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Liebe lieber Griechisch Eigentlich glaubt Elisabeth, dass sie ein beständiges Leben führt. Umso überraschter ist sie, als Paul ihr nach über zehnjähriger Ehe die Scheidungspapiere vorlegt. Frustriert flüchtet sie sich in die Welt der schillernden Sissi Filme. Bis sie die Geschichte über die Kaiserin von Österreich auf eine einschlagende Idee bringt: Ein Café im Wiener Stil auf Korfu. Zusammen mit ihrer Schwester Bina und Mops-Rüde Barnabas wagt sie den Neuanfang auf der grünen Insel. Doch von den Korfioten werden die beiden Frauen mit ihrer ungewöhnlichen Geschäftsidee nur belächelt. Die Inselbewohner scheinen keinen Geschmack an Apfelstrudel und heißer Schokolade zu finden. Und dann mischt sich auch noch Ilias, vom Restaurant nebenan, ein und der bringt nicht nur den Laden durcheinander, sondern auch Elisabeth, die den Männern doch für immer abgeschworen hatte. Liebe lieber Italienisch Auf Korfu lebt Elisabeth ihren Traum. Das Café läuft gut und in Ilias glaubt sie auch endlich den richtigen Mann gefunden zu haben. Alles könnte so schön sein, würde sie nicht auf einmal jeder daran erinnern, dass ihre biologische Uhr tickt – außer Ilias, der es mit dem Heiraten offensichtlich nicht eilig hat. Da kommt die Einladung ihrer Eltern, die auf Capri ein eigenes Lokal eröffnet haben, gerade richtig. Auf der italienischen Felseninsel will Elisabeth mit Ilias einen romantischen Kurzurlaub verbringen und kurzerhand selbst um seine Hand anhalten. Doch wieder kommt alles anders. Plötzlich steht Elisabeth alleine auf Capri und auch ihre Selbstzweifel sind zurück. Zum Glück lernt sie Lucia kennen. Die selbstbewusste Kellnerin weiß genau, was Frauen am besten gegen Liebeskummer hilft: Der Charme italienischer Männer.
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Seitenzahl: 431
Kurzbeschreibung:
Die Gesamtausgabe der beliebten Liebe-lieber-Reihe!
Liebe lieber Griechisch
Eigentlich glaubt Elisabeth, dass sie ein beständiges Leben führt. Umso überraschter ist sie, als Paul ihr nach über zehnjähriger Ehe die Scheidungspapiere vorlegt. Frustriert flüchtet sie sich in die Welt der schillernden Sissi Filme. Bis sie die Geschichte über die Kaiserin von Österreich auf eine einschlagende Idee bringt: Ein Café im Wiener Stil auf Korfu. Zusammen mit ihrer Schwester Bina und Mops-Rüde Barnabas wagt sie den Neuanfang auf der grünen Insel. Doch von den Korfioten werden die beiden Frauen mit ihrer ungewöhnlichen Geschäftsidee nur belächelt. Die Inselbewohner scheinen keinen Geschmack an Apfelstrudel und heißer Schokolade zu finden. Und dann mischt sich auch noch Ilias, vom Restaurant nebenan, ein und der bringt nicht nur den Laden durcheinander, sondern auch Elisabeth, die den Männern doch für immer abgeschworen hatte.
Liebe lieber Italienisch
Auf Korfu lebt Elisabeth ihren Traum. Das Café läuft gut und in Ilias glaubt sie auch endlich den richtigen Mann gefunden zu haben. Alles könnte so schön sein, würde sie nicht auf einmal jeder daran erinnern, dass ihre biologische Uhr tickt – außer Ilias, der es mit dem Heiraten offensichtlich nicht eilig hat. Da kommt die Einladung ihrer Eltern, die auf Capri ein eigenes Lokal eröffnet haben, gerade richtig. Auf der italienischen Felseninsel will Elisabeth mit Ilias einen romantischen Kurzurlaub verbringen und kurzerhand selbst um seine Hand anhalten. Doch wieder kommt alles anders. Plötzlich steht Elisabeth alleine auf Capri und auch ihre Selbstzweifel sind zurück. Zum Glück lernt sie Lucia kennen. Die selbstbewusste Kellnerin weiß genau, was Frauen am besten gegen Liebeskummer hilft: Der Charme italienischer Männer.
Claudia Romes
Liebe lieber Gesamtausgabe
Zwei Romane in einem Band
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Ein Verlag der Edel Germany GmbH
© 2021 Edel Germany GmbHNeumühlen 17, 22763 Hamburg
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Kurzbeschreibung:
Eigentlich glaubt Elisabeth, dass sie ein beständiges Leben führt. Umso überraschter ist sie, als Paul ihr nach über zehnjähriger Ehe die Scheidungspapiere vorlegt. Frustriert flüchtet sie sich in die Welt der schillernden Sissi Filme. Bis sie die Geschichte über die Kaiserin von Österreich auf eine einschlagende Idee bringt: Ein Café im Wiener Stil auf Korfu. Zusammen mit ihrer Schwester Bina und Mops-Rüde Barnabas wagt sie den Neuanfang auf der grünen Insel. Doch von den Korfioten werden die beiden Frauen mit ihrer ungewöhnlichen Geschäftsidee nur belächelt. Die Inselbewohner scheinen keinen Geschmack an Apfelstrudel und heißer Schokolade zu finden. Und dann mischt sich auch noch Ilias, vom Restaurant nebenan, ein und der bringt nicht nur den Laden durcheinander, sondern auch Elisabeth, die den Männern doch für immer abgeschworen hatte.
Claudia Romes
Liebe lieber Griechisch
Roman
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Lektorat: Cathérine Fischer
Korrektorat: Raiko Oldenettel
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ISBN: 978-3-96215-130-0
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Für meine Mutter und all die starken Frauen da draußen.Es ist nie zu spät für einen Neuanfang.
Sorgfältig legte ich die Roggentoastscheiben im Brotkorb zurecht, stellte ein weich gekochtes Ei neben Pauls Teller und schenkte den frisch gepressten Grapefruitsaft ein.
»Kaffee dazu?«, fragte ich, bevor ich mich ihm gegenüber an den Tisch setzte.
»Nein«, nuschelte Paul hinter seiner Zeitung hervor.
Ich setzte mich.
»Ähm, doch«, korrigierte er sich, als ich gerade mein Brötchen aufschneiden wollte.
Leise schob ich den Stuhl zurück und ging zur Kaffeemaschine. »Heute ist Flohmarkt in der Altstadt«, merkte ich an, während ich das Pulver in den Filter löffelte.
»Ach wirklich?« Paul ließ einen genervten Seufzer hören, ohne von seiner Zeitung aufzusehen.
»Ich habe gedacht, vielleicht könnten wir ja zusammen hingehen.« Ein weiterer Versuch ihn dazu zu bewegen, sich wieder mal mit seiner Frau in der Öffentlichkeit zu zeigen. Seit Wochen schlug er sämtliche Vorschläge für gemeinsame Unternehmungen aus.
»Du weißt, dass ich keine Schwäche für den alten Kram von Fremden habe.«
»Wir müssen ja nichts kaufen«, schlug ich vor, obwohl ich seine Meinung in diesem Punkt nicht teilte. In der Vergangenheit hatte ich schon so manchen Schatz auf einem Flohmarkt entdeckt, darunter eine Erstausgabe von Moby Dick und eine Spieluhr mit einer niedlichen Balletttänzerin aus Porzellan.
»Mich zieht es dort trotzdem nicht hin«, grummelte Paul.
»Wir könnten ja auch etwas anderes machen. Ich habe dich die ganze Woche über kaum gesehen und heute ist Sonntag. Findest du nicht auch, dass wir zu wenig Zeit miteinander verbringen?«
Er blickte mich über den Rand seiner Zeitung hinweg an und schluckte hörbar. »Genau das ist das Problem. Elisabeth, du solltest dich setzen.«
Seine Stimme klang ungewohnt ernst, also tat ich, was er sagte, und nahm ihm gegenüber Platz.
»Ich möchte mich verändern.«
»Denkst du dabei an eine berufliche Veränderung?« Ich unterdrückte ein verfrühtes Lächeln. Sollte er sich etwa endlich dazu durchgerungen haben, den Plan einer eigenen Kanzlei anzugehen? Bis vor wenigen Jahren sprach er von nichts anderem und ich hatte ihn immer in diesem Wunsch bestärkt.
