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Hubert Meisner war von Geburt an ein Kind mit einem stark ausgeprägten Willen, der seine junge Mutter immer wieder an ihre Grenzen führte. Das führte so weit, dass es zu einem Zerwürfnis kam. Der ersehnte Eintritt in die gehobene Gesellschaft brachte Hubert nicht die Befriedigung, die er sich erhofft hatte. Als er in einen Autounfall verwickelt wurde, musste er sich einer langwierigen Rekonvaleszenz unterziehen, die ein Umdenken mit sich brachte. Seine Ehefrau sponn eine hinterlistige Intrige, die dazu führte, dass ihn die Gesellschaft wieder ausspie. Eine junge Krankenschwester und Huberts Mutter, die er wieder in sein Leben hinein ließ, halfen ihm zu wahrer Liebe und zu einer Lebensfreude zu finden, die er sein Leben lang vermisst hatte.
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Seitenzahl: 88
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Der 1. September 1939 war in mancherlei Hinsicht ein bemerkenswertes Datum.
Zum einen begann der 2. Weltkrieg mit dem Überfall auf Polen, und zum anderen begann Hubert Meisner mit dem Eintritt ins Leben einen ganz anderen Krieg gegen seine Mutter und diverse Mitmenschen.
Man kann sagen, beide Kriege forderten viele Opfer bei allen Beteiligten.
Hubert Meisner war bei Weitem kein Wunschkind. Er war das Produkt einer unglücklichen Verbindung, geboren aus einer Not, welche heute wohl nicht mehr nachvollziehbar ist.
Als Elsa Meisner, die Mutter des Knaben, in den Wehen lag, war vom Vater desselben weit und breit nichts mehr zu sehen.
In heutiger Zeit neigt man ja dazu in solchen Fällen eher von einem „Erzeuger“, denn von einem „Vater“ zu sprechen.
Ich finde das nicht richtig, und ich lehne das vehement ab, handelt es sich doch hierbei um die Entstehung menschlichen Lebens und nicht um die Fertigung eines Möbelstücks.
Ich werde also bei der weiteren Schilderung weiterhin den legitimen Ausdruck „Vater“ verwenden.
Doch nun zur Entstehung der Tragödie:
Katharina Meisner, Ehefrau des Friedrich Wilhelm Meisner, hatte fünf Kinder, von welchen Elsa das Jüngste war.
Friedrich Wilhelm, der größenwahnsinnige Monarch hatte mit seinem österreichischen Pendant der Welt den Krieg erklärt und zu den Waffen gerufen.
Der andere Friedrich Wilhelm, respektive der Ehemann und Vater von fünf Kindern, zog sich des Kaisers Rock an und stürmte mutig an die Front.
Anfänglich war dessen Gattin Katharina gar nicht so abgeneigt vom Heldenmut ihres Ehemanns, bescherte es ihr doch eine gewisse Garantie für eine längere Zeit, dem Wochenbett den Rücken kehren zu können.
Der liebwerte Gatte hatte ihr im Verlauf der letzten Jahre kaum eine Atempause vergönnt, kamen doch die fünf Kinder relativ zügig hintereinander auf diese Welt.
Friedrich Wilhelm hatte Dynamit in seinen Lenden, was er auch bei anderen Frauen immer wieder einmal unter Beweis stellte.
Kam der Gatte einmal auf Fronturlaub nach Hause, was Gott sei Dank nur selten vorkam, verstand es Katharina, sich der ehelichen Pflicht zu entziehen.
Wie genau das vonstattenging, soll hier unerwähnt bleiben. Zum Glück für beide hatte Friedrich Wilhelm noch andere sexuelle Bezugsquellen.
Man muss jedoch auch sagen, dass er ein gestandenes Mannsbild war, und dass er mit seinem Schnauzbart, mit welchem er dem anderen, bedeutsamerem Friedrich Wilhelm, zum Verwechseln ähnlichsah, schon ein rechter Feschak war.
Was Katharina jedoch auf keinen Fall wollte, obwohl es ja nicht wirklich auszuschließen war, passierte.
Versehen mit der Mitteilung, dass der tapfere Held fürs Vaterland sein Leben gegeben hatte, stand nun die Witwe Katharina Meisner mit fünf hungrigen Mäulern plötzlich vor dem Nichts.
Als sie – viele Jahre später – das „Ehrenkreuz für Frontkämpfer“ verliehen bekam, legte sie es mit einem kryptisch anmutenden Lächeln, samt Schatulle, in den Schrank, um es nie mehr hervorzuholen.
Das nach seiner Form „Tatzenkreuz“, auch scherzhaft Witwenkreuz genannt, war dem „Eisernen Kreuz“ nachempfunden und war bronziert für die überlebenden Kämpfer. Für die Witwen wurde es mit einer schwarzen, matten Lackfärbung überzogen.
Doch zurück zu unserer Geschichte.
