Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Douráteos Híppos - Das Hölzerne Pferd Der Attentäter von "Schloss Merlingholm" wird selbst Opfer eines Mordes. KHK Paul Kling und sein Team stehen vor einer Marathon-Ermittlung, da viele der Hinterbliebenen Rache geschworen hatten. Und im Darknet sind Postings zu finden, welche unverhohlen zur Tötung des Attentäters aufrufen. Der Fall ist äußerst verworren und nimmt gegen Ende eine überraschende Wendung. https://www.juergen-von-rehberg.at
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 94
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Einer der meist gesuchtesten Verbrecher der letzten Jahre, dessen Ergreifung die Ermittler immer wieder vor neue Rätsel gestellt hatte, lag auf dem Tisch des obduzierenden Rechtsmediziners, Dr. Johannes Teufer.
Es sollte der letzte Fall sein, mit dem er sich auseinandersetzen musste, denn nach über vierzig Jahren Tätigkeit im Reich der Leichen stand der wohlverdiente Ruhestand unmittelbar bevor.
Der Mann, dessen sterbliche Überreste vor ihm lagen, war Burkhard Löffler, ein mehrfacher Mörder.
Die Ironie der Geschichte bestand darin, dass Löffler nicht etwa von der Polizei gefasst worden war, sondern dass der Mörder selbst das Opfer eines Mordes geworden war.
Mehrere Stiche, wovon einer von ihnen direkt ins Herz getroffen hatte, bedeuteten das Ende des Mannes, der die Polizei so viele Jahre zum Narren gehalten hatte.
„Was fühlst du, Paul?“, fragte der Rechtsmediziner den Mann, mit dem er seit einer gefühlten Ewigkeit befreundet war.
Paul Kling, Kriminalhauptkommissar beim LKA, stand am Seziertisch und schaute auf die Leiche von Burkhard Löffler.
„Ach Hansi“, antwortete Paul Kling, „was soll ich dir sagen? Ein Verbrecher weniger…“
KHK Kling sah seinen Freund an und fügte dann hinzu:
„Es steht morgen schon wieder ein anderer Mensch auf, der sich der dunklen Seite des Lebens verschreibt. Die Kriminalität ist wie ein Hydra. Schlägst du ihr einen Kopf ab, wachsen sofort wieder welche nach. Es ist wie bei Hase und Igel. Und rate einmal, wer der Hase ist…“
„Das mit dem Stummelschwanz mag ja vielleicht zutreffen bei dir, mein Lieber; aber deine Ohren sind eindeutig nicht lang genug“, erwiderte der Mediziner.
„Pass auf, was du sagst“, konterte der Kriminalhauptkommissar, der sich dem Lachen des Freundes nicht entziehen konnte.
„Bis wann hast du ein brauchbares Ergebnis?“, wandte sich Paul Kling nun wieder der ernsten Seite seines Berufes zu.
„Ich werde mich beeilen, Herr Kriminalhauptkommissar, und wenn ich mit dem Filettieren dieses Herrn fertig bin, werde ich das Ergebnis persönlich bei Ihnen vorbeibringen.“
Die flapsige Art des Umgangs, wie die beiden Freunde miteinander umgingen, hatte sich im Laufe der Zeit entwickelt und wurde nur gepflegt, wenn sonst keine andere Person zugegen war.
Paul Kling war schon beinahe bei der Tür hinaus, als er sich noch einmal umdrehte und sagte:
„Hannelore lässt fragen, wann du wieder einmal zum Essen vorbeikommst?“
„Das ist sehr lieb von Hannelore“, erwiderte der Rechtsmediziner, „sag ihr bitte, dass ich das sehr gern machen werde, wenn ihr Gatte einmal nicht zu Hause ist.“
„Du hast doch einen gewaltigen Schaden“, sagte KHK Kling, „das muss wohl an den Gasen liegen, die du ständig hier unten einatmest.“
Und bevor der Mediziner darauf antworten konnte, hatte der Kriminalhauptkommissar die Tür hinter sich zugezogen.
