»Ich … packe dann mal aus«, murmle ich in die Stille und wende mich meiner Dufflebag zu.

»Sag einfach Bescheid, wenn du was brauchst, ja?«, bietet Catalina an. »Also ganz allgemein. Wir helfen uns hier alle gegenseitig aus: Glätteisen, Schuhe passend zum Kleid, Cookie-Dough-Eiscreme – irgendwer hat immer was parat!«

»Danke.« Sollte der Tag kommen, an dem ich mal Schuhe passend zu einem Kleid suchen sollte, werde ich mich vertrauensvoll an sie wenden …

Ich seufze. Wahrscheinlich meint sie es wirklich nett. Trotzdem habe ich schon nach den ersten fünf Minuten wieder das Gefühl, mein zweites X-Chromosom sei irgendwie inkompatibel mit anderen X-Chromosomen. Es ist halt einfach mehr Y-orientiert. Oder so. Wie ein Magnet. Gleiches stößt sich ab und so weiter. Aber dafür kann Catalina nichts. Trotzdem … fühle ich mich manchmal blöd deswegen. Ausgeschlossen. Nicht-Mädchen-genug.

Kapitel 3

Der darauffolgende Tag ist ein Sonntag. Der »Willkommen an der AU«-Partysonntag. Weil die Jungs an Samstagabenden noch spät Training haben und deswegen zu den wenigen Idioten gehören, die allen Ernstes sonntags ihre Partys feiern. Ich werde Montagmorgen so tot sein …

Was soll’s. Ich habe schon heute hoffnungslos verschlafen, und Jay hat es nach zehn Anrufen, die auf der Mailbox gelandet sind, aufgegeben, mich wecken zu wollen. Der Ärmste. Ich hab ihm eine Nachricht geschrieben, dass ich mir ein Frühstück oder so was suche und ihn danach anrufe.

Also schlendere ich jetzt auf der Suche nach etwas Essbarem durch die leeren Gänge meines Wohnheims. Wo sind die nur alle?

Hier und da hört man Musik oder Gemurmel hinter den Türen, aber es ist kaum jemand auf den Fluren. Ich seufze und biege in den Gang zu den Gemeinschaftsräumen ein. Als Jay mich hergebracht hat, habe ich hier Snackautomaten gesehen. Und, ja, ich hatte mir vorgenommen, weniger zu snacken und gesünder zu essen … Aber ich bin auf dem College! Und deprimiert …

Trotzdem fühle ich mich schlecht, als ich vor dem Ding stehe. Ich meine, hey, sollte ich nicht mehr Selbstdisziplin aufbringen? Bin ich erbärmlich, weil ich es nicht kann?

»Brauchst du Kleingeld?«

Ich blinzle. Vor mir steht ein männliches Calvin-Klein-Model. Und lächelt. Mich an.

»Nein, danke, ich hab welches«, piepse – ja, ich fürchte, dieses Wort trifft es am besten – ich und halte mein Bündel 1-Dollar-Scheine hoch, das ich immer für Automatennotfälle in einer Spardose in meinem Zimmer habe.

Er nickt. »Okay.«

Und weil ich immer noch hier herumstehe und seine Model-Vollkommenheit bestaune, legt er den Kopf schief und nickt Richtung Automat. »Willst du nicht …?«

»Oh. Doch. Klar!« Wow. Toll. Jetzt darf ich vor diesem Wunder des Metabolismus meine Snackautomatenfrühstückssünde zur Schau stellen.

Ich verdrehe hinter geschlossenen Lidern die Augen und wende mich dem Automaten zu. Der hat sogar Milky Way. Ich liebe Milky Way! Ich werde eines Tages nach Europa reisen, nur um zu testen, ob die dort in der blauen Verpackung anders schmecken als bei uns in der braunen. Aber fürs Erste reicht mir der letzte Riegel aus diesem hübschen Automaten hier. Und … eines der abgepackten Sandwiches vielleicht?

