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Als Lebenslandschaften betitelt, ist es diesmal der dreizehnte Band von Marianne Hartwigs Gedichten. Wie schon in früheren, geht es um ihre Wahlheimat Ibiza, ihre vierbeinigen Freunde und Mitbewohner, aber auch menschliche Freundinnen, und ihre persönliche Befindlichkeit, wie schon der Untertitel des Bandes "Im Licht und Schatten" vermuten lassen. Reflexionen über ihre eigene Tätigkeit als Lyrikerin bilden einen weiteren Schwerpunkt. Eine Besonderheit aus aktuellem Anlass stellt das Kapitel "Um-Fall" dar, das ihre Versuche zusammenfasst, einen Sturz mit Beinbruch zu verarbeiten. Insgesamt ein Panoptikum täglicher Erfahrungen, die den Leser eng am Leben der Autorin teilnehmen lassen und auch vor ihren Träumen nicht Halt macht.
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Seitenzahl: 110
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Lauf nicht, geh langsam Du musst nur auf dich zugehen
No corras, ve despacio
Que adonde tienes que ir
Es a ti solo
Juan Ramón Jiménez
Vorwort
LEBENSLANDSCHAFTEN
Inselfreuden
Alltags-Philosophie
In diesem Augenblick ist das Leben so wie es scheint
Ode an den Reim
Zitat-Gedichte
Von Eugen Roth inspiriert
Frauenzimmer
Lebensbegleiter
Unvergessen
Heilsame Gedanken
Von den Freunden
Um-Fall
Traumverloren
Melancholie
ANHANG
Alphabetisches Verzeichnis der Titel
Zur Autorin
Inzwischen hat es sich bei Marianne Hartwig eingebürgert, jährlich einen Band ihrer morgend-lichen Reimtätigkeit zusammen zu stellen. Als Lebenslandschaften betitelt, ist es diesmal der dreizehnte.
Wie schon in früheren, geht es um ihre Wahlheimat Ibiza, ihre vierbeinigen Freunde und Mitbewohner, aber auch menschliche Freundinnen, und ihre persönliche Befindlichkeit, wie schon der Untertitel des Bandes 'in Licht und Schatten' vermuten lassen.
Reflexionen über ihre eigene Tätigkeit als Lyrikerin bilden einen weiterer Schwerpunkt, etwa im Kapitel 'Ode an den Reim', 'Alltags-Philosophie' oder 'Zitat-Gedichte'.
Eine Besonderheit aus aktuellem Anlass stellt das Kapitel 'Um-Fall' dar, das ihre Versuche zusammenfasst, einen Sturz mit Beinbruch zu verarbeiten.
Insgesamt ein Panoptikum täglicher Erfahrungen, die den Leser eng am Leben der Autorin teilnehmen lässt und auch vor ihren Träumen nicht Halt macht.
Chris von Gagern, Ibiza, Juni. 2023
Ein Objekt der Betrachtung ist und bleibt der Über-1000-Jährige
Ich schaue ihn an und spüre Hochachtung
Wer lebt in dem unterirdischen Reich dessen Eingang ich sehen kann
Wie vielen Generationen hast du deine Früchte geschenkt
Zu Zeiten der Reyes Católicos1 saßen Moros2 vielleicht in deinem Schatten
Jedes Mal schenkt dein Anblick mir Ruhe und Frieden
Ruhiges Verweilen.
Mit Blick auf die Granatapfel-Blüten
kehrt innere Ruhe ein
Sie leuchten in der Mittagssonne und bieten
eine Augenweide – kein
Lüftchen weht
Den Anblick aufzuschreiben ist wie ein Gebet
Nichts ist schöner als mit den Katzen auf dem Dresch-platz zu sein – allein
Nichts und niemanden zu vermissen
und gleichzeitig zu wissen:
Es ist ein Augenblickszustand
mit Träumen verwandt.
Das Wort blieb mir im Gedächtnis hängen
So möchte ich den heutigen Tag verbringen
Losgelöst von Sorgen und Zwängen
Wird es gelingen?
Wieder einmal am Meer in die Unendlichkeit schauen
Unverdrossen – voll Vertrauen
Manchmal schließt ein eigenwilliges Wort eine Tagesveränderung ein
Gelassen werde ich heute sein.
Lesen oder reimen
ist hilfreich, sorgenvolle Überlegungen zu vertreiben
die trotz Ablenkung übrig bleiben
Manchmal einen bizarren Charakter erhalten und meinen:
In Sprache übersetzt wird die Komik erst sichtbar
Außer Krankheit und Tod sind Sorgen nur wie ein Haar in der Suppe – herausfischbar
Und so überlasse ich es den Spezialisten
herauszufinden, warum ich wieder einmal im Dunkeln sitzen
muss – denn auch bei Kerzenschein lässt sich gut lesen und dichten
Nun ja, ohne Strom geht auch die Pumpe nicht
Folglich ist auch auf Wasser zu verzichten
Die Katzen halten meine Füße warm und Rojo schnurrt mir ins Ohr:
Das kommt in den besten Holzhäusern unter Pinien vor.
