Lebensfaden der Liebe - Juergen von Rehberg - E-Book

Lebensfaden der Liebe E-Book

Juergen von Rehberg

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Beschreibung

Eine philosophisch angehauchte Vermischung von Wesen aus der Mythologie mit Wesen der Gegenwart. Die drei Moiren (griechischen Schicksalsgöttinnen) Klotho, Lachesis und Atropos werden von Tyche (Glücksgöttin) herausgefordert, einen Lebensfaden für die Liebe zu spinnen. Georg und Clara, zwei um die Liebe Kämpfende, sind die Probanden für dieses Experiment. Liebe, Eros, Schicksal und Humor sind die Zutaten dieser interessanten Geschichte. https://www.juergen-von-rehberg.at

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Verehrte Leserschaft!

Ich möchte Sie verführen und mit Ihnen eine gemischte Zeitreise unternehmen, die aus dem Hier und Jetzt besteht und aus der Zeit, da die Menschen einen gewissen Jupiter angebetet haben und noch anderen Gottwesen huldigten.

Die Protagonisten sind die Sterblichen Georg und Clara auf der einen Seite, sowie die Moiren Atropos, Lachesis und Klotho und eine weitere Schicksalsgöttin mit Namen Tyche auf der anderen Seite.

Ach ja, dann ist da noch Ananke. Aber dazu später mehr.

Für alle die, welchen die griechische Mythologie nicht so geläufig ist, habe ich hier eine kleine Einführung:

Die Moiren Klotho, Lachesis und Atropos verkörpern in der griechischen Mythologie das dem Menschen zugewiesene Schicksal.

Klotho(deutsch „Spinnerin“) ist in der griechischen Mythologie die jüngste der drei Moiren. Ihre Aufgabe ist es, den Lebensfaden zu spinnen, der von Lachesis bemessen und von Atropos abgeschnitten wird.

Lachesis(deutsch „Zuteilerin“) ist in der griechischen Mythologie die mittlere der drei Moiren. Ihre Aufgabe ist es, die Länge des Lebensfadens zu bemessen.

Atropos(deutsch „Unabwendbare“) ist in der griechischen Mythologie die älteste der drei Moiren. Als Zerstörerin war es ihre Aufgabe, den Lebensfaden zu zerschneiden.

Ananke,(deutsch „das Verhängnis, die Zwangsläufigkeit“) ist in der griechischen Mythologie die Personifizierung des unpersönlichen Schicksals, im Unterschied zu den Moiren. Sie ist auch die Mutter der Moiren.

Tyche, die Göttin des Schicksals, der glücklichen (oder bösen) Fügung und des Zufalls. Sie erhöht und erniedrigt und führt launenhaft den Wechsel der Geschichte herbei. Ihr Attribut ist das Füllhorn.

*****

Clara und Georg saßen auf der Treppe, die vom Flur des Hauses, in welchem Clara mit ihrem Ehemann Berthold wohnte, in den ersten Stock hinaufführte.

Es war um die mitternächtliche Stunde, und das Licht, welches sich ein kleines Stück weit von der Küche in den Flur drängte, schaffte eine Atmosphäre von Harmonie und Geborgenheit.

Clara saß oberhalb von Georg und ihr Blick ging über ihn hinweg, um sich in der Endlosigkeit zu verlieren.

Georg war glücklich. Er liebte Clara und genoss die Zweisamkeit. Berthold war auf Tour, genauer gesagt, fügte er seiner Leber einen weiteren Schaden hinzu.

Berthold war Alkoholiker. Er verbrachte mehr Zeit in seinem Stammlokal als bei seiner kleinen Familie zu Hause. Berthold war der typische Junggeselle, und warum er Clara geheiratet hatte, das wusste er noch nicht einmal selber.

Und warum Clara diesen Mann geheiratet hatte, das würde Georg vielleicht irgendwann einmal erfahren. Aber nicht in dieser Nacht.

„Einen Penny für deine Gedanken.“

Georg sah Clara an. Clara wandte sich ihm zu und lächelte. Und für Georg war es, als ginge gerade die Sonne auf.

Man konnte es beinahe auf Claras Stirn ablesen, dass sie im Begriff war, abzuwägen, ob sie ihre Gedanken in Worte kleiden oder lieber bei sich behalten sollte.

