Living Dreams - Kira Borchers - E-Book
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Kira Borchers

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Beschreibung

Eine bewegende und inspirierende Geschichte über die Liebe zum Sport und das Kämpfen für die eigenen Träume – für Fans von Mona Kasten oder Laura Kneidl »Olivia Roberts, ich kenne dich. Dir und deiner Zukunft mag nichts im Weg stehen, aber dann verstehe ich nicht, warum du gerade versuchst, meine zu zerstören. Das hier ist mein Traum.« Olivia Roberts hat einen Traum: Sie möchte Sportjournalistin werden. Auch das ausdrückliche Verbot ihres Vaters bringt sie nicht davon ab und sie besucht heimlich Sportveranstaltungen, um über diese zu schreiben. Bei einem Interview trifft sie den angehenden Football-Star des Coulden Colleges, Finn McGhee. Obwohl zunächst die Fetzen fliegen, merkt sie bald, dass der erste Eindruck täuschen kann – und dass sie nicht die Einzige ist, die um ihren Traum kämpfen muss. Zwischen den beiden funkt es. Doch der beliebte Footballer lässt nicht nur ihr Herz höher schlagen ... Olivia muss sich entscheiden: Für die Liebe oder die Freundschaft? »Toller, humorvoller und romantischer College-Liebesroman!«  ((Leserstimme auf Netgalley)) »Heiße Sportler Romanze? Japp... Ich liebe die Story«  ((Leserstimme auf Netgalley)) »Jugendlich, erfrischend und humorvoll, aber gleichzeitig auch voller Gefühle und Romantik. Wirklich ganz toll.«  ((Leserstimme auf Netgalley)) 

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© Piper Verlag GmbH, München 2021

Redaktion: Cornelia Franke

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Traumstoff Buchdesign traumstoff.at

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

Kapitel 1 – Olivia Roberts

Kapitel 2 – Olivia Roberts

Kapitel 3 – Finn McGhee

Kapitel 4 – Olivia Roberts

Kapitel 5 – Olivia Roberts

Kapitel 6 – Olivia Roberts

Kapitel 7 – Olivia Roberts

Kapitel 8 – Olivia Roberts

Kapitel 9 – Olivia Roberts

Kapitel 10 – Finn McGhee

Kapitel 11 – Olivia Roberts

Kapitel 12 – Olivia Roberts

Kapitel 13 – Olivia Roberts

Kapitel 14 – Olivia Roberts

Kapitel 15 – Finn McGhee

Kapitel 16 – Olivia Roberts

Kapitel 17 – Finn McGhee

Kapitel 18 – Olivia Roberts

Kapitel 19 – Olivia Roberts

Kapitel 20 – Olivia Roberts

Kapitel 21 – Finn McGhee

Kapitel 22 – Olivia Roberts

Kapitel 23 – Finn McGhee

Kapitel 24 – Finn McGhee/Olivia Roberts

Kapitel 25 – Olivia Roberts

Kapitel 26 – Finn McGhee/Olivia Roberts

Kapitel 27 – Olivia Roberts

Kapitel 28 – Olivia Roberts

Danksagung

Für meine Familie.

Danke, dass ihr immer hinter mir steht.

Für die Leserinnen und Leser.

Glaubt an eure Träume. Kämpft dafür und lasst euch nie von ihnen abbringen.

Kapitel 1 – Olivia Roberts

17. Oktober, 23:13 Uhr.

Finn McGhee ist ein Idiot.

»Olivia Roberts, untersteh dich!«

Im Augenwinkel sah ich meinen Vater die letzten Stufen unserer Marmortreppe ins Foyer stürzen. Doch ich stand bereits an der Haustür, als ich mich zu ihm umwandte. Den Autoschlüssel hielt ich demonstrativ in die Höhe und ließ die Schlüssel klimpern.

»Du wirst nicht zu diesem Spiel fahren!«, rief er und blieb abrupt am anderen Ende des Flures stehen. Nur ein langer, orientalischer Teppichläufer trennte uns voneinander.

»Doch, das werde ich«, erwiderte ich grinsend. Mit einer schwungvollen Drehung warf ich meine Haare zurück, öffnete die Tür und trat in die Nacht hinaus. In der Stille außerhalb der Villa trommelte mein Herz so laut wie Bassschläge gegen meine Rippen.

»Olivia, nein!« Ich hörte schnelle Schritte hinter mir und Panik schnürte mir den Hals zu.

Mit einem Ruck zog ich die Tür ins Schloss und rannte los. Dabei stolperte ich im Halbdunkeln beinahe über unseren kugelrunden Kater, der sich mitten auf der Treppe vor der Villa hingesetzt hatte. Mit einem lauten Miauen beschwerte er sich bei mir, machte jedoch keine Anstalten, seinen aufgeplusterten Fellhintern auch nur einen Millimeter zur Seite zu bewegen.

»Tut mir leid, Grummelchen!«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Die Haustür flog regelrecht auf und mein Vater erschien im Türrahmen. »Hey!«

»Du kannst es mir nicht verbieten!«, schrie ich, nach einem flüchtigen Blick über die Schulter, lief jedoch weiter und erreichte in der Auffahrt schließlich mein Auto. Mit zittrigen Fingern, die eiskalt von der Aufregung waren, friemelte ich den richtigen Schlüssel heraus und drückte meinen Lamborghini auf.

»Oh doch, das kann ich sehr wohl! Wenn du jetzt fährst, wird das Konsequenzen für dich haben«, drohte er mir und blieb einige Meter neben meinem schwarzen Auto stehen.

»Sollte ich Angst haben?«, hakte ich mit hochgezogenen Augenbrauen nach und stieg ein. Bevor ich die Autotüren schloss, spottete ich: »Du wirst deiner Lieblingstochter doch kein Haar krümmen?«

Ich holte tief Luft, startete den Motor und schaltete die Musik möglichst laut, um den letzten Flüchen meines Dads zu entkommen. Lächelnd und mit quietschenden Autoreifen fuhr ich von unserem Grundstück. Außer Sichtweite wich mir das Lächeln jedoch genauso schnell von den Lippen, wie es gekommen war. Wenn ich mich beeilte, schaffte ich es vielleicht noch rechtzeitig zum letzten Viertel.

***

»Verdammt nochmal!«, fluchte ich und hielt an der nächsten roten Ampel. Sollte das so weitergehen, würde ich mich nicht mehr lange an die Verkehrsvorschriften halten können.

