Lore-Roman 185 - Wera Orloff - E-Book

Lore-Roman 185 E-Book

Wera Orloff

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Beschreibung

Die Witwe Margarete von Seden ist nun seit einem Jahr allein. Um Gut Seden steht es schlecht. Als ihr der ebenfalls verwitwete Silvan Graf von Hohenau den Hof macht, reagiert sie zunächst abweisend. Man sagt ihm Geldgier und Grausamkeit nach. Doch je öfter er zu Besuch kommt, desto mehr beginnt es in Margarete zu arbeiten. Hier nagt sie am Hungertuch und hat nichts als Sorgen und Schulden, und wenn ihr der Graf Silvan ein solches Angebot macht, dann wäre es unverzeihlich, nicht zuzugreifen. Wenn er auch keine Schönheit ist, sie wäre doch für den Rest ihres Lebens versorgt. Aber dann stellt Graf Silvan eine folgenschwere Bedingung: "Entweder geht Ihr Sohn Fried aus dem Haus, oder aus der Heirat wird nichts!"

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Inhalt

Cover

Einer ist zu viel im Schloss

Vorschau

Impressum

Einer ist zu viel im Schloss

Packender Roman um Liebe und Intrige

Von Wera Orloff

Die Witwe Margarete von Seden ist nun seit einem Jahr allein. Um Gut Seden steht es schlecht. Als ihr der ebenfalls verwitwete Silvan Graf von Hohenau den Hof macht, reagiert sie zunächst abweisend. Man sagt ihm Geldgier und Grausamkeit nach. Doch je öfter er zu Besuch kommt, desto mehr beginnt es in Margarete zu arbeiten. Hier nagt sie am Hungertuch und hat nichts als Sorgen und Schulden, und wenn ihr der Graf Silvan ein solches Angebot macht, dann wäre es unverzeihlich, nicht zuzugreifen. Wenn er auch keine Schönheit ist, sie wäre doch für den Rest ihres Lebens versorgt. Aber dann stellt Graf Silvan eine folgenschwere Bedingung: »Entweder geht Ihr Sohn Fried aus dem Haus, oder aus der Heirat wird nichts!«

»Sie sind doch in den besten Jahren. Sehen Sie sich nach einem Mann um, der Ihnen eine sorgenfreie Zukunft bieten kann. Dann wären Sie nicht so allein und hätten auch wieder ein bisschen Freude am Leben.«

Es fehlte nicht viel und die Baronin von Kronsbach würde verständnisinnig mit den Augen zwinkern, denn sie war dafür bekannt, dass sie kein Blatt vor den Mund nahm. Sie redete frei von der Leber weg über Dinge, über die andere nur zu flüstern wagten.

Aber das Trauerkleid der Frau von Seden und die Blumen in ihrem Arm dämpften doch den forschen Ton der Baronin, so dass Frau von Seden ohne etwas Unschickliches zu tun, verhalten erwidern konnte: »So ist es. Eine Witwe hat gar keine Freude mehr, nur Kummer und Sorgen; ohne ein bisschen Freude kann der Mensch nicht leben.«

Aus dieser Antwort wiederum schloss die Baronin, dass Margarete von Seden schon ein Auge auf jemanden geworfen hatte; sie konnte ihre Neugier nicht bezwingen und fragte: »Werden Sie denn bald Hochzeit machen? Und mit wem denn?«

Mahnend schlug die Kirchenglocke und erinnerte daran, dass der Gottesdienst begann. Margarete von Seden war zur Frühmesse gegangen; doch auf die Baronin wartete noch ihr Platz in der Dorfkirche zu Hellbrunn, wo der Stuhl mit Schnitzereien und dem Wappen der Familie von Kronsbach geschmückt war.

»Ich muss gehen«, rief die Baronin, die gespannt auf eine Antwort wartete.

»Und ich muss zum Grabe«, erklärte Margarete von Seden. »Leben Sie wohl, Baronin. Gerade heute ist das Trauerjahr herum. Niemand soll mir einen Vorwurf daraus machen, dass ich diesen Tag vergessen hätte.«

Damit ging sie davon und ließ die neugierigen Fragen der Baronin unbeantwortet.

Margarete seufzte vor sich hin, während sie durch die Pforte des Kirchhofs ging. Da das schmiedeeiserne Tor nur angelehnt war, stieß sie es mit der Fußspitze auf. Mit gesenktem Blick wandelte sie dann zwischen den Gräbern, bis sie zu einer wohlgepflegten Gruft kam.

