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Welche Geschichte steckt hinter einem verlassenen Gebäude, einer Ruine oder einem Ort, den es längst nicht mehr gibt? Machen Sie sich im romantischen Heidelberg und im kreativen Mannheim auf die Suche nach unterirdischen Gängen und vergessenen Friedhöfen, nach geschichtsträchtigen Bunkern und mysteriösen Erdlöchern, nach Orten seltsamer Begebenheiten und blutrünstiger Morde. Neue Einsichten in die in die scheinbar beschauliche Neckarstadt und die benachbarte Rhein-Neckar-Metropole.
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Seitenzahl: 143
Im Brunnenstollen der Bergfeste Dilsberg ist es dunkel und feucht.
Cornelia Lohs
33 vergessene, verlassene undunheimliche Orte
TOUR 12: Einst Prachtbau der Benediktiner: Michaelskloster auf dem Heiligenberg
TOUR 9: »Ewige Ruhe« im wahrsten Sinne – die Gräber sind für die Ewigkeit.
TOUR 19: Achtung Aussätzige: Der Leprosenstein markierte die Grenze zum Siechenhaus.
Vorwort
Verhaltensregeln für Lost Places
33 LOST & DARK PLACES
1Mord am schottischen Schulmeister
Zur falschen Zeit am falschen Ort
2Die Freilichtbühne aus dunkler Zeit
Thingstätte Heidelberg
3Stätte der umgebetteten Gefallenen
Ehrenfriedhof
4Der Weg in den Vorhof zur Hölle
Das ehemalige Gleis 1a
5Die mysteriöse Macht des Heiligen
St. Nikolaus Bildstock
6Ein Schacht voller Rätsel
Das sagenumwobene Heidenloch
7Die Höhle des Einsiedlers
Klause im Dossenheimer Mühltal
8Das vergessene Attentat
RAF-Anschlag auf 4-Sterne-General am Karlstor
9Die verborgene Ruhestätte
Der alte jüdische Friedhof vor dem Klingentor
10Vom Blitz vernichtet
Die Obere Burg
11Die Bürgermeistermorde
Mordsteine im Stadtwald
12Mystischer Kraftort
Michaelskloster auf dem Heiligenberg
13Der eingemauerte Ritter
Handschuhsheimer Tiefburg
14Der unterirdische Gang
Brunnenstollen auf der Burgfeste Dilsberg
15Die grausame Geschichte eines Grabmals
Kirchhof der Peterskirche
16Die sagenumwobene Burgruine Reichenstein
Das Reich des Raubritters
17Der vergessene Brückenkopf
Überbleibsel der Schwarzen Brücke
18Ein vergessener Flecken
Spuren des Dreißigjährigen Krieges
19Zufluchtsort für die Aussätzigen
Gutleuthofkapelle im Stadtteil Schlierbach
20Das Grab des Ersten
Bergfriedhof Heidelberg
21Das unterirdische Mannheim
Tiefbunker im Quadrat E6
22Das vergessene Denkmal
Erinnerung an eine Fehde
23Die Gräber von Sand und Kotzebue
Hauptfriedhof Mannheim
24Mannheimer Hinrichtungen der Nazidiktatur
Lauersche Gärten
25Der vergessene Wasserturm der Gummifabrik
Überbleibsel der weltberühmten Schildkröt-Fabrik
26Die Angst vorm Atomschlag im Kalten Krieg
Atomschutzbunker unter dem Stadthaus N 1
27Der Grabraub
Die kurfürstliche Gruft unter der Schlosskirche
28Der Panzerwald
Verlassene Bunker und Schießanlagen der US-Armee
29Der einsame Pylon
Denkmal zur Einweihung des Mannheimer Industriehafens
30Der Hochbunker
Vom Blockbunker zum Museum
31Die mystische Maulbeerinsel
Urwald am Unteren Neckar
32Die Firmenruine
Opel Kannenberg
33Der Mauerrest
Die vergessene Burg Eichelsheim
Register
Impressum/Bildnachweis
TOUR 21: Manche Räume des Bunkers wirken ganz schön unheimlich.