Das Rascheln der Zeitung übertönte mein freudiges Glucksen.
»Ich habe nachgedacht«, begann Paul und legte die Zeitung neben seinen Teller.
Erwartungsvoll horchte ich auf. Bereit alles zu tun, um ihn auf seinem Weg in die Selbstständigkeit zu unterstützen. Unserem Weg, verbesserte ich meine Gedanken.
Paul räusperte sich. »Die Art Veränderung, die ich meine, ist keine berufliche.«
»Raus mit der Sprache«, forderte ich. »So schlimm kann es schon nicht sein.«
Ich hatte ja keine Ahnung.
»Ich hab da was für dich.« Paul stand auf und ging in sein Arbeitszimmer. Kurze Zeit später kehrte er zurück, mit einer Akte in der Hand.
Gedanklich ging ich die Möglichkeiten durch. Vielleicht will er den Porsche gegen ein neues Modell austauschen oder es ist die Finca auf Mallorca – die ist ja schon lange in der Planung. Sicher ist es die Finca. Das Bild einer mediterranen Villa in unmittelbarer Nähe zum türkisblauen Meer schob sich vor mein inneres Auge und ich seufzte schwelgend.
Mit ernstem Gesichtsausdruck reichte mir Paul die Akte.
Gespannt nahm ich sie an mich. »Was das wohl sein mag.«
»Ich habe es mir gründlich überlegt …« Paul faltete die Hände vor sich.
Neugierig schlug ich das Schriftstück auf und erstarrte augenblicklich.
»Und ich denke, dass es für uns beide das Beste ist …«
Kein Porsche, keine Baupläne für die Finca. Fassungslos hob ich den Kopf vom Papier und schaute meinen Ehemann an. »Was hat das zu bedeuten?«
»Elisabeth!« Er seufzte übertrieben. »Du bist eine tolle Frau, aber du lässt mir einfach keine Freiheiten und ich kann, nein, ich will so nicht mehr leben.«
»Das hier sind Scheidungspapiere!«, brachte ich mühsam hervor. Ich blätterte eine Seite weiter. »Hier ist alles aufgeführt. Unser gesamter gemeinsamer Besitz.« Wieder blickte ich auf. Eine vollzählige Liste unserer Güter, nichts fehlte, genau so, wie ich es von Paul, dem Anwalt, gewohnt war. Aber was hatte dieser kaltherzige Jurist mit meinem Mann zu tun? Ich erkannte ihn nicht wieder.
»Ich war mit der Verteilung überaus großzügig«, räumte Paul ein. »Sieh hier«, er kam an meine Seite, fuhr kurz mit der Zungenspitze über seinen Daumen und blätterte durch die Dokumente, »du bekommst das Haus.« Er sah mich an, als erwartete er so etwas wie: »Oh ja, dann …« von mir. Als ob ich seine Entscheidung dadurch gelassener hinnehmen würde. Ich war sprachlos, unfähig ihm auch nur irgendetwas zu erwidern.
»Die Autos nehme ich. Schließlich laufen die ja auf die Firma.«
»Was soll das heißen, du nimmst die Autos?« Ich fühlte mich wie überfahren.
»Na, dafür wirst du doch Verständnis haben. Außerdem … du fährst doch sowieso lieber mit dem Fahrrad.«
Verständnis? Verlangte er tatsächlich von mir, dass ich ihm Verständnis entgegenbrachte? »Und wie soll ich ohne Auto einkaufen? Oder irgendwohin kommen, außerhalb der Vorstadt?«
»Du wirst schon eine Möglichkeit finden«, antwortete Paul ungerührt. »Ehrlich gesagt, ist mir das vollkommen gleichgültig.«
Ich kam mir vor, als wäre ich im falschen Film. Mir saß der Schrecken so tief, dass die Papiere einfach aus meinen Händen glitten. Verknautscht landete die Akte mit der Schriftseite nach unten auf dem Parkett. Ruckartig stand ich auf, fächerte mir mit Pauls Zeitung Luft zu und ging einige Schritte durch die Küche.
»Den Hund behältst du natürlich auch. Er würde eh nicht freiwillig mit mir gehen.«
Scheinbar hatte er alles genau durchdacht. Mein mitleidiger Blick fiel auf unseren Mops-Rüden, der alle Viere von sich gestreckt, rücklings in seinem Körbchen schlummerte. Barnabas hatte Paul noch nie gemocht. Für ihn wäre er also kein großer Verlust. Aber was würde aus mir werden? Die Rolle der verlassenen Ehefrau würde mir nicht stehen. Darauf war ich nicht vorbereitet. Das war so nicht geplant! Ich hatte geglaubt, dass Paul und ich für immer zusammenbleiben würden, hatte mir bereits einen Baum in einem Friedwald angesehen, unter dem wir eines Tages gemeinsam beerdigt werden sollten. Und jetzt? Wie konnte er mir das nur antun? Ich kämpfte mit den Tränen.
»Seit wann weißt du es schon?« Ich sah auf die Akte zu meinen Füßen und funkelte sie an, als wäre sie das Werk des Teufels persönlich. Darin steckte keine Arbeit, die man mal eben so vor dem Frühstück erledigte. Ich schätzte grob: »Seit Wochen? Monaten?« Ich brüllte es ihm förmlich entgegen, sodass er zusammenzuckte. Sich räuspernd bückte er sich nach den Dokumenten und sah mich anschließend reumütig an, aber sein Blick ging einfach durch mich hindurch. Er traute sich nicht, mir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Seine Augen waren irgendwie leer, als hätte er unsere Ehe längst abgeschrieben.
»Seit einiger Zeit«, räumte er ein, dabei bügelte er die Eselsohren, die der Aufprall den Scheidungspapieren zugefügt hatte, mit seinen Fingern glatt.
»Und warum jetzt?« Meine Stimme klang kreischend. »Wieso in Gottes Namen hast du nicht einfach mit mir darüber geredet? Jetzt stellst du mich vor vollendete Tatsachen. Überfällst mich mit der Scheidung, die du offensichtlich bereits bis ins kleinste Detail durchgeplant hast.«
»Tut mir leid«, sagte er leise. Er hatte noch nie damit umgehen können, wenn ich ihn kritisierte, was nur äußerst selten vorgekommen war. Obwohl er mir in den zehn Jahren unserer Ehe genug Gründe gegeben hätte. Ganz die treu sorgende Ehefrau hatte ich meine Kritik an ihm, Mal für Mal, heruntergeschluckt. Als er es sich angewöhnt hatte, nach dem Duschen sein nasses Handtuch aufs Bett zu werfen, habe ich geschwiegen. Ich nahm es hin, dass er das Waschbecken ständig unter einer Schicht Bartstoppeln vergrub, und habe tagtäglich seine schmutzigen Socken unter dem Bett hervorgeholt, ohne auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren. Im Laufe der Jahre hatte er mir wirklich genug Anlässe gegeben, zu explodieren, aber ich habe nichts gesagt. Nichts. Nie! Jetzt kam ich mir lächerlich vor.
»Du bist immer so verbohrt.« Paul verschränkte die Hände vor der Brust und schüttelte den Kopf, als wäre ich eine Furie, die ihm sein Leben nur unnötig erschwerte. »Ich kann das jetzt einfach nicht mehr. Ich bin es leid, immerzu auf dich Rücksicht nehmen zu müssen.«
Jetzt war das Maß voll. Ich merkte, wie die Wut meine Wangen zum Glühen brachte. »Du und Rücksicht nehmen? Dass ich nicht lache. Ich bin doch diejenige, die dir immer alles recht macht!«
Er winkte ab und stürmte in den Flur, wo er seinen Mantel vom Haken zerrte. Ich folgte ihm, ohne zu wissen, wie ich ihn aufhalten sollte.
»Es ist vorbei, Elisabeth.« Er riss die Haustür auf. Wie versteinert stand ich da. »Besser du findest dich damit ab.« Paul eilte die Auffahrt hinunter, stieg in seinen Wagen und startete den Motor. Ich blieb wie gelähmt im Türrahmen stehen. Fassungslos blickte ich ihm nach, wie er davonrauschte, so lange, bis er nicht mehr zu sehen war.
War das wirklich gerade passiert? Barnabas näherte sich mir mit watschelndem Gang. Die Steuermarke traf dabei mit jedem Schritt klirrend auf sein Geschirr. Gähnend quetschte er sich zwischen meine Beine und betrachtete mich anschließend ratlos.