Ich wähle erst das Sandwich aus, werfe einen entschuldigenden Blick über die Schulter, wo Calvin Klein noch immer geduldig wartet, und wähle dann die Nummer dreiunddreißig für mein Milky Way. Dann bleibt nur warten – und sehnsüchtig dabei zusehen, wie die Metallspirale sich dreht … und dreht und … stehen bleibt.

Ohne mein Milky Way ausgespuckt zu haben.

Es steckt schief in der Spirale fest und widersteht dem Wunder der Erdanziehungskraft. Wäre es ein BH – ich wäre schwer begeistert. Aber es ist kein verdammter BH! Es ist mein Schokoriegel! Der erste und potenziell einzige Lichtblick eines absehbar unschönen Tages. Das Trostpflaster auf meiner offenen Herz-OP-Wunde namens »Jay und ich auf derselben Party«. Ich stöhne und schlage mit der Stirn gegen das Plexiglas des Automaten. Mir egal, was Calvin Klein dazu sagt … Ich bin es schließlich gewohnt, der schräge Freak zu sein.

»Warte, das kriegen wir hin«, sagt er hinter mir plötzlich – und lächelt schon wieder. Der Kerl lächelt eindeutig zu viel.

Aber ich trete brav von dem Automaten zurück und … spüre meine Kinnlade herunterklappen. Er stellt den Automaten auf Kipp. Fünfundvierzig-Grad-Winkel. Und ich meine den ganzen verdammten Automaten! Mit all den Schokoriegeln, M&Ms und Getränken drin. Einfach so. Alleine.

Es scheppert, mein Milky Way und zwei weitere Riegel fallen aus ihrer Spur, und als er das Ding wieder gerade hinstellt, liegen sie unten in der Ablage.

Ich wende mich ihm zu und frage: »Hast du noch andere Superkräfte?«

Er lacht und schüttelt den Kopf. »Nein, aber du würdest mir einen Gefallen tun, wenn du das für dich behalten könntest, denn das Geld für die zwei Riegel da fehlt ihnen jetzt in der Kasse.« Er hebt bedauernd eine Schulter und sieht zu dem Automaten hinüber. Ein Snickers klammert sich mit letzter Kraft an sein Regal. Er donnert mit einer flachen Hand gegen die Automatenwand und sagt: »Drei Riegel. Wie bedauerlich.«

Ich schlage mir die Hände vor den Mund, um nicht loszuprusten. Dann knie ich mich vor den armen Automaten und angle in dem Fach nach meinem Milky Way.

Er hockt sich neben mich und fischt nach seiner unfreiwilligen Beute – nur dass er mit seinen langen Armen wesentlich leichteres Spiel hat als ich. Der Typ ist riesig! Mindestens 1,90. Ich komme gerade mal auf 1,70 – wenn ich mich auf Zehenspitzen stelle.

»Hier«, er hält mir mein Milky Way hin.

Sein Gesicht ist so nah vor mir, dass ich die Sommersprossen auf seiner Nase zählen kann. Sie geben seinem sonst eher kantigen Äußeren etwas Weiches, Liebevolles. Ich lege den Kopf schief und mustere seine Augenbrauen. Bis gerade eben habe ich sie für braun gehalten. Aber aus der Nähe haben sie eindeutig einen roten Schimmer. Er trägt eine Beanie, deswegen kann ich seine Haare nicht sehen. Aber ich bin unglaublich neugierig, wie sie wohl ausschauen. Und ehe ich näher darüber nachdenken kann, habe ich meine Hand nach der dünnen Wolle ausgestreckt und ziehe ihm die Beanie vom Kopf.

Er zuckt zurück, und kurz fürchte ich, dass er mich gleich ähnlich behandelt wie den Automaten gerade eben …

»S-sorry!«, beeile ich mich zu sagen. »Ich mache so was normalerweise nicht. Also jedenfalls war es nicht geplant! Ich meine: Ich wollte unbedingt wissen, wie deine Haare aussehen – ob sie rot sind oder braun, weil erst sahen sie braun aus, aber deine Augenbrauen sind rot, und ich liebe rote Haare! – Aber ich schätze, ich hätte dich auch einfach fragen können, nur hätte das einen längeren Denkprozess vorausgesetzt, und der war offenbar gerade nicht drin … Und das ist er normalerweise schon. Oder er hätte es jedenfalls sein können! Rein kognitiv. Bilde ich mir ein. – Was ich meine, ist: Ich habe nur in diesem Moment nicht aktiv darüber nachgedacht, dass … Also normalerweise mache ich das nicht. Meistens. Glaube ich!« Ich schlage mir die Hände vors Gesicht. Was um alles in der Welt rede ich? »Ich mache es gerade nicht besser, oder?«

Er lacht.

