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Eigentlich glaubt Elisabeth, dass sie ein beständiges Leben führt. Umso überraschter ist sie, als Paul ihr nach über zehnjähriger Ehe die Scheidungspapiere vorlegt. Frustriert flüchtet sie sich in die Welt der schillernden Sissi Filme. Bis sie die Geschichte über die Kaiserin von Österreich auf eine einschlagende Idee bringt: Ein Café im Wiener Stil auf Korfu. Zusammen mit ihrer Schwester Bina und Mops-Rüde Barnabas wagt sie den Neuanfang auf der grünen Insel. Doch von den Korfioten werden die beiden Frauen mit ihrer ungewöhnlichen Geschäftsidee nur belächelt. Die Inselbewohner scheinen keinen Geschmack an Apfelstrudel und heißer Schokolade zu finden. Und dann mischt sich auch noch Ilias, vom Restaurant nebenan, ein und der bringt nicht nur den Laden durcheinander, sondern auch Elisabeth, die den Männern doch für immer abgeschworen hatte.
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Seitenzahl: 223
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Kurzbeschreibung:
Eigentlich glaubt Elisabeth, dass sie ein beständiges Leben führt. Umso überraschter ist sie, als Paul ihr nach über zehnjähriger Ehe die Scheidungspapiere vorlegt. Frustriert flüchtet sie sich in die Welt der schillernden Sissi Filme. Bis sie die Geschichte über die Kaiserin von Österreich auf eine einschlagende Idee bringt: Ein Café im Wiener Stil auf Korfu. Zusammen mit ihrer Schwester Bina und Mops-Rüde Barnabas wagt sie den Neuanfang auf der grünen Insel. Doch von den Korfioten werden die beiden Frauen mit ihrer ungewöhnlichen Geschäftsidee nur belächelt. Die Inselbewohner scheinen keinen Geschmack an Apfelstrudel und heißer Schokolade zu finden. Und dann mischt sich auch noch Ilias, vom Restaurant nebenan, ein und der bringt nicht nur den Laden durcheinander, sondern auch Elisabeth, die den Männern doch für immer abgeschworen hatte.
Claudia Romes
Liebe lieber Griechisch
Roman
Edel Elements
Edel ElementsEin Verlag der Edel Germany GmbH
© 2018 Edel Germany GmbHNeumühlen 17, 22763 Hamburg
www.edel.com
Copyright © 2018 by Claudia Romes
Lektorat: Cathérine Fischer
Korrektorat: Raiko Oldenettel
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Ashera Agentur
Covergestaltung: Marie Wölk, Wolkenart
Konvertierung: Datagrafix
Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.
ISBN: 978-3-96215-130-0
www.facebook.com/EdelElements/
www.edelelements.de/
Kapitel eins
Kapitel zwei
Kapitel drei
Kapitel vier
Kapitel fünf
Kapitel sechs
Kapitel sieben
Kapitel acht
Kapitel neun
Kapitel zehn
Kapitel elf
Kapitel zwölf
Kapitel dreizehn
Kapitel vierzehn
Kapitel fünfzehn
Kapitel sechszehn
Kapitel siebzehn
Kapitel achtzehn
Kapitel neunzehn
Kapitel zwanzig
Kapitel einundzwanzig
Kapitel zweiundzwanzig
Kapitel dreiundzwanzig
Für meine Mutter und all die starken Frauen da draußen.Es ist nie zu spät für einen Neuanfang.
Sorgfältig legte ich die Roggentoastscheiben im Brotkorb zurecht, stellte ein weich gekochtes Ei neben Pauls Teller und schenkte den frisch gepressten Grapefruitsaft ein.
»Kaffee dazu?«, fragte ich, bevor ich mich ihm gegenüber an den Tisch setzte.
»Nein«, nuschelte Paul hinter seiner Zeitung hervor.
Ich setzte mich.
»Ähm, doch«, korrigierte er sich, als ich gerade mein Brötchen aufschneiden wollte.
Leise schob ich den Stuhl zurück und ging zur Kaffeemaschine. »Heute ist Flohmarkt in der Altstadt«, merkte ich an, während ich das Pulver in den Filter löffelte.
»Ach wirklich?« Paul ließ einen genervten Seufzer hören, ohne von seiner Zeitung aufzusehen.
»Ich habe gedacht, vielleicht könnten wir ja zusammen hingehen.« Ein weiterer Versuch ihn dazu zu bewegen, sich wieder mal mit seiner Frau in der Öffentlichkeit zu zeigen. Seit Wochen schlug er sämtliche Vorschläge für gemeinsame Unternehmungen aus.