Im verwilderten Garten blüht das erste Unkraut
Die Hummeln stört das UN nicht
Auch den ersten Schmetterlingen scheint Duft-Farbe sehr vertraut
Ein wenig zupfe ich
zum Beispiel Brennnesseln
Nicht weil sie das Gesamtbild stören, doch sie zu essen
ist in der Tat
gesund und wohlschmeckend, zubereitet mit Spinat
Meine Katzen und ich finden: Die Natur ist eine Wonne
Nach dem langen grauen Frühling genießen wir den Ausblick
vom Dreschplatz in der Mittagssonne
Jeder Augenblick ist ein Hauch von Glück
Rojo kennt meinen Hang zu übertreiben
und ich sehe wie er denkt: So könnte es eine Weile bleiben.
Wenn der Salbei-Duft wieder einmal aus der Außenküche strömt
Lockt er diverse Feinschmecker an
Auf dem Gewürz-Regal raschelt es – die Geckos sind verwöhnt
In Butter geschmort scheint er unwiderstehlich zu sein – wie für die Katzen Baldrian
Köstlich so ein Salbei-Pasta-Gericht
Auf dem Tisch steht ein blauer Salbei-Blüten-Strauß
Ob der Duft auch süchtig macht weiß man nicht
Geckos lockt er jedenfalls aus ihren Verstecken heraus.
Frühlingsgefühle
Spatzenspiele
Auf der Terrasse funkeln kleine Lichter
Die Natur verbreitet winzige Zeichen – wie Dichter
Lässt Zauberwölkchen entstehen
die vorüber wehen
Die Katzen suchen einen warmen Ort
Sonnenüberflutet – von dort
senden sie leise Schnurrtöne – die pflanzen sich fort
bis sie mein Ohr erreichen
All diese Zeichen locken mich vor die casita-Tür
Natürlich mit Stift und Papier.
Auf einer der schönsten Inseln dieser Welt zu leben ist ein Privileg
Schon beim Aufwachen stelle ich mir manchmal die Frage:Womit habe ich das verdient
Ein Holzhaus und eine gar nicht so kleine Bibliothek
Meint das Schicksal es weiterhin gut mit diesem reich beschenkten Erdenkind
Noch eine kleine Weile
ist die Meinung Tanits, der Insel-Göttin
Solange du Zeile für Zeile dein Insel-Dasein genießt bleibe ich deine Beschützerin.
Mittagszeit
weit und breit
Frühlingsdüfte
Natur-Sehnsüchte
Die Katzen und ich genießen den Duft
Gelber Pinienstaub liegt in der Luft
Wie Goldschimmer
und immer
wieder
je länger je lieber
Glücksaugenblicke
Schicksalhafte Momente, die im Gedächtnis bleiben
Entgegen der Schopenhauer-Theorie: Leben heißt leiden.
Täglich lockt sie mich in einen Winkel der casita
Die Reimlust, ich folge ihr und sage: JA
Immer mit Ausblick auf diese Wildnis
Alles was wächst zieht mich an – ist ein Bildnis
Hat einen Bezug zu Erinnerungen – zu Geschichten
Zu Lieblingsgedanken und -Gedichten
Zu allem was den Alltag lebenswert macht
Aus ihnen einen Tagesfilm schafft
In dem Natur und Tiere die Hauptrolle spielen
Ich schaue auf die vielen
Einzelheiten, die ich übersah
Ja, natürlich waren die Aprikosen-Blüten schon gestern da
Doch heute sind sie leuchtender
Die Zweige glitzernder und feuchter
Es gab einen Regenschauer
Nur von kurzer Dauer
Der alles in einem neuen Licht erscheinen lässt
Und ich halte sie fest – jetzt
Die Gegenwart – das kleine Glück
in diesem Augenblick.
Während ich in dem Gedanken-Garten Unkraut zupfen will wird mir klar
Dass es in meinem verwilderten Garten immer gerade das Unkraut war
Das mir besonders gefiel – vor allem die Schlingpflanzen deren Blüten wie Schmetterlinge selbst die Yuccapalmen umtanzen
Mit Vergnügen genieße ich inzwischen meine Vorliebe für Unkraut-Blüten
und schaue zufrieden
auf die blaue Morning-glory-Pracht, wobei mir bewusst ist, dass so eine schöne Umschlingerin sich nur dann prächtig entfalten kann
wenn sie sich festhält – an einem starken Stamm.
