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Deutschland ist heute so wohlhabend wie nie zuvor, gleichwohl stehen wir vor der großen Herausforderung, die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft auch in einer digital vernetzten und globalisierten Wirtschaft zu verteidigen. Ludwig Erhard hat gezeigt, wie das geht: Mit Mut und Optimismus – und im Wissen darum, dass Freiheit, Verantwortung und persönliche Leistungsbereitschaft Fortschritt und Wandel zum Wohle aller vorantreiben. Erhards Grundsätze waren klar und zeitlos formuliert. Demokratie, Eigenverantwortung, bürgerliche Freiheit und die Sicherung des Wettbewerbs standen für ihn im Fokus. Sorgen bereitet den Autoren, dass in den Euro-Staaten die Leitlinien Ludwig Erhards kaum mehr Beachtung finden. So werden Zukunftschancen vor allem für die nächsten Generationen verspielt. Die vernetzte Welt bietet auch für Europa Lösungen, um die Zukunft wieder auf dem festen Fundament freiheitlicher und demokratischer Werte zu gestalten.
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Seitenzahl: 185
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1. Auflage 2015
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Redaktion: Veit Ladsetter
Korrektorat: Sonja Rose
Umschlaggestaltung: Kristin Hoffmann, München
Umschlagabbildung: Bundesregierung/Gerhard Heisler
Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering
Druck: CPI books GmbH, Leck
Printed in Germany
ISBN Print 978-3-89879-916-4
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-742-4
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86248-743-1
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Über dieses Buch …
… und dessen Mitwirkende
Vorwort
Einführung (Luise Gräfin v. Schlippenbach)
Warum dieses Buch aktuell wichtig ist
Neoliberalismus à la Erhard – eine Perspektive für die Jugend (Gerald Mann)
Warum ist Erhard wieder aktueller denn je? (Ulrich Horstmann)
Erhard und die Kritik der aktuellen Politik (Gottfried Heller)
Erhard – Vermächtnis und Vision für die Zukunft
1. Ludwig Erhard: Biographie (Ulrich Horstmann)
2. Die Lehrer (Ulrich Horstmann)
3. Wissenschaftliche Weggefährten (Ulrich Horstmann)
4. Von der Theorie zur Praxis (Ulrich Horstmann, Stephan Werhahn)
5. Sein Abgang und die Folgen bis heute – Kritik an Sahra Wagenknechts Buch »Freiheit statt Kapitalismus« (Ulrich Horstmann)
6. Erhard als Visionär: Chancen für die Zukunft?
7. Was ist jetzt zu tun? (Ulrich Horstmann)
8. Ludwig Erhard und das Reformparadies Neuseeland (Günter Ederer)
9. Soziale Marktwirtschaft (Martin Zeil)
Zum Schluss (Luise Gräfin v. Schlippenbach)
Die Autoren
Ausgewählte Literatur und Quellenangaben
Anmerkungen
Ludwig Erhard gewidmet
»Nach meiner Auffassung steckt die Welt voll unermesslicher Chancen, wenn wir sie nur zu nutzen verstehen würden.«
Ludwig Erhard (Wohlstand für Alle, S. 283)
»In dieser Stunde aber geht meine Mahnung an Sie alle, besonders aber an unsere Jugend, in die ich meine ganze Hoffnung setze: den freiheitlich-demokratischen Sinn unseres Staates zu verstehen und sich jeder politischen Selbstzerstörung oder Isolierung leidenschaftlich zu widersetzen.«
Ludwig Erhard (Abschied als Bundeskanzler, Fernsehansprache am 30.11.1966)
»Wer sich über die von Ludwig Erhard zeitlos konzipierte ›Soziale Marktwirtschaft‹ informieren will, erfährt hier seine Ideen aus erster Hand. Die das ganze Buch prägende Autorin Luise Gräfin Schlippenbach war 1948 Pressereferentin bei Ludwig Erhard. Die weiteren Mitwirkenden Günter Ederer, Gottfried Heller, Ulrich Horstmann, Gerald Mann, Stephan Werhahn und Martin Zeil folgen in ihren Beiträgen dieser von ihr vorgezeigten ordnungspolitischen Linie.