Da lag Ferdinand von Seden; viel zu früh hatte er sie allein gelassen. Und das alles eines verrosteten Bleches wegen, das ihm den linken Daumen ziemlich tief aufgerissen hatte. Er hatte an seinem Auto selbst zu reparieren versucht, dabei war es geschehen.

Er hatte die Wunde nicht desinfiziert und verbunden, sondern weitergearbeitet.

Rost war hineingekommen, Schmutz, Teer, Öl und weiß Gott was sonst noch; der Daumen war immer dicker geworden und hatte höllisch geschmerzt. Um den Schmerz nicht zu fühlen, hatte Ferdinand von Seden einen Weinbrand nach dem anderen getrunken; zum Doktor war er nicht gegangen; gegen Quacksalber, wie er sie nannte, hatte er etwas.

Schließlich hatten sie ihn dann mit Gewalt ins Krankenhaus bringen müssen, da war es schon zu spät gewesen. Es hatte auch nichts mehr genützt, dass sie ihm den linken Arm abnahmen; der Brand war bereits eingetreten und hatte das Blut vergiftet.

Eine totale Sepsis, hatte der Doktor gesagt und nur den Kopf geschüttelt. Ferdinand von Seden war gestorben, ohne noch einmal das Bewusstsein erlangt zu haben.

***

Nun war es schon ein Jahr her. Um Gut Seden stand es schlecht, sehr schlecht. Hier war etwas brüchig und dort funktionierten Geräte nicht mehr, es fehlte das Geld zur Reparatur. Solange der Hausherr seine Honorare in den bescheidenen Gutsbetrieb hineingesteckt hatte, war es gutgegangen. Der Knecht, die Magd und das Küchenmädchen hatten pünktlich ihren Lohn bekommen. Für Margarete von Seden hatte es neben der Mitarbeit im Haushalt am Nachmittag viel freie Zeit für feine Handarbeiten und die Pflege der Blumen gegeben. Die Miete für das Zimmer des Sohnes in der Stadt und sein Taschengeld waren immer vorhanden gewesen.

Jetzt hatte der Knecht sie verlassen, weil sie ihn nicht mehr bezahlen konnte; die Magd drohte, ebenfalls zu gehen.

Sie hatte die Grundsteuer zu Weihnachten und die Rechnung beim Kaufmann zu Ostern nicht bezahlen können. Die Schulden wuchsen und die Sorgen auch.

»Was soll nur werden?«, flüsterte die einsame Frau, während sie mit gefalteten Händen am Grabe des Gatten stand. Das Blumenkissen hatte sie bedachtsam niedergelegt, nachdem sie eine Stelle von winzigem Unkraut freigemacht hatte. Vom Eiergeld, welches das immer spärlicher werdende Geflügel ihr einbrachte, hatte sie das Blumenkissen bezahlt, um ihrem toten Mann etwas Schönes bringen zu können. Aber eigentlich hätte sie sich das gar nicht leisten dürfen, denn Fried brauchte neue Stiefel. Es ging ja auf den Winter zu.

So sah es also auf Seden aus. Obwohl die Baronin mit ihrem Augenzwinkern, den Reden vom Alleinsein und der fehlenden Freude recht hatte, waren das nicht allein die Gründe — bei Gott nicht! Es war die nackte Not, die zu dem Gedanken an eine neue Heirat geführt hatte.

Doch was nützte der Gedanke? Es war ja kein Bewerber da. Vergeblich hielt Frau Margarete Ausschau nach einer passenden Partie. Hellbrunn war zwar ein großes Dorf, rundherum lagen einige ansehnliche Güter, aber auf diesen Besitzungen gab es keinen Witwer oder älteren Junggesellen. Woher sollte sie wohl sonst einen Mann nehmen? Sie lebte sehr zurückgezogen und hatte keine Gelegenheit, Bekanntschaften zu machen.

Margarete von Seden betete am Grabe; ihr festes, rundes Gesicht sah hilflos aus. Nicht allzu klug war sie, doch für das Leben mit ihrem gutmütigen, geduldigen Gatten hatte es gereicht. Margarete strich ihre Kleidung zurecht und ging heim. Der Besuch am Grab hatte ihr das Gefühl gegeben, ihre Pflicht getan zu haben; aber Erleichterung und einen Ausweg hatte er ihr nicht beschert.

***

Hellbrunn lag im Odenwald. Es schmiegte sich genau an die Flanke eines langgezogenen Berges; manche Häuser sahen wie angeklebt aus, wenigstens aus der Ferne. Sie waren den Hang hinauf gebaut und hatten kühle Keller, die tief ins Erdreich hineinführten.