»Du weißt, dass ich keine Schwäche für den alten Kram von Fremden habe.«
»Wir müssen ja nichts kaufen«, schlug ich vor, obwohl ich seine Meinung in diesem Punkt nicht teilte. In der Vergangenheit hatte ich schon so manchen Schatz auf einem Flohmarkt entdeckt, darunter eine Erstausgabe von Moby Dick und eine Spieluhr mit einer niedlichen Balletttänzerin aus Porzellan.
»Mich zieht es dort trotzdem nicht hin«, grummelte Paul.
»Wir könnten ja auch etwas anderes machen. Ich habe dich die ganze Woche über kaum gesehen und heute ist Sonntag. Findest du nicht auch, dass wir zu wenig Zeit miteinander verbringen?«
Er blickte mich über den Rand seiner Zeitung hinweg an und schluckte hörbar. »Genau das ist das Problem. Elisabeth, du solltest dich setzen.«
Seine Stimme klang ungewohnt ernst, also tat ich, was er sagte, und nahm ihm gegenüber Platz.
»Ich möchte mich verändern.«
»Denkst du dabei an eine berufliche Veränderung?« Ich unterdrückte ein verfrühtes Lächeln. Sollte er sich etwa endlich dazu durchgerungen haben, den Plan einer eigenen Kanzlei anzugehen? Bis vor wenigen Jahren sprach er von nichts anderem und ich hatte ihn immer in diesem Wunsch bestärkt.
Das Rascheln der Zeitung übertönte mein freudiges Glucksen.
»Ich habe nachgedacht«, begann Paul und legte die Zeitung neben seinen Teller.
Erwartungsvoll horchte ich auf. Bereit alles zu tun, um ihn auf seinem Weg in die Selbstständigkeit zu unterstützen. Unserem Weg, verbesserte ich meine Gedanken.
Paul räusperte sich. »Die Art Veränderung, die ich meine, ist keine berufliche.«
»Raus mit der Sprache«, forderte ich. »So schlimm kann es schon nicht sein.«
Ich hatte ja keine Ahnung.
»Ich hab da was für dich.« Paul stand auf und ging in sein Arbeitszimmer. Kurze Zeit später kehrte er zurück, mit einer Akte in der Hand.
Gedanklich ging ich die Möglichkeiten durch. Vielleicht will er den Porsche gegen ein neues Modell austauschen oder es ist die Finca auf Mallorca – die ist ja schon lange in der Planung. Sicher ist es die Finca. Das Bild einer mediterranen Villa in unmittelbarer Nähe zum türkisblauen Meer schob sich vor mein inneres Auge und ich seufzte schwelgend.
Mit ernstem Gesichtsausdruck reichte mir Paul die Akte.
Gespannt nahm ich sie an mich. »Was das wohl sein mag.«
»Ich habe es mir gründlich überlegt …« Paul faltete die Hände vor sich.
Neugierig schlug ich das Schriftstück auf und erstarrte augenblicklich.
»Und ich denke, dass es für uns beide das Beste ist …«
Kein Porsche, keine Baupläne für die Finca. Fassungslos hob ich den Kopf vom Papier und schaute meinen Ehemann an. »Was hat das zu bedeuten?«
»Elisabeth!« Er seufzte übertrieben. »Du bist eine tolle Frau, aber du lässt mir einfach keine Freiheiten und ich kann, nein, ich will so nicht mehr leben.«
»Das hier sind Scheidungspapiere!«, brachte ich mühsam hervor. Ich blätterte eine Seite weiter. »Hier ist alles aufgeführt. Unser gesamter gemeinsamer Besitz.« Wieder blickte ich auf. Eine vollzählige Liste unserer Güter, nichts fehlte, genau so, wie ich es von Paul, dem Anwalt, gewohnt war. Aber was hatte dieser kaltherzige Jurist mit meinem Mann zu tun? Ich erkannte ihn nicht wieder.
»Ich war mit der Verteilung überaus großzügig«, räumte Paul ein. »Sieh hier«, er kam an meine Seite, fuhr kurz mit der Zungenspitze über seinen Daumen und blätterte durch die Dokumente, »du bekommst das Haus.« Er sah mich an, als erwartete er so etwas wie: »Oh ja, dann …« von mir. Als ob ich seine Entscheidung dadurch gelassener hinnehmen würde. Ich war sprachlos, unfähig ihm auch nur irgendetwas zu erwidern.
