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Nach zwölf Gedichtbänden ist der Wunsch aufgekommen, eine Erzählung in Tagebuchform zu schreiben. Dass ein Kater der Protagonist ist, liegt vor allem daran, dass ich seit frühester Kindheit mit Katzen zusammenlebe und von ihrer Intelligenz, ihrer Eigenwilligkeit und Unabhängigkeit immer fasziniert war. Diese Eigenwilligkeit ist gleichzeitig eine Charaktereigenschaft der Menschen meiner ersten Heimat, des Hunsrück, und ebenso meiner zweiten Heimat, der Insel Ibiza, die neben den einheimischen Ibizencos eine erstaunliche Internationalität von Niedergelassenen aller Herren Länder aufweist. Außerdem gehören Schriftsteller, die Tiere erzählen lassen, zu meinen Lieblingsautoren, etwa E.T.A. Hoffmann mit "Lebensansichten des Kater Murr" oder Virginia Woolf mit "Flush". Neben vielen Tagebucheintragungen, entstanden Texte, die das Inselleben in seiner Kuriosität widerspiegeln. Der Erzähler ist diesmal eines dieser geliebten Lebewesen - der Kater Rojo. "Tiere denken", wie Richard David Precht in einem seiner Bücher beschreibt...
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1 hoffentlich
Im Andenken an meinen liebsten Finca-Hocker
Auf einer Insel darf man sich erst einrichten, wenn man weiß, was die Welt ist.
Ernst Wiechert, Das einfache Leben
Kater Rojo erzählt
Die Jugoslawienreise
Der Lamentierer
Jordi geht mit Jonny nach Brasilien
Lupinenteppich
Die letzte Liebe
Geschichte von der verschwundenen Weihnachtspost
Archibald
Ich, der Kater Archibald
Traum, den Menschenfreundin Marni mir vorliest:
Felino bellt ins Tal
Oma-Geschichte
Kunstgerecht
Komik-Star
Monika
Strategie oder Phantasie
Keine Lebensgefahr
Getrennt - miteinander
Die Geschichte von Hugo
1) Jordi liebte Gabardine-Mäntel
2) Jordis Unfall bzw. „Dä hergelaafene Student“
3) Karl der Große - genannt Kalle
4) Jordis Doktorarbeit
5) An Jordis Inseltick
6) Else, bei der Jordi als Untermieter wohnte
Semesterarbeit
Bis wir uns wiedersehen
Wie Glück
Rat
Urlaub von mir selbst
Beschwerden
Traum
Der Spatz
Liebeserklärungen
Selbst-Erfreuen nenne ich dichten
Lantana camara
Ein unsichtbarer Zwerg
Sie springt in die Freiheit
Der Bieber
Der Tod ist nichts
Ein Schimmer von Glück
Gut Ding will Weile haben
Herzens-Heimat
Ein Leben lang
Farbenpracht
Das weiß doch jeder
Der Liebling meiner Menschenfreundin Marni zu sein, tut gut. Seitdem Chica und Erizo gestorben sind, bin ich das Objekt ihrer Tier-Sorge. Die Betonung liegt auf Sorge. Das hat sie früher immer bei Jordi beanstandet. Zuviel Sorge. Ich mache mir keine Sorgen. Und genau das schätzt sie an mir. Ob ich die beiden Schwarzen vermisse? Mein Langzeitgedächtnis ist nicht nur deswegen nicht besonders gut, weil ich eine Katze bin, ich habe auch die Begabung, nur gute Erinnerungen zu speichern. Darum beneidet mich Menschenfreundin Marni. Ich bin auch weniger besitzergreifend als früher. Ihr Liebling zu sein macht außerdem selbstsicher. Zum Beispiel habe ich mich gestern lange mit meinem – ich gebe zu attraktiven – Kollegen unterhalten. Er ist mir ein wenig ähnlich: ein schönes rotes Fell ohne meine charakteristischen weißen Flecken im Gesicht, aber dieser nicht vorhandene Schwanz – ziemlich komisch. Ihn scheint dieses fehlende Teil überhaupt nicht zu stören. Ein kleiner Rest ragt fellumwachsen am Po-Ende. Schwanzlosigkeit beeinträchtigt keineswegs sein Selbstbewusstsein. Denn selbstbewusst ist er. Und wie ich Marni kenne, denkt sie schon über einen Namen nach, denn er kommt jetzt täglich pünktlich zu den Mahlzeiten. Mir persönlich würde Sin-Rabo gut gefallen, aber das kann ich ihr nicht vorschlagen. Sie neigt allerdings dazu, Handicaps in Vorteile umzumünzen – auch sprachlich – von daher kommt sie vielleicht selbst drauf.
Die beiden guapas 2 unserer derzeitigen Mieter gefallen mir gut. Sie sind etwas hochnäsig, vielleicht aber auch nur ängstlich, behütete und verwöhnte Stadtneurotiker, die offenbar das erste Mal die Vorteile des Landlebens stundenweise genießen. Gestern, zum Beispiel, umturnten sie – für ihre Verhältnisse ausgelassen – den Lieferwagen, der Heizöl brachte. Der besorgte Menschen-Adoptiv-Vater ließ sie nicht aus den Augen. Ich schaute mir das Ganze vom oberen Terrassenrand an. Ich kann mir gut vorstellen, gelegentlich einmal Kontakt aufzunehmen. Sie sind nicht nur besonders schön, sondern auch ziemlich neugierig. Neugierde ist wie Eigensinn – macht das Leben interessanter. Puschi, meiner einzigen Mitbewohnerin zur Zeit in der casita, fehlen diese Eigenschaften. Sie ist zwar ebenfalls eine Bildschöne, räkelt sich aber am liebsten auf weichen Kissen und – was meiner Menschenfreundin überhaupt nicht gut gefällt – hinter all den Büchern auf allen Regalen. Das machte Chica zwar auch, aber sie bevorzugte das Poesie-Regal und suchte hin und wieder bestimmte Bücher für Marni aus. Ich habe nie verstanden, warum Marni nicht nur nicht ärgerlich war, sondern sich auch noch darüber freute. „Ja, richtig Chica, Mascha Kaléko wollte ich auch wieder einmal lesen“, hörte ich sie dann murmeln und Chica versteckte sich in der entstandenen Lücke, die bei all den Kalékos etwas größer war.
Von der liebsten Freundin meiner Marni weiß ich, dass sie den Ruf hat, ziemlich eigenwillig zu sein. Sie selbst findet das höchst vergnüglich und zitiert dann gelegentlich Hermann Hesse, der behauptet habe, Eigensinn sei eine Tugend. Das Wort Tugend kommt ihr sonst nicht über die Lippen. Darauf hätte ihre Oma in der Kindheit sehr geachtet, entsprechend folgsam sei sie in ihrer frühen Kindheit gewesen. Allerdings voller Eigensinn. Aber einen Zusammenhang gäbe es da vermutlich nicht.
Seitdem meine Marni aufgehört hat zu dichten, besser gesagt zu reimen, erzählt sie mir fast täglich Geschichten. „Alle sieben Jahre ändert sich das Leben“, erklärt sie mir dann. Jordi ist jetzt sieben Jahre tot. Und seit sieben Jahren habe ich mich damit sieben Mal reimend in Buchform auseinandergesetzt. Jetzt reicht’s! Das Reimen, nicht das Auseinandersetzten und Geschichten erzählen.“ Dann erklärt sie mir lang und breit, dass der Tod erst diese Schleusen geöffnet habe. Mir gefällt alles, was sie mir erzählt. Schließlich weiß ich ohnehin, dass sie Wahres mit Erdichtetem vermischt. Sie lacht und sagt:
„So dass man in meinem kleinen Fanclub meint, das wäre aber ziemlich autobiographisch.“
Auf die Mischung kommt es an, erklärt sie mir dann mit diesem listigen Blick und fügt hinzu:
„Auch Träume vermischen ja bekanntlich beides.“
Und dann erzählt sie mir einen Traum der letzten Nacht:
„Ich sitze in einer großen Blumenschale und brüte. Aus sieben Eiern schlüpfen Küken. Eines ist größer als die anderen. ‘Das wird einmal ein schöner bunter Hahn werden’, sagt die Nachbarhenne, ‘die anderen sechs’, meint sie, ‘werden geschätzte weiße Hennen, die viele Eier legen und ein langes Leben auf dem Bauernhof haben werden’….“
Weil sie die Angewohnheit hat, auch gleich – nicht alle – ihre Träume zu deuten, höre ich mir mit geschlossenen Augen die Deutung an, die ich schon ahne: Natürlich sind die sieben Eier die Gedichtbände und der Hahn ist der letzte, der ihr selbst gefällt, weil ihre Freundin mit ihren Aktzeichnungen schuld daran ist, dass er sich von den anderen unterscheidet.