TOUR 25: Letztes Überbleibsel der einst mächtigen Schildkröt-Fabrik
Ehrenfriedhof Heidelberg:Bei Nebel herrscht gespenstische Atmosphäre.
1Zur falschen Zeit am falschen Ort
2Thingstätte Heidelberg
3Ehrenfriedhof
4Das ehemalige Gleis 1a
5St. Nikolaus Bildstock
6Das sagenumwobene Heidenloch
7Klause im Dossenheimer Mühltal
8RAF-Anschlag auf 4-Sterne-General am Karlstor
9Der alte jüdische Friedhof vor dem Klingentor
10Die Obere Burg
11Mordsteine im Stadtwald
12Michaelskloster auf dem Heiligenberg
13Handschuhsheimer Tiefburg
14Brunnenstollen auf der Burgfeste Dilsberg
15Kirchhof der Peterskirche
16Das Reich des Raubritters
17Überbleibsel der Schwarzen Brücke
18Spuren des Dreißigjährigen Krieges
19Gutleuthofkapelle im Stadtteil Schlierbach
20Bergfriedhof Heidelberg
21Tiefbunker im Quadrat E6
22Erinnerung an eine Fehde
23Hauptfriedhof Mannheim
24Lauersche Gärten
25Überbleibsel der weltberühmten SchildkrötFabrik
26Atomschutzbunker unter dem Stadthaus N 1
27Die kurfürstliche Gruft unter der Schlosskirche
28Verlassene Bunker und Schießanlagen der US-Armee
29Denkmal zur Einweihung des Mannheimer Industriehafens
30Vom Blockbunker zum Museum
31Urwald am Unteren Neckar
32Opel Kannenberg
33Die vergessene Burg Eichelsheim
Lost & Dark Places in Heidelberg? Wo sollen die denn bitte sein? Schließlich ist Deutschlands älteste Universitätsstadt als Dienstleistungs- und Wissenschaftszentrum bekannt sowie für den weltberühmten Dreiklang von Altstadt, Fluss und Bergen – ganz zu schweigen von der schönsten Schlossruine der Welt. Industrieruinen und leer stehende, vor sich hin verfallende Gebäude findet man hier nicht. Oder kaum, denn ein Gebäude steht selten für längere Zeit leer, ohne dass es abgerissen wird, um Platz für Neues zu schaffen, wie die nicht sehr lange leer stehenden Gebäude der US Army. Der einzige tatsächliche Lost Place war und ist bisher noch das Anwesen Kümmelbacher Hof in Neckargemünd, das jedoch seit ein paar Monaten bewacht wird und nicht mehr betreten werden darf. Zugegeben, Heidelberg hat vielleicht nicht unbedingt Lost Places im klassischen Sinn zu bieten, aber ganz sicher Orte mit dunkler Geschichte wie historische Mordschauplätze, einen verlassenen Friedhof, der bei Nebel recht schaurig ist, einen Schacht, der Rätsel aufgibt, mysteriöse Bildstöcke und einen eingemauerten Ritter.
Auch in der benachbarten Rhein-Neckar-Metropole Mannheim, immerhin Industriestandort, gibt es kaum Industrieruinen. In der Stadt der kreativen Köpfe und Erfinder (Carl Benz, Karl Draiss, Julius Hatry) werden verlassene Gebäude schnell neu genutzt. Bis auf eines der wenigen, das Sie hier im Buch finden. Statt leerer Gebäude begegnen Ihnen verlassene Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg, ein Atombunker aus der Zeit des Kalten Krieges, Munitionsbunker und andere Hinterlassenschaften der US Army im sogenannten Panzerwald, dazu vergessene Denkmäler, die keiner beachtet, grausame Hinrichtungen sowie historische Morde.