»Die Autos nehme ich. Schließlich laufen die ja auf die Firma.«
»Was soll das heißen, du nimmst die Autos?« Ich fühlte mich wie überfahren.
»Na, dafür wirst du doch Verständnis haben. Außerdem … du fährst doch sowieso lieber mit dem Fahrrad.«
Verständnis? Verlangte er tatsächlich von mir, dass ich ihm Verständnis entgegenbrachte? »Und wie soll ich ohne Auto einkaufen? Oder irgendwohin kommen, außerhalb der Vorstadt?«
»Du wirst schon eine Möglichkeit finden«, antwortete Paul ungerührt. »Ehrlich gesagt, ist mir das vollkommen gleichgültig.«
Ich kam mir vor, als wäre ich im falschen Film. Mir saß der Schrecken so tief, dass die Papiere einfach aus meinen Händen glitten. Verknautscht landete die Akte mit der Schriftseite nach unten auf dem Parkett. Ruckartig stand ich auf, fächerte mir mit Pauls Zeitung Luft zu und ging einige Schritte durch die Küche.
»Den Hund behältst du natürlich auch. Er würde eh nicht freiwillig mit mir gehen.«
Scheinbar hatte er alles genau durchdacht. Mein mitleidiger Blick fiel auf unseren Mops-Rüden, der alle Viere von sich gestreckt, rücklings in seinem Körbchen schlummerte. Barnabas hatte Paul noch nie gemocht. Für ihn wäre er also kein großer Verlust. Aber was würde aus mir werden? Die Rolle der verlassenen Ehefrau würde mir nicht stehen. Darauf war ich nicht vorbereitet. Das war so nicht geplant! Ich hatte geglaubt, dass Paul und ich für immer zusammenbleiben würden, hatte mir bereits einen Baum in einem Friedwald angesehen, unter dem wir eines Tages gemeinsam beerdigt werden sollten. Und jetzt? Wie konnte er mir das nur antun? Ich kämpfte mit den Tränen.
»Seit wann weißt du es schon?« Ich sah auf die Akte zu meinen Füßen und funkelte sie an, als wäre sie das Werk des Teufels persönlich. Darin steckte keine Arbeit, die man mal eben so vor dem Frühstück erledigte. Ich schätzte grob: »Seit Wochen? Monaten?« Ich brüllte es ihm förmlich entgegen, sodass er zusammenzuckte. Sich räuspernd bückte er sich nach den Dokumenten und sah mich anschließend reumütig an, aber sein Blick ging einfach durch mich hindurch. Er traute sich nicht, mir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Seine Augen waren irgendwie leer, als hätte er unsere Ehe längst abgeschrieben.
»Seit einiger Zeit«, räumte er ein, dabei bügelte er die Eselsohren, die der Aufprall den Scheidungspapieren zugefügt hatte, mit seinen Fingern glatt.
»Und warum jetzt?« Meine Stimme klang kreischend. »Wieso in Gottes Namen hast du nicht einfach mit mir darüber geredet? Jetzt stellst du mich vor vollendete Tatsachen. Überfällst mich mit der Scheidung, die du offensichtlich bereits bis ins kleinste Detail durchgeplant hast.«
»Tut mir leid«, sagte er leise. Er hatte noch nie damit umgehen können, wenn ich ihn kritisierte, was nur äußerst selten vorgekommen war. Obwohl er mir in den zehn Jahren unserer Ehe genug Gründe gegeben hätte. Ganz die treu sorgende Ehefrau hatte ich meine Kritik an ihm, Mal für Mal, heruntergeschluckt. Als er es sich angewöhnt hatte, nach dem Duschen sein nasses Handtuch aufs Bett zu werfen, habe ich geschwiegen. Ich nahm es hin, dass er das Waschbecken ständig unter einer Schicht Bartstoppeln vergrub, und habe tagtäglich seine schmutzigen Socken unter dem Bett hervorgeholt, ohne auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren. Im Laufe der Jahre hatte er mir wirklich genug Anlässe gegeben, zu explodieren, aber ich habe nichts gesagt. Nichts. Nie! Jetzt kam ich mir lächerlich vor.