Der Rechtsmediziner aktivierte die Stereoanlage und aus den Lautsprechern erklang klassische Musik als Hintergrund für eine Arbeit, die wohl nicht jedermanns Sache ist.
*****
KHK Kling war der eine Teil eines Zweierteams, das seit vielen Jahren erfolgreich zusammenarbeitete. Den anderen Teil bildete KHK Marianne Brückner, die etwa im selben Alter wie Pauls Ehefrau Hannelore war.
Die beiden Frauen hatten sich vor einigen Jahren angefreundet und sie verbrachten gelegentlich auch Zeit miteinander.
„Das kann ja heiter werden“, sagte die Kriminalhauptkommissarin zu ihrem Kollegen, „die Namensliste der in Betracht kommenden Täter ist ja endlos.“
„Wie meinst du das?“, erwiderte Paul Kling.
„Ich denke an die vielen Hinterbliebenen der Opfer, die auf das Konto von Löffler gehen. Ich sage nur <Merlingholm> und das unsägliche Massaker damals.“
Jetzt verstand Paul, was Marianne meinte. Bei einem Attentat in der Eliteschule „Schloss Merlingholm“, waren damals siebenunddreißig Personen ums Leben gekommen.
Dreiunddreißig Schülerinnen und Schüler, sowie vier Lehrkräfte. Eine der Schülerinnen war die Tochter eines hochrangigen Politikers.
Der Täter wurde umgehend gefasst und vor Gericht gestellt. Als das Urteil verkündet wurde, brach im Gerichtssaal ein Tumult aus.
Der Angeklagte war kein Geringerer als Burkhard Löffler. Sein Anwalt hatte es geschafft, mittels eines mehr als dubiosen Gutachtens, in welchem Löffler zum Zeitpunkt der Tat für unzurechnungsfähig erklärt wurde, die Strafmaß abzumildern.
Löffler wurde in eine geschlossene Anstalt überwiesen, aus welcher er nach kurzer Zeit fliehen konnte.
Die Wogen schlugen damals hoch. Die Medien haben das Massaker und die Verhandlung bis zum Erbrechen ausgeschlachtet, und einige der Beiträge waren reiner Voyeurismus.
Die Staatsmacht hat in jenen Tagen ordentlich Prügel bezogen. Man warf ihr Inkompetenz vor, ja sogar Bestechlichkeit und der Volkszorn kochte über.
Noch im Gerichtssaal wurden lauthals Parolen skandiert, die zum Teil in die rechte Ecke gehörten. Einige Väter der Ermordeten schworen damals Rache an Löffler zu nehmen, und genau das war auf einmal durch die Ermordung Löfflers wieder aktuell geworden.
Paul Kling sah seine Kollegin eindringlich an.
„Wenn du Recht hast, dann wird das eine Sisyphusarbeit“, sagte er dann, worauf Marianne antwortete:
„Dann solltest du bei Clooney Verstärkung anfordern.“
Mit „Clooney“ war Dr. Bernhard Voss gemeint, der mit seinen 39 Jahren schon auf der Karriereleiter bis zum Staatsanwalt geklettert war.
Seinen Spitznamen verdankte er der frappierenden Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Schauspieler George Clooney.
Es gab sogar den einen oder anderen Kollegen, die der festen Überzeugung waren, dass sich Dr. Voss genauso bewegte wie der echte Hollywood-Schönling..
Was indes das Auftreten des Herrn Staatsanwalt seinen Kollegen und Untergebenen gegenüber anging, so war dieses nicht gerade förderlich, um Sympathie zu kreieren, geschweige denn Freundschaften zu knüpfen. Niemand mochte ihn, aber alle respektierten ihn.
*****
„Nehmen Sie Platz, Kling!“
KHK Kling hätte altersmäßig der Vater von Dr. Voss sein können, und etwas mehr Respekt seitens des Juristen ihm gegenüber wäre angebracht gewesen, aber Paul Kling sah darüber hinweg.
