Luftpiraten - Im Himmel ist die Hölle los (Luftpiraten, Bd. 2) - Markus Orths - E-Book

Luftpiraten - Im Himmel ist die Hölle los (Luftpiraten, Bd. 2) E-Book

Markus Orths

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Beschreibung

Das fantastische, poetische Luft-Abenteuer ab 9 Jahre geht endlich weiter: Kinderliteratur auf höchstem Niveau vom preisgekrönten Autor Markus Orths. Mit Luftpiraten ist nicht zu spaßen: Die grauhäutigen Kerle wettern und donnern für ihr Leben gerne. Doch wehe, wenn sich ihre Wut so stark erhitzt wie bei Donna Brubu! Diese schreit sich nämlich buchstäblich die Seele aus dem Leib. Und ist so eine Luftpiratenseele einmal frei, entwickelt sie ein ganz und gar finsteres Eigenleben. Zwolle braucht die Hilfe all seiner Freunde, muss über sich selbst hinauswachsen und seine Angst überwinden, um das Unheil abzuwenden. Zurück in die einzigartige Wolkenwelt der Luftpiraten, zauberhaft zweifarbig illustriert von Lena Winkel.

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Seitenzahl: 216

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Mit Luftpiraten ist nicht zu spaßen: Die grauhäutigen Kerle wettern und donnern für ihr Leben gerne. Doch wehe, wenn sich ihre Wut so stark erhitzt wie bei Donna Brubu! Diese schreit sich nämlich buchstäblich die Seele aus dem Leib. Und ist so eine Luftpiratenseele einmal frei, entwickelt sie ein ganz und gar finsteres Eigenleben. Zwolle braucht die Hilfe all seiner Freunde, muss über sich selbst hinauswachsen und seine Angst überwinden, um das Unheil abzuwenden.

Kinderliteratur auf höchstem Niveau in einzigartiger Wolkenwelt

Inhalt

Wer sind die Luftpiraten?

Kapitel1Was in Luftloch Nummer 11 geschah

Kapitel2Der Große Potz

Kapitel3Wo Krokodile gerne lauern

Kapitel4Die 13 Stufen der Wut

Kapitel5Auf dem Weg in den Regenwald

Kapitel6Das Böse Biest beißt zu

Kapitel7Von der Traufe in den Regen

Kapitel8Und vom Regen in die Traufe

Kapitel9Ein Himmelsstürmer gegen den Rest

Kapitel10Wie man die Sonne richtig begrüßt

Kapitel11Die Legende vom Weißen Luftpiraten

Kapitel12Der Große Potz hat sich verknallt

Kapitel13Ein Albtraum in der Nacht

Kapitel14Zwolle sucht seinen Mut

Kapitel15Wenn eine Stimme geknebelt wird

Kapitel16In der Finsteren Bibliothek

Kapitel17Der Teufel in der Wand

Kapitel18Stich des Schwarzen Stachels

Kapitel19Zwolle fasst einen Entschluss

Kapitel20Aufbruch zum Regenbogen-Berg

Kapitel21Im Hinterhalt der Luftmolche

Kapitel22Das Einhorn muss getötet werden

Kapitel23Charley Gottchen sieht sich selbst

Kapitel24Ein Mut kommt selten allein

Kapitel25Der Ausgleich liegt in der Luft

In Ätheria, einer der vielen Städte hoch in der Luft, weit jenseits der Wolken, hausen die Luftpiraten. In ihren Luftlöchern. Wie in Erdlöchern. Griesgrämige Gesellen und Einzelgänger sind das. Sie haben schlechte Laune, brüllen und donnern gern, sind wütend und können Blitze aus ihrem rechten Auge schleudern, wenn sie die Augenklappe öffnen.

Unter ihnen gibt es:

Adiaba

Einziger Lehrer im Johann-Sebastian-Krach-Gymnasium. Eines Tages fand er ein Luftpiraten-Baby. Das Baby war nicht grau wie die anderen Luftpiraten, sondern ein Weißer Luftpirat. Einer, der nicht blitzen konnte. Laut Gesetzbuch hätte Adiaba das Kind ertränken müssen. Er brachte es nicht übers Herz und zog es heimlich auf. Der Frohsinn des Weißen Luftpiraten war ansteckend. Adiaba veränderte sich mit der Zeit: Er wurde immer milder.

Zwolle

Der Weiße Luftpirat. Zwolle ist so ganz anders als die übrigen Luftpiraten. Ein friedliches, sonniges Gemüt, ohne jeden Ärger oder Wut in seinem Herzen. Als Zwolles Tarnung aufflog, wurde er gefangen genommen und zum Tode verurteilt. Mithilfe seiner Freunde gelang ihm aber die Flucht.