„Wenn ich mit dir auf einer einsamen Insel wäre, dann würde ich ein Kind mit dir haben wollen…“

*****

Es war genau dieser Satz, der Tyche auf den Plan rief. Sie hatte noch niemals zuvor eine schönere Liebeserklärung gehört und sie beschloss, den beiden zu helfen.

Eintrag in das Tagebuch von Tyche:

„Wenn ich mit dir auf einer einsamen Insel wäre, dann würde ich ein Kind mit dir haben wollen…“

Das ist das Schönste, was je zwei Menschen zueinander gesagt haben, und das bringt mich auf eine Idee. Ich weiß zwar noch nicht, wohin das führen wird; aber das macht nichts.

Eine solche Liebe verdient es, dass man ihr hilft. Ich werde mein Füllhorn auf die beiden ergießen, in der Hoffnung, dass sie mit dem Inhalt sorgfältig umgehen.

Und ich werde auf jeden Fall noch mit den Moiren darüber reden. Vielleicht kann ich sie in meine Idee mit einbinden…

*****

Tyche hatte sich mit den drei Schwestern zum Kaffee verabredet.

Man kann nicht gerade sagen, dass Tyche mit ihnen befreundet gewesen wäre; aber man respektierte sich.

„Du hast uns sicher nicht eingeladen, weil dir so viel an unserer Gesellschaft liegt“, sagte Atropos, die älteste der drei Schwestern, in einem zynischen Tonfall „oder irre ich mich da?“

Tyche lächelte. Atropos war nicht nur die Älteste, sie war auch die mit dem niedrigsten Sympathiewert und von einem mehr als zerstörerischen Charakter.

Das mag wohl darauf zurückzuführen sein, dass sie schließlich diejenige war, die den Lebensfaden der Sterblichen durchtrennte.

„Warum so misstrauisch, Verehrteste?“, erwiderte Tyche, worauf sich das Nesthäkchen meldete:

„Wir sind nicht dumm, Tyche; also sag schon, was du von uns willst.“

Tyche sah Klotho lange an, bevor sie darauf antwortete:

„Also gut, meine Damen. Ich möchte euch etwas fragen. Es geht um eine sehr spezielle Angelegenheit.“

„Ich habe es doch gewusst“, warf Lachesis triumphierend ein, „was kann man schon von einer launenhaften Person anderes erwarten.“

„Still!“

Atropos hatte es in einem barschen Ton zu Lachesis gesagt, und Lachesis zuckte zusammen. Sie mochte ihre Schwester nicht besonders, und die Zurechtweisung schmerzte sie sehr.

„Wir sind Gast bei Tyche und wir werden uns als solche benehmen. Entschuldige dich augenblicklich bei Tyche.“

„Nicht doch“, versuchte Tyche Atropos zu beschwichtigen, aber diese ließ nicht ab davon.

Lachesis tat, wie ihr geheißen war und entschuldigte sich bei Tyche.

„Aber ich würde dich jetzt doch bitten, ohne Umschweife uns den Zweck deiner Einladung mitzuteilen.“

Tyche schenkte noch einmal Kaffee nach und dann begann sie:

„Ich hätte da einmal eine Frage, die seltsam auf euch wirken wird. Aber vielleicht könnt ihr das auch als eine Art Herausforderung betrachten.“

Mit diesen Worten hatte Tyche auf einen Schlag die ganze Aufmerksamkeit der drei Schwestern geweckt.

“Dann lass die Katze mal schnell aus dem Sack“, sagte Lachesis, die den peinlichen Vorfall von eben schon wieder vergessen hatte.

„Ich frage zunächst dich, liebe Klotho“, begann Tyche, „kannst du – außer Lebensfäden für Sterbliche zu spinnen – auch anderes spinnen?“

Klotho sah Tyche erstaunt an.

„Was meinst du?“, antwortete sie, „meinst du vielleicht Garn, mit dem man feine Gewänder fertigen kann?“

„Nein, nein“, erwiderte Tyche, „etwas völlig anderes.“

„Nun sag schon“, mischte sich Lachesis erneut ein, was ihr einen weiteren mahnenden Blick von ihrer älteren Schwester einbrachte.

„Könntest du dir vorstellen, einen Lebensfaden für die Liebe zu spinnen?“

Verwirrtheit trat augenblicklich ein, und die drei Schwestern sahen einander ungläubig an.