Vielleicht bieten die 33 Orte Ihnen Inspiration, Ihre Heimat auf eine völlig neue Weise kennenzulernen. Wenn Sie noch nie in Heidelberg waren, schauen Sie sich anstelle des weltberühmten Schlosses die Thingstätte an oder einen unterirdischen Gang auf dem Dilsberg. Und wenn Sie Mannheim besuchen, erkunden Sie es zur Abwechslung von unten anstatt von oben.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Entdecken der Orte und vielleicht auch beim Gruseln an diversen Stätten an nebligen Herbsttagen.
Zeitreise im Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg
Jedes Bauwerk und jedes Gebäude erzählen eine Geschichte aus vergangenen Tagen Dies gilt es zu schützen. Und auch wenn es teilweise nicht so aussieht, aber jeder dieser Lost Places hat einen Eigentümer. Das sollte respektiert werden. Das beinhaltet vor allen Dingen, dass nichts zerstört oder gewaltsam geöffnet wird. Sind Fenster oder Türen verschlossen, sollte das auch so bleiben. Gehen Sie respektvoll mit dem Ort um.
Wenn Sie etwas von einem Lost Place mitnehmen, und sei es noch so klein, ist es Diebstahl. Wie bereits in Punkt 1 gesagt, alle diese Orte haben einen Eigentümer. Daher gilt die Regel: Alles bleibt, wie es ist. Belassen Sie es bei den schönen Einblicken und Fotos, die Sie an dem Ort machen. Gleiches gilt auch umgekehrt: Lassen Sie nichts liegen. Keine Essensreste, keine Kaugummis, keine Kippenstummel.
Das bringt uns zum nächsten Punkt: Rauchen verboten. Zollen Sie dem ehrwürdigen Ort Respekt und verzichten Sie für die Zeit, die Sie da sind, auf Rauchen. Kippenstummel brauchen nicht nur 15 Jahre zum Verrotten (sie sollten übrigens nirgends achtlos weggeworfen werden), sondern können schnell ein Feuer verursachen.
Dass Sie nichts hinterlassen sollen, gilt auch für Kunstwerke an den Wänden. Man sprüht nicht auf fremdes Eigentum, sei es noch so schön. Lassen Sie die Wände wie Sie sind, sodass Menschen nach Ihnen den Ort so erleben können, wie er früher einmal war.
Vorsicht ist besser als Nachsicht. Das gilt vor allem bei Lost Places. Marodes Holz, verrostete Geländer, einsturzgefährdete Decken, lockere Böden (teilweise befinden sich noch Kellergeschosse darunter), eingeschlagene Fenster – die Liste der Gefahren solcher Orte ist lang. Seien Sie daher immer wachsam. Begeben Sie sich niemals in Gefahr für das eine Foto. Das ist es nicht wert. Treppen und obere Etagen sind eine gängige Gefahrenquelle. Schauen Sie sich den Zustand der Treppe und der Decke genau an. Nehmen Sie auch eine Taschenlampe für dunkle Räume und Keller mit.
Es ist ratsam, immer mindestens zu zweit, besser noch zu dritt, einen Lost Place zu besuchen. Da gilt die alte Regel: Ist eine Person verletzt, bleibt die zweite vor Ort und die dritte holt Hilfe. Zudem weiß man nie, wen man vor Ort trifft. Plünderer, Spinner und besoffene Jugendliche sind auch oft in Lost Places anzutreffen. Da ist es beruhigender, nicht allein unterwegs zu sein.
Da die Lost Places in Privatbesitz sind, gilt auch hier »Betreten verboten«. Auch, wenn das Tor angelweit aufsteht oder ein riesiges Loch im Zaun ist. Ebenso ist es ratsam, sein Auto nicht direkt vor dem Gelände zu parken. Schauen Sie beim Betreten des Geländes auch immer, dass Sie niemand sieht. So vermeiden Sie unerwünschte Begegnungen und mögliche Konfrontationen mit der Polizei.