»Du bist immer so verbohrt.« Paul verschränkte die Hände vor der Brust und schüttelte den Kopf, als wäre ich eine Furie, die ihm sein Leben nur unnötig erschwerte. »Ich kann das jetzt einfach nicht mehr. Ich bin es leid, immerzu auf dich Rücksicht nehmen zu müssen.«
Jetzt war das Maß voll. Ich merkte, wie die Wut meine Wangen zum Glühen brachte. »Du und Rücksicht nehmen? Dass ich nicht lache. Ich bin doch diejenige, die dir immer alles recht macht!«
Er winkte ab und stürmte in den Flur, wo er seinen Mantel vom Haken zerrte. Ich folgte ihm, ohne zu wissen, wie ich ihn aufhalten sollte.
»Es ist vorbei, Elisabeth.« Er riss die Haustür auf. Wie versteinert stand ich da. »Besser du findest dich damit ab.« Paul eilte die Auffahrt hinunter, stieg in seinen Wagen und startete den Motor. Ich blieb wie gelähmt im Türrahmen stehen. Fassungslos blickte ich ihm nach, wie er davonrauschte, so lange, bis er nicht mehr zu sehen war.
War das wirklich gerade passiert? Barnabas näherte sich mir mit watschelndem Gang. Die Steuermarke traf dabei mit jedem Schritt klirrend auf sein Geschirr. Gähnend quetschte er sich zwischen meine Beine und betrachtete mich anschließend ratlos.
»Ach Dicker«, brachte ich mit jammervoller Stimme hervor. Ich sah zu ihm herab und unterdrückte ein Schluchzen. Wie in Zeitlupe schloss ich die Tür. Dahinter sank ich erst einmal auf meine Knie und weinte in das seidige Mopsfell. »Was sollen wir denn jetzt nur machen?«
Barnabas gab ein zaghaftes Jaulen von sich, als ich mich an ihn klammerte. Für mich brach eine Welt zusammen. Alles, wovon ich noch bis vor wenigen Minuten überzeugt gewesen war, war mit meinem Mann zur Tür hinaus verschwunden. Einfach so.
Mit sechsunddreißig, ohne Kinder, stand ich da, zurück auf null.
Als das Telefon klingelte, dämmerte es bereits. Es unterbrach meinen Putzmarathon, den ich seit dem Morgen lethargisch ausführte. Hastig schaute ich in das faltige Hundegesicht vor mir. »Das ist bestimmt das Herrchen!«, raunte ich, legte den Schwamm beiseite und streifte ungeduldig die Gummihandschuhe ab. »Sicher will er sich entschuldigen. Wirst schon sehen.«
»Hallo?«, meldete ich mich wie berauscht.
»Warum dauert das so lange, bis du abnimmst?«
Meine Euphorie verpuffte, denn es war nicht Paul.
»Hallo Mutter. Was gibt’s?«, fragte ich wenig interessiert.
»Ich wollte dir nur sagen, wie herrlich es auf Gran Canaria ist.«
»Schön.«
»Und mit Juan ist alles so umwerfend.«
»Mmh.«
»Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal so viel Spaß hatte. Weißt du, neulich Nacht, da hat er mich einfach so …«
»Tut mir leid, aber ich habe jetzt überhaupt keine Zeit zum Telefonieren!«
»Was kann wichtiger sein als deine Mutter?«
Nun, so ziemlich alles, dachte ich. »Ich warte auf einen Anruf von Paul.«
»Paul? Aber es ist doch Sonntagabend. Ist er etwa schon wieder auf Geschäftsreise?«
»So was Ähnliches.«
Sie sog lautstark Luft ein. »Ihr habt euch doch nicht etwa gestritten?«
»Aber nein«, log ich.
»Er hat bestimmt eine andere.«
»Unsinn.« Ich schluckte. »Ich leg jetzt auf.«
»Aber Elisabeth …«
Ich drückte auf den roten Hörer und stellte das Telefon zurück in die Ladestation. Unwillentlich dachte ich über die Wahrscheinlichkeit nach, dass meine Mutter ausnahmsweise mal recht haben könnte. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und stellte mir die Frage aller Fragen: War es möglich, dass Paul eine Affäre hatte?
»Nein!« Ich schüttelte entschieden den Kopf.
»Nein«, sagte ich nun mit einem leicht zweifelnden Unterton. »Aber es schadet ja nicht, mich zu versichern«, murmelte ich schulterzuckend. Barnabas folgte mir in den Keller, wo die Waschmaschine stand. Vor dem Korb mit der Schmutzwäsche ging ich in die Knie. Eigentlich wären die Sachen längst gewaschen und gebügelt in Pauls Schrank, hätte mich der Streit mit ihm heute Morgen nicht völlig aus dem Konzept gebracht. Durcheinander wie ich war, hatte ich gegen meine Gewohnheit zuerst mit den Putzarbeiten begonnen, die noch dazu eigentlich erst für Montag vorgesehen waren. Ich stand neben mir, das war eindeutig.
