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"Ich denke, Heimat ist auch Ankommen bei den richtigen Leuten."
"Bei der richtigen Person."
Die 19-jährige Arwa ist gerade erst für ihr Studium nach Wien gezogen. Aber statt Freundschaften zu knüpfen, verliert sie sich in ihrer Kunst und meidet den Kontakt zu anderen, wo sie nur kann. Das ändert sich, als sie auf Tariq trifft, der vom ersten Augenblick an nie gekannte Gefühle in ihr weckt. Doch Tariq, dem es zunehmend schwerer fällt, die Traditionen seiner Familie mit dem Wunsch nach Freiheit zu vereinbaren, kämpft gegen seine eigenen Dämonen. Und je näher sich Arwa und Tariq kommen, desto klarer wird, dass ihre Liebe nur eine Chance hat, wenn sie sich ein für alle Mal ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft stellen ...
"Mit Like water in your hands schenkt uns Mehwish Sohail die Stimme der Vielfältigkeit und Sichtbarkeit, die uns solange gefehlt hat. Einblicke in Mental Health, die Angst vor den persönlichen Grenzen und die Suche nach Antworten münden in eine zarte Liebe voll widerstreitender Gefühle." DINABLOGSYOU
Die New-Adult-Trilogie von Mehwish Sohail:
1. Like water in your hands
2. Like words on your our skin (28. April 2023)
3. Like feathers between my ribs (24. November 2023)
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Seitenzahl: 572
Titel
Zu diesem Buch
Leser:innenhinweis
Widmung
Playlist
Bollywood Playlist
1. Teil
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
2. Teil
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
Epilog
Danksagung
Die Autorin
Die Romane von Mehwish Sohail bei LYX
Impressum
Mehwish Sohail
Like water in your hands
Roman
Als Arwa nach ihrem Schulabschluss zu ihrer Tante nach Wien zieht, hat sie viele Pläne: Sie will Physik studieren, die Stadt entdecken, Leute kennenlernen und Freundschaften schließen. Doch die Realität holt sie schneller ein, als ihr lieb ist. Wien ist viel zu groß und viel zu laut, und das Studium scheint mit all seinen Anforderungen eine schier unüberwindbare Herausforderung – zumal Arwa mehr denn je mit ihrer Vergangenheit und all den unbeantworteten Fragen an ihre Eltern zu kämpfen hat. Tag für Tag zieht sie sich mehr von der Außenwelt zurück, verlässt ihr Zimmer nicht und verliert sich stattdessen in ihrer Kunst. Das ändert sich allerdings, als sie auf Tariq trifft. Er ist der Älteste von fünf Geschwistern, hat einen großen Freundeskreis, wird sein Studium in Kürze erfolgreich abschließen – und lässt Arwas Herz schneller schlagen als jemals irgendjemand zuvor. Auf den ersten Blick könnten die beiden nicht unterschiedlicher sein, aber Tariq kämpft mit seinen ganz eigenen Dämonen. Und je näher er und Arwa sich kommen, desto mehr finden sie ineinander einen Ort der Zuflucht – und desto deutlicher wird, dass sie nur zusammen sein können, wenn es ihnen gelingt, sich ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft zu stellen …
Liebe Leser:innen,
bitte beachtet, dass Like water in your hands Elemente enthält, die triggern können. Diese sind:
Depression, Angststörung, Panikattacken
Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.
Eure Mehwish und euer LYX-Verlag
Für meine Eltern.
Ich will euch zuhören, ich will euch immer zuhören. Aber lasst ihr mich dann auch reden?
idontwannabeyouanymore – Billie Eilish
Fly Me To The Moon – Frank Sinatra
Moonlight Desetsu Cover – Patrick Moon Bird
Birden Geldin Aklıma – Tuna Kiremitçi
Hiding Tonight – Alex Turner
Mr. Blue – Catherine Feeny
gogobebe Cover – Shin Giwon Piano
So Tired – Kay Starr
Psycho Cover – DooPiano
Stuck On The Puzzle Cover – Lily & Madeleine
i’m closing my eyes – potsu
Show Me Where I Belong – Extreme Music
Vienna – Billy Joel
Put Your Head On My Shoulder – Paul Anka
Reflecting Light – Sam Phillips
Pokémon Theme Cover – Kato
I Wanna Be Yours – Arctic Monkeys
Reality In Motion – Tame Impala
Wondrous Place – The Last Shadow Puppets
Say So Japanese Cover – Rainych
Being Sad Is Not A Crime – Soko
Claudia – FINNEAS
Crystal Tokyo Jazz – Desired
Put Your Dreams Away – Frank Sinatra
Got You – GA EUN
Oh Heart – Tank and The Bangas
What Love Is, I Think – Rook1e
Happy – MARINA
My Melancholy Baby – Ella Fitzgerald
A Summer Place – Andy Williams
Merry Go Round of Life – Joe Hisaishi
Tokyo – Lianne La Havas
Lonely – Brad Sucks
Chand Chhupa Badal Mein – Udit Narayan, Alka Yagnik
Nimbooda – Kavita Krishnamurthy, Karsan Sagathiya
Agar Tum Saath Ho – Alka Yagnik, Arjit Singh
Bol Na Halke Halke – Shankar-Ehsaan-Loy, Rahat Fateh Ali Khan, Mahalakshmi Iyer
Kuch Kuch Hota Hain – Jatin-Lalit, Udit Narayan, Alka Yagnik
Boohey Bariyan – Hadiqa Kiani
Tere Bin – Rahat Fateh Ali Khan Asees Kaur, Tanishk Bagchi
Wat Wat Wat – Arjit Singh, Shashwar Singh
Deewana Kar Raha Hai – Javed Ali
Aankhon Ki Gustakhiyan – Kumar Sanu, Kavita Krishnamurthy
Tu Koi Aur Hai – A. R. Rahman, Alma Ferovic, Arjun Chandy
Kabira – Pritam, Tochi Raina, Rekha Bhardwaj
Heer Toh Badi Sad Hai – Mika Singh
Aaj Jane Ki Zid Na Karo – Sohail Rana, Shilpa Rao
Hum To Dil Se Haare – Udit Narayan, Alka Yagnik, Atlaf Raja
Hawa Hawai – Kavita Krishnamurthy
Tum Hi Ho – Arjit Singh
»Was für ein ungewöhnlicher Name«, sagen sie in einem vorwurfsvollen Tonfall, als würden sie mich dafür tadeln, meinen Eltern erlaubt zu haben, damit davonzukommen. Ich lächle schmallippig und nicke zustimmend, denn all die unzähligen Male, in denen mir das schon gesagt wurde, haben mir nicht beibringen können, wie man sonst auf so eine Aussage reagiert.
Ich könnte mich erklären und von der Bedeutung dahinter erzählen.
»Mein Name«, könnte ich sagen, »ist eine Zusammensetzung der Wörter Ara’ und Hawa. Mein Vater wollte mich Ara’ nennen, nach dem ersten Wort in der Sure Ma’un. Meine Mutter wollte mich Hawa, also Wind, nennen, weil so ihr liebstes Lied heißt. Weil sie sich nicht entscheiden konnten, wurde daraus schließlich Arwa.«
Aber niemand ist hier, um solche Ausführungen zu hören, also entschuldige ich mich stattdessen vom Gespräch und lasse mich durch den Hochzeitssaal treiben, bis ich vor der nächsten Person stehe, die eine Variation derselben Sätze von sich gibt.
»Was für ein ungewöhnlicher Name.«
»Was für ein ruhiges Mädchen.«
»Was für schöne blasse Haut sie hat!«
Das sind noch die erträglichen Kommentare. Mit denen kann ich umgehen, weil sie keine großartige Reaktion erfordern. Es reicht, wenn ich nur höflich lächle und stillhalte, bis der Moment vorüber ist. Was ich aber wirklich hasse, was mich jedes Mal wie ein Schlag ins Gesicht trifft, ist das vermeintlich überraschte »Acha, du bist also Maida und Atif Bhais Mädchen!«
Wenn ich das höre, schaffe ich es nur knapp, mein Zusammenzucken zu verbergen. Das verschreckte Blinzeln, die verzögerte Antwort.
»Ji«, sage ich hastig, und das Wort fällt mir wie ein Kieselstein aus dem Mund, rau und unangenehm. Ja, ich bin Maida und Atifs Mädchen.
Und dann, unausweichlich, folgen die Fragen.
»Wo sind die beiden denn? Ich habe sie so lange nicht mehr gesehen! Wie geht es Maida? Wie geht es Atif?«
Sagen Sie es mir, würde ich am liebsten erwidern. Mit meinem Vater habe ich zuletzt vor einem Monat, mit meiner Mutter vor zwei Wochen geredet. In keinem der beiden Gespräche konnte ich herausfinden, wie es den beiden geht. Über so was tauschen wir uns nicht aus. Wir sprechen nur über Belanglosigkeiten wie Uni oder Arbeit, werfen mit nichtssagenden Floskeln um uns und ignorieren dabei das Wesentliche: uns als Familie.
»Es geht ihnen gut, sie sind nur beschäftigt«, lüge ich.
Die älteren Damen vor mir sehen missbilligend drein, als hätte ich etwas Unerhörtes gesagt. Ihre gläsernen, bunten Armreifen klackern aneinander, ihre Ohrringe glitzern im bläulichen Licht des Saals. Aus den Stereoanlagen dröhnt ein Bollywoodsong, der das dichte Stimmgewirr übertönt, aber nicht das gelegentliche Platzen der Luftballons, die sich auf dem Boden sammeln. In meinem Kopf pocht es unangenehm.