Franka

Brüllt und blitzt für ihr Leben gern. Sie ist im Gegensatz zu Zwolle voller Zorn. Aber Gegensätze ziehen sich an. Zwolle rettete Franka, und Franka rettete Zwolle. Und beide wurden Freunde. Gemeinsam konnten sie auch Adiaba befreien.

Kaspar

Ein Luftikus. Zwolles bester Freund. Kaspar kann sich in alle möglichen Gestalten verwandeln, am liebsten in einen Drachen. Leider wird er aber nur zwei Meter groß.

Donna Brubu

Mutter von Franka. Die größte Donnerin unter der Sonne. Sie ist Inhaberin der Lufttierhandlung. Plötzlich verschwand sie, von einem Tag auf den anderen. Niemand weiß, wohin. Erst in diesem Buch hier wird ihr Geheimnis endlich gelüftet.

Charley Gottchen

Eine Stimme. Sonst nichts. Man kann eine Stimme nur hören. Nicht sehen. Sie ist unsichtbar. Aber wirklich immer? Charley Gottchen hält sich selber für Gott. Im Grunde genommen aber ist er ein lieber Kerl, der den Freunden half, einen Riesen zu besiegen.

Theo Rättich

Luftpiraten-Professor an der Universität Eboris. Dort gibt es den Elfenbeinturm und einen dunklen Gang, der tief hinab führt in die verbotene Finstere Bibliothek. Rättich ist ganz und gar der Wissenschaft und dem hellen Denken verschrieben. Im Alter ist er sehr milde geworden für einen Luftpiraten.

Bohorok

Der Elektrische Sturm. Hauste als Gefangener seit mehr als 3000 Jahren bei den Luftpiraten in Ätheria. Zwolle konnte ihn aus seiner Schwarzen Röhre befreien. Lebt jetzt in Gestalt eines Raben bei Zwolle. Hat unermessliche Kräfte. Nur vor Wasser muss er sich in Acht nehmen.

Peer Dekret

Ehemaliger Kapitän von Ätheria. Zusammen mit seinen bösen Agenten (den Spiegelglatten) und dem Kugelblitz (Zephyr) jagte er Zwolle und Adiaba. Doch den Kampf gegen Zwolle, Franka, Adiaba, Charley, Kaspar und Theo verlor er am Ende.

Neue Ordnung in Ätheria

Peer Dekret wurde als Kapitän von Ätheria entthront. Sein Nachfolger ist Adiaba. Adiaba sagte den Luftpiraten: »Ihr sollt den Unterschied lernen zwischen einem Sinnlosen Streit und einem Sinnvollen Streit. Ihr sollt lernen, dass man durchaus für eine Sache streiten kann, und zwar gemeinsam. Ihr sollt für ein Ziel miteinander kämpfen, statt für nichts und wieder nichts gegeneinander.« Adiaba möchte fortan immer zwei Luftpiraten zusammen in einem Luftloch wohnen lassen. Bei den stets mies gelaunten Einzelgängern ein gewagtes Unterfangen. Ob das klappt?

Donna Brubu war außer sich. Sie schnappte nach Luft, tobte, fluchte, wetterte und grollte. Es hagelte jede Menge Flüche.

Vor ihr schwebte ihre Tochter Franka. Eigentlich war Donna Brubu mächtig stolz auf sie: ein Musterkind! Eine blitzsaubere Luftpiratin! Ein Gröl-Gör, das alle anderen Kinder locker in den Schatten stellte! Ein Feuerwerk aus Wut und Zorn! So, wie es sich für richtige Luftpiratinnen und Luftpiraten gehört. Denn alle Luftpiraten sind stets mürrisch und wütend, sie suchen immer nur Streit. Und Franka? War ein ganz besonderes Prachtexemplar einer Luftpiratin! Genau wie Donna Brubu. Ihre Mutter.

Doch an diesem merkwürdigen Tag war alles anders.

Kurz nach Frankas Einschulung geschah das Unvorstellbare. Franka fragte ihre Mutter etwas! Franka blieb in ihrem Luftloch drei Minuten lang still. Sie brüllte nicht! Sie donnerte nicht! Sie beschwerte und beklagte sich über nichts! Sie stritt nicht mit Donna! Sie maulte nicht rum! Franka saß ganz ruhig da. Und redete im friedlichsten Tonfall zu ihrer Mutter!