Im Grunde genommen sah er in dem Staatsanwalt einen Yuppie, respektive einen jungen, karrieregeilen Schnösel, den er eher bedauerte, als ihm böse zu sein.
„Es geht um den Mord an Burkhard Löffler, Herr Voss“, begann Paul Kling, was den Herrn Staatsanwalt erst einmal leicht zusammenzucken ließ.
Trotz mehrerer Hinweise, Paul Kling möge ihn doch mit seinem akademischen Titel ansprechen, blieben seine Bestrebungen erfolglos.
Der Kriminalhauptkommissar beließ es mit großer Beharrlichkeit bei der nichtakademischen Anrede und glich somit die Bilanz der gegenseitigen Respektlosigkeit aus.
„Was ist damit?“, sagte Dr. Voss in gereiztem Ton.
„Bei der Summe der potentiellen Verdächtigen brauchen wir dringend Verstärkung“, antwortete Paul Kling.
Und bevor Dr. Voss Stellung dazu nehmen konnte, fügte der Kriminalhauptkommissar eilig hinzu:
„Es ist ja wohl von größtem Interesse, dass der Fall zügig geklärt wird, wenn das überhaupt möglich sein sollte.“
„Meinen Sie <zügig> oder <überhaupt>?“, fragte Dr. Voss provokant.
„Beides, Herr Staatsanwalt“, antwortete Paul Kling, „ich meine sowohl das eine als auch das andere.“
Im Blick von Dr. Voss spiegelte sich die ganze Ablehnung wieder, die er für sein Gegenüber empfand.
„Ich denke, das sind wir den Hinterblieben der Opfer schuldig“, legte Paul Kling nach. „Ganz im Speziellen auch dem Vater von Merle Vollmer.“
Damit spielte er auf Dr. Erwin Vollmer an, jenen hochrangigen Politiker, dessen Tochter eines der Opfer bei dem Massaker auf Schloss Merlingholm.
„Das versteht sich von selbst, Kling“, sagte der Staatsanwalt, der Paul Klings Anspielung sehr wohl verstanden hatte.
„Ich werde schauen, was möglich ist. Sie hören vor mir.“
Paul Kling erhob sich und verließ den Raum, begleitet von einem breiten Grinsen, dass er einmal mehr Sieger dieser Begegnung geblieben war.
*****
„Und was hat Clooney gesagt? Bekommen wir Verstärkung?“
Marianne Brückner hatte schon gespannt auf die Rückkehr ihres Kollegen gewartet.
„Sicher doch“, antwortete Paul Kling, „er hat sich zwar zunächst geziert wie eine Jungfrau; aber der Name <Vollmer> hat dann gezündet.“
Marianne lachte.
„Du bist und bleibst ein alter Fuchs.“
In Mariannes Worten klang Bewunderung mit.
Eine Zeit lang war sie sogar in Paul verliebt; sie hat es aber nie gezeigt. Paul hatte damals schon eine Beziehung zu seiner späteren Frau.
Es war zwar nichts festes; aber Marianne respektierte es. So wurde aus einer unerfüllten Liebe ein wunderbare Freundschaft, die sich auch auf Hannelore übertrug.
„Weist du schon, wer uns zugeteilt wird?“, fragte Marianne.
„Nein“, antwortete Paul, „das muss sich erst noch herausstellen. Clooney wird den Boss anrufen und der wird uns dann Bescheid geben.“
„Nur gut, dass Polizeirat Kimmel auf unserer Seite ist“, fügte Marianne hinzu.
Paul nickte.
„Machen wir Schluss für heute. Morgen wissen wir mehr. Der Doc hat dann sicher noch weitere Fakten für uns. Ich wünsch dir einen schönen Feierabend.“
„Den wünsche ich dir auch“, erwiderte Marianne, „und grüß Hannelore lieb von mir.“
„Mach ich“, sagte Paul.
Als Marianne den Raum verlassen hatte, nahm Paul den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer.