»Ach Dicker«, brachte ich mit jammervoller Stimme hervor. Ich sah zu ihm herab und unterdrückte ein Schluchzen. Wie in Zeitlupe schloss ich die Tür. Dahinter sank ich erst einmal auf meine Knie und weinte in das seidige Mopsfell. »Was sollen wir denn jetzt nur machen?«
Barnabas gab ein zaghaftes Jaulen von sich, als ich mich an ihn klammerte. Für mich brach eine Welt zusammen. Alles, wovon ich noch bis vor wenigen Minuten überzeugt gewesen war, war mit meinem Mann zur Tür hinaus verschwunden. Einfach so.
Mit sechsunddreißig, ohne Kinder, stand ich da, zurück auf null.
Als das Telefon klingelte, dämmerte es bereits. Es unterbrach meinen Putzmarathon, den ich seit dem Morgen lethargisch ausführte. Hastig schaute ich in das faltige Hundegesicht vor mir. »Das ist bestimmt das Herrchen!«, raunte ich, legte den Schwamm beiseite und streifte ungeduldig die Gummihandschuhe ab. »Sicher will er sich entschuldigen. Wirst schon sehen.«
»Hallo?«, meldete ich mich wie berauscht.
»Warum dauert das so lange, bis du abnimmst?«
Meine Euphorie verpuffte, denn es war nicht Paul.
»Hallo Mutter. Was gibt’s?«, fragte ich wenig interessiert.
»Ich wollte dir nur sagen, wie herrlich es auf Gran Canaria ist.«
»Schön.«
»Und mit Juan ist alles so umwerfend.«
»Mmh.«
»Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal so viel Spaß hatte. Weißt du, neulich Nacht, da hat er mich einfach so …«
»Tut mir leid, aber ich habe jetzt überhaupt keine Zeit zum Telefonieren!«
»Was kann wichtiger sein als deine Mutter?«
Nun, so ziemlich alles, dachte ich. »Ich warte auf einen Anruf von Paul.«
»Paul? Aber es ist doch Sonntagabend. Ist er etwa schon wieder auf Geschäftsreise?«
»So was Ähnliches.«
Sie sog lautstark Luft ein. »Ihr habt euch doch nicht etwa gestritten?«
»Aber nein«, log ich.
»Er hat bestimmt eine andere.«
»Unsinn.« Ich schluckte. »Ich leg jetzt auf.«
»Aber Elisabeth …«
Ich drückte auf den roten Hörer und stellte das Telefon zurück in die Ladestation. Unwillentlich dachte ich über die Wahrscheinlichkeit nach, dass meine Mutter ausnahmsweise mal recht haben könnte. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und stellte mir die Frage aller Fragen: War es möglich, dass Paul eine Affäre hatte?
»Nein!« Ich schüttelte entschieden den Kopf.
»Nein«, sagte ich nun mit einem leicht zweifelnden Unterton. »Aber es schadet ja nicht, mich zu versichern«, murmelte ich schulterzuckend. Barnabas folgte mir in den Keller, wo die Waschmaschine stand. Vor dem Korb mit der Schmutzwäsche ging ich in die Knie. Eigentlich wären die Sachen längst gewaschen und gebügelt in Pauls Schrank, hätte mich der Streit mit ihm heute Morgen nicht völlig aus dem Konzept gebracht. Durcheinander wie ich war, hatte ich gegen meine Gewohnheit zuerst mit den Putzarbeiten begonnen, die noch dazu eigentlich erst für Montag vorgesehen waren. Ich stand neben mir, das war eindeutig.
»Na dann.« Akribisch wühlte ich in dem kleinen Berg Unterwäsche, streng riechender Socken und Barnabas Hundedecke, die eine Reinigung bitter nötig hatte.
»Bingo!«, sagte ich, als ich Pauls Lieblingshemd hervorkramte, das er während seiner Überstunden am Freitag getragen hatte. Rasch breitete ich es auf dem Boden aus und besah es gründlich. Nichts! Ich sank erleichternd seufzend auf die Fersen. Keine auffälligen Flecken. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Blöd von mir, ausgerechnet auf meine Mutter zu hören. Ich schnappte mir das Hemd, stemmte mich auf die Beine und füllte die Waschmaschine. Als ich das Hemd gerade zu den anderen Sachen stecken wollte, kräuselte ich die Nase. Da war ein ekelhaft süßlicher Geruch. Zaghaft schnupperte ich am Kragen und zuckte gleich darauf zusammen. Es war unumstößlich – der Duft eines billigen Parfums ging von diesem Hemd aus. »Das kann nicht sein«, wisperte ich schockiert und mein angeschwellter Herzschlag drohte, mich umzuwerfen. Ich lief nach oben und aus der Tür und schmiss das Hemd in die Tonne vor dem Haus, als wäre es radioaktiv verseucht. Eine Weile starrte ich auf die Mülltonne, wartend auf eine Erleuchtung. »Das beweist gar nichts«, beruhigte ich mich und ging wieder hinein. Barnabas saß auf dem Treppenabsatz und beäugte mich neugierig. Leise schloss ich die Tür und tätschelte seinen Kopf im Vorbeigehen. »Wir stehen das durch«, sagte ich entschlossen. »Wir haben schon einiges zusammen erlebt. Das wirft er nicht einfach weg. Du wirst sehen, Herrchen wird schon bald wieder zu Hause sein.«
Ich war sicher, dass Paul von sich hören lassen würde, also verbrachte ich die Nacht auf der Couch. Mein schnarchender Mops leistete mir Gesellschaft. Gesüßtes Mikrowellenpopcorn und die ungeschnittene Version von Sissi – Mädchenjahre einer Kaiserin, sorgten dabei für die notwendige Normalität. In regelmäßigen Abständen schaute ich auf die Uhr und zwang mich standhaft zu bleiben. Ich würde ihm auf keinen Fall hinterhertelefonieren. Er war schließlich einfach so auf und davon, also war es jetzt an ihm, sich bei mir zu entschuldigen. Um zweiundzwanzig Uhr war ich noch fest überzeugt, dass Paul jeden Augenblick die Tür aufschließen würde, um mich reuig um Vergebung zu bitten. Wir würden tabulosen Versöhnungssex haben und aneinandergeschmiegt einschlafen, so wie es früher war, wenn wir uns gestritten hatten. Ich erlaubte mir also, vorsorglich die Flasche Dom Pérignon zu öffnen, die er für besondere Anlässe aufgespart hatte, kramte die Duftkerzen aus dem Schrank und stellte zwei Sektgläser bereit. Die Uhr tickte gnadenlos vor sich hin. Mittlerweile hatte Franzl Nene abserviert und sich, gegen den Willen seiner Mutter, zu seiner Liebe zu Sissi bekannt. Was für ein Mann! Ich füllte mein Glas und trank den Champagner in einem Zug aus. Barnabas lag auf dem Rücken, die Zunge hing zur Seite aus seinem Mundwinkel und er sabberte auf eins der grünen Satinkissen, die wir von Pauls Mutter zu Weihnachten bekommen hatten. Paul würde durchdrehen, wäre er jetzt hier. War er aber nicht und ich würde den Teufel tun und mein Möpschen in seinem friedlichen Schlaf stören. Mittlerweile war ich so in Rage, dass ich das Kissen nur noch weiter unter sein Maul schob. Ja, tränk es nur ordentlich voll, dachte ich und schüttete ein weiteres Glas hinunter. Und dann kam der Moment: Ich konnte dem Drang nicht länger widerstehen, schnappte mir mein Handy und wählte Pauls Nummer. Doch es meldete sich nur seine Mailbox. Schnaubend sank ich in die Lehnen. Die Flasche leerte sich unterdessen wie von selbst und ich spürte eine unerwartete Leichtigkeit, während ich Barnabas den Rücken kraulte und die Dialoge der Filmreihe mitsprach. Gegen Mitternacht betrat Sissi im Hochzeitskleid die Wiener Augustinerkirche. Der Champagner war ausgetrunken und ich verfolgte mit müden Augen den Abspann des Films. Noch immer kein Lebenszeichen von Paul. Womöglich war ihm etwas zugestoßen! Nein, allmählich begann ich der Tatsache ins Auge zu sehen, dass er bei jemand anderem war. Schniefend zog ich mir die Decke über die Schultern und kuschelte mich neben Barnabas.
Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, flimmerte der Fernsehbildschirm noch. Es schellte an der Tür und ich erhob mich, so schnell es nach einer einsam durchzechten, sorgenvollen Nacht ging, vom Sofa. Die Flasche Dom Pérignon rollte über den Fußboden, nachdem ich fast über sie gefallen wäre.
»Ich komme!«, rief ich auf meinem beschwerlichen Weg über den Flur. Es klingelte erneut. Ich riss die Haustür auf.
»Guten Morgen!«, säuselte eine vertraute Stimme.
Ich blinzelte ins Licht der aufgehenden Sonne, die Anja von hinten anstrahlte, als wäre sie ein Engel.
»Morgen Anja. Komm rein.« Ich rieb mir die Augen.
Sie sah mich mit hochgezogenen Brauen an, bevor sie den Flur betrat. Ich gab der Tür hinter ihr einen Schubs und kratzte mich am Hinterkopf.
»Du siehst ja furchtbar aus!«, bemerkte sie mit erschrockener Miene.
»Na ja, ich hab eine ziemlich schlimme Nacht hinter mir.« Ich warf einen Blick in den Spiegel, der neben der Garderobe hing, und zuckte kurz zusammen. Das lange blonde Haar stand mir zu allen Seiten, ich hatte tiefe Ränder unter den Augen und mein normalerweise lupenreiner weißer Hausanzug war fleckig von Schaumweinspritzern und verlaufener Mascara. Anja betrachtete mich immer noch leicht verschreckt.
»Das ist nur Pauls Pérignon und Wimperntusche«, stellte ich klar und deutete auf die Flecken im Stoff. Ich schlurfte ins Wohnzimmer. »Ich hoffe nur, dass ich die Flecken wieder rauskriege.«
»Ähm, ja.« Anja folgte mir. »Ist Paul denn schon da?«
»Nein«, antwortete ich leidig und setzte mich im Schneidersitz aufs Sofa. Barnabas lag immer noch wie komatös da. Man hätte meinen können, er habe sich in der vergangenen Nacht mit mir betrunken.
»Ah.« Anja räusperte sich verschlagen.
»Setz dich doch«, sagte ich. »Was ist denn los? Du wirkst ja total angespannt.«
»Tja, ich …« Sie nahm mir gegenüber auf dem Sessel Platz, wobei ihr Oberkörper jedoch starr wie ein Brett blieb.
Gedanklich versuchte ich den gestrigen Tag zu rekonstruieren und stieß dabei auf ein heikles Detail. »Hab ich dir eigentlich gesagt, dass Paul nicht nach Hause gekommen ist?«
Anja nahm einen tiefen Atemzug, dabei wich sie meinem Blick gezielt aus.
»Wir hatten einen kleinen Streit«, erklärte ich, denn ich wusste nicht mehr, ob ich ihr noch geschrieben hatte. Irgendwie waren meine Erinnerungen ab Sissis Ischl-Aufenthalt etwas lückenhaft.
»Dann hat er es dir also noch nicht gesagt?« Anja sah mich mit scheuem Blick an.
Rasch überlegte ich und stellte fest, dass ich keine Ahnung hatte, was sie meinte.
Plötzlich ging die Tür auf und ich sprang vom Sofa. Erleichtert über Pauls Rückkehr, sprintete ich ihm auf dem Flur entgegen. »Paul! Du bist wieder da!«
»Ja«, befand er trocken und schaute einfach an mir vorbei. »Ich bin nur hier, um meine Sachen zu holen.«
»Deine Sachen?«
»Ja, meine Sachen. Elisabeth, das, was ich gestern gesagt habe, war mein Ernst. Ich will die Scheidung.«
Meine Wiedersehensfreude war zerschlagen. Ich stand stocksteif da und versuchte meine Bestürzung krampfhaft hinunterzuschlucken. Paul ging an mir vorbei, die Treppe hinauf und ins Schlafzimmer. Fassungslos starrte ich ihm nach. Anja kam aus dem Wohnzimmer zu mir. Sie legte den Arm um mich und drückte mich leicht an sich.
»Das kann er doch nicht machen«, jammerte ich. »Was habe ich denn falsch gemacht?«
»Gar nichts!«, sagte sie tröstend. »Manchmal ist es aber besser so – für beide.«
»Hast du meine rote Satinkrawatte gesehen?«, rief Paul aus dem Schlafzimmer.
»Sie ist in der Schublade.« Ich schluchzte. »Unten rechts«, fügte ich mit bibbernder Stimme hinzu.
»Ah ja.«
Ich hörte das Klicken seines Kofferschlosses, kurz darauf trabte Paul die Treppe wieder hinunter, in der Hand seinen krokodilfarbenen Trolley. Auf halber Strecke schaute er auf und hielt inne. »Oh, Anja.«
»Paul!«
Er nahm die letzten Stufen und parkte den Trolley vor uns.
»Dann habt ihr über alles geredet«, stellte er fest. »Das ist gut.« Er legte mir mitleidig eine Hand auf die Schulter. »Lies dir die Papiere in Ruhe durch. Ich bin sicher, wir werden uns einig.« Er sprach mit mir, als wäre ich eine seiner Klientinnen. Als würde es hier nicht um unsere zehnjährige Ehe gehen, sondern um unbezahlte Strafzettel.
»Ich glaube, ich lasse euch jetzt besser allein.« Anja löste sich von mir. Ich schenkte ihr ein dankbares Lächeln – ach, wie unersetzbar waren doch beste Freundinnen in Situationen wie dieser. Anja ging zur Tür hinaus und Paul und ich standen einander gegenüber. Er wich meinem Blick aus, nahm seine Jacketts vom Haken und legte sie feinsäuberlich über seinen Koffer.
»Wie kannst du zehn Jahre einfach so wegschmeißen?«, brach es aus mir heraus. Ich wollte ihm keine Szene machen, aber die Worte hatten sich von ganz allein aus mir herausbewegt.
»Das tue ich nicht«, sagte er matt. »Wir hatten auch schöne Zeiten.«
Ich verstand ihn nicht. Es war, als würden wir plötzlich verschiedene Sprachen sprechen.
»Elisabeth, es ist einfach wichtig für mich, dass ich mich verändere. Ich brauche das jetzt.«
»Du brauchst das jetzt? Hast du dich jemals gefragt, was ich brauche?«
Er schnalzte mit der Zunge und neigte den Kopf. »Ich wünsche dir alles Gute!« Mit diesen Worten nahm er seinen Trolley und ging.
»Aber, wo wirst du denn jetzt wohnen?«, rief ich ihm nach.
Er hatte die Tür bereits geöffnet, als er sich halb zu mir umdrehte. »Na, wo wohl?«
Ich zuckte die Achseln.
»Bei Anja natürlich.«
Mir blieb das Herz stehen. Mein Mund öffnete sich selbstbeständig und blieb so, als wäre ich ein um Luft ringender Karpfen.
»Mach’s gut!« Er zog die Tür hinter sich zu. Durch das kleine Fenster darin sah ich, wie Anja ihn auf dem Bürgersteig vor unserem Haus in die Arme schloss. Meine Freundin Anja und mein Paul. Das konnte nicht sein. Mir war schwummrig zumute. Ich verlor das Gleichgewicht und sank in mich zusammen.
Erst als Barnabas’ schlabbrige, feuchte Zunge über mein Gesicht fuhr, kam ich wieder zu mir. Nur langsam realisierte ich, was geschehen war. Ich war verraten worden. Meine eigene Freundin hatte mich mit meinem Mann hintergangen und ich hatte es nicht einmal geahnt. Wie bescheuert konnte man sein? Heulend hastete ich in die Küche und durchsuchte sie nach zuckerhaltigen Lebensmitteln. Verzweifelt durchforstete ich die Schränke, ohne auf etwas zu stoßen, das meinen Kummer auch nur annähernd mildern konnte. Seit Pauls Cholesterinwerte grenzwertig waren, hatte ich meine Einkaufsangewohnheiten komplett umgekrempelt. Jetzt bereute ich das! Meine Seele verlangte nach Hochkalorischem, nach Ungesundem und die Tatsache, dass nichts griffbereit war, trieb mir nur noch mehr Tränen in die Augen. »Dem Himmel sei Dank!«, rief ich aus, nachdem ich mich kopfüber in die Kühltruhe gestürzt und dort tatsächlich etwas entdeckt hatte. Die Familienpackung Karamell-Vanilleeiscreme hatte ich wohl beim Ausmisten übersehen. Mindestens haltbar bis Dezember 2016 – seit einem Jahr und drei Monaten abgelaufen – egal. Ich riss den Deckel herunter und schaufelte die sahnige Masse in mich hinein, ohne Rücksicht auf etwaig folgende Magenschmerzen oder Speckrollen. Wen kümmerte das jetzt noch?
