Macabros 030: Apokalypta - Dan Shocker - E-Book

Macabros 030: Apokalypta E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Arson - Gefangen im Nichts In der Tempelhalle des Ursenkönigs Sequus stehen Björn Hellmark und Rani Mahay ihrem ärgsten Gegner gegenüber - Molochos, dem Fürsten der Dämonen. Erst im letzten Augenblick erkennen die Freunde, dass es nicht der echte Schwarze Priester der Dämonengöttin Rha Ta N my ist. Der kleine Whiss, das Wesen aus der Mikrowelt, hat irrtümlicherweise, die Gedanken von Björn und Rani fehlgedeutet und Wirklichkeit werden lassen. So müssen die Freunde feststellen, dass sie auch gar nicht im Thronsaal des Ursenkönigs stehen. Doch kurz darauf laufen sie Sequus in eine Falle. Der König der Fischmenschen und einer der sieben Hauptdämonen bereitet nicht nur den Sturm auf die Menschheit vor, er will auch endlich seine Todfeinde endgültig vernichten. Er weiß allerdings, dass er an Carminia Brado und Pepe nicht so einfach herankommt. Beide befinden sich nämlich in den Gärten des Hestus, der letzten weißmagischen Bastion Kh or Shans, in welche kein dämonisches Wesen eindringen kann. Apokalyptas erste Version In den Wirren des Kampfes mit dem Ursenkönig Sequus werden unbemerkt von Björn und seinen Freunden die restlichen vier Siegel der Apokalypta erbrochen. Damit sind die sieben schwarzen Reiter der Unheilsbringerin und die Dämonin selbst wieder frei und bereit ein Inferno zu entfesseln. Eine Truppe von Soldaten und Wissenschaftlern, welche die Burg auf dem neuentstandenen Teil Xantilons erkunden wollen, werden die ersten Opfer der Dämonen.

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DAN SHOCKERS MACABROS

BAND 30

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Titelbildgestaltung: Mark Freier

Fachberatung: Gottfried Marbler

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-95719-730-6

Dan Shockers Macabros Band 30

APOKALYPTA

Mystery-Thriller

Arson – Gefangen im Nichts

von

Dan Shocker

Prolog

Am späten Nachmittag des 24. Mai geschah auf einer Baustelle mitten in der schwedischen Hauptstadt Stockholm etwas Grauenvolles. Die Polizei, die sich mit dem unheimlichen Vorfall befasste, stand vor einem der größten Rätsel des Jahrhunderts.

Das Opfer war Arnd Olin, ein siebenunddreißigjähriger, verheirateter Bauarbeiter, der eine Tochter hatte. So war es später in allen Zeitungsberichten zu lesen.

Olin trug einen Schutzhelm. Doch der nützte ihm nichts mehr, als das Unglück passierte.

An einem Kran wurde ein mehrere Tonnen schweres Bauteil langsam in die Höhe gehievt.

Die riesige Betonplatte, fünf Meter lang und drei Meter hoch, hing an gewaltigen, eisernen Seilen, und alles schien, wie immer, in Ordnung zu sein.

Das Hochhaus, für das dieses Bauteil gebraucht wurde, war bis zum dreizehnten Stockwerk gediehen.

Ob das ein böses Omen darstellte?

Mehr als fünfzig Personen wurden Zeuge des furchtbaren Geschehens.

Zwei Haken waren nicht richtig verankert und lösten sich. Die tonnenschwere Betonplatte kippte seitlich weg und riss mit ihrem ungeheuren Gewicht eine der Ketten durch.

Ein heller, trockener Knall erfüllte die Luft.

Arnd Olin riss den Kopf empor und starrte mit schreckgeweiteten Augen auf die riesige Wand, die sich gelöst hatte und rasend schnell vom Himmel fiel. Der Bauarbeiter begann zu rennen. Doch das Objekt war schneller. Arnd Olin konnte gerade noch fünf Schritte machen, dann krachte die tonnenschwere Platte mit Donnergetöse zu Boden. Im Umkreis von mehreren hundert Metern vibrierte die Erde, lief ein Zittern durch Hauswände und zersprangen Glasscheiben. In das Krachen und Bersten mischten sich die Schreie der Passanten, die diesen furchtbaren Unfall sahen.

Frauen schlugen die Hände vors Gesicht und wandten sich ab. Eine ältere Dame wurde ohnmächtig und fiel um. Dichter Staub wurde von der Betonplatte aufgewirbelt, drang in Augen, Mund und Nase der Umstehenden und ließ ihre Augen tränen.

Noch Sekunden nach diesem Ereignis standen Arnd Olins Kollegen wie vom Schlag gerührt auf ihren Plätzen, und jegliches Leben schien aus ihren Körpern gewichen.

Fassungslos starrten die Menschen auf die riesige Betonwand, die nahtlos mit dem großen, freien Platz vor dem Hochhaus den Boden abdeckte. Zwischen Erde und Betonwand lag Arnd Olin. Doch das konnte man nicht mehr sehen, nur noch ahnen.