Donna war sprachlos angesichts dieser katastrophal guten Laune ihrer Tochter. Was hatte Franka bloß?

»Warum sind dieses Jahr eigentlich keine Babys gekommen?«, fragte Franka.

»Was?«, dampfte Donna.

»Ich dachte, jedes Jahr kommen neue Luftpiratenkinder. Mit Luftpaketen. So wie ich und Zwolle letztes Jahr. Warum dieses Jahr nicht? Sie müssten längst da sein!«

»Poch! Ab und zu gibt’s auch mal eine Flaute. Babypause. Da kommt nix. Keine Ahnung, warum. Aber seit wann interessiert dich denn so ein unwichtiges Zeug!!!???«

Franka ließ sich nicht beirren und fragte ihre Mutter jetzt: »Mama! Was bedeutet eigentlich helfen?«

Donna riss die Augen auf bei diesem Wort.

Helfen??? Waaas??? Da stimmte was nicht!!! Donna holte sofort das Fieberthermometer. Und steckte es Franka in den Mund.

»Helfen!!??«, polterte Donna. »Franka!!! Raus mit der Sprache! Woher hast du so ein Schönwort? Helfen! So ein ekelhaft sonniges Wort! Entgegen aller Luftpiraten-Ehre! Von wem hast du das gehört? Sag die Wahrheit! Wer bringt dir solche schönen Wörter bei? Wer hat das gesagt?«

»Zwolle.«

»Zwolle!!!«

»Adiabas Sohn!«

»Adiaba! Dieser nichtsnutzige Lehrer!«

»Zwolle hat mich gefragt, ob ich ihm helfen kann! In der Schule. Heute Morgen!«

»Na warte!«, brüllte Donna. »Jetzt schlägt’s dreizehn!«

Donna nahm das Fieberthermometer heraus und schaute nach: 44 Grad. Alles okay! Solange das Feuer und Fieber der Luftpiraten nicht unter 40 Grad sinkt, ist alles im roten Bereich. Erst eine deutliche Abkühlung unter 38 Grad kann gefährlich werden für die Hitze, die in den Herzen und Seelen der Luftpiraten wohnt.

»Das gibt Arrest!«, rief Donna. »Du hast seit drei Minuten nicht mehr sinnlos rumgebrüllt, Franka! Das gibt Hausarrest! Luftlocharrest! Ich sperre dich ein! Und dieser Zwolle! Ich verbiete dir den Umgang mit so einem Weichei! Das ist nichts für dich!! Der lenkt dich nur ab vom richtigen Streiten! Helfen! Uaaah! Hat man so was schon gehört! Kein Luftpirat hilft einem anderen! Das wäre ja noch schöner! Wir schlagen uns allein durch! Alle!«

Donna Brubu schloss die Kellertür ab.

Den Schlüssel steckte sie hässlich lachend ein.

Sie öffnete die schwere Tür nach draußen.

Herein sprühte eiskalter, feiner Nebel.

»Du bleibst hier, Franka!«, rief sie. »Allein! Bis ich wieder zurück bin! Strafe muss sein! Du hast Zeit genug, dein Mütchen zu erhitzen, Franka! Vom Mütchen zum Wütchen! Vom Wütchen zur Wut! Ich will meine alte Tochter wiederhaben, verstanden? Also: Wenn ich zurückkomme, will ich schon von Weitem dein Gebrüll hören! Und wehe wenn nicht! Dann werde ich dich noch viel härter bestrafen!«

Mit diesen Worten schuffelte die erboste Mutter auf ihren Flügelfüßen aus dem Luftloch und zog die Tür knallend hinter sich zu. Die Außentüren der Luftlöcher sind allesamt so groß und wuchtig, dass kein Luftpiratenkind der Welt sie öffnen kann.

So kam es, dass Franka allein im Luftloch zurückblieb. Ohne Essen. Denn sämtliche Nahrungsmittel lagern bei den Luftpiraten im warmen Keller. Und den hatte Donna Brubu abgeschlossen, damit ihre Tochter nicht durch die unterluftigen Gänge würde entfliehen können. Und dann geschah das Unglück.

Donna kam nicht zurück.

Drei Tage lag Franka dort.

Allein. Hungrig. Verzweifelt.

Doch Zwolle und Adiaba retteten sie vor dem Hungertod. Das alles ist bekannt. Es ist die Geschichte von Zwolle, dem Weißen Luftpiraten. Sie ist schon erzählt worden.

Was aber – fragt man sich – geschah mit Donna Brubu?

