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Der Führer einer spanischen Sekte, die etwas außerhalb von Barcelona ansässig ist, wird auf grausame Art und Weise ermordet. Comisario Pablo López und Comisaria Valeria Sánchez ermitteln, in Zusammenarbeit mit Dr. Carmen Uribe, einer Psychologin. Die Suche nach dem Mörder erweist sich als äußerst schwierig, zu-mal sich vor den Ermittlern eine Mauer des Schweigens aufbaut. Soledad, die Schwester von Valeria wird undercover in die Gruppe eingeschleust, um Zugang zu Informationen erhalten zu können. Das Unternehmen ist nicht ganz ungefährlich. https://www.juergen-von-rehberg.at
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Seitenzahl: 97
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„Morituri te salutant.“1
„Ich kann kein Italienisch.“
Die Art und Weise, wie Inspector Miguel Ortiz auf die Worte des Gerichtsmediziners, Doctor Ramon Diaz, reagierte, spiegelte all seine Abneigung wieder, welche er gegen diesen Mann empfand.
„Das ist Latein, du Banause“, sagte der Mediziner, der sich ein feines Grinsen nicht verkneifen konnte. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, warum Miguel ihm gegenüber so offen seine Abneigung zeigte. Es hatte nie einen Vorfall gegeben, der diese Reaktion hätte rechtfertigen können.
Was Ramon jedoch nicht wissen konnte, war der wahre Grund, der hinter all dem stand. Miguel, ein junger und ehrgeiziger Mann, war der Sohn eines bekannten Chirurgen und außerdem der Neffe von Jefe superior de Policia, Mateo Rodríguez, dem Polizeipräsidenten.
So sehr sich Miguel zu seinem Onkel hingezogen fühlte, so sehr hegte er eine tiefe Ablehnung gegen seinen Vater.
Jorge Ortiz, Profesor am Hospital Sant Ignacio, einer renommierten Privatklinik, hatte in seinem Sohn immer nur den Nachfolger für sein Lebenswerk gesehen.
Als Miguel jedoch die Laufbahn eines „Hilfssheriffs“ – so die despektierliche Bezeichnung durch seinen Vater – gegenüber der eines seriösen Mediziners vorzog, kam es zum Bruch zwischen Vater und Sohn.
Damit einher ging ab diesem Augenblick eine zutiefste Ablehnung gegen den Ärztestand, der sich natürlich somit auch gegen Doctor Ramon Diaz, den Rechtsmediziner richtete.
Miguel sah den Doctor böse an. Nicht nur, dass er es ablehnte, geduzt zu werden, ärgerte ihn auch die Zurechtweisung, das Zitat betreffend.
Er wollte gerade seinem Unmut Luft verschaffen, als die Tür aufging und sein Chef, Comisario Principal Pablo López eintrat.
„Buenos días caballeros!“2
„Bienvenido, mi amigo!“3, kam postwendend die Antwort von Ramon, der mit dem Hauptkommissar ein freundschaftliches Verhältnis pflegte.
Miguel sah zu seinem Chef, der ihm kurz zunickte.
„Was hat dir der Quacksalber schon erzählt?“
Bevor Miguel darauf antworten konnte, sagte der Doctor:
„Dass ihn die Todgeweihten grüßen.“
Pablo sah seinen Freund verwundert an, der ergänzte:
„Das ist Latein, wie du ja weißt, und das habe ich auf der Leiche gefunden. Gut leserlich auf seine Brust tätowiert.“
Ramon hatte das Tuch von der Leiche zurückgezogen und offenbarte den beiden Männern die Tätowierung.
Und tatsächlich konnte man den Spruch recht gut erkennen.