In dieser Weise war auch Hohenau gebaut, auf dem Graf Silvan mit seinem Sohn Bernd lebte.

Es war ein stattlicher Besitz; ausgedehnte Ländereien gehörten dazu: ein großes Waldgebiet, Weideland und fruchtbare Felder. Eine ganze Reihe von Knechten und Mägden arbeitete hier; in den Ställen standen wenigstens siebzehn Stück Vieh, und in den alten Truhen und Schränken des Schlosses waren viele goldene Kostbarkeiten verborgen. Wertvolles Silber und Porzellan, schöne alte Krüge und Teller und auch einen großen Leinenschatz gab es, aber keine Schlossherrin, die sich daran erfreute, denn Graf Silvan war seit fünf Jahren Witwer.

Dass er noch nicht wieder verheiratet war, hatte zwei Gründe.

Erstens war der Graf keine Schönheit. Er hatte brandrotes Haar, das heißt dort, wo überhaupt noch welches vorhanden war. Sein eiförmiges, feistes Gesicht war von Sommersprossen übersät; die kleinen, fast wimpernlosen blauen Augen schauten listig und gerissen drein. Wie ein schlauer Hamster sah er aus, der nur auf seinen Vorteil bedacht war und unaufhörlich alles an sich raffte.

Von seinen Tagelöhnern, die in den ihm gehörenden umliegenden kleinen Häusern wohnten und dafür Pacht zahlten oder diese auf dem Gut abarbeiten mussten, forderte der Graf so pünktlich das Geld wie kein anderer im Dorf; wehe, man geriet damit in Verzug! Dann konnte er schnell mit dem Gerichtsvollzieher drohen. Er ist geldgierig und rücksichtslos, sagten die Leute von ihm.

Das also war der eine Grund. Nicht, dass er unbedingt eine reiche Frau hätte haben wollen, nein, so weit ging er nicht; er hatte ja selbst genug, aber hübsch und vornehm sollte sie sein. Er wollte seine Freude an ihr haben. Tüchtig und zuverlässig musste sie außerdem sein, um den großen Haushalt zu führen und den Leuten auf die Finger zu sehen.

Die Hübschen und Tüchtigen wollten aber nichts von dem hässlichen Grafen wissen, der noch dazu so geizig war.

Der andere Grund war sein Sohn.

Bernd war nicht viel schöner als sein Vater, nur nicht so dick. Dafür hatte er die Gier seines Vaters geerbt und konnte von allen guten Dingen nicht genug bekommen, vom Essen nicht, vom Trinken nicht und von den Mädchen gleich gar nicht. Die jungen Männer von Hellbrunn sahen es gar nicht gern, wenn Bernd Graf von Hohenau ins Gasthaus kam, Geld auf den Schanktisch warf, der Kapelle eine Runde spendierte und sich das schönste Mädchen holte, als wäre es eigens für ihn geschaffen worden.

Da hatte es schon oft Streit gegeben. Die Mädchen wichen ihm aus, weil er sie so hart anfasste und zu sich heranriss. Er war allzu selbstherrlich, der junge Graf, und keine wollte etwas mit ihm zu tun haben.

Einen solchen Stiefsohn scheute jede Frau. Schon allein der Junge hätte ihr jede Lust genommen. Bernd war nicht nur anmaßend und heftig, er hetzte auch gar zu gern einen gegen den anderen und freute sich, wenn er jemandem Ungelegenheiten bereiten konnte.

»Das wirst du mir doch wohl nicht antun, dass du mir eine Stiefmutter ins Haus bringst!«, sagte er zu seinem Vater. »Ich bin jetzt zwanzig. Glaubst du, dass ich mir noch etwas sagen lasse?«

Dabei hätte der Vater gern geheiratet. Fünf Jahre lang war er jetzt allein und schließlich noch kein Greis. Manchmal überkam ihm der Wunsch, noch ein wenig Glück zu genießen.

Er wusste nur nicht, wie er seine eigenen Wünsche und die seines Sohnes auf einen Nenner bringen sollte, denn sein Sohn war der einzige Mensch, unter dessen Einfluss er stand.

So sah es auf Schloss Hohenau aus. Geld hatte man genug, aber glücklich war man nicht.

»Vater«, sagte der junge Graf beim Frühstück, »jetzt geht es nicht mehr. Der Wagen streikt nun vollständig, er hätte schon längst zur Reparatur gemusst. Jetzt kannst du ihn abschleppen lassen. Der Motor gibt keinen Ton mehr von sich.«

Der Graf hatte es hinausgeschoben, so lange es ging. Schließlich kosteten Reparaturen Geld. Nach seiner Ansicht war das Auto sowieso ein unnötiger Firlefanz. Für die Landarbeit gab es den Trecker und für die Ausfahrten den Kutschwagen.