Das Grauen schnürte den Menschen in der unmittelbaren Nähe die Kehle zu, als sie daran dachten, dass das, was von Olin noch übrig sein konnte, jetzt so platt war wie eine Flunder.

Als sie sich aus der Erstarrung lösten, hörte man in der Ferne das Heulen der Polizeisirene.

Irgendjemand hatte das Revier angerufen und mit schluchzender Stimme von dem grauenhaften Vorfall berichtet.

Innerhalb der nächsten Minuten ging alles seinen gewohnten Gang.

Mehrere Polizeifahrzeuge trafen ein, und die Beamten sperrten zuerst den Zugang zum Bauplatz ab, um Neugierige fernzuhalten. Dann kamen auch schon der Krankenwagen und die Rettungsmannschaften an den Unfallort. Sanitäter und Notärzte wurden zunächst eingesetzt, um die Passanten zu versorgen, die ohnmächtig geworden waren oder unter Schock standen.

Für Arnd Olin kam jede Hilfe zu spät.

Die Polizeibeamten bildeten eine dichte Absperrkette um den Unfallort. Unmittelbar nach dem Eintreffen der Polizei tauchten auch der Staatsanwalt und zwei Sonderbeauftragte auf, die den Unfall untersuchen sollten.

Lag technisches oder menschliches Versagen vor? Das auf Anhieb zu klären, war unmöglich.

Es vergingen insgesamt drei Stunden, ehe die Untersuchungen am Kran abgeschlossen waren und der Kranführer den Auftrag erhielt, die Betonplatte wieder in die Höhe zu ziehen. Ersatzketten waren inzwischen herbeigeschafft worden und wurden unter größter Aufmerksamkeit befestigt.

Alle Schlingen und Haken, an denen der Betonkoloss befestigt wurde, waren einwandfrei.

Dann wurde die Platte langsam angehoben.

In respektvollem Abstand beobachteten die Menschen das langsame und sichere Emporschweben der grauen Wand, die bei dem Sturz nicht mal beschädigt worden war. Es zeigten sich keine Risse und Spalten, keinerlei Bruchstellen. Dennoch wurde diese Betonplatte nicht zum Weiterbau benutzt, sondern auf die Seite gehievt, auf eine Pritsche. Hier sollte sie später noch mal untersucht werden.

Jetzt kam es darauf an, die sterblichen Überreste des Toten zu bergen und den Polizeifotografen seine Arbeit verrichten zu lassen.

Der grausige Unfall zog notgedrungen rechtliche und versicherungstechnische Probleme nach sich, denen sich niemand entziehen konnte. Um auch hier Klarheit zu schaffen, wurden Bilder benötigt, die ebenso wichtig für die Aufklärung durch die Polizei waren.

Als sich die Platte langsam vom Untergrund hob, wurden die Blicke einiger Beobachter, die notgedrungen den Anblick ertragen mussten, unstet.

Es schien, als wollten sie der Gewissheit dessen, was sie hier zu sehen bekamen, ausweichen.

Auch Kommissar Elnar Bergstroem, einer der beiden Sonderbeauftragten, die zur Untersuchung des Falles eingesetzt waren, schluckte trocken und bemühte sich, seinen Blick auf die Stelle zu richten, wo der tote Arnd Olin liegen musste.

Durch das Anheben der riesigen Betonplatte wurden abermals Staubwolken aufgewirbelt, die die Sicht der Beobachter behinderten. Doch diese Wolken waren nicht so dick, dass sie alles verbargen, was sich auf dem Boden befand. Elnar Bergstroem war nicht der einzige, der sich zu wundern begann. Seine Blicke suchten Zentimeter für Zentimeter den Boden ab, der eben noch von der Betonplatte verdeckt gewesen war.

Was er zu sehen erwartete, gab es nicht.

Kein Tropfen Blut bedeckte den Boden, und keine zerquetschte Leiche lag dort.

Von Arnd Olin fand man nicht die geringste Spur!

Leblos?

1. Kapitel

Tausende von Meilen entfernt, hinter den Schleiern einer anderen Dimension, stand ein Mensch starr vor Schrecken.

Björn Hellmark glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er die dunkle Gestalt erfasste, die am Ende einer höhlenartigen Behausung wie ein Pilz vor ihm gewachsen war.

Es konnte und durfte nicht wahr sein. Dort vor ihm stand Molochos, der Fürst der Dämonen, der Herr über eine Armee unheilbringender Schergen, welche die Welt der Menschen erobern und besitzen wollten.

Schon vor unendlich langer Zeit hatten die finsteren Mächte, die auf einer unbekannten Welt in der Tiefe des Kosmos ins Leben gerufen wurden, ihren Machtanspruch in allen Bereichen des Universums deutlich gemacht.