„Was ist das denn für ein Unsinn?“

Klotho hatte sich als Erste wieder gefangen.

„Das ist kein Unsinn, liebe Klotho“, erwiderte Tyche.

„Und ob das Unsinn ist“, pflichtete Atropos ihrer kleinen Schwester bei, „und deswegen hast du uns eingeladen? Ich glaube es nicht…“

In diesen Worten steckte sehr viel Ablehnung, vielleicht sogar Verachtung Tyche gegenüber.

Und wahrscheinlich hätte an diesem Punkt das Gespräch sein Ende gefunden, hätte Lachesis nicht gesagt:

„Lasst sie doch erst einmal zu Ende reden. Der Gedanke ist interessant und irgendwie gefällt er mir sogar.“

Lachesis war unübersehbar die Besonnenere der drei Schwestern und wohl auch die Sympathischste. Zumindest empfand Tyche das in diesem Augenblick.

„Also gut“, erwiderte Atropos, die schon aufgestanden war, um zu gehen. Sie setzte sich wieder nieder und sagte zu Tyche:

„Dann lass einmal hören, was genau du dir vorstellst.“

Und dann erzählte Tyche die Geschichte von zwei Liebenden, die jeder für sich in einer Beziehung gefangen war, die sie nicht erfüllte, und aus der auszubrechen unmöglich schien.

Sie erzählte die Geschichte mit so viel Hingabe und mit so viel Empathie für die betreffenden Menschenkinder, dass die drei Schwestern wie gebannt zuhörten…

*****

Berthold Brauer war Finanzinspektor. Er teilte sich mit Oberamtsrat Otmar Friedmann ein Zimmer, und zusammen bildeten sie die Personalabteilung, welche durch Anita Bittler, eine Schreibkraft, vervollständigt wurde.

Berthold und Otti, wie Otmar Friedmann von all jenen genannt werden durfte, welche seinem Aufruf zum gemeinsamen Musizieren Folge geleistet hatten, waren ein eingeschworenes Team.

Otmar Friedmann war der Vorstand des „Fiskus Singers e.V.“, einem Verein, der sich dem Gesang verschrieben hatte.

Es war für den Oberamtsrat eine Herzensangelegenheit, der er sich mit Haut und Haaren verschrieben hatte. Es war aber auch ein Prestigeobjekt, welches die volle Unterstützung durch den Chef der Behörde, Herrn Dir. Glöckner genoss.

Dieser ließ seinem Personalchef vollkommen freie Hand, was die Belange der „Fiskus Singers“ anging, fühlte er sich doch geschmeichelt, wenn von höherer Stelle dem Chor Lob gezollt wurde.

Das ging sogar so weit, dass die Beförderungen von Mitarbeitern im Amt vornehmlich vom Wohlwollen des Personalchefs abhingen, wobei der Herr Direktor diese gönnerhaft abnickte.

Die besten Chancen auf eine Beförderung hatten alle jene, die sich „freiwillig“ um eine Mitgliedschaft bei den „Fiskus Singers“ bewarben.

Man könnte beinahe sagen: „Otti rief – und alle, alle kamen.“

Geleitet wurde die Truppe vom Finanzobersekretär Eberhard Maurer, dem Schwager von Otti.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Berthold Brauer der Kassierer des Vereins war.

Eine der Wesenszüge von Otti Friedmann war Gigantomanie. Die „Fiskus Singers“ wären – trotz aller Bemühungen - ein eher bescheidener Chor gewesen, gemessen an der Anzahl seiner Mitglieder.

Und also löste Otti das Problem, indem er auch „Nichtfinanzlern“ den Eintritt in seinen Chor möglich und schmackhaft machte.

Wer wollte nicht eine beratende Seele zur Verfügung haben, wenn es um das Ausfüllen der Formulare für die alljährliche Steuerveranlagung ging.

Und wer, wenn nicht die bearbeitenden Köpfe, würde sich wohl besser auskennen, was die vielen Hintertürchen angeht, mit dem man dem Staat ein kleines bis größeres Sümmchen in Form einer Steuerrückvergütung aus den Rippen leiern konnte.

Und so kam es, dass der Chor „Fiskus Singers e.V.“ wuchs, und wuchs, und wuchs.