Kaum, dass der rote Kreis auf Grün wechselte, drückte ich das Gaspedal zum Boden durch. So ein Mist! Ich musste bis zum Ende des Spiels beim Stadion ankommen, um dieses Interview zu führen.

Mit einer Vollbremsung hielt ich auf dem Parkplatz vor einem riesigen Stadion. Es wunderte mich, überhaupt eine freie Lücke zwischen den unzähligen Autos zu finden, obwohl ich mir das auch hätte denken können. Spiele der Vicking Stars gegen ihre stärksten Gegner und zugleich größten Rivalen, die Lucky Bears, waren immer sehr gefragt. Die Lucky Bears waren das Team des anderen Colleges in der Gegend. Die Vicking Stars repräsentierten das Coulden College.

Ich hatte gerade das Auto verlassen, da schlugen mir bereits Jubelrufe und laute Musik aus dem Stadion entgegen. Durch weit geöffnete Eingangsflügel, die zum Durchgang zu den Tribünen und den Spielerbereichen führten, drang der Lärm in meine Richtung. Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, während mein Herz noch immer unregelmäßig und viel zu schnell gegen meine Rippen hämmerte. Aus dem Kofferraum holte ich ein Klemmbrett mit Zetteln, an dem ich meinen Lieblingskugelschreiber befestigt hatte. Mit der freien Hand warf ich mir eine schwarze Jutetasche mit dem Logo unserer Universität über die Schulter. Dann trat ich entschlossen von meinem Lamborghini zurück. Mein neuer Artikel und meine erste Story für das Titelblatt einer lokalen Zeitung, die jeder bei uns kannte, hingen von dem heutigen Interview ab.

Mit dem Betreten des Stadions fühlte ich mich, als würde ich alles bisher Bekannte hinter mir lassen. Weder die Journalisten-Tribüne noch den Spielerbereich hatte ich je zuvor betreten. Bisher hatte ich nur selbst auf der Tribüne als Zuschauerin gesessen, zusammen mit Cassy meine beste Freundin angefeuert. Aber das durfte ich mir nicht anmerken lassen. Also holte ich nochmals tief Luft und sah mich nach der richtigen Tribüne um, von der ich direkt zum Spielfeldrand hinunter und zum Pressebereich kommen würde.

Zwei Mädchen liefen mir gackernd entgegen, beachteten mich gar nicht. Ansonsten war der Bereich wie leergefegt. Wer ließ sich die letzten Minuten eines solchen Spiels auch entgehen? Zu den jeweiligen Aufgängen der Tribünen entdeckte ich Pläne, auf denen Nummern und Ränge notiert waren. Tatsächlich. Daneben war ein roter Kreis mit Presse markiert worden. Aus Instinkt den richtigen Plan angeschaut.

Mit jeder Stufe, die ich zur Tribüne hinauftrat, und mit jedem Bassschlag der Musik hüpfte auch mein Herz in die Luft. Zu beiden Seiten hingen Plakate mit den Wappen der Mannschaften und auch im Eingang hatte ich bereits zwei riesige Hörner auf der einen und zwei gigantische Bären auf der anderen Seite entdeckt. Das Jubeln der Masse dröhnte jetzt in meinen Ohren.

Am Ende der Treppe fand ich mich plötzlich einer Menschenmenge gegenüber. Wie gelähmt blieb ich stehen und rang nach Luft. Mit meinen Händen klammerte ich mich an mein Klemmbrett, als könnte mir dieses winzige Stück Pappe Schutz vor all den Gesichtern bieten. Ich war es gewohnt, im Rampenlicht zu stehen; kannte das Gefühl von auf mir ruhenden Blicken. Aber das hier, das war etwas vollkommen anderes. Diese Atmosphäre war einmalig und raubte mir nicht nur den Atem, sondern auch meine Worte. Überall wurden Plakate und Tücher, Fähnchen oder Bänder in die Höhe gestreckt und die Farben der Wappen waren überall in den Zuschauerrängen wiederzufinden.

Sofort fühlte es sich unpassend an, nicht in den Spielerfarben im Stadion aufzutauchen, sondern in schwarzen Jeans, Top und Lederjacke. Nur mit meinen weißen Chucks kam ich mir nicht allzu verkehrt vor. Zu gern hätte ich nun Cassy oder Grace an meiner Seite, um nicht allein durch die Menschenmenge zu marschieren. Mit meinen engsten Freundinnen fühlte sich einfach alles viel besser an. Aber das hier musste ich ohne sie durchstehen. Das war mein Traum und den musste ich allein träumen. Das ging nicht zu dritt.

Die Menschen um mich herum brachen in Jubel aus und schenkten nicht mir, sondern dem Spielfeld ihre volle Aufmerksamkeit. Das Spiel war beendet. Als mir das bewusst wurde, flammte Panik in mir auf. Die Spieler hatten ihre Positionen verlassen und klatschten einander ab, während die Fans grölten.

Na super. Weit oben entdeckte ich eine Anzeigetafel und notierte mir das Ergebnis. Ich würde zuhause noch einmal recherchieren müssen. Innerlich verfluchte ich mich jetzt schon, den Auftrag angenommen zu haben. Wieso hatte ich nur gelogen?! Ich hatte kaum Ahnung von Football, nicht von so großen Spielen, und hatte auch noch das Ende verpasst. Wie sollte ich jetzt den Starspieler abfangen und befragen? Ich schlug innerlich die Hände vor mein Gesicht. Doch ich durfte nicht verzweifeln und musste das Beste aus meiner Lüge machen. Das perfekte Sprungbrett für meine Journalisten-Karriere und für eine Titelblatt-Story würden sich mir nicht allzu bald wieder bieten.

Das Durcheinander und der plötzliche Ansturm auf den Pressebereich überraschten mich. Wie sollte ich mich da zwischenquetschen? Ich hatte den Gedanken noch nicht beendet, als einer der Footballer an den Rand des Spielfelds gejoggt kam und seinen Helm mit einer lässigen Geste vom Kopf nahm, sodass sein kantiges Gesicht zum Vorschein kam. Das war nicht irgendein Spieler. Das war der Spieler. Unser neuer Footballstar: Finn McGhee.