Warum kehrte Frankas Mutter nicht zurück?

Weshalb ließ Donna ihre Tochter allein?

War ihr etwas Schlimmes passiert?

Und genau hier fängt sie an: die neue Geschichte.

Donna musste ihrem gewaltigen Ärger Luft machen. Das ging am besten auf den Wolken. Weit unter den Luftlöchern. Zu denen schuffelte Donna jetzt auf ihren Flügelfüßen, nachdem sie Franka im Luftloch eingeschlossen hatte. Donna hoffte, dass sie dort unten auf einen anderen Luftpiraten träfe, mit dem sie einen Streit vom Zaun brechen könnte.

»Na, du Wolken-Heinz!«, rief Donna der erstbesten Wolke zu, über der sie schwebte.

»Heiße nicht Heinz, heiße Hihihilde«, stotterte die Wolke.

»Hihihi!«, dröhnte Donna. »Hihihilde!«

»Wawawas willst du hier?«, fragte die Wolke.

»Ich warte auf einen Gegner!«, sagte Donna.

Die Wolke erbleichte: Sie wurde noch weißer. »Auf einen Lululuftpiraten?«

»Auf was denn sonst, du Mimimilchgesicht!«

»Bibibitte nicht!«, flötete die Wolke.

»Bibibibibibi!«, rief Donna. »Reiß dich zusammen!«

»Aber dadadann brüllt und blitzt ihr durch mein Kleid. Durch mein weiweiweißes Wolkenkleid, mein schönes.«

Da riss Donna ihr linkes Auge auf. Dort oben hutzelte etwas durch die wehenden Lüfte. In einiger Entfernung noch. Ja! Ha! Ein Luftpirat! Ein wirklich großer Luftpirat! Mit einem kapitalen Schlapphut auf dem Kopf! Donna rieb sich die Hände. Den würde sie sich schnappen.

»He!«, rief sie nach oben.

Der Luftpirat blieb kurz in der Luft schwebend stehen. Schaute hinab. Zur Wolke, über der Donna Brubu hin und her hutzelte.

»Was geht ab, du Blitzniete!?«, rief der Luftpirat nach unten.

»Suchst du Streit?«, schrie Donna Brubu zu ihm hoch.

»Na immer, Kleines!«

»Kleines!!!??? Na, warte, du Sack, du! Komm doch her, wenn du dich traust!!«

Donna glühte. Dampf quoll ihr aus den Ohren. Auf ihrer Stirn schimmerte Schweiß. Ihr Gesicht lief violett an. Sie ballte die Fäuste und stieß einen markerschütternden Schrei aus.

Der andere lachte. »Ist das alles?«, rief er. »Hör zu. Geh doch lieber nach Hause, Kleines. Mit Murmeln spielen. Die kannst du vielleicht erschrecken mit deinem Brüllerchen. Mich nicht!«

»Dich nicht? Wer bist du überhaupt, du Käsekrümel?«

»Ich?«, rief der Luftpirat. »Nun, mein Name ist Potz! Man nennt mich: Der Große Potz!!«

Donna musste schlucken. Der Große Potz! Alle Luftpiraten kennen seinen Namen. Eine Legende! Die Dunkelgestalt unter den Luftpiraten. Einer, der andere Luftpiraten so sehr hasst, dass er nicht mal in einer der Luftstädte wohnt. Sondern ein eigenes Luftloch besitzt, riesig, dunkel und voller Pokale vom Wett- und Wetterblitzen. Der Große Potz! Donna schnaufte lautlos.

»Da hat’s dir die Sprache verregnet, was, Kleines?«, rief der Große Potz. »Also schön. Wenn du dich entschuldigst!«

»Waaas?«

»Bei mir!«

»Wooo?«

»Dafür, dass du mich gestört hast!«

»Wiiie?«

»Dann lass ich dich gehen! Ohne dir ein Härchen zu krümmen. Du klapprige Gewitterziege! Du Blitzbäuerchen!«

Sich entschuldigen ist eine der schlimmsten Erniedrigungen für Luftpiraten: Niemals schlüpft einem Luftpiraten freiwillig ein Wort der Entschuldigung über die Lippen! Entschuldigung war ein noch größeres Schönwort als Hilfe!

Für gewöhnlich streiten sich Luftpiraten auf den Wolken, um einen Streitsieger zu ermitteln. Beim Großen Potz aber, dachte Donna Brubu, wusste man nie, was passiert und wie geladen er war. Vielleicht schleudert er einen tödlichen Blitz? Mitten in Donnas Luftpiraten-Herz?