Eines der neu hinzugekommenen Mitglieder war Georg Obergföll, Geschäftsführer der Firma „Gebr. Hämpfling Transport GmbH & Co KG“.

Georg war jung verheiratet mit Erna und hatte eine kleine Tochter mit ihr.

Seine große Leidenschaft war das Singen. Er war erst vor ein paar Jahren hierhergezogen, nachdem er die Stelle als Geschäftsführer angetreten hatte.

Zuvor war er bei einer Firma in einer anderen Stadt beschäftigt, in welcher er Mitglied des örtlichen Männergesangvereins war. Die Entfernung zwischen den beiden Städten wäre zu groß gewesen, um seine Mitgliedschaft aufrecht zu erhalten.

Und so kam er – aufmerksam gemacht durch einen Mitarbeiter seines neuen Arbeitgebers – zu den „Fiskus Singers.“ Dort freundete er sich sehr schnell mit Otti und Berthold an.

Berthold verweigerte übrigens strikt die Verunglimpfung seines Namens zu „Berti“. Lediglich seine Ehefrau Clara benutzte diesen hie und da als Bestrafung, wenn der Gemahl wieder einmal vergessen hatte, rechtzeitig und im nüchternen Zustand nach Hause zu gehen.

Und das geschah in nicht allzu großen Zeitabständen.

Clara hatte sich damit arrangiert. Sie verwendete all ihre Liebe und Zeit für ihren kleinen Sohn Oliver, der seinen Vater nur sehr selten zu Gesicht bekam, weil dieser den Großteil des Tages außer Haus verbrachte.

Gelegentliche Ausnahmen waren durch Verstimmungen des Magens bedingt, wenn Berthold dem intensiven Alkoholkonsum wieder einmal Tribut zollen musste.

Dann gab es für zwei, drei Tage Kamillentee anstatt Weißwein. Die Farbe des Getränks blieb beibehalten, nur der Geschmack war stark verändert.

Das Leben von Clara Brauer wäre wohl bis in alle Ewigkeit so weitergelaufen, hätte nicht eine schicksalhafte Begegnung etwas bei ihr verändert.

Die Begegnung hatte auch einen Namen. Sie hieß Georg Obergföll, zweiter Tenor bei den „Fiskus Singers“ und es geschah wenige Tage vor Weihnachten.

*****

Wie alle Jahre konkurrierten auch heuer wieder die Damen der Chormitglieder mit ihren selbst gebackenen Weihnachtsplätzchen.

Zu dieser Pflichtveranstaltung kamen alle und ein Fernbleiben hätte Vorstand Otti keinesfalls toleriert, ausgenommen eine schwere Krankheit wäre der Grund dafür gewesen.

Georg und Berthold saßen sich an einer langen Tafel gegenüber. Georgs Ehefrau Erna konnte an der Feier nicht teilnehmen, weil die kleine Sabine mit Fieber das Bett hüten musste.

„Guten Abend! Ein neues Gesicht?“

Clara war gerade eingetroffen und hatte neben Berthold Platz genommen. Sie stellte einen Papierteller mit Weihnachtsplätzchen auf den Tisch und begrüßte dann die Tischnachbarn.

„Das ist Georg“, stellte Berthold seinen Sangesbruder vor, worauf Georg sagte:

„Guten Abend, Frau Brauer. Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen.“

Und dann ging die Sonne auf.

Georg sah in ein Gesicht, aus welchem ihm ein Lächeln entgegenstrahlte, das ihm beinahe den Atem nahm.

„Ich heiße Clara.“

Georg starrte gebannt auf den kleinen Mund, aus welchem ihm diese Worte entgegengekommen waren. Es war ein besonders schöner Mund und er war ungeschminkt.

„Ich heiße Georg“, sagte Georg, und er fühlte, wie eine leichte Wärme in seinem Gesicht aufstieg.

Clara lächelte noch immer, und obwohl sie nichts sagte, hörte er, wie sie sagte:

„Ich weiß, Georg…“

In diesem Augenblick ertönte die Stimme des Vereinsgranden, der mit launigen Worten die Anwesenden begrüßte.

Am Ende seiner „Weihnachtsansprache“ brandete heftiger Applaus auf, bevor man sich auf Glühwein und hausgemachtes Gebäck stürzte.

„Wollte Ihre Frau nicht mitkommen?“