Mir wäre beinahe die Kinnlade heruntergeklappt, wenn ich mich nicht im letzten Moment daran erinnert hätte, weswegen ich hier war und wie schlecht meine Chancen auf ein Interview standen. Ohne das Interview … Mein Chefredakteur würde ausflippen, wenn wir das nicht in der neuen Ausgabe der Morning Devil drucken würden.

Obwohl Finn groß und muskulös war, wurde er von den Menschenmassen verdeckt. Dennoch hatte sich sein Auftreten in meinen Kopf gebrannt. Ich schüttelte mich und drängte mich durch einige Zuschauer der ersten Reihe, die ihre Plätze bereits verlassen hatten. Ich wollte gerade unter einem Absperrband hindurchtauchen, stockte jedoch in der Bewegung.

»Hey! Sie da, das dürfen Sie nicht!«, rief jemand. Ich hob den Kopf und entdeckte einen Security-Mann, der mit großen Schritten auf mich zukam. War das noch zu glauben? Wie viel Pech konnte ein Mensch an einem Tag haben? Mit schwitzigen Fingern kramte ich in meiner Tasche nach meinem Ausweis, den ich als Journalistin immer bei mir trug. Ich bekam einen Lippenstift, Handcreme, Taschentücher, mein Portemonnaie, einige lose Haarklammern und den Autoschlüssel zu fassen. Aber nicht den Ausweis. Unruhe breitete sich in mir aus, als ich erneut in die Tasche griff und dem Mann der Security ein entschuldigendes Lächeln zuwarf. Himmel!

Erste Schweißperlen traten mir auf die Stirn. Nur mein Handy ertastete ich noch. Oder …

Ich holte mein Portemonnaie heraus und schaute bei den Karten nach. Tatsächlich. Es war mir ein Rätsel, wann ich angefangen hatte, meine Sachen ordentlich zu sortieren, aber anscheinend … ganz nützlich.

»Danke, Olivia Roberts.« Der Mann mittleren Alters hob das locker gespannte Band an. Dankend nickte ich ihm zu und lief dann los. Hoffentlich war ich nicht zu spät. Zu meinem Entsetzen wandte sich Finn McGhee gerade von der letzten Reporterin ab und ging auf das Spielfeld zurück. Nein. Er ging in Richtung der Umkleiden.

Mit einer Hand fuhr ich mir leise fluchend durch die offenen Haare. Was jetzt? Die Journalisten liefen auseinander und richteten ihre Aufmerksamkeit auf andere Spieler. Die Zuschauerränge leerten sich erstaunlich schnell und auch auf dem Feld waren nur noch wenige Spieler. Mit rasendem Herzen holte ich tief Luft und schloss kurz die Augen. Ich hatte keine Wahl.

Ich eilte auf die Bande vom Spielfeld zu, sprang schließlich über den Zaun auf das Spielfeld. »Finn McGhee!«, rief ich aus vollem Hals. Aber der hochgewachsene Quarterback machte keine Anstalten, stehen zu bleiben oder auch nur in meine Richtung zu schauen. »McGhee!«, schrie ich lauter. Keine Regung. Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Dieser Mistkerl.

Dass einige Menschen hinter mir erschrocken tuschelten, ignorierte ich. Ich tat nur meinen Job. Ich brauchte dieses Interview.

Abermals rannte ich los und folgte dem Footballstar über den Rasen bis zum Tunnel, der zu den Umkleidekabinen führte. Dort hörte der Rasen auf und wechselte zu Betonboden. An der Kante blieb ich stehen. »Finn McGhee. Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Eine Journalistin zu ignorieren, das macht sich nicht gut, wissen Sie?«

Er blieb tatsächlich stehen. Meine Worte hatten ihn erreicht, was mir zeigte, dass er mich in der Tat schlichtweg nicht beachtet hatte.

»Hey, Sie!« Ein weiterer Security-Mann tauchte neben mir auf und umfasste meinen Arm. »Das hier ist der Spielerbereich. Den dürfen Sie nicht betreten.«

Mir lagen bereits einige scharfe Kommentare auf der Zunge, als Finn sich plötzlich umdrehte und dem Mann ein unbeschwertes Lächeln schenkte. »Ist schon in Ordnung. Sie können uns kurz allein lassen.« Wie konnte er nur so etwas sagen? So, als wäre nichts gewesen?

Der Mann nickte ihm zu und ließ uns wirklich allein. Ich wusste nicht, was ich fühlen oder denken, geschweige denn, was ich sagen sollte. Mir lagen so viele bissige Kommentare auf der Zunge, doch nichts davon wollte meinen Mund verlassen.

»Du hast also ein paar Fragen?«, meinte er, zog eine Augenbraue hoch und tat einen Schritt in meine Richtung. Seine tiefe Stimme klang so warm, dass sich Gänsehaut auf meinen Armen ausbreitete. Zum Glück konnte er das durch meine Lederjacke nicht sehen.

Ich umfasste das Klemmbrett in meinen Armen fester und erwiderte seinen eindringlichen Blick. In seinen dunklen Augen lag ein neugieriges Funkeln. »Ja, habe ich«, beeilte ich mich zu sagen. »Schön, dass Sie doch Zeit finden, mir einige davon zu beantworten.«

Finn verschränkte die Arme und hob leicht das Kinn an. »Also?«

»Nachwuchsstar mit Fangemeinde und herausragenden Leistungen. Warum wollten Sie Football-Spieler werden? War das schon immer Ihr großer Traum?«, begann ich mit der ersten Frage auf meiner Liste, die ich vor einigen Tagen entworfen und auswendig gelernt hatte. Jede Geste, jede Formulierung, die Betonung. Alles musste stimmen, um zu den gewünschten Antworten zu kommen.

»Lass uns doch Du sagen«, bot er mir an und setzte wieder dieses Lächeln auf, durch das sich in seinen Wangen zwei Grübchen bildeten.

Verdammt, warum hatte mir niemand gesagt, wie gut dieser Kerl aussah?! Ja, ich hatte mir einige Bilder und Videos von ihm angesehen, hatte das komplette Netz nach Informationen zu Finn auseinandergenommen. Ihm jedoch jetzt so nah gegenüberzustehen, war etwas vollkommen anderes.

»Klar, gern«, erwiderte ich. »Olivia.«

»Finn.« Ich weiß, ergänzte ich im Stillen. Und du gehst auf dasselbe College wie ich. Du bist zwanzig Jahre alt, du spielst Football, seit du fünf bist, und hast auf Instagram inzwischen über sechzigtausend Fans.