Auf der untergegangenen Insel Xantilon, die vor rund zwanzigtausend Jahren auf dem höchsten Punkt ihrer Blüte durch dämonische Machenschaften in mehrere Teile zerbrochen war, hatte sich der einst Weiße Priester Molochos für die Dämonengöttin Rha-Ta-N'my entschieden. Dies besiegelte Xantilons Schicksal. Molochos hatte eine Schlacht gewonnen, aber keinen Krieg! Über die Jahrtausende hinweg drängte es ihn, die verpasste Chance wieder zu erlangen.

Björn Hellmark konnte den Blick nicht von der schwarzen Gestalt in der düsteren Höhle wenden. Die Hände des blonden Mannes ballten sich zu Fäusten. Wenn es zu einem Angriff durch Molochos kam, dann konnte er sich nur mit bloßer Hand zur Wehr setzen. Das Schwert des Toten Gottes, die wirkungsvollste Waffe gegen Dämonen, hätte sich normalerweise in der Nähe jenes Thrones befinden müssen, der im Dasein des Sequus, des Königs der Ursen, eine besondere Rolle spielte.

Dieser Thron stand zwei Schritte schräg hinter Björn und wies insgesamt sieben Stufen auf. In jede Stufe war eine Mulde eingelassen, in der sich bis vor kurzem noch siegelförmige Objekte befanden, die bedeutsam für das Dasein der sieben Schwarzen Reiter waren, von denen Björn Hellmark bereits zwei getroffen hatte. Die sieben Schwarzen Todesboten gehörten zu Apokalyptas Heer. Aber all diese Dinge waren nun für ihn in den Hintergrund getreten.

Als er mit seinem Freund Rani Mahay durch die verlassenen Hallen der Monstertürme lief und schließlich diesen Stollen fand, der in einen gewaltigen Felsen unter Wasser mündete, hatte er die Hoffnung gehabt, heimlich in das Reich des Ursenkönigs einzudringen, um dort zu tun, was getan werden musste.

Doch die Dinge entwickelten sich nach unüberschaubaren, eigenen Gesetzen.

Die ersten und letzten Worte des Schwarzummantelten verhallten in Björns Hellmarks Ohren.

»Die Stunde der Abrechnung ist gekommen, Hellmark! Darauf hast du doch gewartet!«

Er glaubte, diese vor Hohn triefende, eiskalte Stimme wie ein Echo immer wieder in sich nachhallen zu hören.

Die Stunde der Abrechnung?

Björn hatte die Begegnung mit Molochos erhofft, aber als gleichberechtigter Gegner.

Die schwarze Gestalt kam einen Schritt auf ihn zu. Björn Hellmark erblickte im Zwielicht ein scharfgeschnittenes, bösartig wirkendes Gesicht, in dem große, kalte Augen wie Eiskristalle glitzerten. Der spitze Ansatz des schwarzen Haares, das weit in die Stirn reichte, verlieh seinem Gegenüber ein satanähnliches Aussehen.

Unwillkürlich achtete Björn darauf, ob sich auf dem Kopf links und rechts nicht vielleicht die Ansätze zweier Hörner zeigten.

Molochos hatte sich im Lauf der Jahrtausende, die für ihn wie ein Tag waren, verändert. Er war dem Sinnbild des Bösen, das durch Rha-Ta-N'my in die Welt gekommen war, ähnlich geworden.

Die rechte Hand des Schwarzen Priesters fuhr in die Höhe. Björn Hellmark wartete nicht erst darauf, bis sich Molochos' Angriff vollkommen entwickelte. Björn warf sich nach vorn. Wie ein Pfeil stieß er sich ab und fiel seinem Gegner in die Hand, die einen Gegenstand hielt, den er nicht recht erkennen konnte.

Björn riss mit einem einzigen Ruck die Rechte seines Gegners empor und stieß gleichzeitig seine linke Hand, zur Faust geballt, mit voller Wucht gegen das Kinn der schwarzen Gestalt.

Noch während er das Armgelenk umfasste und die andere Hand gegen die Kinnspitze jenes Mannes krachte, der sein Todfeind war, merkte er, wie sich die Luft um ihn veränderte.

Das Zwielicht wurde düsterer, die Gestalt, auf die er flog, gab nach wie Gummi und schien den Boden unter den Füßen zu verlieren. Durch die Wucht des eigenen Angriffs wurde Björn Hellmark wie von einem Sog nach vorn gerissen und konnte seinen Fall nicht mehr bremsen.

Er stürzte auf die Gestalt, die plötzlich nicht mehr so düster und unheimlich wirkte.

»Hey, hey!«, hörte er eine vertraute Stimme heftig protestieren. »Was ist denn in dich gefahren, verdammt noch mal? Hast du den Verstand verloren?«

Das war Rani Mahays Organ!

Im Fallen riss die Gestalt unter ihm plötzlich beide Beine an und stemmte sie Björn Hellmark in die Magengrube. Pfeifend entwich Björn unter der Wucht des Angriffs die Luft aus den Lungen.

Wieso vernahm er die Stimme des Freundes?

Der Kopf seines Gegners flog zurück, als die Faust die Kinnspitze traf.