Doch schon hörte Donna Brubu den Großen Potz rufen: »Na, was ist jetzt, Alte? Holst du dir deine Abfuhr oder nicht?«

Und in Donna wurde jeder weitere Gedanke an Gefahr verschluckt von der Finsternis, die in ihr waberte, diese dunkle Energie, diese schwarze Kraft des Zorns, die sich Luft verschaffen musste, stets und ständig. »Ich bin bereit!«, brüllte sie. »Ich bin Donna Brubu! Die mächtigste Brüllerin in ganz Ätheria! Meine Blitze zerkrümeln dich in deine Einzelteile, du Hotzen-Potz!«

»Hohoho!«, machte der Große Potz höhnisch.

Der Streit begann so, wie ein Streit unter Luftpiraten immer beginnt: mit einem Wortgefecht. Der Große Potz und Donna schwebten einander gegenüber. Jeder auf einer eigenen Wolke, und sie riefen sich die allerschönsten Sachen zu, die Luftpiraten sich vorstellen können. Und das heißt in ihrer Welt: die allerschlimmsten Beleidigungen.

»Du Lämmchen!«

»Du Sonnenhase!«

»Du Friedenstaube!«

»Du Engelherz!«

»Du Goldlöckchen!«

»Du hast so schöne Augen!«

»Du hast so ein sonniges Gemüt!«

»Du bist so herzallerliebst und reizend!«

»Herzallerliebst?«, schrie Donna. »Waaas? Na, warte! Du … du … du bist das Allernetteste, was ich je gesehen habe!«

»Das Allernetteste!!?? Das wäre ja noch schöner! Nein! Du bist so funkelnd hell und hübsch und zart glänzend wie eine lichte Sternschnuppe, wie ein süßes Regenbogen-Einhorn!«

Regenbogen-Einhorn!? Na, warte! Donna kochte vor Wut. Nur gingen ihr langsam die Schönwörter aus.

»Du Wonneproppen!«

»Du Himmelslicht!«

»Du bist so weich und weiß wie die Milchstraße!«

»Du … du … du Wolke!!«, rief Potz.

Donna verstummte. Darauf wusste sie nichts zu sagen. Als Wolke hatte sie noch nie jemand beschimpft. Das war die Höhe! Das war der Gipfel der Beleidigungen. Doch ihr Verstummen war nur der Anlauf zu einer neuen Phase des Luftpiraten-Kampfes.

Denn jetzt wurden keine Worte mehr gewechselt, jetzt wurde nur noch gebrüllt und gedonnert, aus allen Rohren. Jetzt ging es nicht mehr um das, was man brüllte, sondern nur noch um die nackte Lautstärke. Donna machte den Anfang und brüllte etwa halb so laut, wie sie konnte, denn man musste sich von Brüller zu Brüller steigern. So lange, bis einer der beiden den anderen ganz überbrüllt hatte.

Der Wolke namens Hilde graute vor diesem Augenblick. Jede Wolke kann durch die heiße Luft aus den Lungenflügeln der Luftpiraten in Stücke gerissen werden. Und beim Blitzen wird das Wolkenkleid durchlöchert. Die Wolke Hilde zitterte vor Angst. Sie lief – vor Grauen – grau an, ballte sich zusammen, so fest wie möglich. So eine Wolke ist luftig und leicht, zart und zerbrechlich: Sie wollte auf keinen Fall verweht werden. Verweht werden, das tat weh, wie der Name schon sagte. Angstschweiß und Tränen der Wolke sammelten sich zu einer gigantischen Pfütze am Bauch, und schon brach es aus ihr heraus. Sie konnte nichts dagegen tun, das Wasser floss in Strömen zur Erde: Es regnete.

Das Donnern der Luftpiraten wurde lauter. Das wortlose Brüllen und Anschreien. Wie die Geweihe von kämpfenden Hirschen krachten die Brüller der Luftpiraten gegeneinander. Immer und immer wieder. Sie röhrten, johlten, dröhnten und orgelten. Das rumste, rumpelte, rumorte und rollte. Das polterte, knatterte, lärmte und brauste. Das krachte, posaunte, toste und knallte. Das schepperte, klapperte, prasselte und klatschte. Die beiden blähten ihre mächtigen Knollenbrüste und kallabasterten aus Leibeskräften, ohrenbetäubend, lungenerschütternd, ohne Pause, ein Gebrüll jagte das andere, und die übrigen Luftpiraten weit über ihren Köpfen wussten jetzt: Ach so, heute ist wieder Donnerstag.