»Zur Frage zurück. Warum wolltest du Footballer werden?«, wiederholte ich und setzte meinen Kugelschreiber an.

»Ich liebe diesen Sport. Schon seit ich klein war und das erste Mal mit meinem Vater ein Spiel besucht habe. Dieses Gefühl in einem Stadion mit hunderttausend Menschen, die Atmosphäre und dann selbst einmal den Rasen da unten zu betreten, das ist einmalig.« Das Lächeln auf seinen Lippen war breiter geworden und ich spürte, wie ich es wie von selbst übernommen hatte.

Sofort ärgerte ich mich darüber, zwang mich, wieder ernst zu schauen, und stellte eilig die nächste Frage. »Es ging dir also von Anfang an um den Ruhm und das Geld?«

»Nein, gar nicht.« Noch immer klang er ruhig und schüttelte den Kopf. »Es ist einfach dieses Feeling, das kann man nicht beschreiben. Football ist für mich ein wahr gewordener Traum. Nicht wegen Geld oder Ruhm, sondern wegen der Gemeinschaft – dem Team. Dem Training. Auf dem Feld kann man abschalten und für einige Stunden ist man nur noch das Team, lebt für den Sport. Alles andere ist egal.«

»Alles andere? Klingt, als hättest du sonst Probleme?«, hakte ich nach und kniff die Augen zusammen.

Finns Lächeln verrutschte für einen Herzschlag. Aber das reichte mir. Ich hatte einen wunden Punkt getroffen. »Jeder kennt Situationen im Alltag, denen er am liebsten entfliehen möchte, habe ich recht?« Ich legte den Kopf schief und musterte ihn von oben bis unten, zwang mich, mich nicht von seiner Statur ablenken zu lassen. »Was sind das für Situationen bei dir? Stress mit dem College? Es soll sehr schwer sein, College und Football unter einen Hut zu bekommen. So ein Nachwuchstalent hat viele Trainingstermine und Spiele. Und auf dem College nimmt bestimmt keiner Rücksicht drauf?«

»Nein, ganz und gar nicht. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. So sagt man es doch?« Finn wippte nervös auf seinen Fußballen vor und zurück. Eiskalt erwischt.

»Und den Stress bewältigst du mit Alkohol und Partys?« Ich lächelte ihn möglichst zuckersüß an und verschränkte die Arme vor der Brust.

Sein Lächeln hingegen verschwand, während seine Kieferknochen hervortraten. »Nein.«

»Auf deinem Instagram-Account habe ich einige anstößige Bilder mit viel Alkohol und Freizügigkeit gefunden. Dabei hast du viele jüngere Fans, die ein großes Vorbild in dir sehen.« Damit zog ich die Schlinge um seinen Hals zu.

Seine Miene verfinsterte sich weiter und die lockere Stimmung, die von ihm ausgegangen war, wich einer kühlen, angespannten Atmosphäre.

Nur noch ein paar Aussagen oder Fragen und ich hatte sie. Die perfekte Schlagzeile für meinen neuen Artikel. Ich rieb mir insgeheim schon die Hände.

»Das ist mir ziemlich ernst.«

Mit einem Mal war er mir so nah, dass mein Herz aufhörte zu schlagen. Seine fast zwei Meter erschienen mir von Nahem größer, als es eben im Gang gewirkt hatte. Ich legte den Kopf in den Nacken und versuchte verzweifelt, mich nicht in seinen dunklen Augen zu verlieren.

»Olivia Roberts, ich kenne Leute wie dich. Dir und deiner Zukunft mag nichts im Weg stehen, warum versuchst du also gerade, meine zu zerstören? Das hier ist mein Traum.« Seine Stimme zitterte und er schluckte hart.

Jedes seiner Worte schnitt mir in die Brust, traf mich unvorbereitet hart. Damit hatte ich nicht gerechnet, nicht mit solch einer Wendung.

Sein Atem strich über meine Haut. Ich wollte einen Schritt zurückmachen, aber da war nur die kühle Wand des Durchgangs. »Ich mache nur meine Arbeit«, sagte ich möglichst selbstbestimmt, reckte mein Kinn in die Höhe und presste mein Brett mit den Papieren noch enger an mich. Wütend klammerte ich meine Finger so fest darum, dass ich glaubte, das Holz müsste in meinen Händen zerbrechen.

»Na dann. Werde glücklich mit deiner Arbeit!« Der Sarkasmus in seiner Stimme zerschnitt mir das Herz. Doch Finn war noch nicht fertig. »Aber lass mich in Ruhe. Es geht dich einen Scheiß an, was ich in meinem Privatleben mache.« Er trat zurück und kehrte mir den Rücken zu. Seinen Helm unter den Arm geklemmt, lief er in Richtung der Umkleiden davon und ließ mich mit meinen Gedanken und Gefühlen zurück.

Die Stille, die mich umhüllte, war ohrenbetäubend. Einzig seine dumpfen Schritte klangen in dem Gang nach.

Fassungslos starrte ich ihm hinterher. Er kannte mich so, so schlecht.

So viel zum angehenden Star-Quarterback. Davon war er ja mal sowas von weit entfernt. Was für ein Idiot. Das würde Finn noch bereuen.

Kapitel 2 – Olivia Roberts

17. Oktober, 00:21 Uhr

Die Sache von Rückschlägen und Fenstereinstiegen

Mühsam brachte ich meinen Körper dazu, den Anweisungen meines Kopfes zu folgen. Ewiges Herumstehen in diesem Tunnel würde die Wut über mich selbst und meine schlechte Vorbereitung, die wie ein Sturm in mir tobte, auch nicht beseitigen. Und doch konnte ich mich nur schwer von dem Durchgang abwenden, in dem Finn verschwunden war. Was bildete dieser Kerl sich eigentlich ein? Mich so ignorant zu behandeln, mir so unverschämt nahezukommen und dann auf diese Weise abzudampfen. Meine Schlagzeile würde er nie vergessen, dafür würde ich sorgen.

Ich hatte die Hände abermals zu Fäusten zusammengeballt und so verkrampft, dass meine Arme wehtaten. Meine Fingerknöchel traten inzwischen weiß hervor.

Ich musste hier raus. Sofort. Als ich aus dem Halbdunkeln des Tunnels zurück aufs Feld trat, war von den anderen Journalisten nichts mehr zu sehen und die Ränge hatten sich nahezu vollständig geleert.