»So beschäftigt also?«, fragt eine von ihnen und wirft einen vielsagenden Blick in die Runde.
In Wirklichkeit wissen sie alle, wie es um meine Familie steht. Dass meine Mutter depressiv ist, dass sich mein Vater deshalb seit Jahren von der Außenwelt abgekapselt hat. Ich weiß nicht, was diese Menschen von mir erwarten. Also lächle ich stumm und lasse es zu, dass sie mit ihren scharfen Schnäbeln ununterbrochen auf mich piken wie Raben, als die sie mir manchmal vorkommen. Irgendwann sehen sie ein, dass sie nicht ein Korn für ihren Tratsch bekommen werden, und lassen endlich von mir ab.
Ich nutze diese kurzlebige Freiheit, um mich aus der Masse hinaus zum Rand der Feier zu drängen, wo sich alle Außenseiter, Einzelgänger und schwarzen Schafe irgendwann wohl oder übel wiederfinden. Dort, an eine der Wände geschoben, steht auch ein Getränketisch ohne Menschen drumherum.
Erst beim Näherkommen wird mir klar, warum das so ist: Es gibt keine Getränke mehr. Auf dem weißen Stoff, der über alle Möbel im Saal ausgebreitet wurde, stehen nur ein paar leere Krüge und Plastikbecher. Einige von ihnen sind umgekippt und liegen in ihren klebrigen Lachen.
Ich fasse mir an den Hals und werfe einen Blick durch den Saal, um meine Tante zu suchen. Es war zwar meine eigene Entscheidung, mit zu dieser Hochzeit zu kommen – aber ihre, mich ohne einen zweiten Gedanken allein zu lassen, um zu ihren Freundinnen zu gehen. Ich will es ihr allerdings nicht verdenken – könnte ich mich auch einfach zurücklassen, um Spaß zu haben, würde ich es tun. Seufzend schaue ich wieder auf die nicht vorhandenen Getränke vor mir herunter und muss mehrmals blinzeln, weil sich pulsierende Punkte vor meine Sicht geschoben haben.
Ich presse die Lider fest zusammen und versuche die Geräuschkulisse hinter mir auszublenden und tief durchzuatmen. Rufe mir in Erinnerung, warum ich überhaupt zugestimmt habe, mitzukommen: der Wunsch, aus mir selbst herauszukommen, mich an Neues zu wagen. Nicht länger eine Person zu sein, die sich an den Rand drängt, sondern mitten im Leben steht. Die sich nicht zwingen muss, die Mundwinkel zu heben, und schlagfertig auf dreiste Kommentare reagiert, statt vor ihnen zu flüchten.
Aber als ich die Augen öffne, stehe ich doch genau in eine dieser Ecken, am Rande des Geschehens, allein, ohne jede Gesellschaft. Nicht schlagfertig, dafür geschlagen und ziemlich fertig, dabei haben wir nicht einmal die hauptsächliche Zeremonie hinter uns. Auch die pulsierenden Punkte vor meiner Sicht sind noch da, und die leeren Becher haben sich nicht, wie stumm erhofft, magisch wieder aufgestellt und sich mit Flüssigkeit gefüllt.
»Hier, wir haben noch Wasser«, ertönt eine Stimme über den Geräuschpegel hinweg.
Ich drehe mich um und entdecke am Tisch nebenan eine Frau in einer weißen Salwar Kameez mit silberner Stickerei und einem dazu passenden Kopftuch. Sie sitzt dort ganz allein, ebenfalls ohne Gesellschaft. In ihrer Hand hält sie eine halb leere Wasserflasche.
»Becher haben wir aber auch keine. Du musst so trinken, wenn es dir nichts ausmacht.«
Ich zögere. Noch eine Aunty. Noch ein potenzielles Gespräch über mein Aussehen, meinen Namen oder meine Eltern. Aber es gilt als unangebracht, Wasser von jemandem abzuschlagen, also nehme ich die Flasche widerwillig an.
»Danke«, sage ich, das krampfhafte Lächeln wieder auf den Lippen.
Während ich den Deckel aufschraube und einen ordentlichen Schluck nehme, mustert sie mich eingehend aus ihren dunklen Augen.
»Du bist Arwa, oder?«
Ich verschlucke mich.
»Ähm, ji«, antworte ich hustend und presse meinen Handrücken an den Mund.
»Ich bin Nadia Sadeem.« Sie klopft auf den Sessel neben sich. »Komm, setz dich zu mir.«
Ich presse die Lippen zusammen, um meinen Protest runterzuschlucken, und setze mich zögerlich hin, die Hände um den Hals der Flasche verkrampft. Die Unbekannte mustert meine Finger und hebt kaum merklich ihre Augenbrauen, woraufhin ich meinen Griff ein wenig lockere und nervös lächle. Bevor ich etwas sagen kann, hält sie ihre Hand hoch.
»Warte einen Moment«, sagt sie zu mir, schaut dann auf und erhebt ihre Stimme. »Oy, Uzair!«
Unter all den Kindern, die sich quer über den Saal verteilt haben, blickt ein besonders energisch wirkender Junge auf. Vielleicht neun oder zehn Jahre alt. Er hält einen anderen Jungen im Klammergriff fest und rauft ihm mit der Faust durch die Haare, bevor er lachend den Rufen Nadia Auntys folgt und zu uns herüberkommt.
»Ja, Ma?«, fragt er mit einem neugierigen Blick in meine Richtung. Er hat rote Wangen, leuchtende Augen und ein breites Grinsen im Gesicht.
»Oho! Wie du wieder aussiehst.« Sie versucht nach seiner Krawatte zu fassen, aber er weicht alarmiert zurück.
»Hush«, sagt er und hält die Hände hoch, als würde er sich zum Kampf bereit machen.
Seine Mutter sieht ihn streng an, was ihn lediglich zum Kichern bringt. Er beugt sich vor, um ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu drücken, bevor er sich wieder vor ihren griffigen Fingern in Sicherheit bringt.
»Was ist denn los?«, fragt er. »Warum hast du mich gerufen?«
Nadia Aunty seufzt und lässt ihre Hände sinken. »Bringst du mir und deiner Api hier bitte zwei Tassen Chai aus dem Hinterzimmer?«
Bei uns benutzt man höfliche Anreden, um Ältere anzusprechen, ganz gleich, ob man wirklich miteinander verwandt ist oder sich überhaupt kennt. Deswegen nenne ich sie Aunty und werde selbst als Api, also große Schwester bezeichnet.
»Alles klar«, sagt er, salutiert vor seiner Mutter und läuft dann Richtung Ausgang davon.
»Danke, das wäre nicht nötig gewesen«, sage ich an Nadia Aunty gewandt.
Sie macht eine wegwerfende Handbewegung und blickt ihrem Sohn nach, bevor sie wieder mich ansieht. Für einen Moment kann ich nicht anders, als ihren Blick zu erwidern. Als die weißen Lichtstreifen, die träge durch den sonst blau beleuchteten Raum fahren, auf ihrem Gesicht landen, fällt mir auf, dass ihre tiefbraun wirkenden Augen einen grauen Stich besitzen. Mir fällt auch auf, dass sie nicht lächelt, dass sie seit Beginn unserer Interaktion nicht ein einziges Mal gelächelt hat. Aber das lässt sie weder distanziert noch ernst wirken, das Lächeln scheint auf eine natürliche und unbeabsichtigte Art und Weise in ihrem Gesicht zu fehlen.
Ich finde das irgendwie bewundernswert. Mir selbst fällt es schwer, einen nüchternen Ausdruck zu formen. Ich versuche immer jede Stille, aber auch jeden Satz mit einem Lächeln zu füllen, das ich selten so meine.
»Arwa«, beginnt sie schließlich, und ich setze mich aufrecht hin.
»Es freut mich, dich endlich kennenzulernen. Ich habe schon gehört, dass du herziehst.«
»Von Asma Aunty?«, hake ich vorsichtig nach.
»Von wem denn sonst? Wo ist sie überhaupt?«
Ich entspanne meine Schultern ein wenig und werfe erneut einen Blick durch den Saal.
»Das … frage ich mich auch schon länger.«
»Wanderst du hier jetzt die ganze Zeit allein herum?« Sie klingt irgendwie beleidigt, und ich lächle entschuldigend, weiß nicht, wie ich ihre Worte auffassen soll.
Wenn ich könnte, würde ich den Leuten gern schon bei unserem ersten Zusammentreffen erklären, wie es um mich steht. Dass ich die meiste Zeit über keine Ahnung habe, was ich mache oder machen sollte. Ich weiß nicht, was von mir erwartet wird, welche Wörter ich zusammensetzen muss, damit sie Sinn ergeben. Und genauso wenig weiß ich, wie man andere Menschen liest – es ist, als ob alle bei ihrer Geburt eine Gebrauchsanweisung für soziale Interaktionen installiert bekommen haben, nur mich hat man übersprungen. Und jedes Mal, wenn ich versuche, mich mit anderen zu verständigen, sind da tausend Fragen in meinem Kopf: Soll ich weiter lächeln? Den Blickkontakt aufrechterhalten, etwas sagen, nichts sagen – und wohin mit meinen Händen, meinen Füßen, mit meinem Körper? Wohin mit mir?