Die Poesie der Stille in Worte zu bannen
ist ein Insel-Tages-Unterfangen
Von weit her strömen Energiewellen
Sie berühren nur zögernd den Strand
An manchen Stellen
hinterlassen sie Worte in Muschel-Form im Sand
Sie zu sammeln bereitet Vergnügen und Wohlbehagen Die Poesie der Stille schenkt Frieden und vergisst Fragen.
Sprachmelodien – sie verführen mich
Es ist der Klang, nicht der Inhalt
Jedes Gedicht
besitzt eine Melodie – seine Gestalt
findet oft den Ursprung in der Natur
In meinem Leben unter Pinien
ist es Alltag – zeichnet nur
Lebens-Linien
Und schenkt Vertrauen
Entstehen und Vergehen
Auf die ersten Mandelbiüten zu schauen
heißt immer wieder zuzusehen:
Wie neues Leben entsteht
Es kommt und vergeht
Fast andächtig betrachte ich die Farbenpracht
und spüre wie bei einem Gebet die Lebens-Wunder-Kraft.
Ohne Gedanken-Spiele kein Tagesbeginn
Sie sind wie Sabina-Baum-Äste
Bewegen sich im Wind, machen wenig Sinn
Sind einfach nur Spiele – kleine Feste
Verleihen dem Tag einen Erwartungsschimmer-Glanz
Wie der Tag beginnt bestimme ich
ob mürrisch oder ganz
und gar lebenswert – er ist wie ein Gedicht
Wo bleibt unser Frühstück höre ich die Miezen fragen
Sobald die Gedanken-Spiele aufgeschrieben sind, wird es serviert
Kurze Wartezeiten muss man ertragen.
Täglich das Meer zu sehen
Lässt Lebensfreude entstehen
Ein Hauch von Unendlichkeit
Ohne das Vergehen von Zeit
Sie scheint still zu stehen
Gedanken verwehen
Beim Anblick der Natur in ihrer Pracht
Sie ist die Schöpferin – die Allmacht.
Keine Vorsätze für das Neue Jahr zu haben ist ein Sylvester-Wunsch
Ich verlasse mich auf die Schicksalsgunst
Den Zufall in den Alltag zu integrieren ist längst Gewohnheit
Schon seit langer Zeit
Erspart Klage-Berichte
Es sind die Gedichte
die davon erzählen
Wenn mir zufällig eines aus alten Zeiten in die Hände fällt
stelle ich fest: Damals begann die Einsicht
Lamentationen quälen
In der kleinen Insel-Welt in der ich lebe
vertraue ich dem Zufall
Die einst so beliebte Widerrede
äußere ich nicht mehr
Ich hab ja das Meer
Was für ein Glücksfall.
Mitten in der Natur unter Pinien zuhause zu sein
ist Schicksals-Gunst
Allein in der Natur heißt niemals einsam zu sein
Schafft Stille, schafft Ansätze von Lebens-Kunst
Sie in Verse umzuwandeln bedeutet sie zu verdichten – eine Herausforderung
Ein Dasein in immer neuen Variationen
Voller Energie und Erinnerung
In unterschiedlichen Welten zu wohnen
macht dankbar und bereitet auf eine jenseitige Energie-Form vor
Ist kein Tor
in eine zukünftige Daseinsform nur eine intensive Wahrnehmung von Gegenwart im spannenden Lebens-Labor.
Ohne Katzen und Bücher wäre der Alltag eine Last
Mit ihnen ist er fast
Ein Fest
Und jetzt
Genieße ich die tägliche Feststimmung
Verlängere Zeile um Zeile und höre dem sanften Wellen-Gemurmel zu
das ich im Nu
in einen heftigen Ansturm verwandeln kann
Doch dann
stelle ich mich ein auf den Tag
Denn Katz und Buch vermag festzustellen:
Es sind immer nur Wellen
Sie kommen und gehen
und mit ihnen bestimmt Dankbarkeit das Tages-Geschehen.
Hättest du mehr Mut
Würdest du mehr Protest-Gedichte schreiben
Fändest du deine frühere Wut gut
Wäre es sinnvoll, wie eine deiner alten Freundinnen an der Sensibilität der Mitmenschen zu leiden
Mit dem Konjunktiv lassen sich gut Fragen stellen
Er ist auch sonst hilfreicher als der Imperativ
Vor allem beim Dichten und den aktuellen
Tagesnachrichten – in ihrer Tendenz stets negativ
Optimistisch gilt als rückständig
Kritik ist fortschrittlich
Wie kann man
zuversichtlich sein in dieser fatalen Weltsituation
Man kann
Immer schon
waren die, die Mut machen, beliebt
weil oder obschon
sie sich erst selbst ermutigen mussten — es siegt
stets der Lebenswille
und – die Dankbarkeit in der Stille.
