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Der Erzähler heißt Ijon Tichy: der Held der Sterntagebücher setzt hier seine außerirdischen Erkundungen fort. Zunächst betreibt er in der Schweiz Studien im Institut für Geschichtsmaschinen, einer Filiale des Ministeriums für Außerirdische Angelegenheiten. Dort wird mit allen verfügbaren Daten die Geschichte ferner Planeten simuliert. Ausgangspunkt ist Tichys Darstellung des Planeten Entia in der 14. Reise: anscheinend hat Tichy einen Vergnügungsmond, ein kosmisches Disney-Land, mit dem Planeten selbst verwechselt. Während der wichtigsten Reise seiner Laufbahn führt Tichy Gespräche mit Russell, Popper, Feyerabend und Shakespeare, d.h. mit kybernetischen Persönlichkeitskopien auf Kassetten.
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Seitenzahl: 527
Stanisław Lem wurde am 12. September 1921 im polnischen Lwów (Lemberg) geboren, lebte zuletzt in Krakau, wo er am 27. März 2006 starb. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Übersetzer und freier Schriftsteller. Er wandte sich früh dem Genre Science-fiction zu, verfaßte aber auch gewichtige theoretische Abhandlungen und Essays zur Kybernetik, Literaturtheorie und Futurologie. Stanisław Lem zählt zu den bekanntesten und meistübersetzten Autoren Polens. Viele seiner Werke wurden verfilmt.
Ein Roman? Nicht genug. Ein Buch, das über die Ufer tritt und mitreißt, was Formen und Inhalte zu bieten imstande sind. Der Erzähler heißt Ijon Tichy: Der Held der Sterntagebücher setzt hier seine außerirdischen Erkundungen fort. Zunächst betreibt er in der Schweiz Studien im Institut für Geschichtsmaschinen, einer Filiale des Ministeriums für Außerirdische Angelegenheiten. Dort wird mit allen verfügbaren Daten die Geschichte ferner Planeten simuliert. Ausgangspunkt ist Tichys Darstellung des Planeten Entia in der 14. Reise: Anscheinend hat Tichy einen Vergnügungsmond, ein kosmisches Disney-Land, mit dem Planeten selbst verwechselt.
Während der wichtigsten Reise seiner Laufbahn führt Tichy Gespräche mit Russell, Popper, Feyerabend und Shakespeare, d. h. mit kybernetischen Persönlichkeitskopien auf Kassetten.
Was Tichy sodann auf Entia erlebt und beobachtet, in den beiden verfeindeten Staaten Losannien und Kurdland, füllt den Hauptteil des Buches. Losannien erinnert dabei an westliche Staaten, Kurdland dagegen trägt Züge des Kommunismus fernöstlicher Staaten. In Losannien gibt es insbesondere den kühnen Entwurf einer »Ethosphäre«, in der es schon physisch unmöglich ist, anderen Gewalt anzutun. Ein Paradies also? Oder doch nur eine andere Hölle?
Stanisław Lem
Lokaltermin
Roman
Aus dem Polnischen von Hubert Schumann
Phantastische Bibliothek
Suhrkamp
Redaktion und Beratung: Franz Rottensteiner
Titel der Originalausgabe: Wizja Lokalna
Wydawnictwo Literackie, Kraków 1982
Die Übersetzung wurde vom Autor autorisiert
Umschlagfoto: Andrzej Zak
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013
Alle Rechte für die Bundesrepublik Deutschland, West-Berlin, Österreich und die Schweiz beim Insel Verlag Frankfurt am Main 1985
© der deutschsprachigen Ausgabe Verlag Volk und Welt, Berlin/DDR 1985
Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung des Insel Verlags Frankfurt am Main
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.
Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Umschlag: Göllner, Michels, Zegarzewski
eISBN 978-3-518-74326-3
www.suhrkamp.de
I. In der Schweiz
II. Das Institut für Geschichtsmaschinen
III. Unterwegs
IV. Lokaltermin
Anhang
Kleines Sachwörterbuch der losannischen und kurdländischen Umgangssprache sowie syntureller Begriffe (siehe: Syntur)
Nach der Landung auf Cape Canaveral gab ich das Raumschiff zur Durchsicht und konzentrierte mich voll auf den Urlaub, der mir schließlich zustand nach einer so langen Expedition. Vom All aus gesehen, erscheint die Erde als Pünktchen, nach der Landung erweist sie sich als beträchtlich groß. Urlaub aber ist nicht nur eine Frage der schönen Umgebung, sondern der gehörigen Vorsorge. Ich suchte einen Vetter des Professors Tarantoga auf, der den vernünftigen Brauch pflegt, die Tageszeitungen vor der Lektüre erst einige Wochen ablagern zu lassen. Es war mir lieber, meinen Erholungsort bei einem Bekannten auszuwählen als in einer öffentlichen Bibliothek. Die Durchquerung der galaktischen Magnetfelder ist kein Kinderspiel, ich habe das Reißen in allen Knochen, und auch das Knie macht mir zu schaffen, das ich mir im Himalaya verrenkt habe, als der Alumiuniumhokker unter mir zusammenklappte. Gegen Rheumatismus hilft am besten trockene Wärme, die natürlich vom Klima, nicht vom Schlachtfeld kommen muß. Der Nahe Osten schied demnach wie üblich aus. Die Araber spielen unverwüstlich »Bäumchen, wechsel dich«, wobei ihre Staaten sich zusammenschließen, trennen, vereinigen oder einander aus verschiedenen Ursachen bekriegen – ich habe es längst aufgegeben, auch nur den Versuch zu machen, sie zu verstehen.