In den darauffolgenden Tagen tat ich nichts weiter, als vor dem Fernseher zu sitzen und ungesundes Zeug in mich hineinzufressen, das ich im Eilverfahren im Supermarkt besorgt hatte. Vermutlich wäre das ewig so weitergegangen, wäre meine Schwester nicht eines Tages aufgetaucht.
Es klingelte schon zum dritten Mal an der Tür, als ich mich endlich aufraffte.
»Elisabeth! Mach auf. Sonst trete ich die Tür ein«, hörte ich Bina vor der Tür, in ihrer gewohnt feinfühligen Art.
»Wenn du nicht öffnest, muss ich die Polizei rufen. Bist du tot? Wegen dir ruft mich Brigitte die ganze Zeit an. Sie kann dich nicht erreichen. Du weißt, wie ich es hasse, wenn sie mich nervt. Es wäre also besser für dich, wenn du schon tot wärst, sonst müsste ich dich jetzt dafür umbringen.«
Ich öffnete.
»Du bist also nicht tot!«
»Schockiert dich das?«
Sie schob sich hinein und schloss die Tür hinter sich, anschließend besah sie mich kritisch von Kopf bis Fuß.
»Na ja, du siehst aber auch nicht gerade aus wie das blühende Leben. Ist alles in Ordnung?«
Diese Frage konnte ich gerade gar nicht vertragen. Ich watschelte zurück ins Wohnzimmer. Und wieder brach in mir der Tränendamm. »Gar nichts ist in Ordnung. Paul hat mich verlassen.«
»Oh.« Bina hob die Augenbrauen, während der Rest von ihr völlig ungerührt blieb. Ich sank zurück in die Sofakuhle, die ich in den vergangenen Tagen sorgfältig angelegt hatte.
»Wann hat er dich denn verlassen?«
»Es war ein Sonntag«, antwortete ich mit bibbernder Unterlippe. Blind griff ich nach der Taschentuchpackung, zog eines heraus und schnäuzte mich.
»Na so was.« Bina schob Barnabas unsanft beiseite, ließ sich neben mich in den Sitz fallen und strich sich das kinnlange, grellrote Haar zurück. »Das hätte ich jetzt nicht gedacht.«
»Ja, dabei war der Sonntag doch immer unser spezieller Tag«, heulte ich.
Sie stöhnte genervt. »Das hab ich nicht gemeint. Ich hätte meinen Arsch darauf verwettet, dass du ihn irgendwann in den Wind schießt. Diesen langweiligen Kotzbrocken.«
Ich starrte sie schockiert von der Seite an. »Aber ich habe Paul geliebt.«
Wieder stöhnte sie auf. »Na, das versteh mal einer!«
»Was willst du überhaupt hier?«, hakte ich mit immer noch zittriger Stimme nach.
»Glaub mir, ich könnte mir auch Schöneres vorstellen, als hier zu sitzen und dir dabei zuzusehen, wie du wegen diesem Mistkerl die Flutschen hängen lässt, aber deine Mutter macht sich Sorgen.«
Ich zog die Nase hoch. Genau genommen war es auch Binas Mutter, aber Bina hatte überhaupt keinen Draht zu ihr, weshalb sie sie schlicht bei ihrem Vornamen nannte: Brigitte.
»Sie macht sich Sorgen?« Das überraschte mich. Für gewöhnlich kümmerte sich unsere Mutter um niemand sonst, als um sich selbst.
Bina zuckte die Schultern. »Wahrscheinlich ist sie wieder nur sensationslustig. Sie schien irgendetwas zu ahnen. Kannst du dir vorstellen, warum?«
Ich seufzte leidig. »Kann ich.«
Bina nickte.
Eine Weile saßen wir einfach nur da. Mein Blick glitt erneut ins Leere und der Schmerz überkam mich ein weiteres Mal. Tränen liefen meine Wangen hinab, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen konnte.
Ich spürte Binas Blick auf mir. Sie hatte Paul noch nie ausstehen können und ich war sicher, sie war heilfroh, dass er endlich weg war.
»Ist es wirklich aus? Ich meine, endgültig?« Sie sah mich mitleidig an.
Ich schluckte erschwert, dann nickte ich. »Er hat jetzt jemand Neues.«
»Hm. Die Arme.«
Ich schenkte ihr einen missbilligenden Blick.
»Ich meine ja nur. Sie wird vor Langeweile eingehen wie eine Trockenpflaume im Ofen.«
Ich nahm einen tiefen Atemzug. »Anja«, hauchte ich, ohne dabei aufzuschauen.
»Was ist mit ihr?«
»Sie ist die Neue.«
Bina schoss ruckartig hoch. »Was? Anja?«
Ich nickte mit zusammengekniffenem Mund.
»Ich glaub’s ja nicht! Und ich dachte, ihr wärt so dicke.«
»Das dachte ich auch«, winselte ich. Ich hatte an einem Tag nicht nur meinen Mann, sondern auch den Menschen verloren, dem ich über Jahre hinweg alles anvertraut hatte. Anja kannte sämtliche Details aus meiner Ehe, Streitpunkte, die es zwischen mir und Paul gegeben hatte. Ich wusste nicht, was schlimmer war: die Tatsache, dass der Mann, den ich liebte, die Scheidung wollte, oder, dass mich meine beste Freundin die ganze Zeit über belogen hatte.
»Was hast du denn jetzt vor?« Bina stupste mich mit dem Ellenbogen in die Seite.
»Na was schon.« Ich starrte vor mich auf den Couchtisch. Leere Weinflaschen lagen umgekippt, inmitten von Popcorn, Chips und zerknüllten Schokoladenpackungen.
»Wann hast du das letzte Mal geduscht?« Bina schob sich vor mein Sichtfeld und rümpfte die Nase.
Ich sah an meinem Jogginganzug hinunter und zuckte die Achsel. »Weiß nicht. Hab jegliches Zeitgefühl verloren.«
»Kein Wunder!« Bina linste auf den Stapel mit den Sissi DVDs vor dem Fernseher. »Hast du dir die etwa reingezogen?«
Ich hob eine Schulter an.
»Echt krasses Zeug. Die sind doch schon hundert Jahre alt! Elisabeth, ich bin deine kleine Schwester, deshalb darf ich das sagen: Du musst echt aufhören, dir diese alten Streifen anzuschauen. Ich meine, davon muss man ja total abdrehen.«
Ich schnaufte protestierend. »Also ich bin sicher nicht die Einzige, für die Kaiserin Sissi ein Vorbild ist.«
»Hatte die nicht auch leichte Stimmungsschwankungen?«
»Vielleicht«, gab ich widerwillig zu. »Aber das ist nicht wirklich belegt.«
»Also mir reicht es jetzt. Wann hast du dich eigentlich das letzte Mal im Spiegel angeschaut? Du siehst aus wie aus The Walking Dead.«
Beschämt schaute ich an mir hinunter.
»Das kann ja nicht ewig so weitergehen.«
»Es ist gerade mal zwei Wochen oder so her«, verteidigte ich mich.
Bina kräuselte die Lippen und nickte. »Ja, so riecht es hier auch.« Sie warf einen Blick in die offene Küche, wo sich das schmutzige Geschirr stapelte.
»Die ersten Ratten haben wahrscheinlich schon ihre Nester gebaut.«
Ich starrte verstohlen zur Decke. Jetzt nur nicht wieder anfangen zu heulen, ermahnte ich mich. »Was soll ich deiner Meinung nach machen, hm? Soll ich etwa so tun als wäre ich nicht gerade sitzengelassen worden von meinem Mann, mit dem ich über zehn Jahre meines Lebens verbracht habe? Paul war alles für mich.«
»Ach ja? Jetzt verrate ich dir mal was, Paul ist und war schon immer ein riesengroßes Arschloch. Ein Egozentriker, der sich auf Kosten anderer ein angenehmes Leben gemacht hat. Du kannst froh sein, dass du ihn los bist. Du bist besser dran ohne ihn.«
Versehentlich kam ich an die Fernbedienung. Der Fernseher schaltete sich ein. Ich seufzte laut. »Aber ich weiß gar nicht, wer ich ohne ihn bin.«
»Nicht dein Ernst!« Bina fasste sich an die Stirn. »Du magst es vielleicht vergessen haben, aber du hattest ein Leben vor Paul. Jetzt komm mal aus den Kuschen.«
Ich sah zu ihr auf, dann wanderte mein Blick unwillkürlich Richtung Bildschirm.