„Was hat das zu bedeuten?“, fragte Pablo, worauf Ramon antwortete:
„Das herauszufinden ist die Aufgabe von dir und deinem Adlatus. “
Ramon hatte sich erneut sein feines Grinserl aufgesetzt, als er an Miguel gewandt ergänzte:
„Das ist schon wieder Latein, Inspector, und bedeutet <Gehilfe>.“
Pablo hatte es wohl bemerkt. Er wusste um das schwierige Verhältnis zwischen Miguel und dem Mediziner. Er wandte sich an Miguel und sagte:
„Geh schon einmal voraus, Miguel. Ich muss nur noch etwas mit dem Doctor klären und komme dann gleich nach.“
Als Miguel gegangen war, sagte Pablo:
„Warum machst du das, Ramon? Dass du den Jungen nicht magst, ist deine Sache. Aber musst du ihn immer so vorführen?“
„Du irrst dich, Pablo“, erwiderte Ramon, „ich mag den Jungen. Aber findest du es richtig, dass er sich am Rockzipfel des Jefe superior ausweint?“
„Was?“, entfuhr es Pablo, „er hat sich beim Präsidenten beschwert?“
„Jetzt staunst du, nicht wahr?“, sagte Ramon, „der Jefe superior hat mich zu sich zitiert und mir die Leviten gelesen. Was sagst du dazu?“
„Das hätte ich von Miguel nicht gedacht“, erwiderte Pablo, „ich werde ihn mir zur Brust nehmen.“
„Das lässt du schön sein“, sagte Ramon. „Ich komme mit der Memme schon klar. Oder willst du auch beim Präsidenten vortanzen?“
Als Pablo keine Antwort gab, sagte Ramon:
„Lass uns lieber über den Fall reden.“
*****
1„Die Totgeweihten grüßen dich.“
2„Guten Tag, meine Herren!“
3„Willkommen, mein Freund!“
1. Mose 22
Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde.
Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne. Und Abraham sprach zu seinen Knechten:
Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen.
Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander. Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater!
Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer? Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander.
Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete.
Da rief ihn der Engel des Herrn vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham!
Er antwortete: Hier bin ich. Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest, und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen.
Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich im Gestrüpp mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt. Und Abraham nannte die Stätte »Der Herr sieht«. Daher man noch heute sagt: Auf dem Berge, da der Herr sich sehen lässt.
Und der Engel des Herrn rief Abraham abermals vom Himmel her und sprach:
Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der Herr: Weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont, will ich dich segnen und deine Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und deine Nachkommen sollen die Tore ihrer Feinde besitzen; und durch deine Nachkommen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast.
So kehrte Abraham zurück zu seinen Knechten. Und sie machten sich auf und zogen miteinander nach Beerscheba und Abraham blieb daselbst.
*****
Etwas außerhalb von Barcelona, an den Ufern des El Llobregat4, wo früher eine Farm stand, auf der man früher Hähne mit blauen Füßen gezüchtet hat, den weltberühmten Gall potablava5, hat sich vor einigen Jahren eine Gruppe niedergelassen, die sich „Die Jünger Abrahams“ nennt.
Sie bezeichnen sich als die wahren Christen, die im Gegensatz zu den etablierten Katholiken eine stark abweichende Auffassung von dem haben, was in der Bibel steht.
So behaupten sie, „dass die Geschichte Abrahams, die Opferung seines Sohnes Isaak betreffend, von der Kirche verfälscht worden ist, um die Gläubigen bewusst in die Irre zu führen.
Abraham hätte seinen Sohn sehr wohl geopfert, und die Geschichte, dass ein Engel herabgeschwebt wäre, um ihn davon abzuhalten, sei eine romantische Schönfärberei, die einzig dem Zweck diene, einen gnädigen Gott zu verkaufen, der stets nur Gutes im Sinn hätte.
Das sei blanker Unsinn, denn Gott verlange sehr wohl Menschenopfer, was allein schon durch die Sintflut belegt wäre. Wer in sein himmlisches Reich eingehen wolle, der müsse auch bereit sein, sein Leben dafür zu opfern. Einen anderen Weg zur Seligkeit hat es nie gegeben und wird es auch nie geben.“
Der Führer, aus dessen verirrten Gehirn dieses Dogma entsprungen ist, heißt Antonio, Jesus Hernández und ist ein gestandener Endvierziger, dessen Erscheinung durchaus als charismatisch Schönling zu bezeichnen ist.
Er hat aus allen Teilen des Landes Menschen angelockt, die auf der Suche nach etwas sind, von dem die meisten selber nicht wissen, was genau das sein soll.
Wichtigstes Hilfsmittel, mit dem gearbeitet wird, sind die sogenannten „love bombs“6 welche von allen Menschenfängern diverser Sekten erfolgreich eingesetzt werden.
Die „Jünger Abrahams“ sind im Laufe von inzwischen fünf, sechs Jahren – eine genaue Zahl gibt es nicht, wie auch nicht die genaue Anzahl der Mitglieder – zu einer ansehnlichen Gruppe gewachsen.
Das wäre ja für den Gesetzgeber nicht wirklich von gesteigertem Interesse, gäbe es da nicht gewisse Vorkommnisse, die aus dem üblichen Rahmen einer Vereinigung von „alternativen Zeitgenossen“ herausragen.