»Na dann.« Akribisch wühlte ich in dem kleinen Berg Unterwäsche, streng riechender Socken und Barnabas Hundedecke, die eine Reinigung bitter nötig hatte.
»Bingo!«, sagte ich, als ich Pauls Lieblingshemd hervorkramte, das er während seiner Überstunden am Freitag getragen hatte. Rasch breitete ich es auf dem Boden aus und besah es gründlich. Nichts! Ich sank erleichternd seufzend auf die Fersen. Keine auffälligen Flecken. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Blöd von mir, ausgerechnet auf meine Mutter zu hören. Ich schnappte mir das Hemd, stemmte mich auf die Beine und füllte die Waschmaschine. Als ich das Hemd gerade zu den anderen Sachen stecken wollte, kräuselte ich die Nase. Da war ein ekelhaft süßlicher Geruch. Zaghaft schnupperte ich am Kragen und zuckte gleich darauf zusammen. Es war unumstößlich – der Duft eines billigen Parfums ging von diesem Hemd aus. »Das kann nicht sein«, wisperte ich schockiert und mein angeschwellter Herzschlag drohte, mich umzuwerfen. Ich lief nach oben und aus der Tür und schmiss das Hemd in die Tonne vor dem Haus, als wäre es radioaktiv verseucht. Eine Weile starrte ich auf die Mülltonne, wartend auf eine Erleuchtung. »Das beweist gar nichts«, beruhigte ich mich und ging wieder hinein. Barnabas saß auf dem Treppenabsatz und beäugte mich neugierig. Leise schloss ich die Tür und tätschelte seinen Kopf im Vorbeigehen. »Wir stehen das durch«, sagte ich entschlossen. »Wir haben schon einiges zusammen erlebt. Das wirft er nicht einfach weg. Du wirst sehen, Herrchen wird schon bald wieder zu Hause sein.«
Ich war sicher, dass Paul von sich hören lassen würde, also verbrachte ich die Nacht auf der Couch. Mein schnarchender Mops leistete mir Gesellschaft. Gesüßtes Mikrowellenpopcorn und die ungeschnittene Version von Sissi – Mädchenjahre einer Kaiserin, sorgten dabei für die notwendige Normalität. In regelmäßigen Abständen schaute ich auf die Uhr und zwang mich standhaft zu bleiben. Ich würde ihm auf keinen Fall hinterhertelefonieren. Er war schließlich einfach so auf und davon, also war es jetzt an ihm, sich bei mir zu entschuldigen. Um zweiundzwanzig Uhr war ich noch fest überzeugt, dass Paul jeden Augenblick die Tür aufschließen würde, um mich reuig um Vergebung zu bitten. Wir würden tabulosen Versöhnungssex haben und aneinandergeschmiegt einschlafen, so wie es früher war, wenn wir uns gestritten hatten. Ich erlaubte mir also, vorsorglich die Flasche Dom Pérignon zu öffnen, die er für besondere Anlässe aufgespart hatte, kramte die Duftkerzen aus dem Schrank und stellte zwei Sektgläser bereit. Die Uhr tickte gnadenlos vor sich hin. Mittlerweile hatte Franzl Nene abserviert und sich, gegen den Willen seiner Mutter, zu seiner Liebe zu Sissi bekannt. Was für ein Mann! Ich füllte mein Glas und trank den Champagner in einem Zug aus. Barnabas lag auf dem Rücken, die Zunge hing zur Seite aus seinem Mundwinkel und er sabberte auf eins der grünen Satinkissen, die wir von Pauls Mutter zu Weihnachten bekommen hatten. Paul würde durchdrehen, wäre er jetzt hier. War er aber nicht und ich würde den Teufel tun und mein Möpschen in seinem friedlichen Schlaf stören. Mittlerweile war ich so in Rage, dass ich das Kissen nur noch weiter unter sein Maul schob. Ja, tränk es nur ordentlich voll, dachte ich und schüttete ein weiteres Glas hinunter. Und dann kam der Moment: Ich konnte dem Drang nicht länger widerstehen, schnappte mir mein Handy und wählte Pauls Nummer. Doch es meldete sich nur seine Mailbox. Schnaubend sank ich in die Lehnen. Die Flasche leerte sich unterdessen wie von selbst und ich spürte eine unerwartete Leichtigkeit, während ich Barnabas den Rücken kraulte und die Dialoge der Filmreihe mitsprach. Gegen Mitternacht betrat Sissi im Hochzeitskleid die Wiener Augustinerkirche. Der Champagner war ausgetrunken und ich verfolgte mit müden Augen den Abspann des Films. Noch immer kein Lebenszeichen von Paul. Womöglich war ihm etwas zugestoßen! Nein, allmählich begann ich der Tatsache ins Auge zu sehen, dass er bei jemand anderem war. Schniefend zog ich mir die Decke über die Schultern und kuschelte mich neben Barnabas.
Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, flimmerte der Fernsehbildschirm noch. Es schellte an der Tür und ich erhob mich, so schnell es nach einer einsam durchzechten, sorgenvollen Nacht ging, vom Sofa. Die Flasche Dom Pérignon rollte über den Fußboden, nachdem ich fast über sie gefallen wäre.
»Ich komme!«, rief ich auf meinem beschwerlichen Weg über den Flur. Es klingelte erneut. Ich riss die Haustür auf.
»Guten Morgen!«, säuselte eine vertraute Stimme.
Ich blinzelte ins Licht der aufgehenden Sonne, die Anja von hinten anstrahlte, als wäre sie ein Engel.
»Morgen Anja. Komm rein.« Ich rieb mir die Augen.
Sie sah mich mit hochgezogenen Brauen an, bevor sie den Flur betrat. Ich gab der Tür hinter ihr einen Schubs und kratzte mich am Hinterkopf.
»Du siehst ja furchtbar aus!«, bemerkte sie mit erschrockener Miene.
»Na ja, ich hab eine ziemlich schlimme Nacht hinter mir.« Ich warf einen Blick in den Spiegel, der neben der Garderobe hing, und zuckte kurz zusammen. Das lange blonde Haar stand mir zu allen Seiten, ich hatte tiefe Ränder unter den Augen und mein normalerweise lupenreiner weißer Hausanzug war fleckig von Schaumweinspritzern und verlaufener Mascara. Anja betrachtete mich immer noch leicht verschreckt.
»Das ist nur Pauls Pérignon und Wimperntusche«, stellte ich klar und deutete auf die Flecken im Stoff. Ich schlurfte ins Wohnzimmer. »Ich hoffe nur, dass ich die Flecken wieder rauskriege.«
»Ähm, ja.« Anja folgte mir. »Ist Paul denn schon da?«
»Nein«, antwortete ich leidig und setzte mich im Schneidersitz aufs Sofa. Barnabas lag immer noch wie komatös da. Man hätte meinen können, er habe sich in der vergangenen Nacht mit mir betrunken.
»Ah.« Anja räusperte sich verschlagen.
»Setz dich doch«, sagte ich. »Was ist denn los? Du wirkst ja total angespannt.«
»Tja, ich …« Sie nahm mir gegenüber auf dem Sessel Platz, wobei ihr Oberkörper jedoch starr wie ein Brett blieb.
Gedanklich versuchte ich den gestrigen Tag zu rekonstruieren und stieß dabei auf ein heikles Detail. »Hab ich dir eigentlich gesagt, dass Paul nicht nach Hause gekommen ist?«
Anja nahm einen tiefen Atemzug, dabei wich sie meinem Blick gezielt aus.
»Wir hatten einen kleinen Streit«, erklärte ich, denn ich wusste nicht mehr, ob ich ihr noch geschrieben hatte. Irgendwie waren meine Erinnerungen ab Sissis Ischl-Aufenthalt etwas lückenhaft.
»Dann hat er es dir also noch nicht gesagt?« Anja sah mich mit scheuem Blick an.
Rasch überlegte ich und stellte fest, dass ich keine Ahnung hatte, was sie meinte.
Plötzlich ging die Tür auf und ich sprang vom Sofa. Erleichtert über Pauls Rückkehr, sprintete ich ihm auf dem Flur entgegen. »Paul! Du bist wieder da!«
»Ja«, befand er trocken und schaute einfach an mir vorbei. »Ich bin nur hier, um meine Sachen zu holen.«
»Deine Sachen?«
»Ja, meine Sachen. Elisabeth, das, was ich gestern gesagt habe, war mein Ernst. Ich will die Scheidung.«
Meine Wiedersehensfreude war zerschlagen. Ich stand stocksteif da und versuchte meine Bestürzung krampfhaft hinunterzuschlucken. Paul ging an mir vorbei, die Treppe hinauf und ins Schlafzimmer. Fassungslos starrte ich ihm nach. Anja kam aus dem Wohnzimmer zu mir. Sie legte den Arm um mich und drückte mich leicht an sich.