Ich fahre mit meinem Fingernagel über den Verschluss der Wasserflasche in meiner Hand und versuche mich auf das Geräusch zu konzentrieren, das dabei entsteht. Man muss ganz genau darauf achten, um es hören zu können, weil es sonst so laut im Saal ist. Das hilft mir, mich nicht in einer Gedankenspirale zu verlieren.
»Deine Aunty ist auch eine Sache für sich, nicht?«
Wieder lächle ich zur Antwort mein verkrampftes Lächeln. Ob sie das negativ meint? Viele Leute aus der Community sehen meine Tante als einen schlechten Einfluss. Weil sie unabhängig ist, unabhängig lebt und unabhängig ihre Entscheidungen trifft. Sie ist zu modern, sagen sie, unsere ganze Familie ist viel zu modern. Dass Asma Aunty im Migrationszentrum arbeitet und mehr für die Community getan hat als viele dieser Leute zusammengenommen, ignorieren sie dabei gut und gern.
Nadia Aunty seufzt. »Jalo, wie auch immer.« »Erzähl mir lieber, wie es dir geht? Wie findest du es hier in Wien?«
»Äh. Mir geht es gut«, beginne ich zögerlich. »Wien ist …« Ich versuche mich an die richtigen Vokabeln auf Urdu zu erinnern, merke aber, dass ich nicht mal auf Deutsch so genau wüsste, wie ich fortfahren soll. Wien ist … groß? Ernüchternd. Ermüdend. Irgendwie schäbiger als erwartet, irgendwie schöner auch. Vor allem ist es sehr viel und sehr schnell und ziemlich überwältigend, auch nach den vier Wochen, die ich schon hier bin.
»Wien«, beende ich meinen in der Luft schwebenden Satz. »Wien eben.«
Die Wasserflasche in meiner Hand knackt laut, als ich sie versehentlich eindrücke. Ich stelle sie auf dem Tisch ab, als hätte ich mich an ihr verbrannt, und falte meine Hände auf dem Schoß zusammen, unsicher, worauf ich mich jetzt konzentrieren soll. Ich habe das Gefühl, die Frau vor mir beobachtet jede meiner Bewegungen ganz genau, beurteilt jedes meiner Worte – und das hilft mir mit meiner Nervosität definitiv nicht weiter.
Eine ihrer Augenbrauen wandert nach oben. »Ja, Wien ist halt Wien. Was hast du dir denn bisher hier so angeschaut?«
Sie lächelt noch immer nicht, und langsam beunruhigt mich das. Zudem hat sich das schmerzhafte Pochen in meinem Kopf mittlerweile hinter meinem linken Augenlid eingenistet. Ein zweites langsames Schlagen neben dem fahrigen Ticken in meiner Brust. Ich blinzle mehrmals und widerstehe dem Drang, über meine Augen zu reiben. Stattdessen wandern meine rastlosen Finger zu dem Schleier, der über meiner rechten Schulter liegt, und zupfen an einem der Plastikdiamanten, die den durchsichtigen, dunkelblauen Stoff bedecken. Sie sehen aus wie Sterne am Nachthimmel.
»Ich habe viel von der Innenstadt gesehen.« Ich räuspere mich, weil meine Stimme kaum zu verstehen ist. Gott, dieser Abend ist nicht nur eine Herausforderung, weil ich Small Talk wie die Pest hasse, sondern auch, weil ich so eingerostet darin bin, meine Muttersprache zu benutzen. Zu Hause gab es nur meine Eltern, mit denen ich auf Urdu geredet habe, und da wir uns immer seltener etwas zu sagen hatten, war das auch nicht hilfreich.
»Und das Naturhistorische Museum. Und … und ich war in den Büchereien? Die sind hier auch schön. Ich verbringe viel Zeit in einer Bücherei in der Nähe von Asma Auntys Wohnung.« Viel ist definitiv übertrieben, aber das muss sie nicht wissen.
»Oh! Ja, die Büchereien sind wirklich toll hier, oder?«
»Ja«, stimme ich zu.
Nadia Auntys Mundwinkel ziehen sich endlich zu einem Lächeln hoch, das zwei Grübchen auf ihrer linken Wange malt. Es ist faszinierend – obwohl sie von außen etwas seltsam Jugendliches ausstrahlt, scheint allein dieses Lächeln mehr von ihrem Alter zu offenbaren, als man im Rest ihres Gesichts ablesen kann. Es ist ein Lächeln, bei dem ihr ganzer Körper miteinbezogen wird – ihre Schultern fallen zurück, ihr Kinn hebt sich. Um ihren Mund bilden sich Linien und um die Augen viele kleine Falten. Ich betrachte das Muttermal über ihrem Mundwinkel und den kaum merklichen Schimmer auf ihren Augenlidern. Bewundere diese unmerkliche Schönheit.
»Ich habe schon als kleines Mädchen sehr gern gelesen«, sagt sie und beugt sich vor. »Oder Filme geschaut. Solange sie von der Liebe handelten. Pyar-Shaar, Ishq-Vishq. In Pakistan glauben alle immer noch, ich sei die größte Romantikerin.«
»Sind Sie es denn nicht mehr?«
»Hai, in dem Alter?« Sie schüttelt grinsend den Kopf.
»Ich fände es traurig, wenn ich ab einem bestimmten Alter die Romantik aufgeben müsste«, entkommt es mir, bevor ich mich zurückhalten kann. Augenblicklich beginnen meine Ohren zu prickeln, und ich rutschte unruhig auf meinem Platz umher. Über solche Themen redet man bei uns nicht, vor allem nicht mit den Älteren hier. Wenn es um Angelegenheiten wie Pyar-Shaar und Ishq-Vishq, die Liebe, geht, wird man immer an die Tugend und Sitte erinnert, an den Anstand. Aber Nadia Aunty schnaubt nur belustigt auf.
»Von Aufgeben war nie die Rede. Man erkennt nur irgendwann, wie vergänglich alles sein kann, auch die Liebe. Das muss aber nichts Schlechtes bedeuten. Aber du bist noch jung, du musst dir darum keine Sorgen machen.«
Sie legt ihre warme Hand auf meine, als ich unbewusst wieder angefangen habe, an meinem Schleier zu zupfen. »Lass das, sonst reißt du den Stoff noch auf«, sagt sie.
Ihr Tonfall ist eher nebensächlich, aber ich fühle mich trotzdem wie ein getadeltes Kind und spüre die Röte von meinen Ohren zu den Wangen wandern. Bevor ich irgendwas darauf erwidern kann, werden wir von einem demonstrativen »Hier«unterbrochen.
Es kommt von Uzair, der zwei dampfende Becher vor sich hält und ungeduldig mit den Füßen scharrt. Nadia Aunty nimmt ihm die Getränke ab und stellt sie auf den Tisch, um dann schnurstracks nach der mit Falten übersehenen Kleidung ihres Sohnes zu fassen.
»Ma!« Er windet sich, aber diesmal schafft er es nicht, ihr zu entkommen, und ergibt sich mit hängendem Kopf ihren zupackenden Händen.
Ich kann mir bei dem Anblick ein Grinsen nicht verkneifen und versuche es hinter meinem Becher zu verbergen. Uzair bemerkt es trotzdem und guckt wenn möglich noch finsterer drein.
»Danke für den Chai«, beeile ich mich zu sagen, während seine Mutter versucht, seine wilden Haare platt zu drücken. Sie stellen sich wie bei einem Igel gleich danach wieder auf.
Uzair zuckt mit den Schultern und murmelt etwas, was nach »Kein Problem« klingt, vermeidet aber den Blickkontakt. Nachdem Nadia Aunty endlich von ihm ablässt, läuft er ohne Abschied eiligst zu seinen Freunden zurück und schüttelt sich dabei die Haare wieder aus.
»Kannst du dir vorstellen, dass ich fünf von denen habe?«, fragt sie seufzend.
»Nicht wirklich«, gestehe ich ehrlich, weil mich das tatsächlich überrascht. »Alles Söhne?«
»Vier Söhne, eine Tochter. Hai, wo wir schon von ihnen sprechen, ich habe die restlichen vier seit Längerem nicht mehr gesehen. Das kann gefährlich werden, weißt du, wenn man nicht auf sie aufpasst. Sie sind zwar alle schon viel älter, aber sie benehmen sich noch immer wie Fünfjährige … Wobei, als Fünfjährige waren sie mir lieber. Da haben sie noch gemacht, was man von ihnen verlangt hat.«
Sie schiebt den Sessel zurück und steht ächzend auf. »Arwa, trink deinen Chai in Ruhe aus, ja? Wenn du deine Aunty siehst, sag ihr Bescheid, dass sie sich mal demnächst Zeit nehmen sollte. Ich lade euch beide zu mir nach Hause zum Abendessen ein. Dann kannst du meine Tochter Maya kennenlernen. Ich glaube, ihr könntet euch gut verstehen.«
Mein Gesichtsausdruck bleibt höflich, während sich mein Inneres bei ihren Worten zusammenzieht. Mit neuen Bekanntschaften ist das immer so eine Sache bei mir, so wirklich funktioniert das nicht. Beziehungsweise generell mit Bekanntschaften, egal ob alt oder neu.
Menschen eben.
Menschen überfordern mich.