Seit ein paar Jahren geschehen immer wieder suizidale Seltsamkeiten, welche die Ermittler vor ein Rätsel stellen.
In unregelmäßigen Zeitabständen landen seit einiger Zeit Leichen von Personen auf dem Tisch des Gerichtsmediziners, die freiwillig aus dem Leben geschieden sind.
Außer ihrem Suizid haben sie noch eine weitere Gemeinsamkeit. Auf der Brust der Toten ist der Spruch „Morituri te salutant!“ eintätowiert.
Trotz eingehender Untersuchungen konnte man keine Fremdeinwirkung bei den Toten feststellen.
Da sich die Gruppe aus allen Schichten der Bevölkerung zusammensetzt, was auch die verschiedensten Berufe mit sich bringt, finden sich dort auch Personen, die sich mit dem Gesetz recht gut auskennen.
Und so verliefen alle Bemühungen, die Jünger Abrahams aufzulösen, im Sand.
Die „Jünger Abrahams“ sind bestens durchstrukturiert. Es gibt eine klare Hierarchie:
Oberstes Haupt ist der Hohepriester Antonio, Jesus Hernández, der sich mit „Meister“ anreden lässt. Der Namenszusatz „Jesus“ steht in keinem Geburtenregister. Den hat er sich selbst gegeben, um seiner Erscheinung den nötigen Glanz zu verleihen. Hinzu kommt seine weiße Kleidung, in Form eines Kaftans.
Um seinen Hals trägt er eine lange Kette aus Holzperlen, an deren Ende ein Kreuz hängt.
Zwölf Jünger bilden den inneren Kern. Sie sind für die Verwaltung finanzieller und wirtschaftlicher Angelegenheiten verantwortlich.
Da alle Mitglieder ursprünglich als Singles der Gruppe beigetreten sind, haben einige davon im Laufe der Zeit zueinandergefunden.
Der Hohepriester ist zugleich auch der Einzige, der ein Trauungszeremoniell durchführen darf. Es obliegt ihm, ob er einer Verbindung zustimmt oder nicht.
Er genießt zudem das Privileg, die Braut in der Hochzeitsnacht zu begatten. Es ähnelt dem „jus primae noctis“7, wie es im Mittelalter dem Lehnsherrn zustand.
Der Rest der Gruppe sind Arbeiter. Die Frauen bestellen die Felder und die Männer kümmern sich um die Liegenschaft.
Der Hohepriester und Meister betrachtet das Wirken seiner Leute mit Wohlwollen und gibt sich diversen Lustbarkeiten hin.
Er selbst ist nicht verheiratet, gibt es doch Bettgenossinnen in großer Zahl, die es als besondere Auszeichnung empfinden, wenn sie dem Meister ihre Lenden darreichen dürfen.
Im Laufe der Jahre sind einige Kinder zur Welt gekommen, die in einem eigenen Kindergarten betreut werden, und sobald sie im schulfähigen Alter angekommen sind, werden sie in einer Privatschule unterrichtet, die sich auf dem eigenen Gelände befindet.
Bemühungen des Staates, diese Einrichtungen zu verbieten, blieben erfolglos. Erziehungs- und Lehrkräfte haben alle einen Berechtigungsnachweis und deren Handlungen sind gesetzeskonform.
Es bleibt natürlich nicht aus, dass die Medien immer wieder darüber berichten. Zum Teil werden sie sogar eingeladen, an Feierlichkeiten innerhalb der Gruppe teilzunehmen.
Die Meinungen über die „Jünger Abrahams“ gehen sehr weit auseinander. Sie reichen von Zustimmung, über Bewunderung bis hin zu totaler Ablehnung. Die etablierte Kirche hingegen tut das, was sie am besten kann: Sie hält sich vornehm zurück.
Es hat in der Vergangenheit hie und da gerichtliche Anstrengungen seitens Hinterbliebener außerhalb der Gruppe gegeben, was jedoch nie zu einem brauchbaren Ergebnis geführt hat.
Das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben kann man niemand absprechen. Und eine Straftat seitens der Gruppe bzw. eines oder mehrerer Mitglieder derselben konnte noch nicht ein einziges Mal nachgewiesen werden.
Aber dieses Mal war es ganz anders. Auf dem Tisch in der Gerichtsmedizin lag ein Mitglied, das keinem Suizid zum Opfer gefallen war. Es wurde ermordet. Es handelte sich um das Oberhaupt der Gruppe, Antonio, Jesus Hernández.
*****
„Das sieht aber nicht nach Suizid aus.“