Sorgen bereitet den Autoren, dass die ordnungspolitischen Leitlinien Ludwig Erhards seit Jahrzehnten kaum mehr Beachtung finden. So werden Zukunftschancen für die nächsten Generationen verspielt. Die Forderung Ludwig Erhards nach dem »Wohlstand für Alle« ist heute aufs Engste damit verbunden, dass die Soziale Marktwirtschaft und alle ihre Institutionen die Innovationsfähigkeit erhöhen, Innovationstätigkeit ausweiten und nach einer umfassenden und wahren Innovations-Qualität streben. Die vernetzte Welt bietet auch für Europa Lösungen, um die Zukunft wieder auf dem festen Fundament freiheitlicher und demokratischer Werte zu gestalten.«
Werner G. Faix, Gründer und geschäftsführender Direktor sowie Gesellschafter der School of International Business and Entrepreneurship GmbH (SIBE)
Dieses Buch »Erhard jetzt!« will den Leser davon überzeugen, dass die Soziale Marktwirtschaft Erhard’scher Prägung nicht nur nach wie vor aktuell ist. Seine zeitlosen Empfehlungen sind gerade jetzt unseres Erachtens nach aktueller denn je – spätestens aber nach der ungelösten Finanzkrise seit 2007, die zu einer Dauerkrise mit immer umfangreicheren »Rettungsprogrammen« und Schuldenlasten der Staaten wird.
Prof. Dr. Gerald Mann, auch Mitautor dieses Buches, gab hilfreiche Hinweise zur Vita Ludwig Erhards (er zog gänzlich andere Schlüsse aus den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs als Adolf Hitler) und zu seiner europapolitischen Sichtweise. Manuela Koller gab wesentliche Anregungen zur Gliederung und Lesbarkeit des Buches. Prof. Eberhard Wolf prägte die optische Gestaltung.
Ludwig Erhard bewies Beharrungsvermögen und Mut, als er im Juni 1948 gegen große Widerstände aus Politik und Wirtschaft die Preis- und Mengenkontrollen in der von Amerikanern und Briten besetzten Zone abschaffte. Es war der Startschuss für die Soziale Marktwirtschaft. Wettbewerb, Freiheit und Verantwortung waren die tragenden Säulen dieses ordnungspolitischen Konzepts, das die Bundesrepublik Deutschland prägte. Was dann folgte, war der Aufstieg aus einer zerbombten Trümmerlandschaft zu einem nie erlebten oder auch nur erhofften Wohlstand. Die Welt sprach vom »Wirtschaftswunder« – ein Begriff, den Erhard nicht gelten lassen wollte, weil »das, was sich in Deutschland (…) vollzogen hat, alles andere als ein Wunder war. Es war nur die Konsequenz der ehrlichen Anstrengung eines ganzen Volkes, das nach freiheitlichen Prinzipien die Möglichkeit eingeräumt erhalten hat, menschliche Initiative, menschliche Freiheit, menschliche Energien wieder anwenden zu dürfen«1.
Ludwig Erhard war eine starke Persönlichkeit und in seiner Wirkung ein Sozialrevolutionär. Seine Politik der Sozialen Marktwirtschaft steht für radikalen Wandel. Aber haben wir heute auch noch so viel Kraft, das Richtige durchzusetzen, auch wenn alle anderen anscheinend das Gegenteil wollen? Befolgen wir seine Rezeptur, nach welcher der Staat sich selbst beschränkt und seinen Bürgern die größtmögliche Freiheit einräumt? Oder finden wir nicht immer wieder neue Gründe für immer tiefer gehende Interventionen, Wettbewerbsbeschränkungen und Bevormundungen, die den Bürger schließlich zum sozialen Untertan machen? Ludwig Erhard sah das Heil nicht in Umverteilung. Nein, sein Ziel war anspruchsvoller: Wirtschaft und Gesellschaft müssten so gestaltet sein, dass niemand gezwungen wäre, bei einem Sozialamt um Hilfe nachzufragen.