Man muss davon ausgehen, dass die Witwenrente sehr spärlich bemessen war. Zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig, wie man so schön sagt.
Die Witwe Katharina Meisner war – zum Segen aller; also fast aller – ein äußerst pragmatischer Mensch. Sie machte sich die damalige Gepflogenheit der Aufnahme eines „Logieherrn“, also eines Untermieters zunutze, um auf diese Weise ihr Einkommen aufzupeppen.
Zum großen Glück hatte ihr Vater – Gott hab ihn selig - seines Zeichens Maurer von Beruf, ein kleines Häuschen gebaut, sodass zumindest die Ausgaben für die Miete wegfielen.
Also wurden die fünf Kinder in zwei Zimmern zusammengepfercht, um einen Raum zum Zwecke der Vermietung zur Verfügung zu haben.
Auf diese Weise konnte sich die Kriegerwitwe Katharina Meisner einigermaßen über Wasser halten. Ein schwerer Schicksalsschlag traf sie jedoch, als ihre älteste Tochter Heidemarie an einem Darmverschluss verstarb.
Katharina Meisner kam über den Tod ihres Kindes nie wirklich hinweg. Er war wohl auch der Auslöser für ihre beginnende Herzerkrankung.
Als dann Friedrich Wilhelm jr. und Emma, die zweitälteste Schwester von Elsa, bald darauf das elterliche Haus verließen, wurde es sehr still im Haus.
Emma hatte geheiratet und Friedrich Wilhelm jr. war dem Ruf „der großen, weiten Welt“ gefolgt. Er hatte auf einem Schiff angeheuert.
Nun waren nur noch Elsa und Hermine übrig. Die Mutter gab sich ganz ihrem Schmerz hin, und die beiden Mädchen, inzwischen schon zu jungen Fräuleins geworden, vermochten nichts dagegen zu tun.
Einer der Logieherrn, welche der Witwe weiterhin ein zusätzliches kleines Einkommen bescherten, war der Maschinenbauingenieur Eberhard Müller (ich nenne ihn einfach einmal so), ein Mann im Alter von 49 Jahren.
Er fand an der Tochter des Hauses, besagter Elsa, inzwischen zarte 23 Jahre alt, größten Gefallen und machte ihr Avancen. Und Elsas Mutter sah dies mit allergrößter Freude.
In dem Bewusstsein, dass der potenzielle Eidam aus vermögenden Verhältnissen stammte und mit seiner wahren und redlichen Absicht nicht hinter dem Berg hielt, ließ sie neuen Lebensmut fassen.
Die Eltern von Eberhard Müller hatten eine eigene Maschinenfabrik in der Nähe von Hamburg, und der Sohn, das einzige Kind, sollte die Fabrik schon bald übernehmen.
Frau Meisner sah schon vor ihren Augen, wie sie - in einem Daimler-Benz sitzend - vom geneigten Schwiegersohn durch die Gegend kutschiert wurde.
Sie genoss es sehr, von ihrem Eidam in spe mit Blumen beglückt zu werden, indes die Sache mit dem Handkuss war ihr dann doch etwas zu viel.
Eberhard war das krasse Gegenteil zu ihrem Verblichenen. Immer gepflegt und feinste Manieren. Nur was das Aussehen betraf, so konnte Eberhard mit ihrem Friedrich Wilhelm nicht mithalten.
Das Aussehen von Eberhard war das eine, was die arme Elsa nicht wirklich prickelnd fand; aber mehr noch störte sie der gewaltige Altersunterschied.
Sie fasste allen Mut zusammen, um der geliebten Mutter ihre Bedenken anzuvertrauen, in der Hoffnung auf Gott und die Einsicht ihrer Mutter.
Aber weder Gott noch die Mutter kamen der – sich in völliger Verzweiflung befindlichen - jungen Frau zu Hilfe. Die Witwe Katharina Meisner zerstörte jegliche Hoffnung mit den gewichtigen, alles erdrückenden Worten:
„Ach Elsa, meine Kraft lässt immer mehr nach. Ich weiß nicht, wie viel Zeit mir der Herrgott noch schenkt. Wer soll sich denn um dich kümmern, wenn ich einmal nicht mehr bin? Eberhard wird gut für dich sorgen.“
Die Tränen in den Augen der Mutter und das Wissen um die Herzkrankheit derselben lösten den Einwand Elsas in Luft auf. Sie beugte sich dem Wunsch und begegnete dem Werbenden fortan mit etwas mehr Herzlichkeit.
Kaum, dass sie mit dem Herrn Ingenieur verlobt war, forderte dieser auch schon einen Liebesbeweis von der jungen Frau.
Und dieser Liebesbeweis war so groß und mächtig, dass Elsa davon schwanger wurde.
Das wiederum passte nicht in den Lebensplan des Herrn Ingenieurs.