Wir empfehlen Folgendes:
•Festes Schuhwerk, hohe Socken (Schutz vor Zecken)
•Reißfeste Kleidung, ggf. leichte Regenjacke
•Kamera inkl. Zusatzakku, Speicherkarten, Stativ
•Proviant und Getränke (nehmen Sie aber alles wieder mit)
•Kopf- oder Stirnlampe für freie Hände
•Taschenlampe mit weitem Winkel für Keller und dunkle Räume
•Taschenmesser
•Aufgeladenes Handy (ggf. Powerbank)
•Notizblock und Stift
•Pflaster und Taschentücher für Verletzungen
•Mücken- und Zeckenspray
Dachlose Gedenkhalle auf dem Ehrenfriedhof
Zur falschen Zeit am falschen Ort
Auf dem idyllischen Fleckchen Erde zwischen Heiligenberg und Zollstock wurde am 30. Juli 1905 der Lehrer Thomas Read aus Paisley in den schottischen Lowlands mit einem Revolverschuss getötet und ausgeraubt.
Zollstock, Heiligenberg Ort 69121 Heidelberg GPS 49.4290752, 8.7151803Anfahrt Auto: über die Handschuhsheimer Landstraße/B3, Mühltalstraße und Waldweg zum Wanderparkplatz Heiligenberg und dann zu Fuß weiter. Zu Fuß: über Schlangen- und Philosophenweg bis Heiligenberg
Garantiert passierte der Lehrer vor seinem Tod den keltischen Ringwall.
KEIN GEDENKSTEIN, KEIN KREUZ Nichts erinnert daran, dass hier im frühen 20. Jahrhundert ein Österreicher einen Schotten aus Habgier tötete. Beide waren Reisende und weilten nur kurz in Heidelberg. Dass der gerade 20 Jahre alt gewordene gebürtige Wiener Arnold Sippel an jenem heißen Sommertag zum Mörder werden würde, wusste er am Morgen, als er aufstand, selbst noch nicht. Auch Thomas Reid ahnte wohl kaum, dass dies sein letzter Tag auf Erden sein würde. Der 41-jährige Schotte war am 14. Juli 1905 mit dem Schiff von Leith nach Antwerpen und dann mit dem Fahrrad über Brüssel, Lüttich, Aachen, Köln nach Mainz gefahren und am 29. Juli in Heidelberg eingetroffen. Von hier aus plante er eine Radtour durch den Schwarzwald und wollte dazu am 31. Juli nach Baden-Baden reisen, wie er auf einer Postkarte aus Heidelberg an seinen Bruder in Schottland schrieb. Am Vormittag des 30. Juli verließ er sein Hotel in der Bergheimer Straße und ward danach nicht mehr gesehen. Als seine Geschwister nichts von ihm hörten, schrieb sein Bruder John an den Heidelberger Bürgermeister und bat ihn um Hilfe. Umgehend wurden polizeiliche Ermittlungen und die Suche nach dem Vermissten eingeleitet. Man fand heraus, dass er vom 29. auf den 30. Juli im damaligen Gasthof Rheingold übernachtet hatte und gegen 10 Uhr zu einer Wanderung aufgebrochen war. Wohin, wusste allerdings niemand. Reids Gepäck samt Fahrrad und Fahrradanzug sowie Briefe und Karten befanden sich noch im Gasthof. Warum der Inhaber den verschollenen Gast nicht sofort als vermisst gemeldet hatte, ist nicht bekannt. Die Polizei suchte die Hügel südlich und nördlich von Heidelberg sowie den Schlossgraben ab, jedoch ohne Erfolg. John Reids Familie setzte eine Belohnung von 5000 Mark aus, aber niemand konnte einen Hinweis auf den Verbleib des Lehrers geben.
War der Blick auf Heidelberg das letzte Bild, das Reid sah?