Mit zügigen Schritten lief ich den Weg zurück, den ich gekommen war. Die vereinzelten, überraschten Blicke ignorierte ich. Stattdessen wünschte ich mir meine Strickjacke mit Kapuze herbei, um mich darunter zu verstecken.

Für den anbrechenden Herbst war es nachts noch erstaunlich warm, stellte ich einmal mehr fest. Vielleicht wäre ein nächtlicher Spaziergang oder eine kleine Rundfahrt mit offenem Verdeck gar keine schlechte Idee, um auf andere Gedanken zu kommen.

Als ich bei meinem Lamborghini die Tasche in den Kofferraum warf und die Klappe zuschlug, ertönten am anderen Ende des Parkplatzes auf einmal Stimmengewirr und lautes Gelächter. Durch die Torflügel zum Stadion traten einige junge Männer und schienen sich prächtig zu amüsieren. Über ihren Schultern trugen sie große Taschen, wahrscheinlich ihre Trainingssachen.

Wie lange hatte ich zum Auto gebraucht, wenn selbst die Spieler schon die Umkleidekabinen verließen? Der Parkplatz war nahezu leer und nur noch vereinzelt standen hier und da ein paar Autos. Gewiss die Spieler-, Trainer- und Mitarbeiterwagen.

Und plötzlich wurde aus der Masse nur noch ein Footballer, der in dem Durchgang zurückblieb und die Zeit wurde zur Ewigkeit. Alles schien stillzustehen. – Bis auf meinen Puls, der neue Weltrekorde aufstellte, ganz sicher.

Mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche. Aber ich konnte, ich wollte den Blick nicht von ihm abwenden. Wie er die schwarze Mütze so tief ins Gesicht zog, dass nur einige seiner schwarzen Haarsträhnen darunter hervorlugten. Seine Hände hatte er in einer dunklen Trainingsjacke vergraben und statt des Trikots, trug er nun Jogginghose und Nikes. Trotz der Entfernung und der spärlichen Beleuchtung trafen sich unsere Blicke und Hitze schoss mir in die Wangen. Und doch meinte ich, seine dunklen Augen genau auf mir zu spüren, die mich wie eine stumme Drohung durchbohrten …

Ein Schauer lief meinen Rücken hinunter. Ich war plötzlich unfähig, mich vom Fleck zu bewegen.

»Finn? Kommst du?«, rief einer seiner Spielkameraden.

Ohne etwas zu erwidern, wandte sich Finn von mir ab und folgte seinem stämmigen Mitspieler. Das Vibrieren meines Handys rückte in den Vordergrund meines Bewusstseins und ich warf einen flüchtigen Blick auf das Display. Cassy.

»Hey, was gibt’s?«, meldete ich mich bei ihr und rang um eine möglichst ruhige Stimme. Ich klang viel zu hoch …

»Honey, was ist los?«, fragte Cassy am anderen Ende der Leitung. »Wo bist du? Noch beim Spiel? Ist alles okay?«

Ihre Besorgnis gab mir den Rest. »Ich …« Weiter kam ich nicht. Meine Stimme brach. Ich schluckte und biss mir auf die Unterlippe. »Es ist alles okay.«

»Liebling! Das klingt aber ganz anders. Soll ich vorbeikommen?«, hakte sie nach. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie sie bereits aufgesprungen war und nun auf mein Go wartete.

»Es ist wirklich alles okay«, wiederholte ich. »Ich bin auf dem Heimweg. Du weißt, dieses große Projekt steht heute an. Das muss ich spätestens in drei Stunden abgeben.«

Ein Seufzen erklang. »Das Football-Spiel. Klar.« Nach einer Pause fragte sie aufgeregt: »Hast du Grace gesehen? Sie hat heute mit den Cheerleadern die neue Choreografie das erste Mal vor Publikum gezeigt!«

Grace. Sofort breitete sich das schlechte Gewissen in mir aus. Ich hatte in dem ganzen Trubel tatsächlich den Auftritt meiner besten Freundin vergessen. Dabei gab es für sie seit Wochen kein anderes Gesprächsthema als ihre Solo-Parts, jetzt, wo sie endlich zu einer der zwei Star-Leadern ernannt worden war. Cassy hingegen hatte sich Grace’ Auftritt wegen eines Geschäftstermins mit ihrem Vater nicht ansehen können.

»Liv?« Cassy klang wirklich besorgt. Aber ich hatte jetzt keine Zeit. Der Artikel musste dringend geschrieben werden und ich hatte keine Ahnung, wie ich den rechtzeitig abgeben sollte.

»Ich berichte morgen, okay? Ich muss wirklich heim, sonst schaffe ich es nicht«, erwiderte ich und wich ihrer Frage aus. Bis morgen würde ich mir noch etwas einfallen lassen müssen, um meine beste Freundin nicht zu belügen. Vielleicht hatte jemand die Choreo gefilmt und ins Netz gestellt?

»In Ordnung, pass auf dich auf.«

»Du auch!« Dann legte ich auf und stieg ins Auto. Dort ließ ich meinen Kopf aufs Lenkrad fallen. Was für ein Tag. Hatte ich eben wirklich über einen Spaziergang oder eine nächtliche Spritztour nachgedacht? Ich hatte ganz andere Probleme zu lösen.

***

Da ich mein Auto trotz der sehr geringen Kriminalitätsrate in unserem gehobenen Viertel über Nacht ungern vor der Tür stehen lassen wollte, fuhr ich es in unsere Garage und parkte neben dem Wagen meines Vaters. Allein der Gedanke, meinem Vater gegenüberzutreten, nachdem ich ihn so stehen gelassen hatte, hatte mir die Autofahrt über Bauchschmerzen bereitet. Es tat mir ja leid, aber dieser Auftrag war wichtig und er hätte mich nie freiwillig gehen lassen. Da war ich mir sicher. Schon die letzten Male hatte ich Probleme gehabt, ihn von meinen Besuchen bei Veranstaltungen und meiner Tätigkeit als Journalistin zu überzeugen. Wohin sollte das nur führen?

Ein Klopfen an der Fensterscheibe ließ mich zusammenzucken und nach Luft schnappen. Himmel! Mein Vater konnte einen aber auch erschrecken.