Ist das gut? Ja, oder? – Oder gerade nicht, weil er mich auslacht und das … doof wäre.

Ich blinzle zwischen meinen Fingern hindurch. Seine Augen funkeln mich belustigt an – und seine Beanie duftet gut … Aber vermutlich verbucht er mich endgültig unter »durchgeknallt«, wenn ich ihn jetzt noch frage, welches Shampoo er benutzt …

»Schon okay«, sagt er. »Ich habe verstanden: Du klaust normalerweise nicht anderen Menschen ihre Kopfbedeckungen.«

Ich nicke und nehme endlich die Hände vom Gesicht. »Ja. Genau. – Das!«

Er hat wirklich rote Haare … Und bis gerade eben war mir nicht bewusst, dass ich das attraktiv finden würde. Oder jedenfalls nicht so attraktiv.

Genau genommen war mir nicht bewusst, dass ich überhaupt noch dazu in der Lage bin, irgendjemanden außer Jay attraktiv zu finden. Calvin bekommt von mir also zehn imaginäre Gummipunkte. Für sein Aussehen. Herzlichen Glückwunsch.

»Willst du die behalten oder darf ich sie wiederhaben?«, fragt er mit gehobenen Augenbrauen und deutet auf seine Beanie.

Ich blinzle auf meinen Schoß hinab. »Oh. Sorry. Klar. Hier!« Ich drücke ihm das Ding in die Hand, rutsche von ihm weg und stehe endlich auf, um den Rückzug von der wohl peinlichsten Begegnung des Jahrhunderts anzutreten.

»Hey!«

Ich bleibe stocksteif stehen und blinzle ihn über meine Schulter hinweg vorsichtig an. »Ja?«

»Wie … wie heißt du?«

»Sam.«

»Sam wie Samantha? Samira …?«

»Sam wie Summer.«

Er nickt stirnrunzelnd. »Okay.«

Ich will mich schon wieder abwenden, als mir noch einfällt: »Und du?«

»Calvin.«

Ich giggle, kichere – lache. Hysterisch und total albern. Aber ich kann nicht anders. Ich halte mir den Bauch, gehe in die Knie und kann nicht aufhören zu lachen.

Er muss mich spätestens jetzt für total durchgeknallt halten. Aber ich kann nicht anders: Alles hier ist so verdammt surreal.

Das Wiedersehen mit Jay, mein hoffnungsloses Gefühlschaos, meine neue, vielleicht ja sogar nette Mitbewohnerin, die noch dazu Robs Freundin ist. Und dann Calvin. Calvin! Das Magazinmodel am Snackautomaten, dem ich die Beanie vom Kopf ziehe, weil das natürlich die einzig logische Reaktion ist, die eine Summer Hastings in so einer Situation an den Tag legen kann.

Vielleicht wäre es rationaler zu heulen. Ganz bestimmt wäre es das. Aber ich habe es so satt. Ich bin es leid zu heulen, mich zu bemitleiden und das Schicksal zu verfluchen, das mich an Jay kettet.

Also lache ich! Lache und lache, bis ich nur noch Tränen übrig habe.

Und Calvin steht immer noch vor mir und sieht mich teils verständnislos, teils mitleidig an. »Ich nehme nicht an, dass dieser Ausbruch mit mir zu tun hat. Blöder Ex-Freund mit dem gleichen Namen?«

Ich nicke, ziehe die Nase hoch und reibe mir mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. »So ähnlich, ja. Tut mir leid, Calvin. Aber immerhin: Ich kann dir hoch und heilig versprechen, niemals deinen Namen zu vergessen! Nicht, dass dir das etwas bringen würde …«

Er zuckt schmunzelnd mit den Schultern. »Ich bilde mir immer etwas darauf ein, wenn süße Mädchen meinen Namen nicht vergessen können.«

Wow, was?