Donna Brubu hatte viel Erfahrung mit solchen Kämpfen auf den Wolken: Sie hatte bislang jedes Gefecht gewonnen. Meistens schon mit ihren gigantischen Brüllern, spätestens jedoch mit ein paar Blitzen. Jetzt aber geschah etwas, das Donna innehalten ließ. Da stimmte etwas nicht mit ihrem linken Auge. Nur mit dem linken Auge können Luftpiraten sehen. Das rechte Auge ist fürs Blitzen da. Und ist schon bei der Geburt von einer Augenklappe bedeckt. Jetzt hatte Donna mit einem Mal das Gefühl, ihr linkes Seh-Auge fülle sich mit einer dunklen Flüssigkeit. Von unten nach oben stieg und brodelte da etwas hoch und trübte den Blick. Wie Tinte in einem winzigen Glas stieg die Flüssigkeit höher. So etwas hatte Donna noch nie erlebt. Sie vergaß sogar für einige Sekunden ihren Gegner Potz. Ein erster, entrüsteter Blitz zischte knapp an Donna vorbei.

Das schwarze Augenwasser stieg höher und höher, es war, als liefe ihr Auge voll, als schöben sich dunkle Tränen in den Blick.

»Moment!«, rief Donna und hob die rechte Hand, um den Streit zu unterbrechen. »Augenblick!«

Aber es gab jetzt keinen Augenblick mehr. Kein Blick kam ihr mehr aus dem Auge. Ihre Sicht war erloschen. Kalt und schwarz schimmerte es. Donna konnte nichts mehr sehen! War sie erblindet?

Sie schüttelte sich. Rieb sich durchs Auge. Nichts. Es wurde nicht besser. Sie erschrak zu Tode! Blind??? Nein!!! Sie wollte sehen!!! Unbedingt! Jetzt! Aber es ging nicht mehr.

Panisch schob Donna die Augenklappe hoch auf die Stirn. Wenigstens einen Blitz werfen! Aber auch das gelang ihr nicht. Es kam kein einziges Fünkchen! Stattdessen schimmerte auch Donnas rechtes Auge dunkel, wie von einem Vorhang bedeckt. Nicht mehr sehen mit dem linken Auge! Nicht mehr blitzen mit dem rechten Auge! Sie war verloren!

In ihrer Verzweiflung jagte Donna mit all ihrer Kraft einen Brüller aus der Kehle. Einen gigantischen Schrei, einen Schrei, der noch über tausend Kilometer entfernt zu hören war, einen Schrei, wie ihn noch nie jemand gebrüllt hatte in ganz Firmament.

Alles in Donna schrie zum Himmel!

Es musste einfach aus ihr raus.

Und dann geschah etwas überaus Seltsames: Am Ende dieses fürchterlichen Schreis ruckte und kratzte noch etwas anderes ihre Kehle hoch, über ihre Zunge und durch die Lippen nach draußen, an die Luft. Etwas Kleines, aber sehr Lebendiges. Es flatterte vor Donnas Lippen in der Luft und knurrte kurz. Donna konnte das Wesen nicht sehen, das aus ihrem Innersten geschlüpft war. Sie hörte nur das düstere, unheimliche Knurren. Und spürte den Luftzug des Flügelschlags in ihrem Gesicht.

Blind griff sie nach dem, was sie da ausgespuckt hatte. Sie erhaschte etwas, das sich rau und feucht und spitz anfühlte, doch dann spürte sie einen Stich, einen kurzen, heftigen Schmerz im Unterarm. Das Wesen hatte sie gestochen, vor Schreck ließ sie es los, und das Wesen flutschte ihr aus der Hand, entwischte und flatterte davon: Donna Brubu hörte noch ein heiseres, schauriges, feurig-böses Lachen, und dann war es still um sie her und das Wesen anscheinend verschwunden.

Der Große Potz hatte alles mit angesehen. Er schwebte über der Wolke wie vom Donner gerührt. Vom mächtigsten Donner, der ihm jemals zu Ohren gekommen war. Diese wahnsinnige Luftpiratin!, dachte er. Was für ein Brüll-Halleluja! Irre, was die wilde Hexe draufhatte! Potz war mehr als beeindruckt. Er war begeistert. Was für eine Schreikraft! Der Große Potz musste anerkennen: Das war lauter, viel lauter, als er selbst je kawummt hatte! Aber der Große Potz war nicht empört. Nein. Er lächelte. Rührte sich nicht. Schaute auf Donna. Strahlte. Was für eine Erscheinung! Violett! Wild! Laut! Fantastisch!