»Das kann er doch nicht machen«, jammerte ich. »Was habe ich denn falsch gemacht?«
»Gar nichts!«, sagte sie tröstend. »Manchmal ist es aber besser so – für beide.«
»Hast du meine rote Satinkrawatte gesehen?«, rief Paul aus dem Schlafzimmer.
»Sie ist in der Schublade.« Ich schluchzte. »Unten rechts«, fügte ich mit bibbernder Stimme hinzu.
»Ah ja.«
Ich hörte das Klicken seines Kofferschlosses, kurz darauf trabte Paul die Treppe wieder hinunter, in der Hand seinen krokodilfarbenen Trolley. Auf halber Strecke schaute er auf und hielt inne. »Oh, Anja.«
»Paul!«
Er nahm die letzten Stufen und parkte den Trolley vor uns.
»Dann habt ihr über alles geredet«, stellte er fest. »Das ist gut.« Er legte mir mitleidig eine Hand auf die Schulter. »Lies dir die Papiere in Ruhe durch. Ich bin sicher, wir werden uns einig.« Er sprach mit mir, als wäre ich eine seiner Klientinnen. Als würde es hier nicht um unsere zehnjährige Ehe gehen, sondern um unbezahlte Strafzettel.
»Ich glaube, ich lasse euch jetzt besser allein.« Anja löste sich von mir. Ich schenkte ihr ein dankbares Lächeln – ach, wie unersetzbar waren doch beste Freundinnen in Situationen wie dieser. Anja ging zur Tür hinaus und Paul und ich standen einander gegenüber. Er wich meinem Blick aus, nahm seine Jacketts vom Haken und legte sie feinsäuberlich über seinen Koffer.
»Wie kannst du zehn Jahre einfach so wegschmeißen?«, brach es aus mir heraus. Ich wollte ihm keine Szene machen, aber die Worte hatten sich von ganz allein aus mir herausbewegt.
»Das tue ich nicht«, sagte er matt. »Wir hatten auch schöne Zeiten.«
Ich verstand ihn nicht. Es war, als würden wir plötzlich verschiedene Sprachen sprechen.
»Elisabeth, es ist einfach wichtig für mich, dass ich mich verändere. Ich brauche das jetzt.«
»Du brauchst das jetzt? Hast du dich jemals gefragt, was ich brauche?«
Er schnalzte mit der Zunge und neigte den Kopf. »Ich wünsche dir alles Gute!« Mit diesen Worten nahm er seinen Trolley und ging.
»Aber, wo wirst du denn jetzt wohnen?«, rief ich ihm nach.
Er hatte die Tür bereits geöffnet, als er sich halb zu mir umdrehte. »Na, wo wohl?«
Ich zuckte die Achseln.
»Bei Anja natürlich.«
Mir blieb das Herz stehen. Mein Mund öffnete sich selbstbeständig und blieb so, als wäre ich ein um Luft ringender Karpfen.
»Mach’s gut!« Er zog die Tür hinter sich zu. Durch das kleine Fenster darin sah ich, wie Anja ihn auf dem Bürgersteig vor unserem Haus in die Arme schloss. Meine Freundin Anja und mein Paul. Das konnte nicht sein. Mir war schwummrig zumute. Ich verlor das Gleichgewicht und sank in mich zusammen.
Erst als Barnabas’ schlabbrige, feuchte Zunge über mein Gesicht fuhr, kam ich wieder zu mir. Nur langsam realisierte ich, was geschehen war. Ich war verraten worden. Meine eigene Freundin hatte mich mit meinem Mann hintergangen und ich hatte es nicht einmal geahnt. Wie bescheuert konnte man sein? Heulend hastete ich in die Küche und durchsuchte sie nach zuckerhaltigen Lebensmitteln. Verzweifelt durchforstete ich die Schränke, ohne auf etwas zu stoßen, das meinen Kummer auch nur annähernd mildern konnte. Seit Pauls Cholesterinwerte grenzwertig waren, hatte ich meine Einkaufsangewohnheiten komplett umgekrempelt. Jetzt bereute ich das! Meine Seele verlangte nach Hochkalorischem, nach Ungesundem und die Tatsache, dass nichts griffbereit war, trieb mir nur noch mehr Tränen in die Augen. »Dem Himmel sei Dank!«, rief ich aus, nachdem ich mich kopfüber in die Kühltruhe gestürzt und dort tatsächlich etwas entdeckt hatte. Die Familienpackung Karamell-Vanilleeiscreme hatte ich wohl beim Ausmisten übersehen. Mindestens haltbar bis Dezember 2016 – seit einem Jahr und drei Monaten abgelaufen – egal. Ich riss den Deckel herunter und schaufelte die sahnige Masse in mich hinein, ohne Rücksicht auf etwaig folgende Magenschmerzen oder Speckrollen. Wen kümmerte das jetzt noch?