Ich runzle die Stirn und sehe ihn verständnislos an. Ich bin normalerweise wirklich die Letzte, die kapiert, wenn ein Kerl flirtet. Ich schiebe das zu neunzig Prozent der Fälle in die Schublade für freundschaftliche Komplimente. Aber das habe jetzt sogar ich mitbekommen.

»Sorry, das klang sehr eingebildet. So war es nicht gemeint!«, sagt er.

Ich muss lachen. »Keine Sorge, mit Männern und ihren großen Egos komme ich zurecht.«

»Dann bin ich ja beruhigt«, murmelt er und fährt sich verlegen durch die Haare. Aber die Geste wirkt so perfekt charmant, dass ich mir fast sicher bin, dass er sie nur spielt. Denn seien wir mal realistisch: Calvin Kleins sind nicht unsicher. Dazu sehen sie einfach zu gut aus. Menschen wie ihnen wird doch quasi alle zwei Meter von irgendwem erklärt, wie attraktiv sie sind. Und ich habe Jay ungefähr eintausend Mal den Schüchternen spielen sehen, wenn er ein Mädchen rumkriegen wollte.

Also nicke ich nur und wende mich ab. »Bye, Calvin.« Klein.

Ehrlich, darüber werde ich noch die nächsten drei Wochen nicht hinwegkommen. Ob seine Mutter sich das bei seiner Geburt schon so dachte? Oh, der wird sicher mal ein Model. Lasst ihn uns Calvin nennen.

Kapitel 4

Ich ziehe mir die Kapuze über den Kopf und biege in die Surry Road ein, wo Jays Team-WG-Haus steht, in dem heute die Party stattfindet. Es ist so ein alter Tick von mir: Gehe ich auf eine Party, brauche ich irgendwas mit Kapuze … Als würde mich das unsichtbar machen oder so. Was natürlich totaler Quatsch ist. Aber lieber bin ich ein unsichtbarer Kapuzenzwerg als »Jays komische beste Freundin, wie hieß sie noch gleich?«. Ich hoffe wirklich, dass die Partys auf der AU anders sind als die in Seattle. Mit Jay kann es manchmal ziemlich lustig sein. Aber manchmal eben auch nicht …

Schon von Weitem dringt Musik an meine Ohren, und eine Spur aus roten Pappbechern weist mir den Weg von der Veranda bis in den baumbestandenen Garten hinterm Haus. Ich ziehe mein Smartphone aus der Hosentasche und blinzle im Licht der untergehenden Sonne auf den Screen.

Jay: Bist du schon hier?

Das war vor über fünfundvierzig Minuten, ich habe vor zehn Minuten geantwortet, dass ich in fünf Minuten da sein würde …

Ich trete auf den Rasen und seufze bei dem Anblick, der sich mir bietet. Kurz überlege ich, einfach wieder umzukehren. Während der Highschool-Zeit bin ich auf Partys gegangen, nur um mir einzubilden, dazuzugehören – ein Teil von Jays Clique zu sein wie jeder andere auch. Und normalerweise war ich das auch. Es sei denn, Jay hatte für den Abend bereits eine weibliche Begleitung auserkoren. Dann habe ich mich meistens auf die Suche nach dem Hobbyraum gemacht, den Keller, oder wo auch immer gerade eine verwahrloste PlayStation herumstand, die nur darauf wartete, dass sie von jemandem benutzt wird, der wirklich weiß, was er tut. Wie ich beispielsweise.

Ich: Bin da.

Jay: Wo genau? Siehst du das pinke Einhorn?

Ich runzle die Stirn und stelle mich auf die Zehenspitzen. Und gerade als ich ihm sagen will, dass ich nicht weiß, wovon er spricht, fliegt ein riesiges knallpinkfarbenes Einhorn in mein Sichtfeld.

