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Der Tod trug eine Maske Der Mordanschlag auf ein Pastorenehepaar erschüttert Hamburg. Der Pastor überlebt, aber die Ehefrau stirbt. KHK Klara von Lud-kowitz ermittelt mit ihrem Team. Der Oberstaatsanwalt sitzt ihr ebenso im Nacken wie die Kirche. Die Suche nach dem Mordmotiv erweist sich als äußerst schwierig. Ein befreundetes Lehrerehepaar, eine aus der Ukraine geflüchtete Frau und ein afrikanischer Student geraten ins Fadenkreuz der Ermittler.
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Seitenzahl: 87
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Befragung von Emma Klein
Befragung von Brigitte Burmester
Befragung von Kofi Oppong
Befragung von Sofia Petrenko
Befragung von Barbara König
Befragung von Emma Klein
Befragung von Lars Helmstädter
Befragung von Brigitte Burmester
Gesprächsmitschnitt Anruf von Brigitte Burmester zu Lars Helmstädter
Befragung von Brigitte Burmester
Befragung von Anna Klein
Befragung von Lars Helmstädter
Befragung von Brigitte Burmester
Nachtrag
Nacktes Entsetzen lag über einem Stadtteil Hamburgs, als diese Meldung erschien. Von BILD bis TAZ, bis hin zu kleinen regionalen Tageszeitungen, gab es nur einen Aufmacher:
Alsterdorf: Überfall auf Pastor-Ehepaar. Ehefrau tot, Pastor schwer verletzt.
Im LKA herrschte heller Aufruhr. Der Landesbischof, Dr. Wilhelm Abel, hatte den Innensenator kontaktiert, und dieser hatte die Agenda an den Leiter des LKA, weitergereicht.
Horst Diemer, Leitender Kriminaldirektor und Chef beim LKA, setzte seinen besten Mann auf das Verbrechen an, mit der Auflage, den Fall schnellstmöglich zu lösen.
Der „beste Mann“ war in diesem Fall Kriminalhauptkommissarin Klara Ludkowitz, die mit vollem Namen eigentlich Henriette, Wilhelmine, Klara von Ludkowitz, heißt, und Nachkomme eines alten preußischen Adelsgeschlechts ist.
Das hindert sie jedoch nicht daran, sich während ihrer Ermittlungen irgendwelchen Personen gegenüber als „Klara Ludkowitz“ auszuweisen, denn wohl jeder schaut bei Vorlage ihres Dienstausweises gezielt auf die Fotografie und weniger auf den Namen.
Ihr zur Seite standen Dirk Carstens, Kriminaloberkommissar und nahezu im selben Alter wie Klara, sowie der frisch gebackene Kriminalkommissar Heiko Stoever, 31 Jahre alt.
Oberstaatsanwalt Dr. Ambros Waldenberger hatte KHK Ludkowitz zu sich gebeten.
„Waldi“, wie er in beim LKA wenig respektvoll genannt wurde, war ein typischer Protegé. Der Bruder seines Vaters war Senator der Stadt Hamburg und somit eine Person mit großem Einfluss.
„Bitte, nehmen sie Platz, Frau von Ludkowitz!“
Es war nicht die erste Begegnung zwischen Klara und dem Oberstaatsanwalt, und Klara hatte den kleinen Mann schon mehrmals gebeten, das Adelsprädikat bei Nennung ihres Namens wegzulassen; aber ohne Erfolg. Und irgendwann hatte sie es dann aufgegeben.
Die Erscheinung ihres Gegenübers hatte schon beinahe skurrile Züge. Waldi, ein Mann von maximal ein Meter fünfundsechzig Körpergröße, thronte hinter einem Schreibtisch von opulentem Ausmaß.
„Ich nehme an, es geht um den Überfall auf den Pastor“, sagte Klara und setzte sich nieder.
„Tee oder Kaffee, verehrte Frau Hauptkommissarin?“
Die honigsüße Art des Oberstaatsanwalts missfiel Klara ebenso sehr wie das Gendern. Sie betrachtete sich als „Frau Kommissar“, ohne das Anhängsel „in“.
„Weder noch, Herr Oberstaatsanwalt“, erwiderte Klara und fügte hinzu:
„Lassen Sie uns direkt zur Sache kommen; ich habe nur sehr wenig Zeit.“
Der Ablehnung von Klara stand die Bewunderung des Oberstaatsanwalts gegenüber, welcher der Bitte von Klara jetzt nachkam und sein Anliegen vorbrachte.
„Ich nehme an, Ihr Chef, Direktor Diemer, hat sie schon umfänglich darüber in Kenntnis gesetzt, wie heikel dieser spezielle Fall ist.“
Hier machte der Oberstaatsanwalt eine kurze Pause, um dem Gesagten eine gewisse Bedeutung zukommen zu lassen.