Deutschland ist heute so wohlhabend wie nie zuvor, gleichwohl stehen wir vor der großen Herausforderung, die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft auch in einer digital vernetzten und globalisierten Wirtschaft zu verteidigen. Ludwig Erhard hat gezeigt, wie das gehen könnte: Mit Mut und Optimismus – und im Wissen darum, dass Freiheit, Verantwortung und persönliche Leistungsbereitschaft Fortschritt und Wandel zum Wohle aller vorantreiben.
Roland Tichy
Der Staat dringt immer tiefer in den Markt und die Privatsphäre der Bürger ein, bedient teure Ansprüche, nicht selten ohne Einkommensbegrenzungen, die den Sozial-Etat unverhältnismäßig aufblähen.
Und dies trotz unüberhörbarer Proteste aus Politik, Wirtschaft und auch der Gewerkschaften.
Vor allem aber werden aus der Jugend kritische Stimmen laut. Denn sie und ihre Nachkommen müssen das alles bezahlen. Heute legalisierte Ansprüche sind Schulden einer ungewissen Zukunft. Diese exorbitanten Belastungen werden noch über Generationen ein selbstbestimmtes Leben unmöglich machen und jede Motivation im Keim ersticken.
Ist das die viel beschworene Generationengerechtigkeit? Ist das noch Soziale Marktwirtschaft? Die Erhard’sche Prägung sicherlich nicht.
Und so stellt sich jetzt die Frage: Hat uns und kommenden Generationen Ludwig Erhard, der nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland aus tiefstem Elend »Wohlstand für Alle« brachte, wieder etwas zu sagen? Ist Erhard wieder aktuell? Braucht jetzt die Jugend Erhard?
Luise Gräfin v. Schlippenbach, 2015
Nicht wenigen Gesprächen mit an sich wirtschaftsliberal gesinnten Zeitgenossen lässt sich eine wohlmeinende Neigung zum Historisieren von Ludwig Erhards Ideen (und auch der seiner Mitstreiter) entnehmen. Das ist bedauerlich. Denn seine Grundaussagen haben doch zeitlosen Charakter. Im Detail mögen zwar z.B. die »Globalisierung« ab den 90er-Jahren oder das Internet ordnungspolitische Entscheidungen erfordern, die Erhard verständlicherweise so noch nicht vorhersehen konnte. Schaut man sich das jedoch genauer an, sollte man auch in diesen Themenfeldern die Grundentscheidungen der Sozialen Marktwirtschaft guten Gewissens beherzigen, wenn man nach den langfristig richtigen Lösungen strebt.
Ferner stellt man bei denjenigen, die Erhard gerne ins Geschichtskabinett abschieben wollen auch fest, dass sie sich – selbst wenn sie sich einen leider oft nur oberflächlichen wirtschaftsliberalen Grundton bewahrt haben – mit der steigenden Staatsquote und dem allgegenwärtigen Interventionismus sowie der damit unweigerlich einhergehenden zunehmenden Fremdbestimmung des Individuums abgefunden haben. Ein solcher »Wirtschaftsliberalismus« ist dann aber nicht einmal mehr ein matter Abglanz der großartigen Ideen der Sozialen Marktwirtschaft.
Ludwig Erhard warnte schon in seinem bekanntesten Werk »Wohlstand für Alle« 1957: »Eine freiheitliche Wirtschaftsordnung kann auf die Dauer nur dann bestehen, wenn und solange auch im sozialen Leben der Nation ein Höchstmaß an Freiheit, an privater Initiative und Selbstvorsorge gewährleistet ist.« (S. 257) Die auch im vorliegenden Band beschriebenen und kritisierten Entwicklungen des gegenwärtigen Zeitenlaufes zeugen von einem in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich sinkenden Maß an individueller Freiheit im politischen wie wirtschaftlichen Leben. »Politische Korrektheit« und steigende Staatsquote lassen als Instrument bzw. Gradmesser des Freiheitsabbaus grüßen.
