SOKO Besemi IV - Juergen von Rehberg - E-Book

SOKO Besemi IV E-Book

Juergen von Rehberg

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Beschreibung

Die Mitglieder der SOKO Besemi werden gerufen, als in einer Kleinstadt, nahe der Grenze, ein Flüchtlingslager in Brand gesetzt wird und zwei junge Frauen ermordet werden. Die Ermittlerinnen vermuten zunächst, dass die Täter im rechtsradikalen Umfeld zu suchen wären, konzentrieren sich aber dann auf ein paar junge, einheimische Männer, die aus gutem Hause stammen. KHK Bartholomäus Birnbacher, ein bayrischer Kollege aus der Stadt, unterstützt die Ermittlerinnen, auch in der Form, dass er ihnen bayrische Essgewohnheiten beibringen will, was nur bedingt Anklang findet.

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„Refugees Welcome!“

So stand es im Frühjahr 2014 landesweit zu lesen. Es wurde gesammelt, gespendet und sich mit dem Mantel der Nächstenliebe geschmückt.

Aber neun Jahre später ist davon nicht mehr sehr viel übrig geblieben. Das Mäntelchen der Nächstenliebe ist zerschlissen, und wo vor Jahren noch Hilfsbereitschaft das eigene Gewissen lorbeerbekränzt hat, sind an dessen Stelle Abweisung und Hass getreten.

„Refugees Go Home!“

So heißt jetzt die neue Devise. Flüchtlingsunterkünfte werden in Brand gesetzt, und auf Menschen wird Jagd gemacht. Die Täter sind meist junge Männer, gefangen im Überschwang ihres Testosteronhauhalts, und vom Staat finanziell unterstützt. Sie bewegen sich im Dunstkreis rechtspopulistischer, rechtsextremer und völkisch politischer Kreise, brüllen deren Parolen und fühlen sich als die Hüter der Heimat.

„Solang ein Tropfen Blut noch glüht, noch eine Faust den Degen zieht,

Und noch ein Arm die Büchse spannt, betritt kein Feind hier deinen Strand.

Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein!“1

In einer kleinen Stadt, nahe der deutschösterreichischen Grenze hatte es zwei Morde gegeben, deren Opfer afrikanische Flüchtlinge aus diesem Lager waren.

Das hatte dazu geführt, dass in Absprache mit den Innenministern beider Länder, die SOKO Besemi angefordert wurde.

*****

Hochkreuzenstein ist eine kleine Stadt, im oberösterreichischen Mühlviertel mit ca. 18400 Einwohnern, nicht allzu weit von Passau entfernt.

Als vor drei Jahren dort ein Flüchtlingsheim gebaut wurde, schlugen die Wellen der Empörung bei der Bevölkerung nicht gerade hoch.

Großen Verdienst erwarb sich dabei Pfarrer Stockinger, der Vertreter der katholischen Kirche. In unermüdlichen Appellen an die Nächstenliebe seiner Schäfchen, hatte er die Errichtung der Unterkunft für die Flüchtlinge möglich gemacht.

Und als hilfreicher Unterstützer erwies sich Ernst Wiesinger, der Bürgermeister des Dorfes. Fette Zuschüsse des Landes vermochten ihn dabei zu überzeugen.

So sehr ein Teil der Bevölkerung gegen dieses Projekt war, so sehr freuten sich die ansässigen Geschäftsleute. Voran ein gewisser Leopold Schwarz, der Wirt der „Traube“, einem alteingesessenen Gasthaus mit angeschlossener Metzgerei.

Ganz anders verhielt es sich bei dem „Spa Resort Upper Austria“, einer Einrichtung, an der Peripherie des Ortes gelegen, hochpreisig und für die meisten der Einheimischen unerschwinglich.

Böse Zungen behaupten, es handle sich um ein „Geldwäsche-Projekt“ irgendwelcher arabischen Ölmagnaten, was jedoch jeglicher Grundlage entbehrte.

Umso erstaunlicher war es, dass die Mitglieder der SOKO dort einquartiert worden waren.

*****

Die Freude war riesengroß, als sich die Mitglieder der SOKO an diesem außergewöhnlichen Ort trafen. Seit ihrem letzten Fall, den sie gemeinsam bestritten hatten, war doch recht viel Zeit vergangen.