Da sah der Große Potz etwas Merkwürdiges. Mit dem letzten Hauch dieses gigantischen Schreis rutschte Donna Brubu etwas aus den Lippen. Seltsam, dachte Potz. Was ist das? Klein wie eine Kröte, aber tiefschwarz. Es hatte große, sternförmige, glühende, böse Augen, aus denen es finstere Blicke warf, es knurrte und flatterte mit vier dreckigen Flügeln, die eher wie Stummel aussahen. Das Wesen besaß einen Schwanz mit scharfer Spitze. Jetzt schnappte Donna Brubu nach dem Wesen, doch das kleine schwarze Biest peitschte mit dem Schwanz durch die Luft und stach Donna in den Arm. Sie ließ das Wesen fahren, es flog in mörderischem Tempo davon, schon war es durch die Wolke abgetaucht. Der Große Potz hörte noch ein böses, hässliches, lachendes Wiehern. Dann war es still.

Momentchen!, dachte der Große Potz plötzlich, und sein Blick trübte sich wieder, seine Augenbrauen wandelten sich in giftige Wutwürmer. Was war hier los!? Nein! Nein! Er war doch hier die Nummer eins unter den Piraten!! Er musste doch Donna Brubu besiegen. Sonst wäre es aus mit seiner Karriere als größter Blitzer und Brüller aller Zeiten! Aufhören musste diese plumpe, dumme Bewunderung für Donnas gigantischen Brüller! Sofort aufhören! Der Große Potz – wütend über sich selbst – riss mit einem Ruck seine Augenklappe hoch und schleuderte einen seiner berühmten Potz-Blitze mit aller Wucht und Härte auf seine Gegnerin.

Donna wurde schwer getroffen. Der Blitz durchbohrte ihre Schulter. Sie schrie auf. Ihr Körper wurde herumgerissen. Sie kippte nach hinten. Und fiel. Durch die Wolke hindurch. Nach unten. Ihre Flügelfüßchen konnten sie nicht mehr halten.

Schon spürte Donna einen Sog. Etwas zerrte an ihr, zog sie in eine bestimmte Richtung. Sie taumelte in einen Tunnel. Sie wusste, das war eine Luftsäule, von innen hohl. Durch so eine Luftsäule wurde man in eine der vielen Strömungen gesaugt, die am Himmel herrschen. Luftströmungen. Und ein paar Sekunden später endete der Tunnel, Donna wurde gepackt von einem mächtigen Wind, tatsächlich, eine Luftströmung, die sie mit sich riss. Sie lag im Windzug und musste sich der rasanten Strömung überlassen, die sie immer weiter durch die Lüfte schoss, auf der vorgegebenen Bahn. Donna Brubu konnte nichts dagegen tun.

In der Strömung liegend betastete sie ihre Wunde: Der Große Potz hatte die linke Schulter glatt durchschossen. Heißes Luftblut blubberte heraus. Schnell riss Donna einen Fetzen vom Umhang und verband die Wunde, so gut es ging. Sie betastete auch den Stich oder Biss im Unterarm. Ein kleines Loch nur. Kein Blut. Zuletzt holte Donna ihr Notfall-Fläschchen mit Hagelsaft aus der Tasche. Das haben Luftpiraten immer dabei. Im Gegensatz zum gewöhnlichen Hagelsaft, den man wie Limonade trinken kann, ist das Notfall-Getränk ein Hagel-Vollkorn-Saft, ein regelrechtes Rettungswasser, ein Gebräu, das wahre Wunder wirkt. Um diesen Saft herzustellen, muss man frische Hagelkörner (unbedingt Hagel-Voll-Körner!) über einer Blitzflamme kochen und eine Handvoll Liebstöckel hinzufügen, deren Geschmack Luftpiraten hassen. Der Hagelsaft würde Donna benebeln und umnachten und in eine lange Ohnmacht schicken. Und während sie tage- oder gar wochenlang schlief, würde die Wunde langsam wieder heilen und zuwachsen.

Donna kippte das ganze Fläschchen auf einen Ruck. Dabei hielt sie sich die Nase zu. Liebstöckel schmeckte für gewöhnlich zum Kotzen. Doch merkwürdig: Als sie die Finger von der Nase nahm, klang der Nachgeschmack des Liebstöckel glockenklar und wohlriechend in ihrer Kehle. Sofort fühlte sie sich besser. Aber zugleich unendlich müde. Langsam schwanden ihre Sinne. Das linke Auge klappte zu: Mit ihm konnte sie ohnehin nicht mehr sehen. Das rechte Auge klappte zu: Mit ihm konnte sie ohnehin nicht mehr blitzen. Da spürte Donna Brubu plötzlich so etwas Ähnliches wie ein Licht in sich selbst. Etwas, das sie nicht kannte. Warm und glänzend wie ein Sonnenstrahl, der durch dunkelgraue Wolken blinzelt.