»Musst du mir denn wieder das Geld aus der Tasche locken!«, jammerte er los. »Immer willst du nur Sachen, die Geld kosten! Als ich so alt war wie du, da hatte ich auch kein Auto zur Verfügung.«

»Wir leben ja schließlich nicht mehr im vorigen Jahrhundert!«, empörte sich sein Sohn. »Wozu haben wir denn den Wagen, wenn ich nicht damit fahren soll? Nur weil du geizig bist ...«

»Ich bin nicht geizig!«

»Freilich bist du es. Alle Welt weiß es.«

»Wie sprichst du mit deinem Vater?«

»Ach, reg dich nicht auf! Bestell den Mechaniker, und dann ist's gut!«

Der junge Graf ging einfach aus dem Zimmer; dem Gutsherrn blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen.

Graf Silvan nahm den Kutschwagen und fuhr nach Hellbrunn. Die Landstraße dorthin ging immer bergab. Dabei kam Graf von Hohenau an der Stelle vorüber, wo der Weg zu dem bescheiden anmutenden Gutshaus von Seden abzweigte.

Er beachtete das Anwesen gar nicht, sondern strebte dem Dorfe zu. Nachdem er dort eine Angelegenheit bei der Raiffeisenkasse erledigt hatte, sprach er noch bei der Futtermittelhandlung vor und hielt dann vor der Autoreparaturwerkstatt Zapfmeyer.

Man empfing ihn sehr höflich, weil er ja ein reicher Mann war, aber helfen konnte man ihm im Augenblick nicht.

»Meine Leute sind alle beschäftigt«, setzte ihm der Meister auseinander, »und der Abschleppwagen ist nach Darmstadt unterwegs, um ein schwerverbeultes Fahrzeug heimzuholen.«

»Es ist also nichts zu machen. Können Sie nicht einmal nachsehen kommen, woran es liegt?«

»Nein, völlig ausgeschlossen. Es tut mir leid.«

»Ärgerlich, sehr ärgerlich! Mein Sohn braucht den Wagen.«

»Eine Möglichkeit gäbe es noch ...«, meinte der Mann zögernd.

»Und die wäre?«

»Auf Seden ist zur Zeit der junge Herr zu Hause, der Maschinenbau studieren will und gerade sein Praktikum gemacht hat. Der versteht von Motoren genauso viel wie ich. Fahren Sie doch mal dort vorbei und bitten Sie ihn, ob er mitkommt und sich den Schaden ansieht. Dann weiß man wenigstens schon einmal, woran es liegt.«

»Das ist eine gute Idee«, bestätigte Graf Silvan und verabschiedete sich.

Auf dem Rückweg zum Schloss lenkte er diesmal sein Pferd in den Seitenweg, der vor dem Portal des Gutshauses von Seden endete, stieg vom Bock und band den Braunen an den Stamm einer Trauerweide, die auf einem Rasenfleck ihre Zweige hin und her schwang.

Dann stieg er die zwei Stufen hinauf, die zu der Haustür führten, von der die Farbe abblätterte, und betätigte die in der Seitenwand eingelassene Klingel.

Hell schrillte diese durchs Haus.

In der Halle befand sich gerade Frau Margarete; sie öffnete selbst. Sie trug ein dunkles hochgeschlossenes Kleid und eine fein gestickte Schürze. Sehr vornehm sah sie aus, aber auch ein wenig hausfraulich. Es war gerade die richtige Mischung, fand der Graf.

»Guten Tag, Frau von Seden!«, grüßte er und blieb unter der Tür stehen. »Ich hätte gern einmal Ihren Mann oder Ihren Sohn gesprochen. Ist einer von beiden im Hause?«

»Guten Tag! Treten Sie bitte ein!«, erwiderte sie; dann sagte sie mit großen Augen: »Ja, wissen Sie denn nicht, dass mein Mann gestorben ist, vor einem Jahr schon?«

Sie kannte den Grafen nicht persönlich, denn er war bisher nie hier gewesen, und er kannte sie auch nicht.

Das ist eine gut aussehende Witwe, dachte der Graf und betrachtete ihre für eine Fünfundvierzigjährige immer noch schmale Taille und die runden Hüften. Ihm kam die Frau wie ein Apfel voller Saft vor, fest im Fleisch und süß im Geschmack, der nur darauf wartete, dass einer käme und hineinbeißen würde.