»Denk doch nur mal daran, was für Möglichkeiten du jetzt wieder hast. Du könntest komplett neu anfangen, dir einen Wunsch erfüllen, irgendetwas, das du wegen Paul längst abgehakt hattest.«
Als hätte jemand vorgespult, war Sissi gerade auf Madeira angekommen, um sich dort wegen ihrer Lungenerkrankung zu kurieren.
»Du hattest Träume, Elisabeth«, fuhr Bina fort. »Versuch dich daran zu erinnern, wie es vor Paul war. Wie du vor Paul warst.« In ihrer Stimme schwang Bedauern mit und ich wusste sofort, worauf sie anspielte. Es stimmte, ich hatte mich für Paul verändert und aufgehört die zu sein, die Bina gekannt hatte. Ihr Besuch hatte mich deswegen so überrascht, weil sie schon seit Jahren nicht mehr einfach so bei mir aufgetaucht war. Paul hatte Bina immer kritisiert. Ihren Lebensstil, ihre Einstellungen, selbst ihre Frisur. Für ihn war Bina eine Versagerin, das schwarze Schaf der Familie, das man lieber vor den Augen aller versteckt hielt. Und ich hatte mich nie für sie eingesetzt. Urplötzlich überkam mich das schlechte Gewissen wie ein Fieberschub, denn jetzt war sie diejenige, die für mich da war. Nicht Anja, nicht meine Mutter, sondern meine Schwester Bina, für die ich nie die Stimme erhoben hatte. Gedankenverloren starrte ich auf den Fernseher. Sissi hatte gerade beschlossen einen Tempel errichten zu lassen und setzte nun ihre Reise nach Korfu fort. Korfu, tönte es in meinem Innern. Und plötzlich durchschoss mich die Idee wie ein Stromschlag. Ich sprang so hastig vom Sofa auf, dass selbst Barnabas aus dem Tiefschlaf erwachte.
»Was ist?« Bina sah mich besorgt an.
Ich ließ den Blick schweifen, während die Idee sich in mir festigte.
»Hast du jetzt einen Nervenzusammenbruch?«, erkundigte Bina sich vorsichtig.
Ich konnte nichts sagen. Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Ich spielte die Idee durch, wägte Möglichkeiten ab, stellte mir ein Leben am Meer vor. Idylle pur. Freundliche Menschen, Unabhängigkeit. Ein Leben fernab aller Probleme.
Bina stellte sich vor mich und sah mir ängstlich ins Gesicht. »Elisabeth?«
»Das ist es!«, wisperte ich und stierte neben sie auf den zugemüllten Couchtisch.
Bina folgte meinem Blick. »Was denn?«
»Mein Traum. Das ist es, was ich machen will!«
»Ähm, du willst also Kartoffelchips machen?«
»Aber nein!« Ich schob Bina näher zum Fernseher, wo Sissi und ihre Hofdamen griechische Altertümer besichtigten.
Die Szene hatte ich schon hundertmal gesehen, doch jetzt rief sie in mir eine verstaubte Sehnsucht wach.
»Okay«, raunte Bina. »Aber du weißt schon, dass deine Chancen Kaiserin von Österreich zu werden, gegen Null gehen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das meine ich doch gar nicht! Ich rede von dem anderen Traum. Dem realistischen.«
»Ah, du meinst dein kleines Café?«
Ich war überrascht, dass sie es noch wusste. Bevor ich Paul kennenlernte, hatte ich von nichts anderem gesprochen. Nach dem Schulabschluss war ich fest entschlossen gewesen, ein eigenes Café zu eröffnen. Mit der Heirat hatte ich mein Vorhaben zunächst aufgeschoben, dann vernachlässigt und schließlich, in den letzten Jahren, endgültig begraben – das dachte ich zumindest. »Warum nicht? Ich werde aus Köln weggehen.« Auf einmal hatte ich alles glasklar vor Augen.
»Du willst deiner geliebten Stadt den Rücken kehren?« Bina runzelte die Stirn. »Bist du sicher, dass ich keinen Krankenwagen rufen soll?«
»Es ist mir ernst, Bina! Was hält mich denn schon hier? Ich dachte, ich wäre glücklich. Ich dachte, dass es immer so weitergehen würde. Paul und ich, zusammen bis ans Ende unserer Tage.«
Bina ließ ein angewidertes Grunzen hören.
»Aber ich habe mir etwas vorgemacht. Es ist mein Leben. Warum nicht mal etwas riskieren?«
Sie betrachtete mich mit verblüffter Miene. »Und wohin willst du gehen?«
Ich nahm die Fernbedienung und drückte die Stopptaste. »Dorthin!« Ich schaute zum Standbild, das die korfiotische Küste eingefangen hatte. Beim Anblick des paradiesischen Strandes empfand ich ein Fernweh, das sämtliche Gedanken um Paul und Anja verdrängte.
»Du willst in Griechenland ein Café eröffnen?«
Ich nickte entschlossen. »Genau!«
»Mit Kaffee und Kuchen und allem Drum und Dran?«
»Ja!«
»Und warmem Apfelstrudel mit Sahne?«
»Ja.« Ich lächelte schwelgend, als hätte ich den Verstand verloren.
»Das klingt total verrückt und könnte vermutlich unpassender nicht sein, wenn man an das dortige Klima und die Finanzkrise denkt.«
Ich zuckte die Schultern, immer noch lächelnd.
Bina lachte auf. »Klingt als wäre es genau das Richtige für mich!«
Ich fuhr herum und sah meine Schwester abwartend an.
»Nun ja, zufällig warte ich schon länger auf eine gehobene Anstellung, also, wenn du mich gebrauchen kannst, bin ich dabei.«
Augenblicklich fiel ich ihr um den Hals. »Natürlich kann ich dich brauchen! Ich würde mich unglaublich freuen, wenn du mitkommst!«
»Dann ist es beschlossen!«
Es tat gut, meine kleine Schwester mit im Boot zu wissen. Ich wusste, ich konnte mich auf sie verlassen. Gemeinsam würden wir das Abenteuer Neuanfang wagen.
In den darauffolgenden Wochen war ich so mit Korfu beschäftigt, dass ich fast gar nicht mehr an Paul dachte. Ich wälzte Internetseiten über Auswanderung, Immobilienangebote und bereitete alles für unsere Abreise vor. Einen Plan für die Zukunft zu haben, war genau das, was ich gebraucht hatte. Ich konnte es kaum erwarten, Deutschland endlich den Rücken zu kehren und hatte den Eindruck, dass es Bina genauso ging. Zum ersten Mal, seit besagtem Sonntag, nahm ich die Dokumente wieder in die Hand, die Paul für unsere Scheidung vorbereitet hatte. Zusammen mit Bina ging ich sie durch.
»Hier steht’s schwarz auf weiß. Das Haus gehört dir!« Bina tippte mit dem Zeigefinger auf die Durchschrift, in der Paul unsere Besitztümer aufgeteilt hatte. »Ist der doof!«
»Er hat wohl gedacht, dass ich es ihm leichter machen würde, wenn er mir das Haus überlässt.« Ich setzte meine Unterschrift unter das Dokument und übergab es Peer Markson, einem jungen Anwalt, den Paul vor zwei Jahren ohne Vorwarnung aus der Kanzlei geschmissen hatte. Peer hatte sich danach selbstständig gemacht und das äußerst erfolgreich. Mittlerweile hatte er ziemlich große Fische unter seinen Klienten. Darunter einen Kölner Baumogul, dessen Fall er Paul einfach vor der Nase weggeschnappt hatte. Peer war jünger, frischer, ehrgeiziger und er hatte seinem ehemaligen Chef längst den Krieg erklärt. Ich tat mir noch etwas schwer damit, dem Mann zu schaden, neben dem ich zehn Jahre lang morgens aufgewacht war. Es fühlte sich für mich noch immer neu und ungewohnt an und bereitete mir ein ungutes Gefühl in der Magengrube. Zum Glück gab es Bina, die mich, wenn nötig, alle zwei Minuten an Pauls Lügenkonstrukt erinnerte. Für Peer kam der Posten meines Scheidungsanwaltes wie gerufen. Nebenbei versorgte er mich mit Informationen, die mir bei einer Blitzscheidung dienlich sein konnten. Er hatte Paul mit Anja in eindeutiger Aktion auf dem Schreibtisch im Büro erwischt. Nachdem Pauls Versuche Peer mit einem höheren Gehalt zum Schweigen zu bringen gescheitert waren, hatte er vorgegeben, Umstrukturierungen vornehmen zu wollen und ihn anschließend aus der Kanzlei katapultiert. Peer, der eigentlich zum Partner hatte aufsteigen sollen, schwor Rache und ausgerechnet ich war diejenige, die sie ihm verschaffen würde - die Wege des Schicksals sind eben unergründlich.