Aber Björn Hellmark konnte seinen Angriff nicht so kraftvoll durchführen, wie er ihn ursprünglich angesetzt hatte. Die Gegenreaktion erfolgte mit solcher Gewalt, dass er selbst über die Kraft, die ihm entgegengebracht wurde, überrascht war.

Der Tritt in die Magengrube ließ ihn über seinen Gegner hinwegwirbeln. Björn krachte schwer auf den Boden, wo er sekundenlang wie benommen liegen blieb. Aus verschleierten Augen nahm er eine Bewegung am Boden wahr. Der andere hatte auch etwas abbekommen, und es fiel ihm offensichtlich schwer, seiner Gegenreaktion noch eine weitere Abwehrreaktion folgen zu lassen.

Björn stöhnte leise. Er hatte das Gefühl, als ob sein ganzer Leib wund sei.

Mit jedem Atemzug schmerzte sein Zwerchfell.

Doch er konnte hier nicht liegen bleiben. Molochos konnte jeden Augenblick wieder aktiv werden ...

Björn hob den Kopf und versuchte sich langsam aufzurichten. Es fiel ihm entsetzlich schwer, den Oberkörper in die Höhe zu bringen. Hellmark starrte auf den Mann, der sich in dieser Sekunde ebenfalls aufrichtete und dem es nicht minder schwer fiel, eine gewisse Benommenheit abzuschütteln.

Durch die Nebelschleier vor seinen Augen sah er den kahlen Schädel und das vertraute Gesicht, allerdings verzerrt wie aus falscher Perspektive, seines Freundes Rani Mahay.

»Da wird der Hund in der Pfanne verrückt«, entfuhr es Björn tonlos. »Ich glaube, ich sehe nicht recht ...«

Das war gar nicht Molochos, der ihm an den Kragen wollte! Aber er hatte doch ganz deutlich gesehen ...

Die Tricks der Dämonen! Sie waren imstande, ihre Gestalt zu verändern oder Einflüsse und Halluzinationen zu schicken, die man nicht auf Anhieb durchschaute.

Oder war auch das schon wieder ein Irrtum?

Konnte es nicht ebenso sein, dass Molochos durch den plötzlichen Angriff so überrascht war, dass er nun das falsche Spiel so führte, dass Björn Hellmark der Meinung sein musste, es nicht mit einem Feind, sondern mit seinem Freund zu tun zu haben?

Rani Mahay knurrte wie ein Hund und kam langsam in die Höhe. Auch Björn konnte sich aufrappeln.

»Du bist der letzte Mensch.« Rani schüttelte den Kopf. »Ich stehe da nichtsahnend hinter dir, und plötzlich fällst du mich an.«

Björn presste fest die Augen zusammen, öffnete sie wieder und versuchte, der Nebelschleier Herr zu werden, die sein Blickfeld einzugrenzen drohten. Es gelang ihm schließlich auch, wieder klarer zu sehen, und die Kraft kehrte in seine Glieder zurück. Langsam wichen die Schmerzen.

»Tut mir leid, Rani«, erwiderte er leise und musterte den Freund von Kopf bis Fuß, wie um sich zu vergewissern, dass es wirklich der Inder war, der da vor ihm stand. »Ich hab geglaubt, Molochos stünde vor mir.«

Rani stieß hörbar die Luft aus. »Da hast du das gleiche gesehen wie ich. Auch mir war es, als würde mich der Dämonenfürst plötzlich angreifen. Da habe ich reagiert!«

Björn Hellmark schüttelte den Kopf. »Ich musste reagieren. Ich habe ganz deutlich gesehen, wie Molochos die rechte Hand hob.«

Sie waren beide demselben magischen Zauber zum Opfer gefallen.

Wie und durch wen war er ausgelöst worden?

Es war eine von vielen Fragen, die sich ihnen stellte. Nicht minder drängend war eine andere. Hatte man sie beobachtet, als sie hier eindrangen, und wusste nun genau, dass sie sich hier befanden? War der Vorgang einmalig gewesen, oder würde er sich wieder ereignen, sobald sie jene Stelle betraten, die offensichtlich einem bestimmten magischen Einfluss unterstand?

Björn machte die Probe aufs Exempel. »Warte hier auf mich, Rani«, sagte er und bat den Freund, weitere zwei Schritte zurückzugehen.

»Was hast du vor?«

»Ich will ausprobieren, ob sich das Theater noch mal ereignet. Für den Fall, dass ich dir wieder wie Molochos vorkommen sollte, halte an dich und springe mich nicht an! Noch mal möchte ich deine spitzen Knie in der Magengrube nicht erleben. So angenehm ist das nämlich nicht.«

Björn machte auf dem Absatz kehrt und ging den Weg zurück. Es waren nur drei Schritte bis zu der Stelle, wo er vorhin Molochos wahrgenommen hatte. Ganz langsam setzte er einen Fuß vor den anderen, als er jenen Punkt erreichte, von dem er glaubte, dass er eine gewisse unsichtbare Grenze darstellte.

Nichts geschah.