Franka!, dachte Donna Brubu. Sie ist allein! Im Luftloch! Eingeschlossen! Sie ist verloren! Sie wird sterben! Ohne mich! Sie hat keine Nahrung. Meine Tochter. Sie muss leben! Sie ist einmalig. Ich lie… lie… liebe sie! Und Donna erschrak. Über diesen Gedanken. Über dieses Gefühl. Dieses Fremdgefühl.

Liebe?

Da spürte sie Tränen, die sich aus den geschlossenen Augen quetschten: fette schwarze Kullertränen. Und mit jeder schwarzen Träne, die Donna aus sich herausweinte, konnte sie wieder besser sehen. Sie atmete auf. Also war sie nicht erblindet! Zum Glück! Nein! Ihr Blick war nur getrübt worden, kurzzeitig verschleiert: von diesen seltsamen schwarzen Tränen. Erleichtert darüber und unendlich erschöpft glitt Donna in einen langen, tiefen Schlaf.

Als Donna zu sich kam, wurde sie immer noch durch die Lüfte geweht. Sie fühlte sich schwach. Höllische Schmerzen klopften in ihrer Schulter. Donna öffnete langsam die Augenlider und blinzelte vorsichtig: Ja! Sie konnte wieder sehen! Mehr noch: Die Augenklappe ihres Blitzauges trug Donna immer noch auf der Stirn, und sie sah jetzt mit beiden Augen. Sowohl mit ihrem linken Seh-Auge als auch mit ihrem rechten Blitz-Auge! Wenn auch die Sicht ein klein wenig getrübt war.

Und ihre Schulter? Donna wickelte den Verband ab. Der lange Heilschlaf hatte Wirkung gezeigt. Die Schulterwunde war beinah komplett zugewachsen. Das Loch im Arm vom Stich des kleinen Wesens war immer noch da. Ein schwarzer Rand lag um das Loch. Aber es schmerzte nicht. Donna zuckte mit den Schultern.

Sie dachte an Franka. Ihre Tochter. Gefangen im Luftloch. Wie lange schon? Seit einer Woche? Drei Wochen? Vier Wochen? Donna hatte keine Ahnung, wie viel Zeit verstrichen war. So viel eben, wie die Wunde gebraucht hatte, um zu heilen. Luftpiraten können, wenn sie den Hagel-Vollkorn-Saft trinken, bis zu einem Monat in der Wundstarre verbringen. Ohne Nahrung und Wasser. So wie Bären im Winterschlaf.

Ob Franka noch lebte? Eins war klar: Donna musste so schnell wie möglich zu ihr, nach Ätheria. Nur: Allein und aus eigener Kraft hier rauszukommen, aus diesem heftigen Wind, würde nicht einfach werden. Sie musste zunächst etwas essen. Trinken. Sich stärken.

Die Luftströmung riss sie immer noch mit sich fort, mit einer Geschwindigkeit von etwa einhundert Stundenkilometern, so schätzte Donna. Hier oben waren die Winde oft furchtbar schnell, viel schneller als auf der Erde. Diese schnellen Winde nannte man auch Himmelsbesen. Der Wind, von dessen Strömung Donna getragen wurde, blies eine Zeit lang geradewegs nach oben, dann gab es plötzlich einen heftigen Richtungswechsel: Er machte eine Kehrtwende um 180 Grad und blies wieder nach unten. Nach einiger Zeit folgte eine zweite Wende: Es ging wieder nach oben. Ein endloser Kreislauf. Mit zwei Richtungswechseln. Auf diese Weise entfernte sich Donna nicht sonderlich weit von Ätheria.

Am Ufer der Strömung standen immer wieder einige Bäume mit Himmelbeeren. Donna ruderte vorsichtig an den Rand der Strömung und schaffte es tatsächlich, im Vorbeirauschen Zweige abzureißen. Die Zweige waren triefnass von Kondenswasser, das Donna sofort abschleckte. Es tat sehr gut. Die Beeren schmeckten köstlich süß, erfrischend. Donna aß auch die Zweige und Blätter. Und mit jedem Bissen schöpfte sie mehr Kraft.