Als sich Klara völlig unbeeindruckt davon zeigte, fuhr der Oberstaatsanwalt fort:
„Sowohl Kirche als auch Staat erwarten, dass die Untersuchung dieses abscheulichen Verbrechens mit äußerster Vorsicht und der gebotenen Diskretion vonstattengehen muss.“
„Ich werde mit meinem Team genau das machen, was notwendig sein wird, um den Fall zu lösen. Und wenn es sein muss, auch mit der Brechstange. Glacéhandschuhe sind hierbei nur hinderlich.
Wenn Ihnen das jedoch nicht zusagt, dann müssen Sie den Fall an jemand anderen übertragen. Es gibt noch genügend Fälle, die bearbeitet werden wollen.“
Der Oberstaatsanwalt sah Klara mit erstaunten Augen an. Empörung über die heftige Reaktion vermischte sich mit Bewunderung für das resolute Auftreten der Frau, die ihm gegenübersaß und ihm Paroli geboten hatte.
„Ich will Ihnen auf gar keinen Fall vorschreiben, wie Sie Ihre Ermittlungen führen sollen, verehrte Frau von Ludkowitz. Ich gebe nur weiter, was mir von höherer Stelle aufgetragen wurde. Ich stehe selbstverständlich voll hinter Ihnen.
Fiat justita, ruat caelum!“1
Als Klara darauf erwiderte “Ita sit!“2, bekam Dr. Ambros Waldenberger fast feuchte Augen. Es kam in seinem Leben nicht oft vor, dass eine verwandte Seele sich auf ihn einließ, und dazu noch eine Frau.
„Ich danke Ihnen sehr, meine Liebe, und ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Jagd. Und was immer Sie brauchen, zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren.“
„Das werde ich tun, mein Lieber, und Dank auch Ihnen für die Unterstützung.“
Als Klara kurz darauf den Oberstaatsanwalt verließ, hatte sie fast ein schlechtes Gewissen. Der Mann, den sie gerade seiner eigenen Lächerlichkeit preisgab, und der das noch nicht einmal bemerkte, tat ihr leid.
Aber jetzt galt es erst einmal, einen schwierigen Fall zu lösen. Und dass es da wohl einige Hürden zu überwinden geben würde, war offensichtlich.
„Was hat er gewollt, der liebe Waldi?“
Klara sah in das grinsende Gesicht ihres jungen Kollegen und antwortete mit steinerner Mine:
„Sie glauben wohl, weil Sie die Prüfung zum Kommissar mit Ach und Krach geschafft haben, können nun Sie im Chor der Erwachsenen mitsingen.
Da irren Sie sich aber gewaltig, verehrter Kollege Stoever. Gemessen an Oberstaatsanwalt Dr. Waldenberger, sind Sie ein ganz kleines Lichtlein.
Und schreiben Sie sich eines fest hinter die Ohren: In meiner Gegenwart werden Sie jedem Menschen, dem sie begegnen, Respekt zollen, ganz egal, ob es sich hierbei um einen Oberstaatsanwalt oder um einen Bettler auf der Straße handelt.
Haben wir uns da klar verstanden oder soll ich es Ihnen aufschreiben?“
KK Heiko Stoever war zusammengezuckt. Er starrte seine Chefin ungläubig an, und dann wanderte sein Blick Hilfe suchend zu KOK Carstens.
Und als er in Carstens Gesicht nur ein mildes Lächeln vorfand, begann Heiko Stoever zu schwitzen. Sein Blick wanderte wieder zurück zu seiner Vorgesetzten.
„Ich warte noch immer auf Ihre Antwort, Kollege Stoever, oder soll ich meine Frage noch einmal wiederholen?“
Der Ton von KHK Ludkowitz hatte deutlich an Schärfe zugenommen.
„Nein, nein, Frau Hauptkommissar“, erwiderte der junge Kommissar eilig, dem sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen war, „ich habe Ihre Frage verstanden.“
„Dann fehlt ja nur noch die Antwort; nicht wahr?“
Dirk Carstens hatte die Szene mit einem gewissen Amüsement beobachtet. So sehr er Klara schätzte, so wenig mochte er den jungen Kollegen und dessen nicht zu übersehende Arroganz.
Er bewunderte Klara, die, ihrer adeligen Provenienz verpflichtet, einem Springinsfeld klar dessen Grenzen aufgezeigt hatte.
„Ich habe es verstanden, Frau Hauptkommissar, und ich verspreche Ihnen, dass es nicht mehr vorkommen wird.“
Jedes dieser Worte hatte große Mühe über Heiko Stoevers Lippen zu kommen. Und aus seinem Gesicht war das Grinsen einer tiefen Traurigkeit gewichen.
„Das wollte ich hören, Kollege Stoever“, erwiderte Klara, „und damit ist das Thema vom Tisch.“
Sie wandte sich an KOK Carstens und sagte:
„Kommst du bitte, Dirk; wir beide machen noch einmal eine Tatortbegehung. Aber vorher machen wir noch einen kurzen Sprung zu Dr. Höflein. Und Sie, Kollege Stoever, machen Recherche. Ich möchte alles über das Pastoren-Ehepaar wissen.“
KK Stoever sah Klara enttäuscht an und fragte:
„Über welchen Zeitraum, Frau Hauptkommissar? Und wo soll ich suchen?“
Der junge Kommissar hätte viel lieber seine Chefin begleitet.