Björn wandte sein Gesicht dem Freund zu. »Wie siehst du mich, Rani?«, wollte er wissen.

»So wie immer. An dein dummes Gesicht hab ich mich längst gewöhnt.« Der Inder grinste von einem Ohr zum anderen.

»Dann komm doch bitte mal ein paar Schritte näher!«

Rani Mahay schloss auf. Er stand jetzt wieder genau an der Stelle, wo er vorhin gestanden hatte. Doch diesmal sah Björn nicht Molochos in ihm.

Björn Hellmarks Augen verengten sich. Wie war er auf den Gedanken gekommen, dass der Mann da vor ihm Molochs sein könne? Er hatte seinen Todfeind noch nie persönlich gesehen. Es gab Bilder von Molochos, doch die stammten aus der Zeit vor zwanzigtausend Jahren. Diese Bilder waren mit Xantilon in der Tiefe des Ozeans versunken.

»Wir müssen auf der Hut sein«, bemerkte Björn ernst. Er ließ den Blick umherschweifen.

»Wir tun ja die ganze Zeit über nichts anderes«, erwiderte Rani. »Weißt du, was ich jetzt möchte?«

»Nein.«

»Dann will ich es dir sagen. Ich habe riesigen Appetit auf eine gebratene Hammelkeule und scharf gewürztes Gemüse. Und danach eine große Tasse Darjeelingtee, dass einem das Leben wieder Freude macht.«

»Das alles kannst du dir zubereiten, wenn wir wieder auf Marlos sind«, entgegnete Björn. »Aber vorher gibt es hier noch etwas für uns zu erledigen!«

Rani Mahay nickte. »Meinst du, hier in der Gegend ist ein nettes Restaurant, wo man einkehren kann?«, flachste er. Im Zwielicht zeigte er seine weißen, strahlenden Zähne, die von seinem dunklen Antlitz abstachen.

Björn Hellmark seufzte. »Ich glaube, diesen Wunschtraum muss ich dir nehmen. Wir werden möglicherweise hier noch manch andere Überraschung erleben, aber sicher nicht die, die wir gern hätten. Außerdem ...« Björn registrierte eine Veränderung auf Rani Mahays Antlitz.

»Björn«, wisperte der Inder. »Schau dir das an!«

Björn Hellmark wandte leicht den Kopf und folgte dem Blick seines Freundes.

In dem Saal, der sich jenseits der letzten Stufe der breiten Treppe ausdehnte, hatte sich das Licht verändert. Doch nicht nur das. Da gab es noch mehr. Mitten im Raum befand sich eine vollendet gedeckte Tafel. Dort stand eine Platte mit dampfendem Braten, eine große, bemalte Keramikschüssel, in der sich gewürztes, wohlduftendes Gemüse befand und in einer anderen Schüssel dampften frisch gekochte Kartoffeln ...

»Ich hab es ja gewusst«, freute sich Rani. »Hier braucht man nur zu denken, was man möchte, und schon erfüllt es sich.«

Mit diesen Worten traf er den Nagel auf den Kopf.

Für Elnar Bergstroem, seinen Begleiter und den Staatsanwalt gab es ebenso wenig wie für die zahlreichen Polizisten, die eingesetzt waren, einen Zweifel daran, dass Arnd Olin offensichtlich mit dem Leben davongekommen war. Doch mehr als fünfzig Zeugen beschworen, dass der Bauarbeiter von der herabfallenden Betonplatte erschlagen wurde.

Nur seine Leiche war nirgends zu finden.

Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu ...

Und doch konnte es nicht anders sein! Olin schien im Augenblick höchster Todesangst noch mal zu einer Leistung fähig geworden zu sein, die man kaum für möglich halten konnte.

Als er die massige Platte auf sich zukommen sah, hatte er wohl alle seine Kräfte mobilisiert, um aus dem Gefahrenbereich zu gelangen. Aber warum verbarg er sich dann noch? Immerhin waren mehr als vier Stunden seit seinem vermeintlichen Tod vergangen.

Die neue Situation brachte es mit sich, dass die Umgebung noch mal eingehend unter die Lupe genommen wurde. Insgesamt vierzig Polizisten und Arnd Olins Kollegen beteiligten sich daran, um ihn zu finden. Alle bisher erstellten Räume des Hochhauses wurden durchsucht. Man durchkämmte die Keller und Wohnungen der umliegenden Straßen, weil man befürchtete, dass Arnd Olin möglicherweise vor Angst in einen Schockzustand geraten war, der ihn wie ein verirrtes Tier irgendwo im wahrsten Sinn des Wortes in eine Sackgasse getrieben hatte.

Möglicherweise hatte er sogar sein Gedächtnis verloren und irrte durch die große Stadt, ohne zu wissen, wo er sich befand und was geschehen war.

Doch etwas stimmte an der ganzen Geschichte nicht. Wie konnten sich mehr als fünfzig Menschen irren?

Ein anderer Verdacht kam auf.