»Du brauchst gar nicht erst auszusteigen«, knurrte er, als ich die Tür einen Spalt breit geöffnet hatte. »Besser du suchst dir gleich eine andere Bleibe für die Nacht. Wer einfach abhaut und meint, nicht mit seinem Vater reden zu müssen, braucht dieses Haus nicht mehr zu betreten.«

Ich schluckte. »Sehr witzig. Wo soll ich denn auf die Schnelle hin?«

»Das hättest du dir vorher überlegen sollen.« Er zuckte mit den Schultern. »Hier bleibst du auf jeden Fall nicht. Denk mal darüber nach, wie du vorhin mit mir gesprochen hast.«

»Wie hätte ich denn mit dir reden sollen? Du hast mir gar nicht zugehört. Du hättest mich einfach eingesperrt«, fuhr ich ihn an und klang dabei härter als beabsichtigt. Zugleich breitete sich Verzweiflung in mir aus.

»Schau, es fängt schon wieder an«, tadelte er mich. »Ein vernünftiges Gespräch ist mit dir schlichtweg nicht möglich, ohne dass du gleich pampig wirst.«

»Das stimmt doch gar nicht!«, beschwerte ich mich und riss nun vollständig die Autotür auf, um aus dem Wagen zu springen. »Du lässt mir überhaupt keine Chance!«

Mein Vater stellte sich mir in den Weg. »Und ob das stimmt. Ich habe es dir untersagt, weiter diese Aufträge anzunehmen und was tust du? Du widersetzt dich mir und schlägst mir die Tür vor der Nase zu.« Er schüttelte den Kopf und Enttäuschung spiegelte sich in seiner Miene wider, als sich der Blick seiner blauen Augen in den meinen bohrte. »Liv …«

»Nenn mich nicht so«, zischte ich und trat ihm dichter entgegen. »Ich bin nur für meine Freunde Liv.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie sehr es mich verletzt, dass du mir das Leben ständig so schwer machst? Ich kämpfe für meinen Traum, als Journalistin zu arbeiten, seit ich klein bin. Und du legst mir jeden Stein in den Weg, den du finden kannst. Andere Eltern unterstützen ihre Kinder.«

Er schüttelte abermals den Kopf, als könne er nicht fassen, eine so störrische Tochter großgezogen zu haben. »Du verstehst es nicht, oder?« In seinem Blick spiegelte sich jedoch ehrliche Betroffenheit. Meine Worte hatten ihn erwischt.

»Nein. Das verstehe ich wirklich nicht. Das will ich nicht verstehen.«

Zu meinem Entsetzen konnte ich nur beobachten, wie Dad sich einfach von mir abwandte und aus der Garage verschwand. War das sein Ernst?

»Dad!«, schrie ich ihm hinterher und eilte zum offenen Tor. Dort angekommen, sah ich ihn die Stufen zur Villa hinaufgehen und in der Tür zum Stehen kommen. Er warf mir noch einen letzten Blick zu. »Es tut mir leid. Aber ich will dich heute nicht mehr sehen.«

Mir klappte der Mund auf. Was? Ich war viel zu schockiert, um in dem Chaos in meinem Kopf einen klaren Gedanken zu fassen. Das Durcheinander verwandelte sich jedoch schlagartig in gähnende Leere, als wäre ich tatsächlich in ein schwarzes Loch gefallen. Ich konnte mit vielem umgehen, aber den Konflikt nicht zu klären, sondern davor wegzulaufen, das gehörte nicht dazu. Und schon gar nicht, mich wegen so etwas aus dem Haus zu werfen.

Aber den Kopf in den Sand zu stecken, kam gar nicht in Frage! Ich musste diesen verdammten Artikel noch heute Nacht abschicken und das ging nur mit einem Laptop und am besten von meinem eigenen, der in meinem Zimmer wartete.

Ich durfte mich nicht unterkriegen lassen, nicht verzweifeln, sagte ich mir immer wieder im Stillen. Nur die Ruhe bewahren. Ich reckte das Kinn in die Höhe und fing an zu lachen. Ich bekam mich gar nicht mehr ein, als ich das Fenster über dem Eingang entdeckte. Irgendjemand, also mein allerliebster Dad, wollte wohl mit sperrangelweitem Fenster ein wenig frische Luft in unser Haus lassen und durch das kleine Vordach über dem Eingang, kam mir eine fantastische Idee.

Keine fünf Minuten später hatte ich eine Leiter aus der Garage an das Dach gestellt, meine Tasche samt Unterlagen aus dem Auto geholt und umklammerte mit beiden Händen fest entschlossen das Holz der Leiter. Was hatte ich zu verlieren? Wenn mein Vater mich nicht durch die Haustür hineinließ …

Schon der erste Schritt in die Höhe brachte die Leiter ins Wanken und ließ mich an meinem Plan zweifeln. Darüber durfte ich jedoch nicht weiter nachdenken und so setzte ich, bevor sich weitere Horrorszenarien vor meinem inneren Auge abspielten, eilig die nächsten Schritte auf die Tritte der Leiter. Nicht nach unten sehen, befahl ich mir und tat es dann doch. Verflucht nochmal! Noch vier Sprossen, die würde ich überleben. Mein Ziel wirkte bereits zum Greifen nah!

Ich hatte meine Hände gerade um den Rahmen gelegt, als die Leiter unter mir nachgab und zur Seite wegkippte. »Aaaah!« Ich hing am Vordach unserer Villa und betete inständig, dass unsere Nachbarn das nicht filmten oder mich für einen Einbrecher hielten und die Polizei alarmierten. Ich wusste nicht, welche Vorstellung ich schlimmer finden sollte. Allerdings hatte ich andere Sorgen, als mir über die Nachbarn den Kopf zu zerbrechen. Denn ich hielt mich nicht am Fensterrahmen, sondern an einem Holzbalken unseres Vordaches fest, wie ich mit wachsender Panik feststellte.

»Ich glaub’s nicht!«, hörte ich über mir jemanden am offenen Fenster murmeln. Keine fünf Sekunden später entdeckte ich meinen Dad mit einem Baseballschläger in der Hand. »Da erwarte ich Einbrecher und es ist meine eigene Tochter, die versucht, ins Haus einzusteigen.«

Die Ungläubigkeit in seiner Stimme und die Tatsache, dass er sich mit einem verdammten Baseballschläger bewaffnet hatte, verschlugen mir für einige Wimpernschläge die Sprache. »Willst du mich hier hängen lassen? Würde dir sicher gut in den Kram passen, was?«, giftete ich dann nach oben und stieß ein Schnauben aus. Lange würde ich mich nicht mehr halten können.