Erhards düstere Zukunftsvision bahnt sich an: »Die wachsende Sozialisierung der Einkommensverwendung, die um sich greifende Kollektivierung der Lebensplanung, die weitgehende Entmündigung des Einzelnen und die zunehmende Abhängigkeit vom Kollektiv oder vom Staat (…) müssen die Folgen dieses gefährlichen Weges hin zum Versorgungsstaat sein, an dessen Ende der soziale Untertan und die bevormundende Garantierung der materiellen Sicherheit durch einen allmächtigen Staat, aber in gleicher Weise auch die Lähmung des wirtschaftlichen Fortschritts in Freiheit stehen wird.« (S. 263)
Wie bei allen sozialistischen Projekten ist der durch sie eintretende Schaden meist nicht zeitnah spürbar, zumal ein staatlich zwangsverordnetes Papiergeldsystem und überbordende Staatsverschuldung die (unter Umständen jahrzehntelange) Verschiebung in die Zukunft erlauben. Allerdings nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, wie wohl von einigen Verantwortlichen erhofft.
Tragisch ist in diesem Zusammenhang, dass Vertreter der Linkspartei heute Ideen der antisozialistischen Freiburger Schule mit geschicktem politischen Marketing (oder besser: mit geschickter Mimikry?) in Anspruch nehmen, während die »Partei Ludwig Erhards«, die CDU, sich schon seit Ende der 60er-Jahre davon entfernt; dort sei es – so liest und hört man – für Nachwuchspolitiker eher opportun, sich in den Sozialausschüssen zu tummeln als mit der Mittelstandsunion oder dem Wirtschaftsbeirat freiheitliche Ordnungspolitik zu vertreten. Auch die FDP hat vor ihrem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag, nicht nur bei der »Euro-Rettung«, kaum durch ordnungspolitische Stringenz zu überzeugen verstanden. Und ob die Alternative für Deutschland (AfD) nachhaltig wirtschaftsliberales Profil entfalten wird, bleibt abzuwarten.
Gerade die nachwachsende, eher apolitische »Generation Merkel«, die jetzt ins Erwachsenenalter eintritt und sich somit politisch artikulieren könnte, bedürfte der Erkenntnis dieser Zusammenhänge. Denn sie trifft die Entwicklung weg von der Sozialen Marktwirtschaft hin zum »Sozialismus light« stärker als die jenseits der Lebensmitte Stehenden, weil die Lähmung des wirtschaftlichen Fortschritts noch nicht sofort, sondern erst in Zukunft den möglichen Wohlstand nachhaltig mindert.
Darin liegt auch das opportunistische Kalkül der Politik weg von der Sozialen Marktwirtschaft hin zu mehr Zentralismus, Umverteilung und Fernsteuerung des Individuums nach dem Motto: »Die Leute merken es ja nicht gleich …«. Vor einigen Monaten ließ den Verfasser nach einem Seminar über die Soziale Marktwirtschaft einen Teilnehmer wissen: »Jetzt habe ich verstanden, was wir alles zu verlieren haben.« Genau darum geht es.
Wollen die jungen leistungsbereiten Menschen, egal ob mit oder ohne akademische Weihen, nicht ab der Mitte ihres Lebens spürbar Opfer der beschriebenen Entwicklung werden, müssten sie erst einmal diese fatalen Mechanismen erkennen, ihre Folgewirkungen verstehen und sich dann für eine Wiederbelebung der im guten Sinne neoliberalen Ideen Ludwig Erhards einsetzen. Ob das eine freiheitsliebende, dynamische, gut vernetzte und zielstrebige außerparlamentarische Bewegung, eine Art friedliches und zukunftssicherndes Gegenstück zu den 68ern bei gleichzeitiger Ähnlichkeit mit ihnen schaffen könnte? Eine »APO der jungen Leistungsträger«?