Peer stellte sich bereits in ersten Handlungen als äußerst engagierter und ideenreicher Anwalt heraus. Er schaffte es, Pauls vorgefertigte Verträge zu meinen Gunsten weiter aufzubessern. Jetzt stand mir neben dem Haus auch der Mercedes zu, den mein Noch-Ehemann als seinen wertvollsten Schatz bezeichnete. Ich hatte mich stets darüber lustig gemacht. Ihn mit Gollum verglichen, jedes Mal wenn er diesen Kosenamen für sein Auto benutzte. Mir hatte Paul nie einen Kosenamen gegeben. Meine Familie und Freunde nannten mich manchmal Lissi oder Sissi, aber bei Paul war ich nie etwas anderes als Elisabeth gewesen. Dabei hatte er meinen Namen immer überaus hart ausgesprochen, wenig liebevoll, selbst wenn er kurz vorm Orgasmus gestanden hatte. Dann hatte er ihn sogar mit besonderer Härte hervorgewürgt, wie ein angeschossener Soldat, der auf dem Schlachtfeld nach Sanitätern ruft: E-LI-SA-BETH. Ob wegen des Kosenamens, oder meines fehlenden Interesses an völlig überteuerten Fahrzeugen, ich hatte seinen Schatz noch nie gemocht. Der Mercedes hatte Paul immer mehr bedeutet als ich, weshalb ich mir für seinen Schatz selbstredend etwas ganz Besonderes hatte einfallen lassen.
Bina und ich beobachteten vom Küchenfenster aus, wie Paul sein Ein und Alles in der Auffahrt parkte.
»Bleib hart!«, erinnerte mich Bina mit erhobenem Zeigefinger. Ich nickte entschlossen, bevor ich zur Tür ging und öffnete. Eine Begrüßung blieb aus. Ich sparte mir die Mühe, stattdessen blickte ich in Pauls tiefbekümmerte Miene. Innerlich lachte ich schallend vor Schadenfreude.
»Behandle ihn gut.« Er zog die Nase hoch und reichte mir die Wagenschlüssel.
»Mach dir da keine Sorgen, Paul. Ich weiß, was dein Schatz braucht«, antwortete ich.
Er nickte schluchzend, dann wandte er sich zum Gehen. »Ach«, fiel ihm ein, »und es wäre lieb, wenn du meine Star Wars-Sammlung schon mal in Kartons packen würdest. Ich komme sie dann in den nächsten Tagen abholen.«
Mein Blick weitete sich und mir entfuhr ein kaum hörbares »Mhm«, wie bei einer alten Hexe, die ein Kind vor ihrem Zuckerhaus witterte. Mit Pauls kleiner, kostbaren Sammlung würde meine Rache in die nächste Runde gehen. Und ich hätte sie um ein Haar vergessen. »Aber gern«, sagte ich breit grinsend. »Wie gut, dass du mich daran erinnerst.« Sicher, ich würde die Sammlung in Kartons packen und dann … Sammler würden mir dafür bestimmt einen Haufen Geld bezahlen.
Pauls Züge entspannten sich leicht. »Ich bin wirklich erleichtert, dass du es so gut aufnimmst, Elisabeth.«
Wieder hatte er meinen Namen so hart ausgesprochen, diesmal hatte ich jedoch noch etwas anderes herausgehört und das verpasste mir einen Stich ins Herz: Distanz.
»Weißt du, es ist nicht gerade leicht für Anja«, legte er nach.
Ich spürte, wie sich jeder einzelne Gesichtsmuskel verkrampfte. Mein Lid begann zu zittern. Am liebsten wäre ich jetzt auf ihn losgegangen. Doch ich riss mich zusammen. »Oh ja, es muss wirklich sehr schwer für Anja sein und für dich erst.«
Er seufzte leidend. »Das ist es.«
Sollte er tatsächlich Mitleid von mir erwartet haben, wartete er vergeblich. Hinter mir zückte Bina ihre Handykamera, die gleich zum Einsatz kommen würde.
»Du hier!« Paul klang abfällig erstaunt.
»Ich hier!«, entgegnete Bina freudestrahlend.
»Ach ja, ich vergaß.« Paul hob eine Braue an, dann wandte er sich von Bina ab und sah mich mit seinem Mister-ich-weiß- alles-und-du-nichts-Blick an.
»Elisabeth, du musst endlich aufhören mit deinen Fantastereien.«
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Ich meine, du musst endlich anfangen in der Realität zu leben.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete ihn abwartend.
»Ich rede von diesen Flausen von wegen Auswandern, nach Kreta.«
»Korfu«, verbesserte ich ihn.
»Wie auch immer. Das sind doch alles nur Hirngespinste.«
Ich zählte eins und eins zusammen. »Du hast mit meiner Mutter gesprochen!« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Sie hat mich angerufen. Sie macht sich Sorgen um dich.«
»Meine Mutter macht sich keine Sorgen. Sie hat dich nur angerufen, um endlich zu erfahren, was zwischen uns los ist. Ich hätte ihr nichts von meinen Plänen erzählen sollen. Was fällt dir ein, mit ihr über mich zur reden?« Die Wut kam aus meinem tiefsten Innern. Ich spürte, wie sie in mir kochte. Eine übelriechende Suppe zusammengesetzt aus Pauls Lügen, Anjas vorgetäuschter Freundschaft und der Heuchelei meiner eigenen Mutter. Ich stand kurz vorm Platzen.
»Das kann nicht dein Ernst sein. Ein eigenes Café! Du warst doch schon mit unserem Haushalt überfordert«, reizte er mich weiter.
»Ich, überfordert?« Ich spürte, wie die Hitze meine Wangen emporstieg. »Ist dir jemals die Idee gekommen, dass das Einzige, was mich überfordert haben könnte, du gewesen bist?«
Paul schluckte erschrocken und ging rückwärts eine der Eingangsstufen hinunter.
»Hast du mich eigentlich jemals richtig gesehen?«
»Du bist doch verrückt!«
Ich wandelte meinen Zorn in ein bösartiges Lächeln. »Verrückt? Schon möglich. Schließlich habe ich zehn Jahre mit einem Mann zusammengelebt, den ich überhaupt nicht richtig gekannt habe.«
»Fang bitte nicht wieder damit an«, brummte er, als würde ich ihn zum wiederholten Mal vor aller Augen bloßstellen.
»Du und deine Dramen!« Er schüttelte den Kopf.
Ich zuckte neckisch die Schultern. Die wenigen Zweifel, die ich wegen meines Vorhabens hatte, waren wie weggewischt. Und ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass Paul leiden würde – so richtig. Und ich würde grinsend dabei zusehen. Bina gluckste freudig, als ein dunkles Auto auf dem Bordstein vorm Haus hielt. Darin saßen zwei südländisch aussehende Männer. Beide hatten lange schwarze Bärte.
»Hey Ali!«, begrüßte Bina den Fahrer, nachdem dieser ausgestiegen war und schnurstracks auf Pauls Mercedes zuging. Ich drückte Bina die Autoschlüssel in die Hand. Paul schaute verdutzt zu, wie sie damit zu Ali ging, der bereits sämtliche Türen von Pauls Schatz aufgerissen hatte und nun dessen Herzstück, den Motor, unter die Lupe nahm.
»Na, hab ich zu viel versprochen?«, fragte ich an Paul vorbei. Ali reckte den Daumen in die Luft. »Sehr gute Auto!«
»Was soll das?« Paul schaute mich verstört an.