Konnte es möglich sein, dass Arnd Olin mit dem Unfall direkt etwas zu tun hatte? Hatte er ihn möglicherweise ausgelöst?

Im ersten Moment war dies ein dummer Verdacht. Doch bei näheren Überlegungen war auch dies nicht so ausgeschlossen, wie es ursprünglich schien. Olin war dabei gewesen, als die Ketten an den Halterungen der Betonplatte befestigt wurden. Hatte er gewusst, was sich ereignen würde? Die Wahrscheinlichkeit lag nahe. Arnd Olin war auf den Fall der Betonplatte gefasst gewesen und hatte sich dementsprechend verhalten. Er lief früher los und tauchte entweder zwischen den Passanten oder den Bauhütten unter, während alle Welt der Meinung war, die Platte hätte ihn erschlagen.

Elnar Bergstroem, ein Hüne von zwei Metern Größe, blond und nordisch aussehend, schüttelte den Kopf. Nein! So ganz gefiel ihm diese Theorie nicht. Es gab da einiges, das nicht so recht in das Bild passte.

Selbst wenn Olin irgendeinen Grund hatte, von der Bildfläche zu verschwinden, dann hätte er es nicht auf diese Weise getan. Spätestens in dem Augenblick, da man die Betonplatte anhob, um seine Leiche zu bergen, musste ihm doch klar sein, dass man seinen Plan durchschaute. Wo es keine Leiche gab, gab es weder Mord noch einen tödlichen Unfall.

Arnd Olin konnte sich an allen zehn Fingern ausrechnen, dass spätestens in dem Moment die große Suche nach ihm einsetzte, wenn man nichts von ihm fand.

»Da ist etwas faul. Das rieche ich förmlich.« Elnar Bergstroem war bekannt dafür, dass er für besondere Situationen ein Gespür hatte. In der Abteilung, für die er tätig war, wusste man seine Fähigkeiten und sein Einfühlungsvermögen zu schätzen.

Noch während den Umstehenden und Neugierigen von der Polizei neue Fragen gestellt wurden, man auch noch mal die Aussagen der Bauarbeiter eingehend überprüfte und sich über Arnd Olin näher erkundigte, tat Elnar Bergstroem etwas, was keiner so recht verstand. Er suchte den Platz ab, auf dem noch der graue Staub der Betonplatte war. Schließlich war auch von dem Punkt aus, wo man die ganze Zeit über schon stand, eindeutig zu sehen, dass dort nichts von Arnd Olin zu entdecken war.

Schritt für Schritt suchte Bergstroem den fraglichen Boden ab. Der Staatsanwalt an seiner Seite blickte ihn seltsam an. Doch er sagte kein Wort.

»Die Geschichte wird immer rätselhafter. Da gibt es fünfzig Menschen, die sehen, wie ein Mensch erschlagen wird, aber den Erschlagenen findet niemand. Und in Luft aufgelöst haben kann er sich nicht ...« Elnar Bergstroem stockte plötzlich. Der Sonderbeauftragte der Untersuchungskommission ging in die Hocke und griff nach dem dünnen Stofffetzen, der in dem grauen Staub lag.

»Haben Sie etwas gefunden?«, fragte der Staatsanwalt.

»Mir scheint so ...«, entgegnete Bergstroem mit belegter Stimme. Er blies den grauen Staub von dem vermeintlichen Stofffetzen.

»Ein Stück Stoff? Ein Stück Papier?«, machte sich der Staatsanwalt erneut bemerkbar.

»So sieht es im ersten Moment aus«, sagte Elnar Bergstroem erregt. »Aber wenn man genau hinsieht, dann erkennt man es eigentlich ganz deutlich noch ...«

Er hielt das Etwas in der flachen Hand und auch der Staatsanwalt konnte es nun sehen. Die Miene des Mannes wurde hart, und ein erschreckter Ausdruck trat in sein Gesicht.

Was Elnar Bergstroem da auf der Hand hielt, waren zwei blutleere, papierdünn gepresste Glieder. Der vierte und fünfte Finger einer rechten Männerhand!

Er wickelte den Fund in ein weißes Papiertaschentuch und ließ ihn in seiner Tasche verschwinden. Sie erwähnten zunächst niemand gegenüber, was sie entdeckt hatten. Die Tatsache, dass sie etwas gefunden hatten, verstärkte ihr Bemühen, nun jeden Quadratzentimeter Bodens genau zu untersuchen.

Doch es fand sich nichts mehr.

Arnd Olin blieb verschwunden. Als hätte ihn, im wahrsten Sinn des Wortes, der Erdboden verschluckt.

Für Elnar Bergstroem stand fest, dass der Mann hier an dieser Stelle von der Betonplatte erschlagen worden war. »Und dass wir seine Leiche nicht finden können, hat eine besondere Bedeutung«, sagte er rau, als er sich mit dem zweiten Beauftragten und dem Staatsanwalt im Auto befand und niemand ihnen zuhören konnte.

»Und was für eine? Haben Sie schon einen bestimmten Verdacht oder eine Vermutung, Herr Bergstroem?«, wollte der Staatsanwalt wissen.