»Ihr habt euch toll auf die Zukunft vorbereitet, die einmal vor euren Eltern lag, aber nicht auf eure eigene. Das System hat euch falsch konditioniert, mit dem falschen Wissen abgefüllt und jetzt sagt es: »Sorry, wir halten euch auf dem Laufenden.«2
Gerhard Hörhan formuliert unverblümt. Seine Botschaften an die Jugend sind klar. Die Politiker kritisiert er scharf: »Sie zocken euch mit jedem Euro an zusätzlicher Staatsverschuldung und mit jeder aus Rücksicht auf die Alten verweigerten Verwaltungsreform ab. Jetzt gerade lasten sie euch die Kosten für die Sanierung Europas auf. Sie stecken eure Zukunft in den Rettungsschirm für den Euro. Die Milliarden, die nach Griechenland, Irland, Portugal und bald vielleicht nach Spanien, Italien, Frankreich, Belgien und Zypern fließen, werdet ihr verdienen und in Form von Steuern und Abgaben bezahlen müssen. Ihr werdet dafür bluten, dass zum Beispiel Griechenland durch Faulheit, Korruption, Schattenwirtschaft und Bilanzfälschung pleitegegangen ist. Eure Zukunft versickert in den Straßen von Athen, in denen die Griechen gegen ihre alte Misswirtschaft demonstriert und dabei Geschäfte geplündert und Autos zerstört haben.
Die Politiker stehlen euch eure Zukunft wissentlich und nicht etwa, weil sie keine andere Wahl hätten. Sie könnten Beamte feuern, sinnlose Gesetze abschaffen und die Staatsbetriebe verkaufen. Doch es gäbe immer irgendwelche Gruppen, die sich aufregen würden. Ihr seid die Einzigen, die sich alles gefallen lassen.«3
Das Politikversagen trifft so die, die sich am wenigsten wehren. Über sie wird hinweg entschieden, trotz bestehender Rechtsbrüche.
Im Fokus der Erhard’schen Politik standen die »Armen«. Diese Bevölkerungsgruppe wird heute ausgegrenzt – bei dauerhaften öffentlichen Finanzhilfen. Der Staat verweigert – trotz anderer Lippenbekenntnisse – Aufstiegs- und Bewährungschancen. Leistungsempfänger können so nicht stolz auf eine eigene Leistung sein. Es wird ihnen die Chance genommen, sich mit eigener Kraft hochzuarbeiten und gesellschaftliche Anerkennung zu erwerben.
Erhards Freiheit und Demokratie fördernde Politik für die (noch) Armen wurde vielfach nicht verstanden. Erhards Politik war nicht gegen »Reiche« gerichtet, es sei denn sie verhalten sich korrumpierend. Unfaires Abzocken der Gemeinschaft durch wettbewerbswidrige Absprachen wurde von ihm bekämpft. Heute hätte er viel zu tun, um ein gesellschaftliches »fair play« wieder zu ermöglichen.
Ludwig Erhards Grundsätze sind heute aktueller denn je. Wenn man die wirtschaftliche Situation Deutschlands 1957 – noch weitgehend ohne den umverteilenden Sozialstaat – mit der aktuellen Lage vergleicht, hätte Erhard vielleicht noch deutlichere Worte gefunden. Die Warnungen in seinem Bestseller »Wohlstand für Alle« waren aber schon damals klar und zeitlos formuliert:
»Die wachsende Sozialisierung der Einkommensverwendung, die um sich greifende Kollektivierung der Lebensplanung, die weitgehende Entmündigung des einzelnen und die zunehmende Abhängigkeit vom Kollektiv oder vom Staat – aber damit zwangsläufig auch die Verkümmerung eines freien und funktionsfähigen Kapitalmarktes als einer wesentlichen Voraussetzung für die Expansion der Marktwirtschaft – müssen die Folgen dieses gefährlichen Weges hin zum Versorgungsstaat sein, an dessen Ende der soziale Untertan und die bevormundete Garantierung der materiellen Sicherheit durch einen allmächtigen Staat, aber in gleicher Weise auch die Lähmung des wirtschaftlichen Fortschritts in Freiheit stehen wird.«4
Dieses Unheil ist jetzt eingetroffen. Die CDU setzte in ihrem Parteitag in Leipzig 2003 und in ihrem Wahlkampf 2005 noch auf eine grundsätzliche Neuausrichtung der Sozialen Marktwirtschaft. Ein gerechteres und einfacheres Steuersystem und der Rückbau des Wohlfahrtsstaates auf ein vertretbares Maß standen auf der Agenda. Heute ist davon bei der CDU und damit der Partei, die Ludwig Erhards freiheitliche Ideen durchsetzte, sehr wenig zu spüren.