Nadia Aunty legt eine Hand auf meine Wange, und ich blicke zu ihr auf. Sie lächelt mich an. Warm, einladend und seltsam aufrichtig. Und trotz allem, was mir im Moment durch den Kopf geht, kann ich nicht anders, als ihr Lächeln zu erwidern.
»Das ist alles sehr überwältigend, oder? So ein Umzug und all die neuen Menschen. Aber lass dich davon nicht unterkriegen. Das schaffst du. Ich freue mich, dich kennenlernen zu dürfen, Arwa. Du bist willkommen hier.«
Uff. Das ist zu viel. Ein ganzer Abend voller Seitenhiebe, und dann plötzlich so etwas Liebes gesagt zu bekommen – das ist zu viel, und ich spüre plötzlich einen Kloß in meiner Kehle.
Nadia Aunty tätschelt meine Wange, bevor sie sich abwendet und in die Menge verschwindet. Fast bin ich versucht, sie darum zu bitten zu bleiben oder ihr nachzulaufen, aber das wäre einfach lächerlich.
Zurückgelassen an dem Tisch schaue ich ihr gedankenverloren nach, bis der Chai in meiner Hand kalt wird und jemand verkündet, dass in einer halben Stunde die Zeremonie beginnt. Ich hole tief Luft und drehe mich zu dem Podium am Ende des weiterhin viel zu vollen Saals. Dort, vor einer Wand aus Blumengirlanden, die in dem blauen Licht violett aussehen, sitzt das Brautpaar auf einer Couch und begrüßt einzeln die Gäste.
Von meiner Tante ist noch immer nichts zu entdecken. Eine Gruppe junger Frauen gleitet lachend an meinem Tisch vorbei, und ich sacke noch ein wenig mehr in mich zusammen. Steh auf, denke ich mir. Geh zu ihnen, stell dich vor. Aber allein der Gedanke lässt meine Brust wieder eng werden.
Du bist willkommen hier.
Aber es fühlt sich bisher nicht so an, ganz und gar nicht. Und das liegt viel mehr an mir selbst als an den Leuten – was es noch unerträglicher macht.
Ich seufze und ziehe an einem losen Faden, der aus der silbernen Stickerei meines Rockes heraushängt. Meine Mutter hat mir diesen Lengha geschenkt – sie hat mir bei meinem Umzug einen ganzen Koffer voller Kleidung mitgegeben, die sie nicht mehr trägt. Ich fand es erst seltsam, dass sie mir all diese wunderschönen Gewänder überließ, aber da sie jahrelang unangetastet in ihrem Schrank verstaubt sind und es nicht so wirkte, als würde sie demnächst etwas an diesem Zustand ändern wollen, habe ich es einfach akzeptiert. Anfangs war ich selbst unsicher, ob ich einen guten Grund finden würde, den Koffer aufzumachen. Dann hat mich Asma Aunty gefragt, ob ich mit zu dieser Hochzeit kommen will, und ich habe nicht eine Sekunde gezögert, um Ja zu sagen. Weil ich es versuchen wollte, ernsthaft versuchen wollte. Aber ja. Hier bin ich jetzt.
Irgendwo in meiner Nähe platzt erneut ein Luftballon. Ich reibe mir über meine nackten Arme und sehe mich im Saal um. In meinem Kopf dröhnt es immer noch, tatsächlich scheint der Druck mit jeder Sekunde stärker zu werden, als würde ein Zug heranrasen. Ich stehe auf, und ein plötzliches Schwindelgefühl durchfährt mich. Einen Moment lehne ich mich an den Tisch zurück und blinzle diese dunklen Flecken vor meiner Sicht fort, ehe ich mich erneut nach meiner Tante umsehe. Ob sie bereit wäre, dem Abend endlich ein Ende zu setzen?
Meine Atmung beschleunigt sich. Vielleicht sollte ich kurz raus an die frische Luft. Als ich glaube, nicht mehr bei meinem nächsten Schritt umzukippen, hebe ich meinen Rock an, um mich durch die vielen Menschen hindurchzuschlängeln. Doch vor dem Ausgang in der Eingangshalle hat sich auch eine Schar Gäste versammelt, vorwiegend Männer. Und so marschiere ich ziellos weiter, irgendwohin, wo niemand sonst zu finden ist, bis ich am anderen Ende des Gebäudes eine zweite Tür erreiche. Ohne darüber nachzudenken, reiße ich sie auf und schreite nach draußen. Kühle Nachtluft weht mir ins Gesicht, als ich mich in einer Art Hinterhof wiederfinde. Die Tür hinter mir schließt sich mit einem hörbaren Einrasten. Und dann Stille. Nur mein hektisches Ein- und Ausatmen, sonst ist da nichts.
Eigentlich sollte ich darüber erleichtert sein, nicht mehr drinnen zu sein. Und doch fühle ich mich noch miserabler als zuvor, mit hunderttausend verschiedenen Gedanken in meinem Kopf, die sich schmerzhaft gegeneinanderdrücken, und einem rastlosen Herzen in der Brust. Mein Körper glüht, meine Augen brennen, und da ist dieser erdige Geruch von Regenwasser und Beklemmung in der Luft. In meinem Mund, bitter und warm, der Geschmack von Niederlage.
Ich lasse mich auf den Treppenabsatz vor der Tür sinken, plötzlich jeder Energie beraubt. Mein Körper sackt in sich zusammen, alles in mir gibt einfach nach. Mit an die Brust gezogenen Beinen stütze ich mein Kinn auf den Knien ab und versuche mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Auf dem Boden neben den Regenpfützen sammeln sich eingedrückte Kartons, Zigarettenstummel und zerquetschte Coladosen. Eine flackernde Laterne über dem Eingang hinter mir wirft ölig schimmernde Lichtstreifen auf den nassen Boden vor meinen Füßen. Irgendwo in der Ferne heult eine Sirene und zwei Müllcontainer am anderen Ende des Hofs verbreiten ihren modrigen Gestank bis zu mir. Jedes Geräusch, jeder Geruch, jede Lichtveränderung – alles ist glasklar und überdeutlich. Egal wo ich bin, wie ich mich fühle, die Welt ist immer auf volle Lautstärke und Helligkeit aufgedreht. Und genau deswegen hätte ich es besser wissen müssen. Ich hätte es einfach besser wissen müssen.
In dem Saal da drinnen sind um die fünfhundert Leute versammelt, das heißt: zweihundert Gespräche, einhundert lachende Kinderstimmen, ein endlos vibrierender Boden und Millionen von klirrenden Armreifen – diese Armreifen sind mit Abstand das Unangenehmste. Nicht die der anderen, sondern vor allem die eigenen, die keine Ruhe geben. Als ich meinen Kopf hebe, um mir die Haarsträhnen aus dem Gesicht zu streichen, klingt ihr Aufeinandertreffen wie das Kichern einer Kindergruppe, spöttisch und arrogant. Ich halte meine Arme hoch und starre sie verbissen an, diesen gläsernen Schmuck, der sich bis zu den Ellbogen stapelt. Vorsichtig lasse ich sie zurück auf meine Knie sinken, darauf bedacht, keine Geräusche zu erzeugen. Aber das ist beinahe unmöglich bei diesen Dingern, und da ist es dann auch schon wieder – dieses spöttische Kichern.
Ich presse die Zähne zusammen und streife die Reifen ab. Einen nach dem anderen drücke ich über meine Handgelenke und lasse sie zu Boden fallen, wo ihr Kichern zu einem klirrenden Schreien verkommt, als sie zerbersten. Nachdem ich sie alle entfernt habe, ziehe ich mir auch die viel zu engen Pumps aus und reibe mir über meine wunden Füße. Dann drehe ich mich zur Seite, um meinen sternenübersäten Schleier zu heben, der mir von der Schulter gerutscht ist. In dem Moment regt sich auch die Wolkendecke am Himmel und erlaubt dem Mond einen kurzen Blick in den Hinterhof.
Erst dann entdecke ich ihn.
Regungslos steht er an der Wand gelehnt, gleich neben der Tür, aus der ich gekommen bin. Ein Schatten außerhalb der Reichweite des flatternden Lichtscheins der Laterne. Wie konnte ich ihn nicht bemerken? Er hebt die Hände hoch, als wolle er ein Tier zähmen, und richtet sich auf.
»Hey. Alles okay?«
Seine Stimme fährt mir wie ein kalter Finger über die Wirbelsäule, und ich zucke erschrocken zusammen.
»Nein«, antworte ich wie aus der Pistole geschossen.
Einen Moment lang schauen wir uns stumm an, über uns surrt das Licht. In der Dunkelheit kann ich sein Gesicht kaum ausmachen, aber ich erkenne die Konturen eines scharf geschnittenen Kiefers und wirr abstehende Haare.
»Darf ich mich setzen?«, fragt er schließlich.
Ich schaffe es nicht, eine Erwiderung darauf zu finden, und nach einer Weile setzt er sich einfach, aber mit ausreichend Abstand zwischen uns. Als ich auf meinen Schoß hinunterblicke, bemerke ich, dass ich einen Diamanten von meinem Schleier abgerissen habe. Ich presse ihn fest zwischen meine Finger, bis die Haut drumherum weiß anläuft.
»Wie lange stehst du da schon?«, frage ich flüsternd. Ich kann es mir denken, trotzdem linse ich zu ihm hinüber, hoffend, dass er nichts von meinem Ausbruch eben mitbekommen hat.
»Lange genug«, antwortet er.