So ein Selbstgespräch in Reimen hat den Vorteil
nicht auf Antworten zu warten
Es ist Teil
eines Rundgangs in meinem verwilderten Garten
in dem mir vor allem Schlingpflanzen, sogenanntes Unkraut, gefällt
das sich nicht an vorgegebene Abgrenzungen hält
Manchmal bastle ich ihm einen Halt an der Terrassenmauer entlang
Es umschlingt alles an dem es sich festhalten kann
Und lässt sich auf unvorhersehbare Eigenwilligkeiten ein
Ähnlich wie ein Selbstgespräch – wie ein Reim.
Es sind die kleinen Freuden
die Alltags-Lichtblicke erzeugen
Erwartungsvoll schaute ich dem 2.2.22 entgegen
Keine Besonderheiten – nur ein angenehmer Regen
Schließlich noch eine tapa
in der Lieblingsbar
Und was fand ich in der Bücher-Kiste vor dem Eingang – seltsam 2.2022 war ihr Todes-Monat und Todes-Jahr:
"Der russische Geliebte" von Maria Nurowska
Ein Lesegenuss der besonderen Art
Der 2.2.22 ist eben doch ein besonderer Tag in der Gegenwart.
Wenn die Natur wieder einmal mit ihrer Regenflut die Zisterne füllt
ist das Plätschern wie Musik, wie ein Kuss
Mild und gleichzeitig wild
beschenkt sie mich im Überfluss
Buchstäblich
Denn das Flachdach ist wasserdurchlässig
Geschenke sind immer auch verpflichtend
Wer sich nicht bedankt
wird larmoyant – ein Querulant
Ich bin gerne unter den Dankbaren
Eine, die an Wunder glaubt wie an himmlische Heerscharen.
Auf dem Terrassenrand vor der casita 3 wächst ein Bäumchen
Entweder ist es ein Aprikosen- oder ein Pfirsich bäum
Ein achtlos weggeworfener Kern im neuen Lebensraum
Du wirst ein Blickfang sein – im Frühjahr prächtig anzusehen
Deine Blüten sind ein Augenschmaus
Ob ich sie noch ansehen kann
Dann und wann
gibt es rund um die casita einen neuen Anblick und Grund zu sagen:
Schön ist das Leben im Waldhaus.
Sommersonnenschein und Wohlbehagen
Keine sorgenvollen Zukunftsfragen
Mit dem Alltag einverstanden zu sein
und zu spüren: Ich bin nicht allein
ist ein wundervolles Gefühl
das sich still
und heimlich ausgebreitet hat
Aus Sehnsucht wurde Tat.
Am Abend zu dichten kommt selten vor
Heute ist es ein Bedürfnis
Besser als verdrießlich
Demnächst zirpen die Zikaden im Chor
Sommerzeit
Unter dem Sabina-Baum auf dem Dreschplatz ist es fast so schön wie am Meer – zu zweit
Mit Rojo genieße ich den Schattenplatz für Mensch und Katz
Die Zikaden hatten ihr Konzert unterbrochen und jetzt wieder begonnen
Was könnte schöner sein
als Sommer-Abend-Sonnen-Wonnen
Hier will ich bleiben – hier bin ich daheim.
Noch sind vier Wochen Hitze zu überstehen
Das Wird uns gelingen
Unter der großen Pinie sitzend ins Tal zu sehen
ist von allen Frühmorgen-Dingen
wie ein Dankbarkeits-Gebet
Der Tag beginnt
Es zwitschert und klingt
nach Weiterleben – was der versteht
der täglich einen Abschiedsweg geht.
Im Einverständnis mit dem Widerspruch zu sein erleichtert das Leben
Allein zu leben schließt den Wunsch nach Zweisamkeit nicht aus
Nichts spricht dagegen
Das Leben ist ein Geschenk im kleinen Holzhaus
Freunde sind entzückt von der Bücher-Höhle mitten in der Natur
So würden auch sie leben wollen
Mit ganz viel Literatur
Doch dann ziehen sie eine komfortable Stadlwohnung vor
Wollen und Sollen – dazwischen liegt das Tor zum Seelenfrieden
Wer es durchschreitet hat sich für das Allein-Sein entschieden.
Wie Meditationsmusik ist das Zikaden-Konzert
Lautstärke und gleichzeitig innere Stille
Unbeschwert
überlasse ich mich den Gesängen der Grille
Was könnte schöner sein
Mir fällt nichts ein
Einfallslosigkeit pur
Nur
Mit sich und der Welt im Reinen sein.