Von seinem nächsten Besuch im elterlichen Domizil kam er nicht mehr zurück. Stattdessen kam ein Brief seiner Mutter an Elsa, worin die Aufkündigung der Verlobung mitgeteilt wurde:
„Diese Verbindung geschah ohne Wissen und Zustimmung der Eltern. Sie ist nicht standesgemäß und daher sofort als hinfällig zu betrachten.“
Am Ende blieben nur noch ein paar belanglose gute Wünsche als schäbiger Rest übrig und ein äußerst schaler Geschmack bei Elsa und ihrer Mutter.
So unangenehm diese Tatsache auch gewesen sein mag, Elsa vermochte sich sogar darüber zu freuen.
Die Ablehnung für diesen Menschen, der zu feige gewesen war, die Verlobung persönlich zu lösen, und der noch in seinem fortgeschrittenen Alter am Rockzipfel seiner Mutter hing, wuchs ins Unermessliche.
Was Elsa damals jedoch noch nicht wissen konnte, war die Tatsache, welche Frucht bzw. was für ein „Früchtchen“ in ihrem Leib heranwuchs.
Elsas Mutter bekam beim Erhalt des Briefes – sie hatte ihn selbstverständlich zuerst gelesen – einen weiteren Herzanfall und damit war die Angelegenheit ein für alle Mal erledigt.
Was hätte sie auch sonst tun sollen? Einen Anwalt konnte sich die Witwe gar nicht leisten.
*****
Die Entbindung des Knaben Hubert Meisner geschah im elterlichen Haus und in aller Stille, abgesehen davon, dass jedes Kind bei der Geburt einen Schrei des Triumphes ausstößt, um seine Herrschaft über Mutter und Umwelt zu verkünden.
Der kleine Hubert – von der Großmutter liebevoll „Hubsi“ genannt – tat seine Abneigung der Mutter gegenüber unmittelbar kund, indem er so heftig an ihrer Brust saugte, dass diese entzündet wurde.
So kam zum seelischen Schmerz auch noch der körperliche hinzu, der sogar noch weit schmerzhafter war.
Elsas Mutter kümmerte sich in dieser schweren Zeit rührend um das Wohl von Mutter und Kind, wohl nicht zuletzt auch deswegen, weil sie ein Gemisch aus Reue und Schuld in ihrem Busen trug.
Indes der Busen von Elsa heilte mit der Zeit und es blieben auch keine Schäden zurück. Ganz im Gegensatz dazu hatten sich in der fast noch jugendlichen Seele von Elsa tiefe Narben gebildet, die nur schwer zu heilen vermochten.
Der Knabe wuchs heran und hatte sich zu einer schier nicht zu bewältigenden Aufgabe entwickelt.
Unter einem süßen, blonden Lockenkopf schlummerte der Charakter eines Wildpferdes. Elsa, in all ihrer Bemühung, eine gute Mutter zu sein, vermochte den kleinen Wildfang kaum zu bändigen.
Allein die Großmutter vermochte ihm bis zu einem gewissen Grad Paroli zu bieten.
Umso mehr vermisste Elsa den guten Einfluss ihrer Mutter auf den Knaben, als diese schon sehr bald ihrem Herzleiden erlegen war.
*****
Als 1942 die Alliierten immer häufiger deutsche Städte bombardierten, war Hubert 3 Jahre alt. Er musste nun immer öfter mit seiner Verwandtschaft in den Luftschutzbunker flüchten.
Das hatte zur Folge, dass er regelmäßig seine Notdurft, sowohl in flüssiger als auch in fester Form in seine Windel absonderte.
Die segensreiche Erfindung der ersten industriell gefertigten Einwegwindeln sollte in jenen Tagen noch fast 20 Jahre auf sich warten lassen.
Es ist heute, so viele Jahre später, nicht mehr zu verifizieren, ob Huberts Ausscheidungen damals als Folge von Angst einzustufen waren oder eine frühe Form „chemischer“ – Pardon, ich meine natürlich „komisch riechender“ – Kampfstoffe darstellten.
Aber wie auch immer, es herrschte Krieg, und da gehen die Uhren nun einmal anders.
Ein anderer Vorfall, einige Jahre später, warf indes ein völlig anderes, klareres Bild auf den Knaben. Der Krieg war vorüber und die Menschen bemühten sich um Normalität. Das spiegelte sich in verschiedenen Bereichen wider.
Es war um die Weihnachtszeit, als Hermine Elsa bedrängte, mit ihr ins Kino zu gehen.
Elsa weigerte sich anfänglich, ergab sich aber schließlich doch dem Argument, man könne ja ab und zu nach Hause eilen, um nachzuschauen, dass alles beim Rechten sei.
Dazu muss man wissen, dass Elternhaus und Dorfkino nur wenige Schritte voneinander auseinanderlagen.
Kaum, dass der Film begonnen hatte, stand Elsa von ihrem Sitz wieder auf, um nach Hause zu gehen. Mit den Worten: