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Buchmagie pur!
Dieses Kinderbuch der Bestsellerautorin Elif Shafak erzählt eine poetische Geschichte über die Macht der Fantasie und den Zauber von Geschichten. Es ist das perfekte Geschenk für alle, die Bücher und Fantasie lieben.
Ein fantastisches Abenteuer im Land der Geschichten
Liane liebt Geschichten über alles. Ihr größtes Glück findet sie im Lesen, in Büchern und in ihren fantasievollen Tagträumen. Eines Tages entdeckt sie in der Schulbibliothek einen alten Globus. Darauf ist ein rätselhafter Kontinent in Buchform abgebildet. Kurz darauf begegnet sie zwei geheimnisvollen Kindern, die aus dem Land der Geschichten stammen. Doch ihre Heimat ist in großer Gefahr. Sie lebt von der Fantasie der Menschen − und da immer weniger Menschen lesen, droht das Land zu verdorren. Liane will die Fantasie und den magischen Kontinent unbedingt retten, ehe es zu spät ist. Und so beginnt eine abenteuerliche Reise …
Über das Buch
Diese Geschichte ist ein flammendes Plädoyer für die Macht der Fantasie und den Zauber des Geschichtenerzählens. Das Buch ist das ideale Geschenk für bücherliebende Mädchen und Jungen ab 10 Jahren.
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Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe
Originaltitel: Sakız Sardunya
Die Originalausgabe ist 2014 im Verlag Doğan Egmont Yayıncılık erschienen
© für diese Ausgabe 2020 arsEdition GmbH, Friedrichstraße 9, 80801 München Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Text: Elif Shafak
Übersetzung: Gerhard Meier
Innenillustrationen: Zafer Okur
Covergestaltung: Grafisches Atelier arsEdition, unter Verwendung einer Illustration von Mila Marquis
ISBN eBook 978-3-8458-4030-7
ISBN Printausgabe 978-3-8458-3802-1
www.arsedition.de
www.elifsafak.com
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
Cover
Titel
Impressum
Kapitel eins - Das Mädchen, das seinen Namen nicht mochte
Kapitel zwei - Blühende Fantasie
Kapitel drei - In der Schule
Kapitel vier - Das Geheimnis zu Hause
Kapitel fünf - Eine unerwartete Reise
Kapitel sechs - Eine erstaunliche Entdeckung
Kapitel sieben - Der Besuch bei den Großeltern
Kapitel acht - Neue Freunde
Kapitel neun - Die Macht der Bücher
Kapitel zehn - Der Wald der vielen Möglichkeiten
Kapitel elf - Erde
Kapitel zwölf - Wasser
Kapitel dreizehn - Feuer
Kapitel vierzehn - Luft
Kapitel fünfzehn - Das Ticken der Uhr
Kapitel sechzehn - Wieder zu Hause
Welche Pflanze bist du?
Über die Autorin
Kapitel eins
Im dritten Stock eines blauen Wohnhauses an einer breiten Straße in einer großen Stadt wohnte ein Mädchen. Sie war weder besonders groß noch besonders klein und hatte braune Haare, die im Sommer einen blonden Schimmer bekamen, im Herbst dagegen einen rötlichen. Ein wenig dünn mochte sie sein, doch mager war sie nicht. Sie hatte ein rundes Gesicht und kastanienbraune Augen. Ihre Lieblingsbeschäftigungen waren lesen, Musik hören, Filme sehen, zeichnen, Ball spielen, seilspringen und Schokoladenplätzchen backen. Wenn sie für sich allein war, sah sie gern zu den Wolken hinauf und suchte nach irgendwelchen Formen. Manchmal sah eine Wolke wie eine Schnecke aus, manchmal wie eine Giraffe. Manchmal erblickte das Mädchen darin einen leckeren Hamburger, manchmal ein tropfendes Vanilleeis.
Ihre Lieblingstiere waren Katzen, Hunde, Ziegen, Pferde und gestreifte Eichhörnchen. Von Letzteren war ihr zwar noch nie eins begegnet, aber sie mochte sie trotzdem, und in ihrem Zimmer hingen viele Fotos davon.
Schon seit jeher wünschte sie sich eine Katze. Oder einen Hund. Oder eine Ziege. Oder ein Pferd. Ihre Mutter aber sagte jedes Mal nur: »Kommt nicht infrage! Gegen Katzen bin ich allergisch, Hunde bellen und Ziegen meckern, das können wir unseren Nachbarn nicht zumuten. Und für ein Pferd haben wir keinen Platz.«
»Ach Mama, ich will aber ein Tier!«
»Im Zoo kannst du Tiere sehen.«
»Ich will aber ein eigenes!«
Schließlich bekam das Mädchen von seinem Vater zwei winzig kleine Wasserschildkröten. Sie lebten in einem Aquarium und hießen Tag und Nacht. Da sie vollkommen gleich aussahen, konnte man aber nicht unterscheiden, wer von ihnen Tag und wer Nacht war.
Das Mädchen war sehr wissbegierig und las sich durch ein ganzes Tierlexikon. Darin stand, dass Schildkröten sich auch von Regenwürmern ernährten. So ging sie eines Tages, nachdem es geregnet hatte, hinaus und sammelte Regenwürmer. Manche waren kurz, andere so lang wie Spaghetti. Sie füllte sie in ein Glas und nahm sie mit nach Hause.
»Schau, Mama, ich habe für Tag und Nacht Futter gefunden!«
Die Mutter stieß einen Schrei aus. »Schaff dieses furchtbare Viehzeug sofort hinaus!«
So sammelte sie keine Regenwürmer mehr und gab den Schildkröten Futter aus der Dose. Und Kalziumtabletten, damit ihr Panzer schön dick wurde, sonst konnten sie sich nämlich nicht schützen. Vielleicht war es bei den Menschen ja auch so, die hatten zwar keinen Panzer, aber sie mussten stark sein, weil das Leben oft so schwierig war.
Ebenso sehr wie Tiere liebte sie Sport, vor allem Basketball und Volleyball. Auch für Fußball interessierte sie sich. »Fußball ist nichts für Mädchen«, sagten manche, doch das Mädchen hatte sogar ein Album mit Fußballerbildern zu Hause und wusste besser als mancher Junge in ihrer Klasse, welcher Fußballer wie viele Tore geschossen und welche Mannschaft am häufigsten gewonnen hatte.
Ihr Lieblingsobst waren Äpfel, Mandarinen und Wassermelonen, ihre Lieblingsfarben Rot, Violett und Grün, und von den Jahreszeiten waren ihr der Winter und der Frühling am liebsten. Ihr Lieblingsessen war Milchreis, ihr Lieblingsgetränk Limonade. Das alles mochte sie schon seit jeher. Eins aber mochte sie ganz und gar nicht, und zwar ihren Namen!
Der gefiel ihr einfach nicht, ja sie schämte sich sogar dafür. Hätte sie doch bloß einen anderen Namen gehabt! Wie ihre Cousine Mara zum Beispiel … oder wie die Töchter des Lebensmittelhändlers mit ihren Locken und Sommersprossen, die Sarah, Selma und Samira hießen … oder wie ihre Klassenkameradinnen Anna, Emilia, Emma, Hannah, Johanna, Lea, Lina, Lisa, Katharina, Marie, Mia und Sophie …
Wie viele Namen es doch auf der Welt gab, einer schöner und einfacher als der andere … Ihre Eltern aber hatten die alle verworfen und waren ausgerechnet auf den Namen verfallen, den sie jetzt hatte. Hätte sie doch wenigstens einen zweiten Vornamen bekommen. Oder einen Spitznamen! Alle in der Schule hatten einen Spitznamen, entweder einen netten oder einen lustigen. Nur sie hatte keinen, denn ihr echter Name war so seltsam, dass sie keinen Spitznamen brauchte.
Als ihr Vater eines Tages beim Frühstück Zeitung las, fiel dem Mädchen auf der Rückseite der Zeitung ein Artikel auf. Darin ging es um die merkwürdigen Vornamen, die berühmte Sänger oder Schauspieler manchmal ihren Kindern gaben, und sie stellte fest, dass nicht nur sie allein so einen komischen Namen trug. Pfirsich, Apfel, Feige, Nachtigall, Ozean, Blauer Engel, Praline … so etwa hießen manche Kinder. Wie denen das wohl vorkam? Wie mussten die sich später fühlen, wenn sie als Erwachsene mit »Ozean« und »Nachtigall« angeredet wurden?
Keiner dieser Namen erschien ihr aber so unerträglich wie ihr eigener. Sie nämlich hieß Liane.
»Mensch, Mama, wie seid ihr bloß auf diesen Namen gekommen?«, hatte sie einmal gefragt.
»Pflanzennamen sind doch was Schönes. Jasmin zum Beispiel, Flora oder Rose. Wo soll da der Unterschied sein?«
»Über die macht sich aber keiner lustig. Über mich schon!«
»Das kommt dir nur so vor, das meinen die doch bestimmt nicht so, warum soll da jemand lachen? Pflanzen mag jeder. Und damit Schluss!«
Immer wenn ihre Mutter ein Thema beenden wollte, sagte sie: »Und damit Schluss!« Liane wusste das nur zu gut und seufzte. Erwachsenen etwas klarzumachen, war manchmal sehr schwer.
Sie nahm das Lexikon zur Hand und schlug unter Liane nach. Da gab es die unterschiedlichsten Kletter- und Rankpflanzen, die im Boden wurzelten und an Bäumen emporkletterten. Besonders zahlreich waren sie im tropischen Regenwald vertreten.
Lange sah sie sich das Bild der Lianen an, und es gefiel ihr sogar. Eigentlich hübsche Pflanzen. Und doch war sie nicht überzeugt. Wenn ihre Eltern ihr schon einen Pflanzennamen geben wollten, warum dann nicht »Rose« oder »Iris«?
In Büchern und vor allem in Comics hatten die Helden oft ganz merkwürdige Namen, und in Zeichentrickfilmen auch. Die hatten damit aber kein Problem, denn sie lebten ja sowieso in einer Fantasiewelt, in der niemand sich über den Namen eines anderen lustig machte. Glöckchen, Randale-Ralph, König der Löwen oder Hulk, der grüne Riese … Geschichten waren voll mit Helden, die sonderbare Namen hatten.
Liane war aber weder eine Romanfigur noch eine Fantasieheldin. Sie war ein normales Mädchen, das in einem ruhigen Viertel lebte. Und wenn sie in die Schule ging, wurde sie wegen ihres Namens gehänselt. Wenn die Lehrerin die Kinder aufrief, ob sie auch alle da waren, wäre die arme Liane am liebsten im Erdboden verschwunden.
»Elias?«
»Hier!«
»Emilia?«
»Hier!«
»Liane?«
Sobald sie an der Reihe war, grölte die ganze Klasse wie aus einem Mund:
»Im Urwald!«
Liane war dann den Tränen nahe und wäre am liebsten davongelaufen, doch da sie ein braves Kind war, tat sie das natürlich nicht. Stattdessen ließ sie den Kopf hängen und saß stumm in ihrer Bank.
Freche Jungs aus der Klasse hatten sogar ein Spottlied auf sie gedichtet:
Draußen tobt der Wind ums Haus,
Liane sieht zum Fenster raus,
Alles ist schon nass auf Erden,
Liane muss gegossen werden.
Sobald es regnete, wurde gleich jenes Lied gesungen. Was sollte Liane da machen? Hilflos ließ sie es über sich ergehen.
Manchmal verstand sie sich mit einer Mitschülerin gut, mit der spazierte sie in der Pause über den Schulhof, sie saßen beim Mittagessen nebeneinander und flüsterten sich Geheimnisse zu. Eine Zeit lang ging das gut so, aber dann musste Liane mit ansehen, wie ihre neue Freundin sich auch über ihren Namen lustig machte (oder zumindest mitkicherte), und das brach ihr das Herz.
In einer echten Freundschaft durfte so etwas nicht passieren. Man machte sich nicht über eine Freundin lustig, nur um sich bei den anderen beliebt zu machen. »Statt mit einer falschen Freundin spiele ich lieber alleine«, dachte Liane. Sie war einsam. Manchmal kam sie sich auf der weiten Welt ganz allein vor.
In einem Buch hatte Liane mal gelesen, dass jeder Mensch auf Erden irgendwo im Weltall einen Doppelgänger hatte. Was immer man hier machte, tat auf einem anderen Planeten der Zwilling auch gerade. Wenn wir hier zum Beispiel weinten, weinte unser Zwilling dort auch, und wenn wir lachten, dann lachte er.
Das fand Liane interessant. Ein paar Nächte hintereinander starrte sie zum Himmel hinauf. Natürlich wusste sie, dass die Sterne sehr weit weg waren, aber trotzdem hoffte sie, irgendwo da oben ein Mädchen zu sehen, das ihr bekannt vorkam. Ein Mädchen, das ihr zwar ähnlich sah, aber vielleicht eidechsengrüne riesige Ohren hatte und Augen, die blinkten wie Glühbirnen …
Dann aber verwarf sie diesen Gedanken wieder. Selbst im Weltall gab es wohl kein anderes Mädchen, das ihr glich. Die Einzige, die Liane hieß, war nun mal sie.
Das Mädchen mit dem seltsamsten Namen der Welt.
Und das seinen Namen nicht ausstehen konnte.