Die Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft in der Partei sind verstummt. Sozial- und Industriepolitik – im Verbund mit Frankreich und auf EU-Ebene – stehen dagegen im Fokus. Kanzlerin Angela Merkel moderiert seit 2005 Politik nur noch. Sie hält zwar weiter die Fäden in der Hand, aber ohne inhaltlich zu führen. Das ist genau das Gegenteil von Erhard. Er kämpfte für seine freiheitlich orientierte Marktwirtschaft. In der Zeit seiner größten Erfolge rief er das deutsche Volk, das aus seiner Sicht zur Hybris neigte, zum »Maßhalten« auf. Er focht gegen wettbewerbsfeindliche Kartellinteressen der Großindustrie und Gewerkschaften.
Erhard wurde in Wahlen eindrucksvoll bestätigt. Das Volk liebte den sozialen Revolutionär. Das gab ihm Rückhalt bei der Durchsetzung seiner Vorstellungen gegenüber den freiheitseinschränkenden Lobbyisten. Erhards Staat fußte nicht auf Verbändemacht, sondern auf Wettbewerb und maximaler Freiheit für die Bürger. Sie sollten selbst in der Lage sein, auch bei niedrigem Einkommen, Eigentum zu bilden. Kein wiedererstarkender Betreuungsstaat und keine organisierten Interessen sollten die Bürger neu knebeln – das waren auch seine Lehren aus dem Nationalsozialismus.
Kanzlerin Merkel kämpft spätestens seit 2005 nicht mehr um Inhalte, vor allem nicht für eine freie Marktwirtschaft Erhards. Der Zusatz »sozial« beruhte darauf, dass in einem fair ausgestalteten Wettbewerb auch Außenseiter eine Chance haben sollten. In der Erhard’schen Marktwirtschaft sind staatliche – temporäre – Hilfen für Bürger in Not die Ausnahme. Eine Regelversorgung über Generationen war nicht Erhards Sozialmodell. Er warnte vor dem entmündigenden Betreuungsstaat. Kanzlerin Merkel verfestigt ihn durch fragwürdige Kompromisse. Die CDU-Parteivorsitzende äußert allenfalls öffentlich Bedenken, um dann – oft sogar ohne Gegenleistungen – nachzugeben. Kanzlerin Merkels inhaltliche Flexibilität wird überraschenderweise hingenommen.
Die CDU wird ihrer Rolle als »Kanzlerwahlverein« wieder gerecht. Sie wurde schon zu Adenauers Amtszeiten deswegen kritisiert, unter der Merkel-Administration ist sie es zweifelsohne. Alles ist auf ihre Person zugeschnitten. Politisches Versagen prallt an der inzwischen »Unbesiegbaren« ab, dafür sind andere zuständig.
Inhaltlich bleibt Angela Merkel seit dem Wahldebakel für die CDU 2005 vage. Das süße Gift der linken Illusion mit sozialistischen Heilsversprechen hat sich in der Vorstellungswelt der Wähler verfestigt, auch wenn sie unfinanzierbar sind.
Jüngere Menschen müssen für das umlagefinanzierte Sozialsystem geradestehen. Sie werden enteignet. Sie werden unser Land verstärkt verlassen, wenn sie über Gebühr als »Demographieverlierer« Zukunftsperspektiven einbüßen.
Die Bürger erkennen die Gefahren entweder nicht, weil sie sie nicht verstehen oder die Probleme verdrängen. Warum auch immer. Jedenfalls wirkt eine liberale, freiheitliche Alternative ohne Fürsorgestaat für die Bürger unattraktiv. Die nachhaltig positiv wirkende Soziale Marktwirtschaft Erhard’scher Prägung ist viel schwerer zu vermitteln, als Umverteilung und Planwirtschaft. Eine zunehmend sozial-demokratische Union steht nicht mehr für die Soziale Marktwirtschaft im Sinne Erhards ein, Umverteilung wird den Bürgern gegenüber als »alternativlos« bezeichnet. Dann braucht man vermeintlich die Politik auch nicht mehr erklären.