„Was stimmt an diesem Fall nicht, dass sie uns in diesem Edelschuppen untergebracht haben?“

Die Frage stammte von KHK Babs Thies, mit welcher sie die beiden österreichischen Kolleginnen begrüßte. Sie war – zusammen mit KHK Biggi Pföhler - in deren PKW angereist.

ChefInsp Marianne Langmayr umarmte zunächst Babs, danach Biggi, und sagte dann:

„Das ist bei uns Standard, liebe Babs. Anders als bei euch.“

„Wer `s glaubt“, erwiderte Babs lachend und umarmte KontrInsp Eva Anna Gruber. Biggi schloss sich ihr an.

„Was ist mit der Kühlen aus dem hohen Norden?“, fragte Eva Anna, „habt ihr die nicht mitgebracht?“

„Die liegt noch im Kofferraum“, antwortete Babs in ihrem gewohnt schwäbischen Humor.

„Sie wird wohl mit dem Flieger anreisen“, sagte Biggi, „mit dem Auto ist es doch eine recht ansehnliche Strecke. Und dazu noch allein.“

„Dann zeigen wir euch jetzt eure Zimmer. Ihr könnt euch in aller Ruhe einrichten und etwas frisch machen. Danach setzen wir uns zusammen, und Marianne und ich machen euch mit dem Fall bekannt.“

„Das ist eine gute Idee, liebe Eva Anna. Und etwas zu essen wäre auch nicht verkehrt. Mir knurrt schon ordentlich der Magen.“

Der Gesichtsausdruck von Babs ließ keine Zweifel darüber, dass es ihr absolut ernst damit war.

*****

Nach dem gemeinsam eingenommenen Essen schwenkte die bis dahin recht flaumige Unterhaltung der vier Frauen um, und wandte sich dem eigentlichen Zweck ihres Hierseins zu.

„Ich hätte eine große Bitte an euch“, begann Marianne, „lasst uns die Politik heraushalten und uns ausschließlich dem Fall zuwenden.“

„Warum sagst du das?“, fragte Biggi erstaunt, worauf Marianne antwortete:

„Weil es erfahrungsmäßig nichts bringt und nur unnötige Emotionen hervorruft. Ich hoffe, ihr seid alle damit einverstanden.“

„Ich finde, Marianne hat recht“, pflichtete Babs bei, „ich für meinen Teil bin damit einverstanden.“

Eva Anna und Biggi stimmten ebenfalls zu.

„Dann werden wir gleich morgen früh den Kollegen im LKA Passau unsere Aufwartung machen. Ich habe mit KHK Birnbacher schon telefoniert, und er erwartet uns.“

„Kennst du den vielleicht?“, fragte Biggi ihre Kollegin.

„Ja natürlich, kenne ich den“, erwiderte Babs, „der ist genauso ein altes Schlachtross wie ich. Barthl ist ein echter Bazi. Ihr werdet ihn mögen.“

„Was ist das denn für ein Name?“, fragte Eva Anna.

„Barthl ist im süddeutschen Raum ein gängiger Name“, kam Biggi Babs zuvor, „es ist eine Abkürzung von Bartholomäus. Vielleicht kennt ihr ja die Redewendung, jemandem zeigen, wo der Barthl den Most holt. Das bezeichnet eine Art Drohung.“

Die fragenden Gesichter der beiden österreichischen Kolleginnen zeigten deutliches Unverständnis.

„Ist ja auch egal“, sagte Babs, „ihr werdet ihn ja morgen kennenlernen.“

*****

Als die vier Kriminalistinnen am nächsten Morgen beim Frühstück saßen, trat eine Mitarbeiterin des Hotels an ihren Tisch und überreichte Babs ein Kuvert.

„Ich habe eine E-Mail vom Landeskriminalamt Hamburg für Frau Thies.“

„Das bin ich“, sagte Babs und nahm das Kuvert entgegen. Sie öffnete es, entnahm das Blatt Papier und begann zu lesen:

„Verehrte Frau Thies!

Leider ist KOR Storm aus dienstlichen Gründen noch eine Zeit lang hier gebunden. Sie wird aber baldmöglich zu Ihnen stoßen. Herzliche Grüße, auch an die geschätzten Kolleginnen, Ulf Diekensen, leitender Kriminaldirektor.“

Babs sah ihre Kolleginnen mit erstaunter Mine an.