Das Gesicht des Gefragten blickte ernst. »Ein Verdacht ist vielleicht zu viel gesagt. Aber eine Vermutung, ja, so könnte man sagen. Haben Sie noch nie von Menschen gehört, die durch irgendeinen Vorfall verschwinden, ohne dass es einen Grund dafür gibt? Die Statistik weist aus, dass wir in Schweden allein im letzten Jahr sechshundert Vermisstenanzeigen erhalten haben, die wir nicht klären konnten. Da wird am Straßenrand ein verlassenes Fahrzeug gefunden, das von seinem Chauffeur ohne einen erkennbaren Grund zurückgelassen wurde. Den Mann hat man nie wieder gesehen. Ein Verbrechen aber – ein Verbrechen im herkömmlichen Sinn – scheint jedoch ausgeschlossen. Da geht eine junge Frau morgens mit ihrer fünfjährigen Tochter in einen Supermarkt zum Einkaufen. Das Kind bleibt draußen am Eingang auf einem Schaukelpferd sitzen, um sich zu vergnügen. Die Frau tätigt inzwischen ihre Einkäufe. Aber sie kommt nie wieder aus dem Markt heraus. Alle Nachforschungen verlaufen im Sand. Da geht ein Mädchen zur Schule. Es wohnt auf dem Land und hat die Angewohnheit, den drei Kilometer langen Pfad bis zur Schule zu Fuß zu gehen. Der Weg ist nicht bepflastert oder asphaltiert. An diesem Morgen regnet es etwas, der Boden ist aufgeweicht, und man kann die Spuren des Mädchens etwa bis zur Hälfte des Weges verfolgen. Dann hören die Fußabdrücke plötzlich auf, als ob sich das Kind in Luft aufgelöst hätte oder wie ein Geist in den Himmel geschwebt sei. Das sind drei Fälle von sechshundert, meine Herren. Die sind mir gerade so eingefallen. Ich könnte die Liste fortsetzen. Ich glaube, dass wir es im Fall von Arnd Olin mit einem ähnlichen Phänomen zu tun haben. In dem Augenblick, im Moment der höchsten Todesangst, entwickelten sich in ihm bisher verborgene Kräfte, die seinen Körper aus dieser Welt, aus dieser Dimension möglicherweise, herauslösten, ehe ihn das tonnenschwere Gestein zerschmetterte. Doch er scheint es nicht ganz geschafft zu haben. Zwei Finger wurden ihm noch abgeschlagen und blieben von dem grausamen Unfall, der uns eigentlich mehr Spuren hätte zeigen sollen, zurück.«

Einen Moment schien es, als ob Elnar Bergstroem seinen Worten noch etwas hinzufügen wolle. Dann überlegte er es sich aber anders.

Die Blicke seiner beiden Begleiter nagelten ihn förmlich fest. »Sie werden das Ganze wie einen gewöhnlichen Kriminalfall behandeln?«, wandte sich der Staatsanwalt an ihn.

»Zunächst ja. Ich denke, dass auch mein Begleiter der Ansicht ist.«

Kommissar Bergstroem blickte auf seinen Assistenten, der mit ihm in derselben Abteilung der Stockholmer Kripo arbeitete. »Zunächst ist alles nur eine Vermutung. Wir werden Arnd Olin suchen lassen und gleichzeitig seiner Frau von dem schrecklichen Unfall berichten. Bei dieser Gelegenheit versuche ich, in Erfahrung zu bringen, ob es mit Olin möglicherweise nicht doch eine besondere Bewandtnis hat. Ursprünglich sah die ganze Geschichte wie ein furchtbarer Unfall aus. Aber das allein ist er nicht mehr. Was uns begegnet ist, ist noch viel schlimmer ...«

Knappe dreißig Minuten später suchte Elnar Bergstroem in Begleitung eines Polizisten Arnd Olins Zuhause auf. Das Einfamilienhaus lag an der Peripherie der Stadt und war von einem kleinen, gepflegten Garten umgeben, in dem Obstbäume standen.

Marika Olin war gerade damit beschäftigt, Wäsche im Garten abzuhängen, als das Polizeifahrzeug vorfuhr. Sie hörte, wie im Haus die Klingel anschlug. Die Tür zur Terrasse stand weit offen, und so war das Geräusch auch deutlich im Garten zu hören.

Marika Olin war Anfang dreißig, eine schlanke, gutaussehende Frau, die das blonde Haar hochgesteckt trug. Ihre blauen Augen richteten sich irritiert auf den Polizisten und den großen Mann in Zivil, die vor dem Gartentor warteten.

»Frau Olin?«, fragte Elnar Bergstroem mit ernster Stimme.

Sie nickte.

»Wir hätten Sie gern gesprochen. Nur für einen Moment. Es ist sehr wichtig, wegen Ihres Mannes ...«

»Ist etwas passiert?«, fragte sie sofort. Sie hatte eine klare, angenehme Stimme. Abwechselnd musterte die Frau die beiden Ankömmlinge.