Die Hoffnung zergeht wie Zucker in warmem Wasser. Ich zwinge mich, tief durchzuatmen, und reiße meinen Blick von ihm los, um auf die Scherben vor meinen Füßen zu schauen.
Jetzt, wo der erste Schock verdaut ist, kann ich nicht anders, als unruhig auf meinem Platz hin und her zu rutschen. Ich falte meine Arme auf dem Schoß zusammen, nur um sie gleich darauf wieder an meinen Seiten hängen zu lassen. Das fühlt sich allerdings auch nicht richtig an – nichts fühlt sich richtig an, vor allem meine Füße nicht, denen ja die Schuhe fehlen. Von all den Dingen, die mir peinlich sein sollten, macht mir ihr Anblick am meisten zu schaffen. Ich versuche sie unter meinem Rock zu verstecken, doch man kann die Zehen noch sehen. Sie wirken stumpf und unattraktiv.
»Was … was machst du hier?«, hake ich weiter nach, weil ich irgendwas sagen muss, um mich – und vielleicht auch ihn – von meinen Füßen abzulenken. Von mir abzulenken.
»Ich wollte frische Luft holen.«
»Ach so«, sage ich. Wie auf Knopfdruck gleiten unsere Blicke zu den Müllcontainern am Ende des Hofs.
Er räuspert sich. »Und was machst du hier?« fragt er.
»Einen Zusammenbruch haben«, erkläre ich so ruhig, wie es möglich ist, wenn man einen Zusammenbruch hat.
»Ach so.« Sein Blick fällt nun auf die kaputten Armreifen, und er betrachtet das Desaster aufmerksam.
Meine Ohren beginnen wieder zu kribbeln. Als er erneut zu mir sieht, versuche ich zu lächeln, um weniger aufgebracht zu wirken. Aber er lächelt nicht zurück. Allerdings nicht auf eine Art, die ihn ungehalten oder unnahbar wirken lassen könnte. Sein Nichtlächeln ähnelt tatsächlich dem von Nadia Aunty – es ist natürlich und belanglos. Nur in seinen Augen, deren Farbe ich nicht genau erkennen kann, leuchtet etwas, was ich vielleicht beim Namen nennen könnte, würde ich nicht ständig seinen Blicken ausweichen.
»Und was hat … diesen Zusammenbruch hervorgerufen?«, fragt er, seine Stimme genauso unlesbar wie sein Gesicht.
Ich ziehe meine Schultern hoch und mache den Mund mehrmals auf, ohne einen Laut rauszubekommen. Stattdessen meldet sich die Übelkeit wieder, und ich presse die Arme auf den Bauch.
Essen,erinnere ich mich plötzlich. Ich habe vor lauter Aufregung den ganzen Tag über nichts gegessen. Daher die Übelkeit. Ich seufze, mache den Mund wieder auf, und diesmal dringt endlich ein Wort raus – ein einziges Wort, nämlich: »Luftballons.«
Dünn und schrill, als würde ich die Buchstaben im hohen Bogen ausspucken, dass man sie ja im ganzen Hinterhof hört. Es entsteht eine neue Pause, die unangenehm auf den Raum zwischen uns drückt. Ich starre auf meine unattraktiven Zehen hinunter und versuche sie noch tiefer unter meinen Rock zu schieben.
Warum, denke ich mir. Warum ich und warum hier und warum und warum.
»Luftballons?«, fragt der Fremde neben mir vorsichtig nach. Er klingt sanft, fast schon freundlich. Als würde er tatsächlich mit einem verschreckten Tier reden und versuchen, mich zu beruhigen.
»Luftballons«, wiederhole ich leise, ohne so recht zu wissen, wie ich fortfahren soll. Ich wünschte, ich könnte mich verflüssigen und in den Boden unter uns sickern, um nicht weiter Teil dieser Konversation sein zu müssen. Wie eine Figur aus einem Cartoon, die sich vor lauter Scham kaum zusammenhalten kann.
»Diese … Luftballons da drinnen.« Ich starre auf die Regenpfütze hinunter, meine Hände zupfen wieder an dem Stoff meines Rocks. »Ich mag sie nicht«, sage ich. Dann schüttle ich den Kopf und hole tief Luft. »Nein, ich hasse sie. Ich hasse das Quietschen, wenn man mit dem Finger über sie fährt, ihre Textur und das Geräusch, das sie beim Platzen machen.« Ich verziehe das Gesicht, als könnte ich das Knallen noch hören. »Und ich hasse, wie sie aussehen.«
»Wie sie aussehen?«
Ich hebe meine Hände, als würde ich einen Ballon dazwischen halten und überlege mich näher zu erklären, lasse es aber sein, als ich seine Mundwinkel zucken sehe.
»Ich hasse Luftballons«, murmle ich nur und werfe den Diamanten, den ich jetzt ausgezupft habe, zu Boden.
Der Typ neben mir streicht sich über seinen Nacken, wahrscheinlich überlegt er, wie er von hier einen Abgang machen kann, ohne auffällig zu wirken. Er braucht aber nicht so höflich sein, ich verstehe ihn ja. Wie gesagt, wenn ich könnte, wäre ich die Erste, die mich zurücklassen würde.
»Luftballons also«, sagt er und nickt langsam.
»Sie sind ziemlich sinnlos«, füge ich hinzu.
Sein weiterhin unlesbarer Blick wandert langsam über mein Gesicht. Über mein Gesicht, zu meinem Hals, zu meinen Armen bis hin zu den immer nervösen Händen. Dort verharrt er für einen Moment und bringt mich dazu, die Finger tiefer in den Stoff meines Rocks zu vergraben, bevor er wieder zurückgleitet – von den Händen über die Arme bis hin zu meinem Gesicht.
»Du solltest damit aufhören«, sagt er.
»Hm?«
»Die Diamanten. Du solltest aufhören, sie auszureißen, sonst reißt du das Kleid noch auf.«
Ertappt lasse ich den Stoff los und fühle mich wieder wie ein kleines Kind, mit dem knallroten Gesicht. »Ich glaube … ich glaube, ich sollte jetzt lieber gehen.«
Ich sollte definitiv gehen. Nur wohin? Zurück zur Hochzeit? Super Idee.
Mutlos sacken meine Schultern zurück und ich bleibe genau, wo ich bin, schaue dem Typen neben mir wieder in sein nichtlächelndes Gesicht.
Da ist nichts Nennenswertes an seinem Aussehen. So wie die meisten jungen Männer heute Abend trägt er ein schneeweißes Hemd, dessen Ärmel er aufgerollt hat, und eine schwarze Anzugshose. Ich glaube, in der Menge würde er mir nicht einmal auffallen. Er sieht schon gut aus, aber auf eine sehr einfache und unkomplizierte Art und Weise, ohne Schnörkel und Poesie.
Was mich an ihm irritiert, ist, wie er mich ansieht. Er versucht nicht einmal, Höflichkeit vorzutäuschen, starrt mich so unverblümt an, als wäre es sein gutes Recht. Anscheinend ohne ein bestimmtes Ziel im Sinn, sondern einfach nur aus reiner Neugier, vielleicht sogar Faszination. Und wieso auch nicht? Ich muss mit meinem Benehmen wie eine richtige Attraktion auf ihn wirken.
»Du bist nicht aus Wien, oder?«, fragt er plötzlich.
Ich hebe überrascht die Augenbrauen.
»Sieht man’s mir so direkt an?«
»Nein, ich meine nur, ich hab dich nie zuvor gesehen. Normalerweise kennt man irgendwann jeden Pakistani hier, wenn man lange genug bleibt.«
»Ich bin erst vor drei Wochen hergezogen«, gestehe ich.
»Allein?«
»Ja. Also, ich lebe bei meiner Tante.«
Er nickt langsam.
»Darf ich fragen, wer deine Tante ist?«
Ich zögere, unsicher, ob ich ihm das verraten soll, denke mir aber am Ende, dass es ohnehin egal ist. Was soll er schon mit dieser Information anfangen? Und es stimmt – in unserer Community ist es ziemlich leicht, über jede Person eine Akte zu führen.
»Sie heißt Asma? Asma Jawed?«, antworte ich.
Überraschung flackert über sein Gesicht. »Asma ist deine Tante?«, fragt er.
»Du kennst sie?«
»Ich meine, wer kennt sie nicht?«
Stimmt, wer kennt denn Asma Jawed nicht? Wenn die Leute über oder mit Asma Jawed reden, reden sie immer über und mit Asma Jawed. Aber wenn die Leute über oder mit Arwa Malik reden, dann fragen sie: Wer ist Arwa Malik noch mal? Und einen Moment später rufen sie: Ah, Maida und Atifs Mädchen! Dann vergessen sie gleich darauf wieder, dass es Arwa Malik überhaupt gibt. Nicht, dass ich mich darüber beschwere. Unsichtbar zu sein kommt einem Menschen wie mir gelegen. Gleichzeitig ist das eine Lüge, denn irgendwie irgendwo tut es ja doch auch weh – so wenig da, so wenig spürbar zu sein.
»Und? Gefällt es dir hier in Wien?«, fragt mich der Typ neben mir.
Ich zupfe wieder an den Sternen auf meiner Kleidung, verziehe schulterzuckend das Gesicht. »Es ist okay.«
»Hey, nicht gleich so begeistert.«
»Nein, es – ich weiß nicht. Ich gewöhne mich noch an die Stadt.«
»Wo hast du denn vorher gelebt?«
»In der Steiermark. In einer Kleinstadt in der Nähe von Graz.«
»Das muss eine große Umstellung sein.«
Ich zucke wieder mit den Schultern, schüttle wieder den Kopf, dann nicke ich. »Schon«, murmle ich.