»Aber Paul, du hast doch selbst gesagt, ich fahre lieber mit dem Fahrrad. Was soll ich denn dann mit einem Mercedes?«
»Du willst unseren Mercedes doch nicht etwa an diese Türken verkaufen?«
»Unseren Mercedes? Es ist nie unserer gewesen, Paul, sondern immer nur deiner. Ali wird einen guten Preis dafür bezahlen.«
»Das ist doch jetzt nicht wahr!« Ich sah die Panik in Pauls Gesicht, die blanke Verzweiflung. Und erfreute mich daran.
»Bitte lächeln!« Das Blitzlicht der Kamera leuchtete auf. Bina hielt meinen Triumph auf einem Foto fest und Paul blinzelte geblendet umher.
»Wäre dann alles.« Ali drückte mir den Umschlag mit der Summe, die wir vereinbart hatten, in die Hand.
»Es war schön mit dir Geschäfte gemacht zu haben.«
Ali neigte den Kopf ein wenig und klimperte mit dem Schlüssel, dann huschte er die Stufen hinab und stieg in den Mercedes.
Paul stand perplex da. »Warum tust du mir das an?«
»Ich weiß wirklich nicht, was du meinst, Paul«, sagte ich, während ich Ali winkte, bevor dieser in seinem neuerstandenen Wagen davonsauste. Der andere Mann fuhr in dem Wagen, mit dem sie gekommen waren, hinterher.
»Du weißt, was mir dieses Auto bedeutet.« Paul funkelte mich an.
»Och, musst du jetzt weinen?« Bina presste sich an ihm vorbei in den Flur. »Wir können dich leider nicht nach Hause fahren. Wie du siehst, haben wir kein Auto.«
Pauls Oberlippe zuckte vor Wut. »Das wird dir noch leidtun, Elisabeth!« Er hob drohend den Finger. Bevor ich ihm etwas erwidern konnte, hatte Bina ihm schon die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Ich atmete durch. Den Racheplan an Paul Stück für Stück abzuarbeiten verschaffte mir nicht nur ein Gefühl der Genugtuung, es war wie eine Liste, die ich vor meiner Abreise nach Korfu abhaken wollte. Und ich war noch lange nicht am Ende. Mit der Unterstützung meiner Schwester würde ich alles verschleudern, dem Paul während unserer Ehe mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte als mir.
Nur zwei Monate später, im Mai, war es so weit. Wir saßen tatsächlich im Flieger nach Korfu – und das ohne im Besitz eines Rückflugtickets zu sein. Zwei Koffer und Barnabas, der im Frachtraum auf die Landung wartete, waren alles, was ich aus dem alten Leben ins neue mitgenommen hatte. Um den Verkauf des Hauses würde sich Peer kümmern. Ein bisschen wehmütig blickte ich auf die Wolken, die sich unter uns lichteten. Auf das Land, in dem ich noch bis vor wenigen Monaten dachte, wunschlos glücklich zu sein. Auf mein perfektes Leben, in dem vermeintlich alles nach Plan verlaufen war. Jetzt ließ ich es hinter mir.
»Meinst du, Barnabas geht es gut?«, fragte ich Bina. Der Mops-Rüde war für mich wie ein Kind und in der schweren Scheidungsphase war er außerdem mein bester Freund geworden.
»Na klar! Der pennt wahrscheinlich den ganzen Flug über.« Bina machte sich selten Sorgen. Dafür beneidete ich sie. Ich stellte es mir schön vor, sich nicht ständig Gedanken machen zu müssen. Mein Kopf ließ sich nicht so einfach abschalten. In Binas Nähe fiel es mir jedoch etwas leichter, die Dinge gelassener zu sehen. Ihre optimistische Art war ansteckend. Sie scherte sich nicht darum, was Leute über sie sagten und begegnete jedem mit schonungsloser Aufrichtigkeit. Vielleicht war das der Schlüssel zur inneren Ruhe, den ich für mich noch finden musste.
Bina hatte diesen nicht nur längst in der Tasche, sie hatte auch ein ausgesprochenes Talent dafür, die Dinge in die Hand zu nehmen, bei denen ich nicht einmal wusste, wo ich beginnen sollte. Klar, es war meine Idee gewesen den Neustart auf Korfu zu wagen, schließlich war es ja mein Traum, doch Bina hatte sich ihm ohne zu zögern angeschlossen. Seit der Plan feststand, hatte sie ihre Beziehungen spielen lassen - die sie erstaunlicherweise so ziemlich überall hatte. Ich hinterfragte gar nicht, warum dies so war. Bina hatte bewirkt, dass wir Ansprechpartner für sämtliche Belange auf Korfu hatten - zumindest auf dem Papier. Außerdem hatte sie eine Liste erstellt. Die zwar nur sie allein lesen konnte (meine Schwester hatte eine furchtbare Handschrift), aber allein die Tatsache, dass sie sich diese Arbeit gemacht hatte, ließ mich etwas weniger aufgeregt in unsere Zukunft auf der griechischen Insel blicken.
Endlich landete der Flieger und wir eilten im Schneckentempo hinaus.
»Da wären wir!«, kommentierte Bina die Situation. Ich setzte auf die Gangway über und nahm einen tiefen Atemzug. Die aufgehende Sonne tauchte den Flughafen in orangerote Farben. Bina schlang einen Arm um meine Schulter und drückte mich ein wenig. »Toll, oder?«
Ich nickte gerührt. »Ich bin bereit!«, stieß ich entschlossen hervor. Es war ein ergreifender Augenblick. Ich spürte das Neue, das Abenteuer, das bereits auf uns wartete.
»Das freut uns wirklich!«, murrte der Passagier hinter uns. »Würden Sie dann endlich weitergehen, damit auch der Rest aussteigen kann?«
Obwohl er diesen wertvollen Moment unterbrochen hatte, warf ich ihm einen beschwichtigenden Blick über die Schulter zu.
»Bleib mal locker, Opi!«, zischte Bina, die meine Harmoniesucht noch nie geteilt hatte.
Ohne mich weiter beirren zu lassen, setzte ich meinen Weg in die Freiheit fort. Sicher rührte die Unsensibilität des Mannes davon, dass er den Schritt in die Selbstverwirklichung noch vor sich hatte. Als er uns an der Gepäckausgabe überholte, tat er mir sogar etwas leid. Der Mann war locker an die sechzig. Andererseits glaubte ich fest daran, dass es nie zu spät war, neu anzufangen.
»Ich dachte, du hättest das Auto von zu Hause aus gemietet«, murrte ich, als mir die Frau hinter dem Mietwagen-Schalter entschieden zu lange auf ihrer Tastatur herumtippte.
»Habe ich auch!«, antwortete Bina und schmatzte ihren Kaugummi.
Die Mundwinkel der Frau bogen sich nach unten und ich ahnte Schlimmes.
»Lassen Sie mal sehen!« Bina verrenkte sich, um auf den Bildschirm linsen zu können. Die Frau warf ihr einen bösen Blick zu und drehte den Bildschirm in die andere Richtung.
»Ah, hier ist etwas«, sagte sie endlich in gebrochenem Deutsch.
Ich entspannte mich.
»Auf den Namen SCHARF?«
»Schaaf«, korrigierte ich die Dame. »Nicht scharf!«
Sie machte schmale Augen. »Schaf.«
Bina nickte heiter. »Aber nicht wie Ziege.«
»Mit zwei A in der Mitte.«
Die Frau ließ ein erleuchtendes »Ah« hören, haute wieder in die Tasten und wurde offensichtlich fündig. »Hier habe ich die Buchung«, sagte sie überfreundlich. »Ein Mercedes E-Klasse auf den Namen Scharf.«
»Schaaf! Nicht scharf«, reagierte Bina und las das Schild unterhalb des Kragens der Angestellten. »Thula!« Bei dem Versuch den Nachnamen zu lesen, kniff sie die Augen zusammen. »Anatotodolikotopo… ach, wie auch immer.«
»Moment mal«, griff ich ein. »Du hast eine Limousine gebucht?«
Bina zog grübelnd einen Mundwinkel zur Wange. »Ähm, nicht dass ich wüsste.« Sie wandte sich stirnrunzelnd an die Frau. »Thula, also ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor.« »Meine Schwester hat einen Suzuki Splash von Deutschland aus gemietet«, gab ich zu verstehen.
Thula sah uns kurz über die Gläser ihrer schwarzen Brille hinweg an, dann ließ sie ihre Finger wieder über die Tastatur fliegen. Kurz darauf lächelte sie breit. »Hier steht eindeutig Mercedes.«
»Okay, dann würden wir gerne einen anderen Wagen leihen.«