Auch die sonnenbeschienenen Südhänge der Alpen böten sich an, aber dorthin setze ich keinen Fuß mehr, seit ich in Turin einmal Opfer einer Entführung geworden bin – als Prinzessin di Cavalli oder di Piedimonte, das wurde nie restlos aufgeklärt. Ich nahm an einem Raumfahrtkongreß teil, die Tagung hatte bis nach Mitternacht gedauert, und den Morgen darauf sollte ich nach Santiago fliegen. Ich verfuhr mich mit dem Auto und konnte mein Hotel nicht finden, parkte also in einer Tiefgarage, um wenigstens am Steuer ein bißchen zu schlafen. Der einzige freie Platz war zwar mit bunten Bändern abgegrenzt, vielleicht zum Zeichen, daß die Prinzessin jemandem angetraut worden war, aber davon hatte ich keine Ahnung, und was sollte das um ein Uhr nachts auch zu sagen haben. Ich wurde geknebelt und gefesselt in den Kofferraum gesteckt, den Wagen fuhr man aus dem Parkhaus auf die Straße und verlud ihn auf einen jener großen Sattelschlepper, mit denen fabrikneue Autos ausgeliefert werden. Ich bin zwar ein Mann, aber das war dort nicht so im Handumdrehen zu erkennen, ich trage keinen Bart und bin von auffallender Schönheit, jedenfalls zerrte man mich in einsamer Gegend am Fuße des Gebirges aus dem Kofferraum und führte mich zu einem alleinstehenden Haus. Ich wurde von zwei kräftigen Kerlen bewacht, die sich abwechselten. Draußen glänzte der Firnschnee der Alpen, aber von Sonnenbaden konnte natürlich keine Rede sein. Der eine meiner Wächter war dunkelhäutig und schnurrbärtig (ich spielte mit ihm Dame, zum Schachspiel fehlte ihm die geistige Befähigung), der andere hatte statt eines Schnurrbarts einen Vollbart und besaß die üble Angewohnheit, mich Rumpsteak zu nennen – eine Andeutung dessen, was mich erwartete, falls das Fürstenhaus kein Lösegeld zahlte. Sie wußten, daß ich weder mit den di Cavallis noch den di Piedimontes etwas zu tun hatte, aber das brachte sie nicht aus der Fassung, denn inzwischen war die »Ersatzentführung« in Kraft. Der Begriff stammt von den Deutschen, die sich darin auskennen. Angefangen hatte es mit Kindern: ein ums andere Mal waren versehentlich die falschen entführt worden, und die Eltern der richtigen hatten den Zahlungsschwachen geholfen. Dieses Verfahren war dann auch auf volljährige Personen ausgedehnt worden und zu dem Zeitpunkt, da es mich erwischte, leider bereits so allgemeine Praxis, daß die Herzen der Reichen verhärtet waren und keiner auch nur einen roten Heller für mich geben wollte.
Meine Entführer suchten beim Vatikan etwas herauszuschinden. Die Kirche ist von Berufs wegen opferfreudig, aber die Sache zog sich furchtbar in die Länge. Einen Monat lang mußte ich Dame spielen und mir die gastronomischen Drohungen eines Kerls anhören, der unwahrscheinlich schwitzte und in brüllendes Gelächter ausbrach, wenn ich ihn bat, sich wenigstens zu duschen, ich wäre sogar bereit gewesen, ihn eigenhändig einzuseifen.
Als schließlich auch die Kirche versagte, kam es zum Streit und beinahe zum Handgemenge. »Umlegen!« brüllten die einen. »Fort mit der Prinzessin!« schrien die anderen. Mich Prinzessin zu nennen – darauf hatte sich der Dunkelhäutige versteift. Er trug auf dem Scheitel eine Balggeschwulst. Ich mußte immer wieder hinsehen. Zu essen bekam ich dasselbe wie sie alle, der Unterschied bestand nur darin, daß sie sich nach den öligen Makkaroni die Lippen leckten, während mir davon schlecht wurde. Auch der Hals tat mir noch weh, seit sie versucht hatten, mich zu dem Geständnis zu bewegen, ich müsse, da ich doch den Parkplatz benutzt hatte, wenigstens ein entfernter Angehöriger des Fürstenhauses sein. Zum Abschluß bekam ich von den Genasführten eine gehörige Tracht Prügel, und seither hat Italien für mich aufgehört zu existieren.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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