Der Schwanzlose ist schon reichlich unverfroren. Ich weiß zwar, dass Marni auf Überheblichkeit hereinfällt, aber er sollte es auch nicht übertreiben. Nur ein Beispiel: Heute spazierte er frech (hätte er einen einen Schwanz wäre der hochgestellt gewesen) durch die hintere Terrassentür und sah sich mit diesem neugierigen Blick alles im sogenannten Badewannen-Bücherzimmer an. Puschi döste auf dem Fellkissen-Stuhl und machte nur ein Auge auf bei seinem Anblick. Ich fürchte, es dauert nicht mehr lange und er liegt bei meiner Menschenfreundin im Bett. Nur eines weiß ich mit Sicherheit: vorher muss er zur veterinaria 3 . Die Schwanzlosigkeit hat sein Selbstbewusstsein ganz und gar nicht beeinträchtigt, also wird die Zeugungsunfähigkeit es auch nicht tun. Er ist übrigens sehr redefreudig. Wenn Marni mit ihm spricht, antwortet er – muy hablador4. Das gefällt ihr. Ob er so melodisch schnurren kann wie ich, weiß man noch nicht. Inzwischen hat sie auch herausgefunden, dass die Ursache für die Schwanzlosigkeit von Sin-Rabo eine Genmutation sein kann. Die Manx-Katze, so nennt man die Schwanzlosen, lebte bereits seit Jahrhunderten auf der in der irischen See liegenden Isle of Man. Sie ist besonders anhänglich, anspruchslos und intelligent. Man könne sie sogar an der Leine führen, heißt es. Aldous Huxley war der Meinung, sie sei wie ein stummer Mensch. Sie ist eine der ältesten Katzenrassen. Und es hätten sich viele Legenden um sie gebildet. Sie soll eine Kreuzung zwischen einer Hauskatze und einem Kaninchen sein, das würde die Schwanzlosigkeit und den leicht hoppelnden Gang erklären. Oder – das gefällt Marni besonders gut, denn sie liebt Bibelgeschichten – sie soll das letzte Tier gewesen sein, das auf Noahs Arche kam. Obwohl die Flut schon stieg, gingen einige Katzen nochmal auf Mäusejagd und schafften es kaum, rechtzeitig zurück zu kommen. In dem Moment, als sie die Arche betraten, fiel die Tür zu und quetschte ihnen die Schwänze ab. Sie hatten es zwar geschafft, aber nun waren sie schwanzlos.
Marni weiß natürlich, dass ich ziemlich eifersüchtig bin. Mit eifersüchtigen Lebewesen kennt sie sich ein wenig aus und daher bemüht sie sich, den Schwanzlosen in meiner Gegenwart nicht überschwänglich zu begrüßen. Auch da half wieder einmal eine Oma-Meinung: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Dass sie ihn immer mehr ins Herz geschlossen hat, weiß ich ja. Vielleicht ist ihr Herz ja groß genug für mehr als eine Liebe. Aber das ist eine andere Geschichte, und die erzählt sie nur in Gedichten. Lesen kann ich leider nicht, und Vorlesen will sie die nicht – noch nicht.
An ihrem Blick sehe ich schon, dass sie wieder eine Geschichte erzählen will. Der Blick ist wehmütig, was nicht unbedingt auf den Inhalt der Geschichte schließen läßt.