„Von Geburt an bis zum heutigen Tag, Kollege Stoever“, antwortete Klara, „und suchen Sie in allen Social Media - Kanälen. Sie müssten sich doch auskennen, als Mitglied einer Generation, die nicht mehr weiß, was eine Schreibmaschine ist.“
Dr. Walter Höflein war etwa im selben Alter wie Klara und Dirk. Aber trotz der langjährigen Zusammenarbeit der drei Kollegen hatten es Klara und der Gerichtsmediziner nie bis zu einem vertrauten „DU“ geschafft.
Im Gegensatz dazu Dirk und der Medizinmann. Sie schafften es sogar gelegentlich, sich auf ein Bier zu verabreden.
„Hast du schon ein paar Fakten für uns?“, fragte Dirk, nachdem sie das Refugium des Mediziners betreten hatten.
„Küss die Hand, verehrte Frau von Ludkowitz, servus Dirk!“
Dr. Höflein hatte sich über all die Jahre nie davon abbringen lassen, Klara mit ihrem korrekten Namen anzusprechen. Vermutlich lag es daran, dass er ursprünglich aus Österreich kam, und ebenfalls einem Adelsgeschlecht entstammte.
Er hatte sich in jungen Jahren in eine Deutsche verliebt und war ihr nach Hamburg gefolgt. Dort hatte er auch geheiratet und den Namen der Braut angenommen.
Klara hatte irgendwann ihren Widerstand aufgegeben und inzwischen liebte sie es sogar, so von dem Mediziner angesprochen zu werden.
„Es ist immer wieder schön, Sie zu treffen, lieber Doktor, auch Ihnen einen wunderschönen, guten Tag!“
Dirk genoss das immer wiederkehrende Prozedere der Begrüßung. Es war von Harmonie und gegenseitigem Respekt geprägt, und es spiegelte den feinen Charakter der Beteiligten wider.
Dr. Höflein holte den Leichnam von Gerda Helmstädter aus dem Kühlfach und zog das Abdecktuch vom Körper der Toten.
Dann deutete er auf das Einschussloch im Bereich des Herzens und sagte:
„Der Schuss stammte entweder aus einer P8 Heckler& Koch oder aus einer SIG Sauer P225. Beide haben dasselbe Kaliber.
Der Schuss wurde aus unmittelbarer Nähe abgefeuert und war absolut tödlich.“
„Du hast doch sicher auch das Ergebnis von der Schussverletzung des Pastors“, fragte Dirk. „Was kannst du uns dazu sagen?“
„Das Kaliber ist dasselbe wie bei seiner Ehefrau“, antwortete der Mediziner, „nur dass die Entfernung der Schussabgabe von weiter weg erfolgte.“
„Wie weit weg?“, fragte Dirk weiter.
„Mindestens drei bis vier Meter“, antwortete Walter.
„Das verstehe ich nicht“, sagte jetzt Klara.
„Es liegt daran, dass der Täter, bzw. die Täterin zuerst aus nächster Nähe auf die Frau geschossen hat, die sich im Wohnzimmer befand.
Als der Ehemann, also der Pastor, der sich in seinem Arbeitszimmer befand, den Schuss hörte, eilte er herbei, wo er dann von dem Täter bzw. der Täterin, die gerade flüchten wollte, aus einer größeren Entfernung beschossen wurde“.
„Wieso sagen Sie <Täterin>?“, fragte Klara, worauf der Mediziner antwortete:
„Weil der schwer verletzte Pastor die eingetroffene Polizei sofort befragte, bevor er ohnmächtig wurde, ob sie die Täterin gefasst hätten.
Aber das fragt ihr ihn lieber selber, wenn ihr ihn besucht.“
„Ist er denn schon vernehmungsfähig?“, fragte Dirk.
„Ich denke schon“, antwortete Dr. Höflein und zog das Tuch wieder über den Leichnam. Die beiden Ermittler bedankten sich und verließen den Raum.
Die Arbeit der Spurensicherung in der Wohnung Helmstädter war beendet und der Zugang für die Ermittler somit freigegeben.
„Ist es normal, dass zwei Eheleute, die noch nicht einmal fünfzig Jahre alt sind, getrennte Schlafzimmer haben?“
Klara sah ihren Kollegen überrascht an und antwortete:
„Da fragst du die Falsche, lieber Dirk. Wie du ja weißt, bin ich nicht verheiratet, so wie du. Aber wie ist das bei euch? Habt ihr getrennte Schlafzimmer?“
„Natürlich nicht“, sagte Dirk lachend, „wir befinden uns ja praktisch noch in den Flitterwochen.“
Jetzt musste auch Klara lachen.