In den darauffolgenden Tagen tat ich nichts weiter, als vor dem Fernseher zu sitzen und ungesundes Zeug in mich hineinzufressen, das ich im Eilverfahren im Supermarkt besorgt hatte. Vermutlich wäre das ewig so weitergegangen, wäre meine Schwester nicht eines Tages aufgetaucht.
Es klingelte schon zum dritten Mal an der Tür, als ich mich endlich aufraffte.
»Elisabeth! Mach auf. Sonst trete ich die Tür ein«, hörte ich Bina vor der Tür, in ihrer gewohnt feinfühligen Art.
»Wenn du nicht öffnest, muss ich die Polizei rufen. Bist du tot? Wegen dir ruft mich Brigitte die ganze Zeit an. Sie kann dich nicht erreichen. Du weißt, wie ich es hasse, wenn sie mich nervt. Es wäre also besser für dich, wenn du schon tot wärst, sonst müsste ich dich jetzt dafür umbringen.«
Ich öffnete.
»Du bist also nicht tot!«
»Schockiert dich das?«
Sie schob sich hinein und schloss die Tür hinter sich, anschließend besah sie mich kritisch von Kopf bis Fuß.
»Na ja, du siehst aber auch nicht gerade aus wie das blühende Leben. Ist alles in Ordnung?«
Diese Frage konnte ich gerade gar nicht vertragen. Ich watschelte zurück ins Wohnzimmer. Und wieder brach in mir der Tränendamm. »Gar nichts ist in Ordnung. Paul hat mich verlassen.«
»Oh.« Bina hob die Augenbrauen, während der Rest von ihr völlig ungerührt blieb. Ich sank zurück in die Sofakuhle, die ich in den vergangenen Tagen sorgfältig angelegt hatte.
»Wann hat er dich denn verlassen?«
»Es war ein Sonntag«, antwortete ich mit bibbernder Unterlippe. Blind griff ich nach der Taschentuchpackung, zog eines heraus und schnäuzte mich.
»Na so was.« Bina schob Barnabas unsanft beiseite, ließ sich neben mich in den Sitz fallen und strich sich das kinnlange, grellrote Haar zurück. »Das hätte ich jetzt nicht gedacht.«
»Ja, dabei war der Sonntag doch immer unser spezieller Tag«, heulte ich.
Sie stöhnte genervt. »Das hab ich nicht gemeint. Ich hätte meinen Arsch darauf verwettet, dass du ihn irgendwann in den Wind schießt. Diesen langweiligen Kotzbrocken.«
Ich starrte sie schockiert von der Seite an. »Aber ich habe Paul geliebt.«
Wieder stöhnte sie auf. »Na, das versteh mal einer!«
»Was willst du überhaupt hier?«, hakte ich mit immer noch zittriger Stimme nach.
»Glaub mir, ich könnte mir auch Schöneres vorstellen, als hier zu sitzen und dir dabei zuzusehen, wie du wegen diesem Mistkerl die Flutschen hängen lässt, aber deine Mutter macht sich Sorgen.«
Ich zog die Nase hoch. Genau genommen war es auch Binas Mutter, aber Bina hatte überhaupt keinen Draht zu ihr, weshalb sie sie schlicht bei ihrem Vornamen nannte: Brigitte.
»Sie macht sich Sorgen?« Das überraschte mich. Für gewöhnlich kümmerte sich unsere Mutter um niemand sonst, als um sich selbst.
Bina zuckte die Schultern. »Wahrscheinlich ist sie wieder nur sensationslustig. Sie schien irgendetwas zu ahnen. Kannst du dir vorstellen, warum?«
Ich seufzte leidig. »Kann ich.«
Bina nickte.
Eine Weile saßen wir einfach nur da. Mein Blick glitt erneut ins Leere und der Schmerz überkam mich ein weiteres Mal. Tränen liefen meine Wangen hinab, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen konnte.