EIN HALBES JAHR VOLLER UNGEWISSHEIT Erst als am 16. Januar 1906 der arbeitslose Schriftsetzer Arnold Sippel in Nago (Trentino) wegen »Bettelns von Haus zu Haus« verhaftet wurde, lichtete sich das Dunkel. Als er im Gefängnis durchsucht wurde, fand man in seinen Taschen den Reisepass Thomas Reids, eine silberne Taschenuhr mit Kette, in dessen Deckel sich ein Zettel mit dem Namen des Uhrmachers in Paisley befand, eine Schifffahrkarte auf Reids Namen, ein englisch-deutsches Wörterbuch, Tagebuchblätter in englischer Sprache mit einer Beschreibung des Heiligenbergs vom 30. Juli 1905 sowie andere Dinge, die Reid gehörten. Sippel behauptete, die Sachen im August 1905 in Straßburg von einem Handwerksburschen erworben zu haben. Er gab zu, vom 24. Juli bis zum 5. August zusammen mit seiner Geliebten Zenzi Mika in Heidelberg gewesen zu sein und behauptete, dort beim Hazardspiel 500 Mark gewonnen zu haben. Dass im fernen Heidelberg ein gewisser Thomas Reid vermisst wurde, war den Österreichern nicht bekannt. Weil sie Sippel aber des Diebstahls an Reids Sachen bezichtigten, überstellten sie ihn ans Bezirksgericht Riva. Da einige der gestohlenen Dinge Reids auf Heidelberg hinwiesen, wandte man sich telegrafisch an die Staatsanwaltschaft Heidelberg, die daraufhin den Amtsanwalt Karl Hellinger zur Aufklärung der Sache nach Riva entsandte.
DIE SACHEN DES VERMISSTEN Mittlerweile hatte die Polizei in Sippels letzter bekannter Unterkunft in Bozen die dort zurückgelassenen Sachen beschlagnahmt. Darunter »Murray’s Diary« in englischer Sprache, Thomas Reids Kleidung, ein Geldtäschchen mit britischem Kleingeld sowie der Revolver, mit dem, wie sich später herausstellte, Reid erschossen worden war. Sippel blieb dabei, dass er alles auf legale Weise in Straßburg erworben hatte. Er wurde ans Kreisgericht Feldkirch überstellt, wo die Voruntersuchung wegen Raubmords eingeleitet wurde. Gleichzeitig leitete man am Badischen Landgericht Heidelberg eine Voruntersuchung gegen Zenzi Mika wegen Hehlerei ein.
DER MÖRDER UND SEINE MITWISSERIN Arnold Sippel, der in St. Pölten und Linz das Druckhandwerk erlernt hatte und danach in einer Druckerei in Linz beschäftigt war, lernte 1904 die dort ebenfalls beschäftigte Zenzi Mika kennen und begann ein Verhältnis mit ihr. Diese soll einen negativen Einfluss auf ihn ausgeübt haben, denn der früher stets tadellose und fleißige Sippel wurde wenig später wegen »Faulheit und frechen Benehmens« fristlos entlassen. Am 10. Juli 1905 fuhr Zenzi zu ihrer Ziehschwester nach Heidelberg, die damals als Kellnerin in der heute nicht mehr existierenden »Wirtschaft zur Philosophenhöhe« arbeitete.
Schon tags darauf machte sich auch Sippel auf den Weg nach Heidelberg und legte den größten Teil der Strecke zu Fuß zurück. Zum Schutz für unterwegs hatte er einen Revolver mitgenommen. Er kam am Abend des 24. Juli in der Neckarstadt an und mietete sich in der Wirtschaft zur Reichskrone ein. In den nächsten Tagen versuchte er Arbeit in einer Buchdruckerei zu finden, blieb aber erfolglos. In seiner Kleidung, die während der langen Reise gelitten hatte, machte er keinen guten Eindruck. Dann plötzlich, am 30. Juli mittags, trug er einen guten Anzug, hatte Geld und zeigte sich spendabel.