Gott, ich fühle mich pathetisch.
Frag ihn, flüstert eine Stimme in meinem Kopf. Frag ihn, wie lange er schon hier lebt. Versuch dich ausnahmsweise mal an einer normalen Konversation. Es ist nicht so schwer.
Aber bevor ich die Worte rauskriege, unterbricht er mich von selbst: »Ich hab fast mein ganzes Leben hier verbracht.«
»Oh«, sage ich. Eloquenz in Person.
Ich zerbreche mir den Kopf darüber, was ich jetzt genau darauf erwidern könnte, während eine zweite Stimme in meinem Kopf sich darüber wundert, warum ich mich überhaupt bemühe.
»Bist du hier geboren?«, frage ich, als mir endlich etwas halbwegs Logisches in den Sinn kommt, und applaudiere mir selbst innerlich dafür.
»Nein, in Pakistan. Ich bin mit vier nach Österreich gezogen. Du?«
»Ich bin hier geboren.«
»Warst du schon mal dort?«
»Ja. Also, früher, als ich noch ein Kind war. Damals schon. Jetzt seit einiger Zeit nicht mehr.«
Das ist kein gutes Thema. Die Sache mit Pakistan ist noch ein Stück schwieriger als die Sache mit Wien.
»Ich war auch ewig nicht mehr dort«, sagt er.
Er schaut mich immer noch an, und ich wünschte, er würde damit aufhören. So attraktiv können die tiefen Augenringe, der verwischte Mascara und meine sehr mühsam geglätteten und doch wieder wild aussehenden Haare wirklich nicht sein.
»Du hast etwas im Haar«, sagt er plötzlich, als hätte er meine Gedanken gelesen. Er hebt seine Hand und berührt die Stelle an sich selbst. »Hier.«
Glasklar und überdeutlich, jedes Geräusch, das uns umgibt, in uns ist: das Fallen der Regentropfen, die am Deckel der Mülltonne hängen. Sein gleichmäßiges Atmen. Mein ungleichmäßiges Atmen. Und das Donnern in meiner Brust. Ich ahme zögernd seine Geste nach und fasse in mein Haar, kriege aber nur meine Locken zu fassen. Eine Weile beobachtet er meine Fehlversuche stumm, dann beugt er sich schließlich vor und ich halte unwillkürlich die Luft an.
»Darf ich?«
Ich schaffe es wieder einmal nicht, sofort zu antworten.
Seine Hand sinkt bereits, als ich endlich ein zögerliches schnelles Nicken zustande bringe.
Er rutscht näher an mich heran, und ich widerstehe dem irrationalen Drang, mich von ihm wegzubewegen. Seine Knöchel fahren kaum merklich über meine Wange, sein Atem fährt kaum merklich über mein Gesicht. Ich spüre eine Gänsehaut auf meinen Armen entstehen und verharre so reglos wie eine Säule.
Als er das Ding rausgezogen hat, hält er es zwischen uns hoch. Es ist ein Blütenblatt von den Girlanden drinnen. Ich hebe meine Hand und er legt das Blatt auf meine Handfläche ab. Wir schauen einen Moment lang stumm darauf herunter, auf diesen blutroten Fleck auf meiner blassen Haut. In der Ferne das Zischen der vorbeirasenden Autos; auf unseren Wangen die sachten Berührungen des Windes. Meine Kopfschmerzen sind aber auch noch da, genauso wie die Erinnerungen, warum ich überhaupt hier bin.
»Ich sollte lieber gehen«, wiederhole ich deswegen und stehe abrupt auf. Das Blütenblatt segelt zwischen uns zu Boden. Mein Herz rattert und rattert und rattert ununterbrochen, ich wünschte, es würde mir mal eine Pause gönnen von diesem Aufruhr der Gefühle. Ich gehe hastig zur Tür und versuche sie zu öffnen.
Aber sie geht nicht auf.
»Hey! Die Tür geht nicht auf!« Ich rüttle noch mal an der Klinke, dann drehe ich mich mit großen Augen um.
»Ich weiß«, sagt der Fremde.
Wie bitte? Er schaut wieder gleichgültig drein, vollkommen unbeeindruckt. Als hätten wir nicht gerade einen Moment gehabt. Und vielleicht hatten wir das in Wirklichkeit gar nicht, und ich lese zu viel in die Situation hinein. Das kann ich neben dem Versagen besonders gut: das Träumen.
»Und was machen wir jetzt?«
»Wir könnten jemanden anrufen, der die Tür aufmacht?«
»Oh. Oh, okay. Stimmt.«
Klar. Wir sind ja im 21. Jahrhundert. Vielleicht ist es mein verwirrter Gesichtsausdruck, aber plötzlich formt sich ein Lächeln auf den Lippen meines Fremden.
»Um ehrlich zu sein, ich habe meinem Bruder schon vor einer Weile geschrieben. Er müsste jeden Moment da sein.«
»Oh«, entkommt es mir wieder, aber auf seine Worte höre ich kaum.
Zum ersten Mal seit unserem Zusammentreffen lächelt er und zwingt mich damit, innezuhalten, weil es mich so aus der Bahn wirft. Es ist ein selbstsicheres, ein klein wenig verwegenes Lächeln. Mit Grübchen auf der rechten Wange. Und jetzt erkenne ich auch seine Augenfarbe: ein Braun mit einem grauen Stich.
»Alles okay?«, fragt er, weil ich ihn anstarre.
»Nein«, sage ich und habe ein Déjà-vu-Gefühl.
Er will etwas darauf erwidern, aber in dem Moment öffnet sich die Tür hinter uns, und ich springe zur Seite, um nicht erschlagen zu werden. Für eine Sekunde bin ich verwirrt, weil der junge Mann, der im Türrahmen steht, wie eine Kopie von meinem Fremden auf dem Boden aussieht – nur mit Brille. Dann beginnen weitere Unterschiede zwischen den beiden hervorzutreten, die lockigen Haare, die schlaksigen Arme und Beine, ein weniger markantes Gesicht.
»Oh, sorry«, sagt der Neuankömmling und lächelt mich entschuldigend an. Ein warmes, offenes Lächeln. Weniger verwegen, weniger selbstsicher, aber eines, das sein ganzes Gesicht einnimmt. Seine Nase kräuselt sich, als sein Blick zu seinem Bruder wandert. Und dann, mit leicht geweiteten Augen, wieder zurück zu mir.
»Äh … Störe ich vielleicht?«.
Uns stören? Wobei?
Dann fällt mir auf, wie diese Situation von einem Außenstehenden aufgefasst werden kann, und Panik macht sich in mir breit.
»N-Nein!«, rufe ich mit knallroten Wangen.
Sein Bruder rappelt sich indessen vom Boden auf und klopft sich den Staub von der Hose. »Du störst nicht, nein«, versichert er.
Unsere Blicke treffen sich erneut, er wirkt immer noch ziemlich amüsiert von all dem hier, und ich muss mittlerweile über das ganze Gesicht und den Hals knallrot angelaufen sein.
Ein Glitzern in meinem Augenwinkel erregt meine Aufmerksamkeit, und ich wende mich den Scherben zu, die noch immer auf dem Boden liegen. Ohne nachzudenken – und vielleicht, um von den Brüdern wegzukommen – gehe ich zurück, um sie aufzusammeln. Hinter mir vergehen drei stille Herzschläge, ehe jemand seufzt. Dann schiebt sich ein Paar Lederschuhe in mein Blickfeld, und da ist er dann, mein ungewollter Helfer. Gemeinsam heben wir die Überreste meines Zusammenbruchs auf und werfen sie anschließend in die Mülltonne. Ich ziehe mir auch endlich meine Pumps über. Meine Füße tun nach wie vor weh, aber noch länger könnte ich nicht auf meine nackten Zehen starren.
»Danke«, sage ich an den Fremden gewandt.
»Ich heiße Tariq.« Mit dem Daumen zeigt er auf seinen Bruder, der uns etwas zu aufmerksam beobachtet.
»Das ist Nuh.«
»Noah«, korrigiert er und nickt mir zu. Ich lächle die beiden unsicher an.
»Hey. Ich bin Arwa.«
»Arwa«, wiederholt Tariq langsam. Ich erwarte, dass er noch einen Kommentar zu meinem Namen von sich gibt, aber stattdessen macht er eine Geste in Richtung des Ausgangs, um mir den Vortritt zu lassen. Ich mache den Mund auf, um irgendetwas zu sagen – aber natürlich weiß ich nicht was, also schließe ich ihn wieder und folge seiner Aufforderung stumm.
Drinnen stehen wir uns ein wenig unangenehm gegenüber – nein, das stimmt nicht, ich stehe ihm unangenehm gegenüber, während Tariq die Ruhe in Person ist. Wir befinden uns in der Eingangshalle, sein Bruder ist bereits zurück in den Saal verschwunden, gleich hinter einem Typen mit fast kahl geschorenem Kopf, dem er »Abi, ich schwöre dir, gib mir meinen Sauropoden zurück!« hinterhergerufen hat. Ich weiß weder, was ein Sauropode ist, noch, warum Tariq noch hier ist. Hier. Mit mir.