Insbesondere die staatstragenden Regierungsparteien CDU und CSU scheinen den Kompass verloren zu haben. Die SPD scheint ihr Godesberger Programm (1959) völlig vergessen zu haben. Man lebt von der Hand in den Mund. Es gibt keine Grenzen des Wohlfahrtsstaates mehr. Erhard hätte die Fülle staatlicher Transferleistungen, die Bürokratie und die Überheblichkeit des Wissens vermutlich als Untertanenstaat gegeißelt. Der Wohlfahrtsstaat kommt dem Gegenmodell zur Sozialen Marktwirtschaft Erhards, dem der früheren DDR bereits beängstigend nahe. Dies gilt insbesondere für die Rundum-Sorglos-Politik im Sozialbereich; in Erhards eigenen Worten:
»Die Entwicklung zum Versorgungsstaat ist schon dann eingeleitet, wenn der staatliche Zwang über den Kreis der Schutzbedürftigen hinausgreift und wenn ihm Personen unterworfen werden, denen ein solcher Zwang und die Abhängigkeit auf Grund ihrer Stellung im Wirtschafts- und Erwerbsleben wesensfremd ist – oder zumindest wesensfremd sein sollte.«5
Heute ist dieser Versorgungsstaat verwirklicht. Staatlicher Zwang führt zur Strangulierung der Wirtschaft. Die Frage, wie der Wohlstand gesichert wird – ein Grundanliegen Erhards – wird zu wenig gestellt. Wenn überhaupt. In einem allumfassenden Sozialstaat wird der Anreiz, selbstständig Vermögen zu erwirtschaften, verringert. Eigenvorsorge wird »verlernt«. In einem vom Besitzstandsdenken geprägten »Rentnersystem« – durch die Überalterung der Gesellschaft – finden Innovationen nicht mehr ausreichend statt.
Selbst der Markt für neue Ideen funktioniert hierzulande nicht gut. Das betrifft vor allem die Finanzierungsseite. Während die angelsächsischen Staaten für neue Ideen in weitem Umfang Risikokapital bereitstellen, wodurch sie erfolgreich wachsen können, herrscht in dem Land der Aktienmuffel Flaute. Trotz der steigenden Börsenkurse sind die Deutschen nicht dabei. Aktiensparförderung Fehlanzeige!
Die ständig stärkere Besteuerung jedes Wertpapiersparens und die niedrigen Anlagenzinsen erwecken den Eindruck, als wäre Kapitalbildung und damit unter anderem auch die eigene Vorsorge für das Alter unerwünscht. Die schlechte Anlagerendite wird durch Schönreden der Situation kompensiert. Staatsanleihen sind zu meiden. Raffelhüschen rät von dem Zeichnen von Staatsanleihen klarer ab als andere Experten, für die der spätere Beitragszahler geradesteht: »Staatsanleihen gehören nicht zur Kapitaldeckung«6.
Dennoch wird den Deutschen erneut vorgegaukelt, dass Staatsanleihen sicher seien. Auch die Regulierungen folgen diesem fragwürdigen Konstrukt. Durch die Geldflutung mit der EZB-Politik ist außerdem der Preis für die Staatsanleihen in den Bilanzen verzerrend hoch und die Anlagerendite fehllenkend viel zu gering. Hier wird zu Lasten der Bürger manipuliert. Nach mehrfachen Enttäuschungen scheinen sie hierzulande nichts gelernt zu haben. »Geschichte wiederholt sich nicht, aber reimt sich«7.
Anscheinend ist dies ein besonderer deutscher Teufelskreis. Unter den entwickelten Staaten ist Deutschland finanziell der instabilste, wenn man die Geschichte der vergangenen 100 Jahre und die aktuellen Gefahren durch die Übernahme von finanziellen Risiken berücksichtigt, z. B. für die Rettung der Banken, die Forderungen an südeuropäische Staaten hätten abschreiben müssen. Das Finanzsystem in angelsächsischen Staaten ist deutlich flexibler und pragmatischer.