»An deiner Stelle wäre ich jetzt etwas freundlicher«, teilte mir mein Vater emotionslos mit, während er vom Fenster zurücktrat und aus meinem Blickfeld verschwand.

»Du bist aber nicht an meiner Stelle!«, schrie ich zurück. Wenn ich an mir hinuntersah, wurde mir übel. Dabei würde ich mir gewiss nur den Fuß verstauchen oder im schlimmsten Fall etwas anbrechen, wenn ich die Meter bis zum Boden abschätzte.

Dad ließ mich tatsächlich hängen! Irgendwie Karma. Meine Hände brannten inzwischen wie Feuer. Da bemerkte ich unter mir etwas Weißes und ein lautes Miauen bestätigte meinen Verdacht. Grummelchen hatte sich direkt unter mich gesetzt und beobachtete mich mit wachsendem Interesse und zuckendem Schwanz.

»Sehr lustig! Amüsiert euch nur alle über mich«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Was ist nun, Prinzesschen? Willst du gerettet werden? Oder doch lieber in die Tiefe stürzen?«, hörte ich meinen Dad erneut über mir.

Er hatte sich wieder am Fenster positioniert und mir von dort aus ein Seil zugeworfen. »Danke!«, entgegnete ich knapp und umfasste mit letzten Kräften das raue Band, das sogleich in meine Haut schnitt.

Endlich den Fenstersims erreicht, packte mein Dad mich unter den Schultern und setzte mich im Flur ab. Dort blieb ich schwer atmend sitzen und versuchte, mir einen Überblick darüber zu verschaffen, was mir alles wehtat und was am meisten brannte. Mein Beutel blieb achtlos neben mir liegen.

»Wenn du noch einmal entgegen meines Verbots das Haus verlässt, lasse ich dich wirklich vor der Tür stehen und wenn du dann versuchst, durch ein Fenster einzusteigen, werde ich es nicht mitbekommen. Habe ich mich klar ausgedrückt? Und du gibst mir deinen Autoschlüssel! Wer nachts durch Fenster einsteigt, kann auch morgens mit dem Fahrrad zum College fahren.«

Ich nickte und presste die Lippen fest aufeinander, um ihm keine Vorträge darüber zu halten oder ihm anderweitig zu widersprechen. Morgen war auch noch ein Tag. Und bevor ich mir jetzt etwas von wegen, solange du unter meinem Dach wohnst, anhören durfte …

Nach der Abnahme des Autoschlüssels ließ mein Vater mich allein im Flur sitzen. Trotz des ganzen Chaos’ hatte ich mittlerweile eine perfekte Headline im Kopf …

***

Mit einem Mausklick war der Auftrag verschickt. Keine Sekunde zu spät, denn die Zeiger meiner Nachttischuhr sprangen genau in diesem Moment auf 03.00 Uhr. Perfekt. Dann hatte mein Redakteur noch etwa 30 Minuten bis Redaktionsschluss. Der Artikel – mein Artikel – würde morgen mit der Schlagzeile über Finn McGhee auf dem Titelblatt erscheinen. Was für ein Timing!

Angehender Star. Aber alles andere als ein Vorbild. Die Wahrheit über Finn McGhee. Was hinter der makellosen Fassade steckt. Irgendwie so hatte ich begonnen und endlich konnte ich alle Welt darauf hinweisen, dass dieser Profi jeden Tag auf einer anderen Party tanzte und sich dem Alkohol und was sonst noch hingab. Machte das ein Football-Star, zu dem bereits so viele aufblickten? Konnte er in der Verfassung seine volle Leistung erbringen? Enttäuschend, wo er doch unsere Region repräsentierte.

Mit wachsender Aufregung blickte ich dem Erscheinen des Textes entgegen. In wenigen Stunden würde sich zeigen, wie die Leute darauf reagierten.

Und jetzt lag ich im Bett, starrte die Decke an und wurde dabei das Bild von meinem Vater mit einem Baseballschläger in der Hand nicht los. Das nächste Mal würde ich lieber wieder die Haustür nehmen …

Kapitel 3 – Finn McGhee

18. Oktober, 05:30 Uhr

Wenn Träume zerstört werden

Quarterback-Star Finn McGhee – Die Wahrheit über den gefeierten Nachwuchsspieler

Der 20-jährige Finn McGhee hat auch im letzten Spiel wieder einmal gezeigt, dass er seinem Ruf alle Ehre macht. Doch im Schatten der Scheinwerfer ereignen sich ungeahnte Dinge …

Partys und Alkohol. Das Ventil für den Druck, der auf den Schultern des angehenden Profis lastet. Auch auf Instagram verheimlicht McGhee nicht, wie sehr College und Profi-Sport in Kombination ihn überfordert. Ist das das Vorbild, das sich unsere Region wünscht? Sind wir gerade live dabei, wie unser Star – das Kind aus ärmlichen Verhältnissen, das sich an die Spitze gekämpft hat – nun abstürzt?

(…)

Am liebsten hätte ich die Zeitung in Stücke gerissen. Jedes einzelne der 500 Exemplare, die ich an diesem Morgen auszutragen hatte. Von jedem Titelblatt starrte ich mir selbst entgegen.

An sich liebte ich den Nebenjob mit dem Zeitungsaustragen. So konnte ich die Morgenluft ausnutzen, konnte meine erste Joggingtour mit ein bisschen Geld verdienen verbinden und konnte der Stadt dabei zuschauen, wie sie langsam erwachte. Für gewöhnlich fand ich es unglaublich beruhigend, so in den Tag zu starten und den Kopf vor dem anstrengenden College- und Footballalltag freizubekommen. Noch einmal Luft zu holen, bevor der Stress begann.

Heute könnte ich mir keinen schlimmeren Start in den Tag vorstellen. Selten hatte ich solche Angst gehabt, zum Footballtraining zu gehen oder meinem Coach gegenüberzutreten. Und mit jeder Minute, jeder Zeitung, die ich verteilte, wuchs die Anspannung und Wut in mir. Mit jedem Bewohner, der erwachte und die Straßen betrat, spürte ich mehr Blicke auf mir. Spürte die Verachtung und veränderte Haltung mir gegenüber.

Wie hatte Olivia mir das antun können?