»Danke«, sage ich.
»Wofür?«
Ich zucke mit den Schultern und streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht. Ohne die Reifen fühlen sich meine Arme seltsam nackt an, ich erwarte bei jeder Bewegung ihr nervtötendes Klirren. Aber da ist nur Stille auf meiner Haut – und zwischen uns.
Ich mache einen Schritt rückwärts. Tariq legt den Kopf schräg. Ich wünschte, mit der Geste würden seine Gedanken aus dem Ohr fallen, damit ich sie aufklauben und lesen kann. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich will.
»Ich …«, ich zeige auf den Eingang zum Hochzeitssaal, »… sollte jetzt rein gehen. Meine Tante sucht bestimmt nach mir.« Wenn sie sich noch an mich erinnert.
Bevor ich gehen kann, kommt er aber auf mich zu, und ich stehe da, mit dem Kopf im Nacken, um zu ihm aufsehen zu können, und einem wild pulsierenden Herz in meiner Brust.
»Pass auf die Luftballons auf«, sagt er seelenruhig und hält etwas hoch. Es ist ein Armreifen, wahrscheinlich der einzige, der den Sturz vorhin überlebt hat.
Ich nehme ihn langsam aus seiner Hand. Kurz gleitet sein Blick über mein ganzes Gesicht, bevor er mir ein kleines Lächeln schenkt – dann dreht er sich um und geht. Ich umschließe den Reifen mit meinen Fingern und presse ihn an meine Brust, während ich ihm nachblicke.
Zwei Wochen später sitze ich vor meinem offenen Fenster und starre in die vielen Augen des Hauses vor unserem Wohngebäude. Abends, wenn die Sonne sinkt und die Lichter auf den Straßen angehen, wacht auch das Haus langsam auf und offenbart damit Einblick auf die Menschen, die in ihm wohnen.
In dem Fenster direkt meinem gegenüber zum Beispiel lebt ein altes Ehepaar, das jeden Abend zusammen eine Gewinnspielshow anschaut. Der Mann, der mich an eine tief gebückte Tischlampe erinnert, mit rundem Kopf und krummem Rücken, verbringt die meiste Zeit damit, seinen Fernseher anzuschreien. Seine Frau, eine fest verschlossene Heftmappe neben ihm, sitzt immer stocksteif da und schlürft gelegentlich an ihrem Tee oder Kaffee. Ein paar Reihen weiter gibt es eine Wohnung voller junger Leute, die meistens am Fenster herumlungern und die geschäftige Straße unter uns beobachten, während ihre Arme in der Luft baumeln und ihre selbst gedrehten Zigaretten in der Dunkelheit glühen.
Es gibt auch Fenster, die immer zugedeckt bleiben, Augen, die sich nie öffnen. Einige davon wirken leblos, als würde hinter ihren Scheiben keine Seele mehr hausen. In anderen sieht man von Zeit zu Zeit eine Bewegung hinter den Rollos, ein Schatten, der vorbeizieht, oder ein Gesicht, das heimtückisch zwischen den Vorhängen hervorlugt, um dann schnell wieder zu verschwinden. Die vielen Stunden, die ich damit verbringe, in der sicheren Dunkelheit meines Zimmers auf all diese Leute zu spannen, müssten mir unangenehm sein. Und doch bin ich wieder hier und starre. Nein, beobachte. Ich sitze in einer gefütterten Jacke und knielangen Strümpfen auf einem Hocker vor der Heizung, ein offenes Skizzenbuch auf den Knien.
Ein offenes, ein bisschen zu leeres Skizzenbuch. Seit einiger Zeit fahre ich mit dem Bleistift ziellos über das raue Papier, doch ohne wirklich Druck auszuüben, sodass nur verschwommene Schemen entstehen. Ich weiß nämlich nicht, was ich zeichnen soll. Normalerweise hilft es mir, auf andere Leute zu spannen, um Inspiration zu finden, so seltsam das klingen mag. Es hat einfach etwas an sich, Menschen dabei zuzusehen, wie sie ihrem Alltag folgen. Bevor ich nach Wien kam, hatte ich auch diese Vision im Kopf – von mir, wie ich in den U-Bahn-Stationen sitze, mit meinem Skizzenbuch und Bleistift ausgerüstet, um die kommenden und gehenden Passanten auf Papier zu verewigen. Wie so ein wahr gewordenes Klischee eines verlorenen Künstlers. Doch für ein solches Unternehmen fehlt mir der Mut. Und wahrscheinlich würde ich auch dann nicht so genau wissen, was ich machen soll. Ich weiß nicht, was los ist, aber in letzter Zeit fühlt es sich seltsam an, Stift oder Pinsel in die Hand zu nehmen – als wüsste meine Hand nicht, was sie mit den Dingern machen soll. Es ist einfach nur frustrierend.
Missmutig schaue ich wieder nach draußen und entdecke eine schwarze Katze hinter dem Fenster, ein Stockwerk über dem Ehepaar, die direkt auf mich hinunterblickt. Ich winke ihr zu. Sie verharrt einen Moment, dann springt sie beleidigt davon. Okay, das war dann wohl ein Zeichen.
Es wird jetzt sowieso zu dunkel, um hier sitzen zu bleiben. Seufzend klappe ich das Skizzenbuch zu und werfe die Malsachen achtlos auf den Boden, neben all die restlichen Farbtuben, Skizzenbücher und Stifte. Dann stehe ich auf, um das Fenster zu schließen und die Rollos runterzulassen. Schließlich lasse ich mich rückwärts auf mein ungemachtes Bett fallen und blicke zu den Papierschwänen hinauf, die von meiner Decke baumeln. Im Hintergrund, kaum hörbar, spielt eine Playlist mit Lofi-Hip-Hop. Ich drehe mich zur Seite und fahre mit dem Finger über die Wolken, die ich vor einem hellblauen Himmel an die Wand gemalt habe. Wenn ich so darüber nachdenke, ist dieser Himmel hier der einzige, den ich in letzter Zeit gesehen habe. Das ist natürlich eine Übertreibung, aber es fühlt sich so an.
Seit zwei Wochen schaffe ich es kaum, die Wohnung zu verlassen. Seit der desaströsen Hochzeit, um genau zu sein. Seitdem ist jeder Funken Motivation in mir ausgebrannt und all meine Pläne, all die Visionen und Erwartungen haben sich in Luft aufgelöst. Ich hatte mir vorgenommen, gesünder zu leben, öfter unter Menschen zu gehen, mehr zu zeichnen, mich um mich zu sorgen, sogar eine bescheuerte Yogamatte habe ich mir gekauft, aber alles vergeblich. Jetzt wäre ich schon froh, wenn ich es schaffen könnte, zu einer halbwegs gesunden Uhrzeit schlafen zu gehen. Ich glaubte zwar nicht, dass ich mich magisch zu einer neuen Person verwandeln würde, wenn ich nach Wien komme, aber ich habe mir erhofft, dass mir der Abstand von meinem alten Leben guttun würde. Aber im Gegenteil – dieser ominöse Neuanfang bewirkt eher, dass ich mich in die entgegengesetzte Richtung bewege und immer mehr zu einem Murmeltier verkomme.
Ich verstehe das nicht. Ich habe dieses Jahr meinen Schulabschluss gemacht – ich bin jahrelang fünf Tage die Woche zur Schule gegangen. Habe täglich mit Menschen interagiert, oder nicht? Hier in Wien reicht aber ein Tag draußen, um für die restlichen sechs kaum Energie mehr zu haben. Als würde die Stadt mich leer saugen. Früher, wenn ich meine Tante besucht habe, war das auch noch kein Problem gewesen. Ich mochte Wien. Ich mag es hier immer noch, irgendwie. Aber ich glaube, Wien mag mich nicht.
Ob es eine schlechte Entscheidung war, herzukommen? Ob ich mich nicht genug bemühe? Ob ich mich besser vorbereiten hätte sollen? Ob ich es überhaupt länger ertragen hätte, bei meinen Eltern zu bleiben? Ob ich das Recht habe, es nicht ertragen zu wollen? Ob ich sie anrufen sollte, um zu fragen, wie es ihnen geht? Ob die Stimme, die mir immer sagt, sie sind besser dran ohne mich, recht hat? Ob sie besser dran sind?
Die Gedanken kommen langsam, vermischen sich aber zu einem immer lauter werdenden Rauschen, einem anwachsenden Tosen hinter meiner Stirn. Vielleicht sollte ich genau das malen: einen Kopf voller Meeresstürme. Viel Chaos, viel Melancholie. Und viel mehr blau, blau, blau. Durch das Rauschen hindurch höre ich plötzlich näher kommende Schritte von außerhalb meines Zimmers. Eine Stimme, zwei oder sogar drei, und dann wird meine Tür aufgerissen.
»Arwa«, ruft Asma Aunty, deren Ankunft in meine Trauerblase immer ein wenig so wirkt, als würde jemand das Blau der Szene auf eine wärmere Stufe stellen. Dass sie dabei auch das Licht einschaltet, unterstreicht die Wirkung nur noch, und ich setze mich gegen die Helligkeit blinzelnd aufrecht hin.
»Deine Großeltern wollen mit dir reden.«
Das Handy mit dem laufenden Anruf vor mein Gesicht geschoben, lässt meine Tante sich neben mir auf dem Bett nieder. Sie hat die Kontaktlinsen entfernt und blickt mich stattdessen durch ihre leicht nerdige Brille an. Die lockigen Haare sind zu einem losen Dutt zusammengebunden und das weiße T-Shirt, auf dem ein verblasstes Küken prangt, hat einen Kaffeefleck am Kragen.