Angesichts der Trauerbotschaft musste er allerdings ein betrübtes Gesicht machen und teilnahmsvoll fragen: »Ja, richtig, er ist tot, der arme Ferdinand von Seden! Wie konnte ich das nur vergessen! Man hat es mir natürlich erzählt, aber wir haben ja so gar keinen Kontakt miteinander. Eigentlich schade, nicht wahr?«

Die Andeutung eines Lächelns huschte um ihren Mund, verschwand aber sofort wieder. Sie musste auf ihren Ruf achten und durfte sich nichts vergeben.

»Würden Sie mir bitte sagen, mit wem ich spreche?«, erkundigte sie sich gemessen und zurückhaltend.

Er stellte sich mit einer hastigen Verbeugung vor.

»Ich bin Silvan Graf von Hohenau. Von den Fenstern meines Schlosses aus kann ich auf Gut Seden hinabsehen.«

Das schien ihr fast symbolisch, denn auch von der Höhe seines Reichtums aus konnte er das tun.

»Wollten Sie etwas mit meinem Mann besprechen?«, erkundigte sie sich.

»Eigentlich habe ich ein Anliegen an Ihren Sohn. Er ist doch hier?«

»Gewiss, draußen in der Scheune! Es ist etwas zu reparieren. Fried ist sehr geschickt. Er macht alles. Ich bin froh, dass er im Hause ist. Es ist nicht schön für eine Frau, so ganz allein zu sein.« Sie maß ihn von Kopf bis Fuß mit neugierigem Blick und öffnete die Zimmertür. »Bitte, nehmen Sie doch Platz!«

»Schau an, schau an«, sagte er in seiner betulichen Art, die an einen eifrigen Pfarrer erinnerte, »da wohnt man so nahe beieinander und weiß überhaupt nicht, was im Nachbarhaus vorgeht. Woran ist Ihr Gatte eigentlich gestorben?«

Sie erzählte es ihm, aufmerksam hörte er zu, scheinbar, denn in Wahrheit begutachtete er sie. Eine Witwe ist sie also, dachte er; ich habe keine hübschere Witwe in all den Jahren gesehen, seit meine Frau tot ist! Sie gefällt mir. Wie mag sie wohl über eine Wiederverheiratung denken?

Margarete war fertig mit ihrem Bericht, den sie in sanft klingendem Ton vorgetragen hatte.

Er sagte höflich: »Das ist ja etwas ganz Furchtbares, Frau von Seden! Sie tun mir leid!«

Margarete von Seden nickte und nahm diese Beileidsäußerungen wie einen schuldigen Tribut entgegen. Dann jedoch dachte sie gleich wieder an die Realitäten.

»Worum geht es also?«, fragte sie. »Brauchen Sie Hilfe, Graf Hohenau?«

»Ja, die würde ich brauchen«, bestätigte er. »Aber wenn Ihr Sohn sehr beschäftigt ist ... Die Autoreparaturwerkstatt hat mich hergeschickt. Da ist im Moment kein Mann zur Verfügung.«

»Mein Sohn kann Ihre Sache sicherlich erledigen!«, versicherte sie eilig. »Er ist sehr geschickt. Freilich nicht so wie ein alter, erfahrener Meister! Das versteht sich. Aber falls Sie einen Wagen haben, der streikt, kann er vielleicht wenigstens feststellen, woran es liegt.«

Graf Silvan strahlte. »Das ist genau das, was ich brauche«, bekannte er.

Eine Frau mit einem erwachsenen Sohn konnte er auf keinen Fall ins Haus holen. Schließlich war ja noch Bernd da, sein Sohn. Der würde niemanden neben sich dulden.

Es bestand aber immerhin noch die Möglichkeit, dass der junge von Seden aus dem Haus gehen könnte, weil er sich im Beruf weiterbilden wollte. Na, vielleicht war die Sache doch nicht so aussichtslos.

»Würden Sie Ihren Sohn bitte rufen«, bat er, »damit ich ihm auseinandersetze, was bei uns zu tun ist! Wenn er will, kann er gleich mitkommen. Aber es wäre mir auch recht, wenn er nachkäme.«

Ich schau' ihn mir an, ihren Jungen, dachte er. Dann werde ich die Mutter mal besuchen, wenn er fort ist. Man muss ja wissen, ob Aussichten vorhanden sind.

Von diesen Aussichten ahnte Frau Margarete noch nichts. Hätte sie etwas gewusst, so wäre sie wie elektrisiert gewesen. So aber ging sie ruhig hinaus, um Fried zu holen.

***

So kam es, dass Silvan Graf von Hohenau nicht allein heimfuhr, sondern Fried von Seden neben sich sitzen hatte.