„Das fängt ja gut an. Und wer soll die Ermittlungen jetzt leiten?“

„Immer der, der fragt“, sagte Eva Anna, „du natürlich.“

„Und wieso gerade ich?“, erwiderte Babs.

„Weil du die Älteste von uns bist und weil du diesen Barthl schon kennst“, antwortete Eva Anna.

„Marianne ist genau so alt wie ich“, konterte Babs, worauf Marianne sofort erwiderte:

„Nein, nein, liebe Babs; das machst schon du. Wir ernennen dich einstimmig zu unserem Leitwolf, oder?“

Mariannes Blick war zu Biggi gegangen, um deren Zustimmung einzufordern, welche auch umgehend erfolgte.

„Ich sehe das genauso wie unsere beiden Mädels aus der Wachau. Wir werden das am Abend gebührend feiern, und du zahlst!“

*****

KHK Bartholomäus Birnbacher begrüßte die vier Kriminalistinnen mit großer Herzlichkeit. Und zu Babs gewandt sagte er:

„Es ist mir eine große Freude, deine lieben Mitstreiterinnen kennenzulernen. Besonders die Damen aus dem Nachbarland. Ihr seid ein gemischtes Doppel, sozusagen. Nicht wahr?“

Bartholomäus Birnbacher sah mit strahlender Mine in die Gesichter von Marianne und Eva Anna, und als keine Reaktion von deren Seite erfolgte, fügte er hinzu:

„So, meine Damen, es ist jetzt gerade einmal etwas nach zehn. Ich schlage vor, zum besseren Kennenlernen lade ich euch ein auf eine Weißwurst, eine Brezn und ein Bier. Die Babsi kennt das 1. Gebot, aber ihr wahrscheinlich nicht: Nach altem Brauch darf die Weißwurst das Zwölf-Uhr-Läuten nicht hören.“

Marianne und Eva Anna schauten hilfesuchend zu Babs, die gerade große Mühe hatte, ihr Lachen zu unterdrücken.

„Das ist sehr lieb von dir, Barthl“, erlöste Babs ihre Freundinnen, „vielleicht ein anderes Mal. Aber jetzt wollen wir erst einmal alle Informationen haben, die du uns geben kannst. Wir sind ja schließlich nicht zu unserem Vergnügen nach Passau gekommen.“

„Ich hab halt gedacht…“, erwiderte Bartholomäus sichtlich enttäuscht, worauf Marianne sagte:

„Wir werden das ganz sicher nachholen, Herr Barthl.“

Die liebevolle Art von Marianne versöhnte den bayrischen Kollegen augenblicklich. In seinen Augen kehrte das verschmitzte Lächeln zurück, das vorübergehend daraus gewichen war. Und mit honigsüßen Worten erwiderte er:

„Barthl, Frau Marianne. Ganz einfach Barthl, ohne <Herr>, wenn `s recht ist.“

Marianne ließ sich auf das Spiel ein, indem sie antwortete:

„Marianne, lieber Barthl. Ganz einfach Marianne, ohne <Frau>, wenn `s beliebt.“

Es folgte ein allgemeines, herzliches Lachen, und damit war eine Basis geschaffen, auf der man aufbauen konnte und die vielversprechend war.

Wenig später hatte sich ein Workshop zusammengefunden, bei welchem neben der vier Ermittlerinnen, dem bayrischen Kollegen Barthl, auch Dr. Dirk Haller beiwohnte, seines Zeichens attraktiver und dynamischer Gerichtsmediziner und nebenbei der Schwager des Polizeipräsidenten.

Und damit wurde die Tür des Bösen aufgestoßen, hinter der sich die Abgründe der menschlichen Seele verborgen hielt.

*****

„Grüß Gott, meine Damen! Mein Name ist Dr. Dirk Haller. Ich bin Rechtsmediziner und vom Präsidenten gebeten worden, Sie bei Ihren Ermittlungen tatkräftig zu unterstützen.

Am besten, wir teilen uns in Gruppen auf…“

Weiter kam der Herr Doktor nicht. Sein preußisch anmutendes Gehabe kam bei Babs überhaupt nicht gut an.

„Grüß Gott, Herr Dr. Haller. Mein Name ist Barbara Thies. Ich bin Kriminalhauptkommissarin beim LKA Stuttgart und vom Innenministerium, zusammen mit den anderen Damen, beauftragt worden, Ermittlungen aufzunehmen.