»Arwa!«, rufen meine Großeltern begeistert. Ihre Gestalten drängen sich verpixelt auf dem kleinen Rahmen vor mir.
»Salam aleikum, Ammiji, Abbuji«, begrüße ich sie.
»Wa aleikum assalam!«
»Mashallah, wie hübsch du wieder aussiehst«, sagt meine Ammijan.
Ich lächle träge. In meinem momentanen Aufzug sehe ich alles andere als hübsch aus, aber ich könnte noch so müde und fertig sein, es würde für meine Großmutter keinen Unterschied machen.
»Du siehst auch gut aus«, sage ich.
»Ich? Alt sehe ich aus! Sieh mich mal an, Arwa, bin ich nicht alt geworden?«
Sie dreht ihren Kopf nach recht und links, damit ich sie begutachten kann.
»Nein. Du siehst so jung wie immer aus.«
Sie lacht. »Lügnerin. Aber Arwa, ich lass dir deine Lügen. Ich lass sie dir unter einer Bedingung.«
Noch ehe sie weiterredet, weiß ich ganz genau, was sie sagen wird, und spanne mich automatisch an.
»Wenn du mich endlich wieder besuchen kommst.«
Mein Opa nickt zustimmend. »Ja, Arwa. Sag mal, wann hast du endlich wieder vor, herzukommen?«
Ich wünschte, es wäre einfach, diese Frage zu beantworten. Aber während ich verkrampft in die Kamera lächle und versuche, eine Erwiderung zu finden, höre ich nur dieses entfernte Rauschen, diesmal unterstrichen von einem Piepen in meinem Ohr, das mich seit einiger Zeit schon plagt. Wie ein Warnsignal, das mich dazu auffordert, in Deckung zu gehen, ehe etwas passiert.
»Jetzt setzt sie nicht unter Druck«, redet Asma Aunty Gott sei Dank dazwischen. »Außerdem fängt bald die Uni an, da wird sie erst mal keine Zeit finden.«
»Die Uni! Zur Uni geht sie jetzt, kannst du das glauben? Arwa, du bist so groß geworden«, freut sich Abujaan. »Jedes Mal, wenn wir dich sehen, bist du wieder gewachsen.«
Ich hingegen bemerke wieder, wie viel älter die beiden werden. Die vielen Jahre graben sich immer tiefer in ihre Haut, nisten sich in ihren trägen Bewegungen und zusammengekniffenen Augen, in den Falten und grauen Haaren ein. Ich fasse unbewusst mit meiner Hand nach dem Bildschirm und fahre über das Gesicht meiner Ammijan, als könnte ich die tiefen Linien glätten.
»Da war ein Fleck auf dem Handy«, murmle ich, da mir meine Tante einen fragenden Blick zuwirft.
Als ich noch bei meinen Eltern lebte, habe ich selten mit meiner Familie in Pakistan telefoniert. Meine Verbindung zu Pakistan war für viele Jahre gekappt, was zum großen Teil an meinen Eltern selbst liegt, die sich von all ihren Verwandten zurückgezogen haben. Asma Aunty redet dagegen regelmäßig mit meinen Großeltern, weswegen es auch für mich immer mehr zum Alltag wird. Anfangs haben mir meine Probleme mit der Sprache und mein nervöses Selbst die Kommunikation schwer gemacht, aber die beiden füllen nur zu gern meine Lücken aus und freuen sich allein schon darüber, mich zu sehen, ohne dass ich etwas sagen muss. Es ist fast schon befremdlich, wie gern sie mich noch haben. Sie kennen diese Person, die ich heute bin, doch gar nicht. Wie können sie so lieb zu mir sein? Ich habe nie irgendwas getan, um diese Sanftheit zu verdienen.
Aber anderseits hat sich die Familie meiner Mutter schon immer nähergestanden. Vielleicht sind Zeit und Distanz irgendwann einfach nicht mehr von Bedeutung, wenn all deine Kinder und deren Kinder über den Globus verteilt leben. Sowohl Asma Aunty und meine Mutter als auch ihr einziger Bruder leben seit über einem Jahrzehnt außerhalb Pakistans. Wahrscheinlich sind meine Großeltern es mittlerweile gewohnt, wochenlang nichts von ihren Sprösslingen zu hören. Wahrscheinlich haben sie dadurch gelernt, ihre Liebe aufrechtzuerhalten, sich von den Gegebenheiten nicht aus dem Takt bringen zu lassen. Eine konservierte Art der Liebe, eine, die auf Geduld und Achtsamkeit aufbaut. Ich fahre noch mal über das Gesicht meiner Ammijan und schlucke schwer.
»Weißt du, ich war heute einkaufen und bin an diesem Geschäft vorbeigegangen, wo ich dir damals dein kleines Radio gekauft habe. Hast du das noch, Arwa?«, fragt meine Großmutter. »Wisst ihr noch, wie sie als Kind immer dieses rote Ding mit sich herumtrug? Überall? Und diesen Zauberstab?«
In dem Moment klärt sich die Aufnahme auf dem Handy ein wenig, sodass die Gesichter meiner Großeltern deutlicher zu erkennen sind. Ich blinzle und versuche mich wieder auf das Gespräch zu fokussieren. Meine Oma strahlt. Sie hat sich die Brille in ihre von Henna rot gefärbten Haare geschoben, die sie zu einem festen Zopf zusammengebunden hat. Mein Opa sitzt in einem weißen Unterhemd neben ihr, die wenigen Haare, die ihm geblieben sind, stehen ein wenig zur Seite ab, als wäre er gerade aufgewacht. Ich versuche mich daran zu erinnern, wie groß der Zeitunterschied zwischen Österreich und Pakistan ist – drei Stunden? Vier? Oder sogar fünf? Ich versuche mich an Pakistan selbst zu erinnern – goldrote Sonnenuntergänge und sandige Straßen, der ständige Geruch von Benzin in der Luft. Sieben Jahre ist es seit meinem letzten Besuch dort her. Eine Ewigkeit.
»Und den Astronautenhelm«, bekräftigt Asma Aunty neben mir. »Mit dem Radio, dem Helm und dem Zauberstab ist sie immer durch die Gegend getanzt.«
Mir erscheint ein Bild vor den Augen: Ich, auf den Schultern meines Opas, wie wir in glühender Sommerhitze vor einem Gola-Verkäufer stehen. Er fragt mich, welche Sirupsorte ich für meine Eiskugeln will, und ich zeige mit meinem Stab auf die blauen Flaschen, die unter der brütenden Sonne staubig leuchten.
»Es war kein Zauberstab, sondern ein Mondzepter«, murmle ich und reibe über meine Hände, als könnte ich den klebrig flüssigen Zucker noch auf meiner Haut rinnen spüren. »Aus Sailor Moon.«
Meine Tante schnaubt. »So eine seltsame Serie.«
Ich werfe ihr einen gespielt beleidigten Blick zu.
»Und wie hieß das Lied noch, das du ständig jede freie Minute gehört hast?«, fragt meine Großmutter.
Wie auf Kommando rufen alle drei gleichzeitig: »Nimooda!« Auch bekannt als das Limettenlied, ein alter Bollywoodsong, den ich in meiner Kindheit 24/7 durchgehend gehört habe. In dem Lied geht es um eine Frau, die frische Limetten vom Feld braucht, weil ein Aberglaube besagt, dass man damit aufdringliche Verehrer loswird. Aber als Kind ging es mir weniger um die Lyrics und viel mehr um Aishwarya Rai, die in dem Musikvideo in einem blauen Lengha fröhlich durch einen prunkvollen Saal tanzt. Das fand ich schön. Das finde ich noch schön.
»Ich habe keine Ahnung, wovon ihr redet«, lüge ich dennoch, weil mir diese Phase meines Lebens trotzdem ziemlich peinlich ist. Dass ich sowohl den Text als auch die Choreografie immer noch in- und auswendig kann, bleibt natürlich unerwähnt.
»Ich hab noch Videos!«, sagt meine Ammijan.
Mein Mund verzieht sich zu einer Grimasse.
»Hai, jetzt wird sie wieder rot.«
Ich lege die Hände auf meine tatsächlich warm gewordenen Wangen und krümme mich zusammen. »Hast du keine peinlichen Fotos von Asma Aunty als Kind?«, frage ich. Das Wort »peinlich« ersetze ich durch das englische embarrassing, weil mir die zugehörige Vokabel auf Urdu nicht einfällt.
»Oh, da haben wir sicher ein Album voll. Deine Tante war schon immer eine Zirkusshow.«
Ich lache, während besagte Tante neben mir ihre Hände vor sich ausbreitet, als würde sie sich selbst präsentieren. Sie ist die Jüngste unter ihren drei Geschwistern, über zehn Jahre jünger als meine Mutter, und hat diese Position schon immer gern ausgenutzt.
»Stets zu Diensten«, sagt sie.
»Aber du warst auch so ein aufgewecktes Kind, Arwa. Immer am Herumtanzen und durch die Gegend springend.«
… und dann habe ich mich zu dieser Person hier entwickelt. Eine, die sich anscheinend nur aus ihrer Trauer, aus ihrem Versagen und Nichtskönnen definieren kann.