Oh, Gott. Auf welcher Geburtstagsparty für Vierjährige haben sie das nur geklaut?

Ich: Schätze, ich hab es gefunden.

Jay: Bin gleich dort.

Ich reibe mir über die Stirn und schiebe das Smartphone in die Kängurutasche meines Kapuzenpullovers. Ich fürchte, die Wahl meiner Garderobe ist dem Anlass nicht unbedingt angemessen. Aber ich fürchte auch, dass mir das gerade relativ egal ist.

Ich bahne mir meinen Weg an den wogenden Massen vorbei, passiere eine Bierpongrunde, zwei stockbesoffene Typen auf einer Slackline – zugegeben: es ist ein verdammt witziger Anblick – und stehe schließlich zu Füßen des pinkfarbenen Einhorns. Und niemand ist hier. Nicht einmal irgendwer aus Jays Clique. Obwohl ich zwei der Jungs aus seinem Team schon beim Bierpong gesehen habe.

»Summer?«

Ich runzle die Stirn und drehe mich langsam um. Dort steht Calvin – der Calvin – Arm in Arm mit Catalinas bester Freundin und lächelt sein Calvin-Klein-Lächeln. Er hat eine Freundin! Logisch. Fragt sich jetzt nur noch, warum ich enttäuscht bin.

»Calvin! Und … Rosalie?« Ich ringe mir ein Lächeln ab.

»Du kennst meine Schwester?«

Rosalie ist seine Schwester? Okay, ich schätze, der Rotschimmer in ihren Haaren hätte ein Hint sein können. Aber charakterlich passen sie null zusammen – soweit ich das beurteilen kann. Was ich eigentlich überhaupt nicht kann. So viel zur Validität meiner Diagnose …

»Summer ist Cats neue Mitbewohnerin«, sagt sie, genauso emotionslos wie gestern im Wohnheim.

Calvin lupft eine Augenbraue und wirft seiner Schwester einen Blick zu. Und ich will gar nicht genau wissen, was er bedeutet. Oder was ihm vermutlich bereits alles über Catalinas schräge neue Mitbewohnerin erzählt wurde … Auf dem Campus in Seattle ging das mit den Gerüchten jedenfalls sehr schnell.

»Cat hat dich schon gesucht«, sagt Rosalie und deutet vage nach links.

Ich folge ihrem Fingerzeig – wenn auch mehr im Reflex – und bereue es in der nächsten Sekunde bereits.

Es ist nichts Ungewöhnliches. Wirklich nicht. Es ist normal. Alltag. No big deal, wie Jay sagen würde. Nur zwei Pärchen, die sich gegenseitig die Zunge in den Hals stecken. Und bei Rob und Catalina sieht es sogar irgendwie süß aus. Wie er sie festhält und ihr Gesicht tausend Mal küsst und irgendwas flüstert, das sie beschämt den Kopf an seiner breiten Brust verstecken lässt. Bei Jay hingegen … Aber vermutlich ist es egal, was er täte. Oder wie er es täte. Mir würde immer schlecht bei diesem Anblick. Nicht schwindelig und kribbelig und warm – sondern einfach nur schlecht. Schlecht und so kalt, dass ich heute Abend im Bett noch unter meiner Decke liegen und frieren werde.

Er tut das nicht mit Absicht. Es ist nicht seine Schuld. Es ist meine eigene, weil ich ein Hasenfuß bin, der zu viel Angst hat, ihm meine Gefühle zu gestehen. Auch wenn ich in Momenten wie jetzt jedes Mal überlege, es zu tun. Wenn ich zusehen muss, wie er eine Wildfremde gegen die Hauswand drückt, ihr eine Hand unter den Saum ihres Tank-Tops schiebt und sein Bein zwischen ihre Oberschenkel drängt, bis sie heftig atmend den Kuss löst. Und er sie ins Hausinnere schiebt und die Tür hinter sich zuzieht.