So fing alles an, sagt sie dann. Sie hatte sich auf ein Abenteuer eingelassen – das erste Inselabenteuer, und so erzählt sie es:
Niemals vorher war ich im Ausland. Ich packte den Koffer als würde ich von meinem Dorf für eine Woche in die nächste Stadt fahren, in der ich arbeitete. Die ganze Planung hatte Jordi gemacht. Es war seine Idee, mit Bahn und Schiff bis Biograd na Moru zu reisen, das er sich ausgesucht hatte, weil es in der Nähe so viele schöne, kleine Inseln gibt. Das erste Mal in meinem Leben sehe ich Delphine, die das Schiff umkreisen. Wir sind beide ganz benommen von all dem Neuen, das uns umgibt. In Biograd angekommen, macht Jordi sich auf die Suche nach einem Fischer, der uns auf die nächste Insel bringen könnte. Wir wissen nicht einmal, wie sie heißt. Sprache ersetzt er durch Zeichnungen – schon immer sehr erfolgreich. Er zeichnet ein kleines Zimmer mit großem Bett, zeigt strahlend auf uns, und der Fischer nickt verständnisvoll, sagt einen Preis und wir besteigen ein abenteuerlich kleines Fischerboot.
Wenn man auf einer Insel geboren wurde, weiß man nicht was Festland heißt. Hier ist mein festes Land, umgeben von endlosem Meer. Vielleicht hatte Jordi diese Endlosigkeits-Sehnsucht? Der von Marni immer wieder erwähnte Insel-Tick muss einen Ursprung gehabt haben: einen Ruhepunkt mitten im Meer der Unendlichkeit. Das kann man sie so – ojalá5 – nicht wissen lassen. Sie würde dann einen Rückfall ins Dichten erleiden. Quatsch, erleben.
Der Nachmittag war ziemlich langweilig. Von den guapos war weit und breit nichts zu sehen und Puschi lag im Kleiderschrank. Der hat als Tür nur einen Vorhang. Zum Beispiel steht da die Strandkorbtasche, und dahinter gibt es herrliche Verstecke, u. a. diese Korbtasche mit Handtuch etc. Sie riecht so interessant. Kein Wunder, denn manchmal bringt Marni uns Fischreste aus der Strandbar mit, wenn sie sich eine lenguado6 oder etwas ähnlich Köstliches „gegönnt“ hat. Eine ihrer Freundinnen liebt es, sich etwas zu gönnen. Marni mißgönnt ihr das ganz und gar nicht, was sie nicht leiden kann, ist das Lamentieren zwischen dem Gönnen. Geschichten-Erzählen kann schon auch zu einem Zwang führen. Angeblich war Jordi zwanghaft. Allerdings hat er die Geschichten nicht erzählt sondern sie produziert. Und deshalb hat er so viel hinterlassen, nicht nur die wunderschöne, alte Finca, sagt Marni, setzt sich in ihre uralte furgoneta7 und entschwindet. Ich gehe davon aus, dass sie ans Meer gefahren ist. Heute ist der erste fast warme Frühlingstag. Die Mandeln blühen und der Hibiskus vor der casita8 hat eine große rote Blüte. Eine im Februar. Marni meint, Hibisken wären die Kapriziösesten im sogenannten Garten. Bei dem Wort Garten scheint sie immer etwas zu zögern. Denn das, was da so wächst rund um die alte Finca und die casita ist alles andere als ein Garten. Es ist eine bunte Wildnis. Und seit Jordis Tod wachsen auch nur noch die Robusteren. Und dazu gehört der Hibiskus nun wirklich nicht. Jordi sei ein ausdauernder Gießender gewesen. Das habe zwar viele bunte Bodenbedecker leuchten lassen, aber auch die Kosten für Wasser reichlich erhöht. Marni nimmt es mit dem Gießen nicht nur aus Kostengründen nicht genau. Sie hat einfach keinen ausgeprägten Sinn für Regelmäßigkeit. Manche Pflanzen schätzen das gar nicht, beispielsweise der Hibiskus. Deshalb starb der alte Hibiskus auch ziemlich kurz nach Jordis Tod. Immerhin sei er fünfundzwanzig Jahre alt geworden – der Hibiskus. Ob das viel oder wenig für einen Hibiskus wäre, wisse sie allerdings nicht. Zu Langlebigkeit habe Jordi immer ein gespaltenes Verhältnis gehabt. „Alle wollen alt werden, doch keiner will alt sein“, zitierte er dann.