Die Vermögensbildung der Arbeitnehmer ist in Großbritannien und den USA weit besser und stärker aktienorientiert, während das starre inländische Altersvorsorgesystem auf Zinsversprechen von Staaten beruht, die regelmäßig nicht erfüllt werden. Allenfalls das sozialistisch ausgerichtete Frankreich ist hier mit Deutschland gut vergleichbar.
Erhards Grundsätze sind den heutigen »Narrativen« entgegenzustellen. Europa ist als Schicksals- und Friedensgemeinschaft ohne bürgerliche Freiheit und Akzeptanz ein Irrweg.
Neue, sozial gedemütigte Untertanen dürfen kein Leitbild dieser vermeintlichen »Euro-Notgemeinschaft« sein. Diese scheinbar »alternativlose« Vision eines Euro-Großeuropa hätte Erhards Politikvorstellungen nicht entsprochen. Der Wettbewerb von freien und auch kleinen Staaten ohne Zollschranken stand bei ihm im Fokus. Auch für die Euro-Rettungspolitik gilt:
Man kann nicht mehr verteilen, als erwirtschaftet wurde. Dieser Grundsatz, der für eine schwäbische Hausfrau selbstverständlich ist, lässt sich durch die schönste Rhetorik nicht aushebeln.
Über die Bürger wird weiter hinweg regiert. 1956 schrieb Erhard an Adenauer:
»Europäische Integration ohne entsprechenden Widerhall in der Öffentlichkeit verwirklichen zu wollen, ist ein Unding.«8
Gottfried Heller formulierte bereits 1997 – also wenige Jahre vor der Einführung des Euro vor diesem Hintergrund:
»Dem Nein des Volkes steht eine Führungsschicht gegenüber, die mehrheitlich den Euro will. Sie hat sich unter der Kanzlerschaft von Helmut Kohl zum Ziel gesetzt, mit Hilfe einer gemeinsamen Währung die europäischen Staaten zu einem europäischen Bundesstaat zu verschmelzen. Das ist ein höchst riskantes Unterfangen mit dem falschen Mittel zur falschen Zeit.
Die Großbanken tun sich als vehemente Verfechter der Euro-Währung hervor. Die Vermutung sei erlaubt, daß sie es tun, weil jetzt und später gute Geschäfte winken. Das gilt nicht für die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen. Diese Banken sollten also, wenn sie klug sind, nicht zu den Euro-Antreibern gehören.
Interessant ist, daß die Großindustrie und die Gewerkschaften einträchtig im selben Boot mit Macht auf den Euro zurudern. Die Euro-Lobby droht damit, daß ohne eine Währungsunion weitere Export-Jobs verloren gingen, weil dann die D-Mark noch höher steigen würde. Das ist eine unbeweisbare Behauptung. Denn die Stärke einer Währung hängt von der Produktivität und Dynamik der Wirtschaft eines Landes ab. In Deutschland – in ganz Europa – gilt es erst, den unbezahlbaren Wohlfahrtsstaat zu trimmen. Schrumpfung und nicht Expansion, Stagnation und nicht Dynamik ist für die nächsten Jahre angesagt.«9
Dem ist wenig hinzuzufügen. Mit den vergemeinschafteten niedrigen Zinsen ging dann die Konsumparty vor allem in Südeuropa erst richtig los. Die inländischen Bürger, die den Euro nicht wollten, werden für diese Party in besonderem Maße herangezogen werden (über die Umverteilungen der Geldpolitik durch Staatsanleihenkäufe, Hilfsprogramme der EU und nicht zuletzt der Bankenunion, die die Vergemeinschaftung der Risiken abrundet). Manager verdienen als »vaterlandslose Gesellen«, ohne Bezug zu den Sozialsystemen ihrer Herkunftsländer, demgegenüber erwartungsgemäß weiter gut und können sich ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung entziehen.