Wenige Tage später reiste er mit Zenzi in die Schweiz, wo die beiden 500 Mark, damals ein kleines Vermögen, verjubelten.
Wahrscheinlich wanderte Reid auf diesem Weg zum Zollstock.
DAS MORDGESTÄNDNIS Als kein Geld mehr übrig war, fuhr das Pärchen Anfang November über Bregenz nach Innsbruck, wo Zenzi eine Stelle in einer Buchdruckerei fand. Sippel zog weiter nach Bozen, Zenzi folgte ihm an Weihnachten, kehrte nach dessen Verhaftung im Januar allerdings nach Heidelberg zurück. Dort sagte sie am 14. Februar 1906 vor dem Untersuchungsrichter unter heftigem Weinen aus, dass Sippel ihr bereits am Abend des 30. Juli den Mord an Thomas Reid gestanden hätte. Als der Beschuldigte erfuhr, dass seine Mitwisserin verhaftet worden war, gestand er die Tat – noch bevor er wissen konnte, dass diese bereits gestanden hatte.
Arnold Sippel schilderte die Tat wie folgt: Am Vormittag des 30. Juli 1905 war er über den Schlangen- und Philosophenweg zum Heiligenberg hinaufgewandert und dort auf den Aussichtsturm gestiegen. Als er hinunterschaute, sah er den Schotten am Fuß des Turms auf einer Bank sitzen. Wenig später, beim »Gange zum Zollstock, dort, wo der Weg sich um die Ruine biegt, kam er hinter jenem, der im Baedeker auf einer Geröllhalde sitzend las, vorbei«, so der Bericht in den Innsbrucker Nachrichten. Mordabsichten hatte er da angeblich noch keine. Sippel hielt sich kurz in der Zollstockhütte auf und ging danach wieder Richtung Heiligenberg, wo er Reid erneut begegnete. Die Gegend war menschenleer.
DER TODESSCHUSS Sippel, der einen geladenen Revolver in der Jackentasche hatte, beschloss kurzerhand, den Schotten zu erschießen und ihn auszurauben. Er wartete, bis dieser an ihm vorbeigegangen war, drehte sich um und schoss ihm aus nächster Nähe in den Rücken. Reid »stieß einen Seufzer aus, setzte sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an die Böschung«, so die Schilderung des Mörders, der sich nach dem Schuss im Gebüsch versteckte und sich vergewisserte, dass niemand in der Nähe war. Dann zog er den leblosen Reid in die Büsche, raubte ihn bis auf die Unterwäsche aus und schlüpfte in die Kleidung des Schotten. Den toten Körper bedeckte er anschließend mit Laub. Auf dem Weg hinunter in die Stadt zählte Sippel das geraubte Geld. Es waren »Elf Einpfundstücke, eine Note zu 5 Pfund Sterling, 2 Stück zu 20 Franken, eine Note zu 100 Mark und 10 bis 12 Mark in Silber, zusammen rund 550 Kronen«. Am nächsten Tag kehrte der Mörder an den Tatort zurück, um seine dort zurückgelassene Kleidung zu holen, und am dritten Tag nach dem Mord wollte er sich nochmals vergewissern, ob er auch tatsächlich alles vom Toten mitgenommen hatte, sodass nichts auf dessen Identität hinweisen würde. An welcher Stelle zwischen Zollstock und Heiligenberg der Mord geschah, lässt sich heute nicht mehr eruieren.
Standen ähnliche Wegweiser bereits an Ort und Stelle, als Reid zum Zollstock wanderte?
Alter Grenzstein zwischen den Stadtteilen Handschuhsheim und Neuenheim
DER FUND DES LEICHNAMS Die Heidelberger Polizei fand die Überreste Reids am 6. März 1906 an der Stelle, die Arnold Sippel beschrieben hatte. Laut Gutachten von zwei ärztlichen Sachverständigen hatte die Revolverkugel die Aorta getroffen, was zum sofortigen Tod des Schotten führte.