Ich ziehe mich jetzt mal in den Kleiderschrank zurück und freue mich auf Marnis Rückkehr. Bestimmt erzählt sie mir dann wie es am Meer war. Manchmal besucht sie auch eine ihrer Insel-Freundinnen, Irmelischka. Dann duftet sie besonders gut, wenn sie zurückkommt, denn bei Irmelischka gibt es viele Hunde und Katzen – viele Mitbewohner in der alten finca. Von allem VIEL, lacht Marni dann. Zur Zeit viel Ärger, weil der Bauer, dem die uralte finca gehört, sie nach fünfunddreißig Jahren unbedingt aus dem Haus vertreiben will. Aber das sei eine ziemlich traurige Geschichte die außerdem nicht stellvertretend sei für die Mentalität der Ibizencos, meint Marni, und im Moment würde sie lieber kuriose Geschichten erzählen oder – nach wie vor – Gedichte:
2 span. die beiden Hübschen
3 Tierärztin
4 sehr gesprächig
5 hoffentlich
6 Seezunge
7 Kombi, Lieferwagen
8 Häuschen, Hütte
Wenn mir wieder einmal ein Lamentierer begegnet
Versuche ich mit Gleichmut zuzuhören
Was ist anderes zu tun, wenn es regnet
Als mit Regenschutz zu spazieren statt sich zu beschweren
So ein leidgeprüfter Lamentierer
Hat massenhaft Zeit und noch mehr Energie
Wäre er ein echter Verlierer
Brauchte er beides als Überlebensstrategie
Der Lamentierer findet immer einen Schuldigen
Selbst nicht notleidend denkt er nicht froh
Wie schaffen das all diese empathielosen Fröhlichen
Nicht zu lamentieren – auf diesem ach so engagierten Niveau.
Manchmal zitiert sie dann auch Maria Matutes, eine spanische Schriftstellerin und Philosophin, die sie sehr schätzt: „Am liebsten beschäftige ich mich mit Büchern“ – sie sagt nicht „statt mit Menschen“. Ach ja, die Menschen. Die Wintermieter findet Marni unter anderem deswegen sympathisch weil sie Katzen-Liebhaber sind. Eine der guapos hätte eine Trockenfutter-Allergie, wurde ihr berichtet, und ob sie vielleicht die Schale mit Trockenfutter für den noch Namen- und Schwanzlosen nicht draußen stehen lassen würde, denn das würde Lulu terrassenweit schnuppern. Sie, die Katzenfrau-Mieterin, nicht Lulu, ist scheu und Marni findet sie äußerst sympathisch. Hin und wieder hält sie einen längeren Schwatz mit ihr. Natürlich geht es dann ganz schnell auch um Bücher. Das Interesse von Marni an ihr schien dann ausgebrochen zu sein, als Sjera – so heißt die Katzenliebhaberin – außer für Katzen auch ihr Interesse für ihre „Heimat-Schriftstellerin“ Conni Palmen bekundete. Eine Lieblingsautorin meiner Menschen-Freundin. Ich könnte sie ja mal zum Essen einladen, murmelte sie dann. Vor meiner Zeit soll das ein regelmäßiger Wunsch mit Umsetzung gewesen sein. Heute kocht sie nur noch dann regelmäßig wenn Sohn und Enkelinnen kommen und einmal jährlich ihren Urlaub hier bei uns verbringen. Das ist alegria9 pur. Denn alle haben Marnis Katzenliebe geerbt und zuhause selber Katzen. Wobei Sohn Markus seine beiden Halb-Siamesen vor zwei Jahren von der Insel mit nach Deutschland gebracht hat. Das ist eine längere Geschichte, die ich später erzähle, denn gerade braucht Marni mich als Zuhörer. Sie sitzt in ihrer Schreibecke in (Ver-)Arbeiten-Stimmung. Manchmal bedeutet das: Sie hat diesen konzentrierten Gesichtsausdruck der auf Schreibzwang hindeutet. Und wenn ich gerade zufällig in behaglicher Zuhörer-Stellung auf dem Nebenstuhl sitze, denkt sie dann manchmal laut. Das gefällt mir ziemlich gut, denn ihre Stimme bringt mich buchstäblich zum Schnurren, was wiederum ihr gefällt. Wir sind ein richtig gutes Team. Sie behauptet, ohne mich als Zuhörer, würde sie bestimmt nicht ständig (ver)arbeiten. Ich weiß zwar, dass das eine ihrer kleinen Selbstbetrügereien ist, aber wenn es denn der Ver-Arbeitung dient…