*****
„Warum hast du mich angerufen? Was willst du von mir?“
Dirk, Rallhofer war etwa zehn Jahre jünger als Burkhard Löffler und Aufseher im Gefängnis, bevor er aus dem Dienst ausschied.
Man vermutete, dass er damals Löffler bei dessen Flucht geholfen hatte, konnte es ihm aber nie nachweisen.
In Verbindung mit kleineren Dienstvergehen in der Zeit davor, legte man ihm nahe, sein Dienstverhältnis einvernehmlich zu lösen.
Danach kam er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt, und man war sich ziemlich sicher, dass er mit Löffler die ganze Zeit über in Kontakt gewesen war.
Die Wege von Rallhofer und KHK Kling kreuzten sich immer wieder einmal, und bedingt durch die vielen Vernehmungen entwickelte sich mit der Zeit eine Beziehung zwischen den beiden Männern.
„Das kannst du dir doch denken, Ralle“, erwiderte Kling.
„Ich habe nicht die geringste Ahnung“, sagte Rallhofer mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck, dass man ihm beinahe glauben hätte können.
Kling schaute sein Gegenüber nur an.
Rallhofer erkannte in Klings Blick, dass er sich gerade auf sehr dünnem Eis bewegte.
„Ist es vielleicht wegen Löffler?“, ruderte er ganz vorsichtig zurück.
„Das war knapp, Ralle“, antwortete Kling lächelnd und Rallhofer erwiderte das Lächeln.
„Ich war kurz davor, dich zu verhaften“, setzte Kling nach, noch immer lächelnd.
Rallhofer wurde unsicher. Er kannte Kling viel zu gut, um zu wissen, dass Vorsicht geboten war.
„Und weswegen?“, fragte er zaghaft.
„Wegen Beleidigung meiner Intelligenz“, antwortete Kling mit sanfter Stimme.
Es dauerte einen Moment, bis Rallhofer erkannte, was Kling damit meinte. Erleichterung machte sich bei ihm breit.
„Also Ralle, wer hat Löffler ermordet?“
Diese Worte waren wie ein Peitschenschlag und genauso fühlten sie sich für Rallhofer auch an. Er schluckte und seine Hände wurden feucht.
„Das weiß ich nicht, Herr Hauptkommissar“, stieß Rallhofer heftig hervor und in seinen Augen war Hilflosigkeit zu erkennen.
Kling sah Rallhofer an.
„Ich weiß es wirklich nicht“, unterstrich Rallhofer das eben Gesagte.
„Glaub ich dir, Ralle“, erwiderte Kling in fast väterlicher Manier.
Rallhofer schien erleichtert. Es war nicht das erste Mal, dass der Kriminalhauptkommissar sein Katz- und Mausspiel mit ihm spielte.
Kling tat, als würde er nachdenken. Plötzlich nickte er und sagte:
„Aber die Freundin von Löffler kennst du schon. Und sag jetzt ja nicht NEIN. Das würde mich mächtig ärgern.“
Jetzt begriff Rallhofer, warum der Kriminalkommissar ihn so dringend sprechen wollte. In Rallhofers Kopf überschlugen sich die Gedanken. Natürlich kannte er Nadine; aber woher wusste Kling davon?
Rallhofer überlegte fieberhaft, was er auf die Frage antworten sollte. Im Bewusstsein, dass von Löffler keine Gefahr mehr ausgehen konnte, beschloss er die Wahrheit zu sagen.
„Natürlich kenne ich Nadine Breuer.“
„Soso, Breuer heißt die Dame“, erwiderte Kling schmunzelnd, „jetzt brauche ich nur noch eine Adresse.“
Rallhofer bohrte seine Fingernägel tief in die Handinnenflächen. Er war einmal mehr auf Kling hereingefallen, der von Nadine überhaupt nichts wusste. Kling erkannte in Rallhofers Gesicht Wut und Enttäuschung, dass er übertölpelt worden war.
„Fühlst du dich nicht wohl, Ralle?“
Kling genoss es förmlich, Rallhofer so zu sehen.