»Jay bricht mal wieder seinen eigenen Abschlepprekord«, murmelt jemand hinter mir, und als ich mich nach der Stimme umdrehe, sehe ich dicht neben Rosalie eine Blondine stehen und demonstrativ ihre Fingernägel betrachten.

Ich schließe die Augen, verdränge den Stich in meinem Inneren und wende mich an Calvin: »Hast du zufällig eine PlayStation?«

»Ob ich …? Nein, wieso?«

Weil ich dreißig Minuten lang nicht daran denken möchte, was mein bester Freund gerade treibt, und weil das ziemlich Einzige, was da helfen kann, Zocken ist. Am besten ein Ego-Shooter-Spiel. Konzentrieren oder sterben.

Ich seufze. »Vergiss es …«

Möglichkeit zwei: Alkohol. Weniger effektiv, aber …

»In meiner WG steht eine. PlayStation, meine ich.« Irgendetwas an Calvins Art, bestimmte Wörter auszusprechen und zu betonen, irritiert mich. Aber ich komme nicht dahinter, was genau es ist. Aber es klingt hübsch!

Mit schief gelegtem Kopf frage ich: »Wie weit ist es bis zu dieser mysteriösen WG?« Hoffentlich ist es keine Hockey-WG … Aus unerfindlichen Gründen hätte ich echt was dagegen, wenn Calvin Eishockey spielt. Er gefällt mir besser in der Rolle des snackautomatenbelauernden Unterwäschemodels.

Er zuckt mit den Schultern. »Fünf Minuten von hier.«

»Deal!«

Er lächelt und hält mir seinen Arm hin. Für zwei eindeutig zu lange Sekunden blinzle ich verständnislos darauf herab – bis mir aufgeht, was er von mir will. Dann hake ich mich umständlich bei ihm ein und lasse mich von ihm zurück in Richtung Straße führen. Das Gefühl ist merkwürdig. Ich glaube, ich habe mich noch nie bei jemandem untergehakt. Seit … der Grundschule.

»Du bist –«, setzt Calvin an, wird aber von der Blondine unterbrochen.

»Wartet! Wir kommen mit!«

Calvin bleibt seufzend stehen, und ich drehe mich stirnrunzelnd nach den beiden Mädchen um.

»Catalina ist sowieso beschäftigt – und mein Tagesbedarf an betrunkenen Kerlen war bereits nach fünf Minuten gedeckt«, erklärt sie, deren Namen ich noch immer nicht kenne, und stolziert mit Rosalie im Schlepptau an uns vorbei.

Kapitel 5

Du bist so schlecht, weißt du das?«, frage ich und lache Calvin aus. Er hat die Reflexe einer Neunzigjährigen auf Cannabis. Nichts gegen Gamer-Grandma, ich liebe ihre YouTube-Videos. Aber Calvin ist wirklich eine Katastrophe.

»Ich spiele normalerweise keine PlayStation«, verteidigt er sich. »Ich habe keine Zeit dazu.«

Ich reiße die Augen auf. »Welcher männliche Collegestudent hat keine Zeit fürs Zocken?«

Er zuckt mit den Schultern. »Ich spiele Hockey in einem Division-I-Team, und im Gegensatz zu Idioten wie Jayden Sanderson nehme ich es auch ernst.«

Ich klappe den Mund auf, um etwas zu sagen. Aber am Ende starre ich ihn doch nur an. Und werde erschossen. Ich werde immer erschossen, wenn ich an Jay denke! Es ist die natürliche Strafe des Spiels. Ich lasse den Controller zurück aufs Sofapolster fallen und lege frustriert den Kopf in den Nacken.

»Hab ich … irgendetwas Falsches gesagt?«, fragt Calvin.

»Du hast ihren besten Freund runtergemacht«, erklärt Jenny – Jenny, die mysteriöse Blondine mit der spitzen Zunge, deren Namen ich inzwischen erfahren habe. Sie sitzt neben Rosalie am Küchentisch und blättert gelangweilt durch ein Modemagazin, während ich jämmerlich daran scheitere, keine Vorurteile gegen Blondinen zu entwickeln. Manche von ihnen machen es mir einfach verdammt schwer.