Ich freue mich, dass Sie uns unterstützen wollen, und mit <unterstützen> meine ich, dass Sie uns Ihr Fachwissen zur Verfügung stellen.

Was jedoch die Leitung angeht, so obliegt das mir. Es wäre schön, wenn Sie sich mit dem Gedanken vertraut machen könnten.“

Damit waren die Grenzen klar abgesteckt. Schwäbische Urgewalt vs bayrischen Akademiker. Wobei der Herr Doktor eigentlich aus dem hohen Norden stammte.

Die Gesichtsfarbe des Mediziners hatte sich spontan verändert. Er starrte Babs ungläubig an, war er es doch eher gewohnt, dass die „Verwandtschaftskarte“ stach, so er sie ausspielte.

„Ich wollte Sie keineswegs düpieren“, stammelte er verlegen, begleitet von einem gequälten Lächeln. „Die Leitung liegt selbstverständlich bei Ihnen, verehrte Frau Thies.“

„Dann wäre das ja geklärt“, erwiderte Babs, die schon fast ein wenig bedauerte, dass sie den Mann so harsch angegangen war.

„Mein lieber Barthl, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, dass du uns mit Fakten vertraut machst. Was hältst du davon?“

Barthl zeigte sich sichtlich beeindruckt von der Demonstration der Macht durch die schwäbische Urgewalt. Es nötigte ihm eine urbayrische, sehr kurz gehaltene Redewendung ab:

„Sauber!“

Die Art und Weise, wie er das sagte, veranlasste die vier Kriminalistinnen zu schmunzeln. Einzig der Herr Doktor blieb bei seinem immer noch versteinerten Gesichtsausdruck.

KHK Bartholomäus Birnbacher verteilte die Akte „Refugees“ - so die offizielle Bezeichnung – an die Damen, und diese begannen sofort sich darin zu vertiefen. Was sie dann zu lesen bekamen, jagte ihnen einen kalten Schauer über den Rücken.

*****

Die Ermittlerinnen hatten vereinbart, dass sie am Abend eines jeden Tages ein Resümee ziehen wollten über das, was tagsüber so vorgefallen war.

„Seid ihr auch der Meinung, dass hinter den Geschehnissen ein rechtsradikaler Hintergrund zu erkennen ist?“

Die Frage kam von Babs, die damit die Diskussionsrunde eröffnete. Marianne war die Erste, die darauf antwortete.

„Ich bin der Meinung, dass wir diese Option als eine von mehreren betrachten sollten.“

„An welche Optionen denkst du sonst noch?“, fragte Biggi.

„Nun, da wären beispielsweise irgendwelche Spinner oder vielleicht auch Täter unter den Flüchtlingen“, antwortete Marianne.

„Das meinst du jetzt aber nicht ernst“, sagte Eva Anna, „Spinner kann ich mir noch vorstellen; aber die eigenen Landsleute?“

„Warum nicht?“, erwiderte Marianne, „denk nur an die Morde innerhalb einer Familie. Da kommt der Täter auch nicht von außerhalb.“

„Der Vergleich hinkt gewaltig“, sagte Eva Anna.

„Ich glaube das auch nicht“, meldete sich Biggi zu Wort, „diese Menschen haben viel zu viel mitmachen müssen.“

„Wie wollen wir vorgehen?“, beendete Babs die kontroverse Diskussion. „Hat jemand einen Vorschlag?“

„Was haben wir?“, sagte Eva Anna. „Wir haben Morde, Vergewaltigungen und Brandstiftungen. Ich frage mich, ob diese Verbrechen einem einzigen Täterkreis zuzuordnen sind oder ob wir das trennen müssen?“

„Das ist ein sehr guter Ansatz, Eva Anna“, erwiderte Babs und schaute erwartungsvoll in die Runde.

„Morde und Brandstiftungen würde ich im rechtsradikalen Milieu ansiedeln und Vergewaltigungen bei den Flüchtlingen.“

„Damit bedienst du aber ein typisches Klischee“, reagierte Biggi auf die Bemerkung von Eva Anna.

„Wieso?“, erwiderte Eva Anna, „es ist ja hinlänglich bekannt, dass diese jungen Männer randvoll mit Testosteron geladen sind und dass ihre Einstellung, im Bezug auf sexuelles Verhalten Frauen gegenüber, nicht mit unseren Maßstäben zu messen geht.“

„Da hat Eva Anna schon recht“, pflichtete Marianne bei,