***

»Hey, McGhee!«, rief mir Jaydon schon von Weitem entgegen, als ich das Trainingsgelände betrat. Mit großen Schritten eilte mein bester Freund auf mich zu. »Der Coach möchte dich dringend sprechen. Noch vor dem Training.«

Ich hatte es mir denken können, aber Jaydons Worte schnürten mir die Kehle zu. Jaydon schlug mir kameradschaftlich auf die Schulter und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln.

»Wird schon. Dieses Biest kennt dich nicht annähernd so gut wie dieses Team und der Coach. Du spielst seit fünfzehn Jahren Football! Da gehört die ein oder andere negative Schlagzeile wohl leider dazu.«

Kaum, dass Jaydon zu Ende gesprochen hatte, tauchte Alex neben uns auf. »McGhee! Was hast du denn mit der Roberts angestellt, dass die dich so zerpflückt hat?«

»Journalisten zerreißen einen auch so. Die schreiben und behaupten viel, wenn der Tag lang ist«, kam mir Jaydon zuvor und verschränkte die Arme vor der Brust.

Bevor meine Freunde noch mehr sagen konnten, erklang eine Stimme über den Platz, die mir endgültig das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Finn McGhee. Wir müssen reden.«

Der Coach.

Ich folgte meinem Trainer, weg von den übrigen Teamkameraden, und spürte dennoch ihre mitfühlenden Blicke. Anders als die meisten Menschen, die die Zeitung lasen, wussten sie, was für mich auf dem Spiel stand.

»Finn, ist dir klar, was der Artikel von heute Morgen für dich bedeutet? Was das für das Stipendium und die finanzielle Unterstützung heißt?« Eindringlich musterte mich der Trainer. »Ich bin enttäuscht. Gerade von dir hätte ich erwartet, dass du dich mehr bemühst, dass du weißt, was schlechte PR mit sich zieht.«

Mein Hals war wie zugeschnürt. Ich brachte kein Wort über die Lippen und konnte ihm nur stillschweigend lauschen, die Hände zu Fäusten ballen und meinen Traum wie eine Seifenblase vor meinem inneren Auge zerplatzen sehen.

»Reiß dich zusammen, ja? Wir arbeiten so hart daran, dich in die erste Division der NCAA zu scouten. Mach all diese Arbeit nicht durch so etwas zunichte. Das darf also nicht wieder passieren. Wir können keine negativen Schlagzeilen gebrauchen. Sonst verlierst du dein Stipendium.«

Kapitel 4 – Olivia Roberts

18. Oktober, 06:00 Uhr.

Die Wahrheit über Finn McGhee

Ich glaubte, mein Schädel müsste explodieren, als ich die Augen öffnete und aufgrund des Schmerzes sogleich wieder schloss. Durch die offene Jalousie breiteten sich in meinem Raum die Sonnenstrahlen des anbrechenden Tages aus. Keine drei Stunden Schlaf waren doch zu spüren, aber der Gedanke, dass heute mein Artikel erschien, machte die Schmerzen erträglicher.

Sofort setzte ich mich auf und musste unwillkürlich lächeln. Die Tageszeitung war bereits verteilt worden und dürfte bei jeder Familie unseres Viertels zusammen mit dem Sportblatt auf dem Frühstückstisch liegen.

Mein erster Griff ging zum Handy auf dem Nachtisch und mein Lächeln wurde breiter. Elf neue Nachrichten. Und ganz oben im Verlauf fand ich Cassy und Grace.

»Wenn ich du wäre, würde ich heute nicht so trödeln«, rief mein Vater plötzlich vor der Tür und nahm mir damit mein Lächeln von den Lippen.

Irritiert zog ich die Augenbrauen zusammen und legte mein Handy wieder zur Seite. »Warum?«

»Das fragst du noch? Kleine Erinnerung: Mit dem Auto wirst du jedenfalls nicht zum College fahren und wenn du um acht bei der ersten Vorlesung sein möchtest, solltest du die Hacken in den Teer hauen.« Seine Schritte entfernten sich von meiner Zimmertür.

Wie sollte ich so schnell zu Fuß oder mit dem Fahrrad zum College kommen? Dass er meinen Autoschlüssel einkassiert hatte, hatte ich vollkommen vergessen.

Ohne auf die Nachrichten auf meinem Handy zu reagieren, tippte ich schnell an Grace und Cassy: Notfall! Könnte mich jemand einsammeln?! Erklärung folgt später.

Ich öffnete meine Zimmertür und wäre beinahe über meinen Kater gefallen. Grummelchen starrte mich mit seinen blauen Augen vorwurfsvoll an. Aber ich konnte es meinem knuffigen Ragdollkater nicht böse nehmen. Dafür war er schlichtweg zu süß. Trotzdem grummelte ich ihn an, obwohl sonst er derjenige war, der sich beschwerte und knurrte, wenn ihm etwas nicht in den Kram passte.

Während ich im Badezimmer stand und überlegte, wie ich meine bodentiefen Augenringe verschwinden lassen konnte, vibrierte mein Handy das erste Mal.

Cassy: Tut mir leid, Honey. Bei mir klappt es heute leider nicht.

 

Innerlich stieß ich Gebete zum Himmel, dass meine letzte Hoffnung in Grace nicht enttäuscht wurde. Die dunklen Monster unter den Augen ließen sich mit ein wenig Mascara und Concealer schnell beheben. Meine blonde Mähne stand mir in alle Richtungen vom Kopf ab und ich beschloss, sie zügig in den Griff zu bekommen, um einigermaßen menschlich das Haus zu verlassen. Zwischendurch schob ich mir meine Zahnbürste in den Mund, dann griff ich nach einem Zopfgummi und bündelte meine Haare zu einem Pferdeschwanz. Wieder vibrierte mein Handy. Ich schielte hinunter, traute mich beinahe nicht, auf das erleuchtete Display zu schauen.

Grace: Wenn du auf einem Gepäckträger zum College kommen möchtest, gern. Ich hab momentan kein Auto, ist in der Werkstatt. Sorry! Bis später. *Küsschen*

 

Shit! Wieso mussten die zwei ausgerechnet heute keine Autos zur Verfügung haben?

Das Frühstück würde wohl ausfallen, wenn ich noch rechtzeitig zum Vorlesungsbeginn auftauchen wollte. Denn zu spät sein, war das Letzte, was ich beim heutigen Professor wollte.