»Wir werden Ihnen alles erzählen. Können wir Sie einen Moment allein sprechen? Nicht hier auf der Straße ...«

»Entschuldigen Sie.« Marika Olin fuhr sich mit einer nervösen Bewegung durch das Haar und strich einige vorwitzige Strähnen zurück, die ihr in Stirn und Augen hingen. »Selbstverständlich gehen wir ins Haus, ich war im ersten Moment nur so erschrocken.«

Elnar Bergstroem lächelte sie flüchtig an.

Marika Olin öffnete das Gartentor und ließ die beiden Männer eintreten.

Es fiel Bergstroem schwer, zu sagen, was passiert war. In solchen Situationen musste man die richtigen Worte finden und kam doch nicht um die Wahrheit herum. Und die eben fiel schwer.

Die Frau saß wie versteinert da. Ihr Gesicht war kreidebleich, und dann schossen Tränen in ihre Augen. Sie begann herzzerreißend zu weinen.

Durch die offene Terrassentür kam ein kleines Mädchen. »Mami! Dann hab ich doch richtig gehört, du weinst ja, aber Mami!« Die Kleine mit den langen, blonden Zöpfen lief durch das Wohnzimmer und auf ihre Mutter zu. »Hast du dir weh getan? Soll ich dich trösten?«

Marika Olin wischte sich mit den Ellbogen die Tränen aus den Augen und umklammerte ihre Tochter wie eine Ertrinkende, die nach ihrem Retter griff.

»Nein ... nein, Anita«, schluchzte sie. »Es ist schon gut ... ich werde dir nachher ... alles erzählen ...«

Das kleine Mädchen sah die beiden Männer mit einem kühlen Blick an. »Aber die haben dir doch nichts getan, nicht wahr?«, wollte sie wissen. »Der eine Mann ist doch Polizist ... der will doch nichts Böses von dir ...?«

»Nein, Anita. Ich werde dir nachher alles erklären. Und nun geh schön hinaus in den Garten und spiele weiter. Ich komme bald nach.«

Als das Mädchen gegangen war, trocknete Marika Olin mit einem Taschentuch ihre Augen. »Entschuldigen Sie«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. Sie atmete tief durch. »Sind Sie ganz sicher, dass es mein Mann war, der verunglückt ist?«

Das war eine typische Reaktion. Marika Olin konnte einfach nicht glauben, dass sie betroffen sein sollte. Täglich hörte und las man von tödlichen Verkehrsunfällen oder Unfällen bei der Arbeit. Aber das, so glaubte wohl jeder, geschah immer nur den anderen. Niemals einem selbst.

»Ein Irrtum ist ausgeschlossen«, entgegnete Elnar Bergstroem. »Wir nehmen es jedenfalls an.«

»Was wollen Sie damit sagen, Kommissar?« Sie richtete ihre tränenschimmernden Augen auf den Mann.

»Es gibt da eine sonderbare Merkwürdigkeit, Frau Olin. Wir konnten Ihren Mann nicht finden!«

Geschickt verstand er es, all die Dinge zur Sprache zu bringen, die gesagt werden mussten, um eine eindeutige Stellungnahme zu erhalten.

»So etwas gibt es doch nicht!«, entfuhr es Marika Olin.

Elnar Bergstroem nickte. »Diese Meinung vertraten wir auch. Aber wir können uns der Tatsache nicht verschließen, dass Ihr Mann getötet wurde und doch entkam ...«

Er verschwieg, dass dem Verunglückten zwei Finger abgeschlagen worden waren und sich diese im Polizeirevier befanden. Unter anderen Umständen wäre es notwendig gewesen, dass Frau Olin anhand dieser Finger ihren Mann hätte identifizieren müssen. Doch da sich an keinem Finger ein Ring oder sonst ein besonderes Merkmal befand, sah Elnar Bergstroem davon ab. Er wollte das Leid der Frau nicht noch vergrößern. Wenn es nötig war, dass Marika Olin noch zu diesen und anderen Dingen Stellung nehmen musste, konnte er immer noch darauf zurückkommen.

Als er sich von der Frau verabschiedete, ließ er sie verzweifelt und weinend zurück.

Aus tränenverschleierten Augen blickte Marika Olin den Männern nach. Der schwarze Volvo, in den die beiden Polizeibeamten eingestiegen waren, fuhr los.

Die roten Rücklichter flammten auf.

Draußen wurde es dämmrig.

Marika Olin wusste nicht, wie lange sie so am Fenster stand und auf die Straße starrte, in die sich der Abend senkte.

Sie zuckte plötzlich zusammen, weil sie an der rechten Schulter berührt wurde.

Unwillkürlich drehte sie sich um. Ihr Gedanke war, dass es sich nur um Anita handeln konnte, die sich vorsichtig bemerkbar machte. So etwas tat sie manchmal. Sie stieg heimlich auf einen Stuhl oder kroch auf eine Sessellehne und tippte sie an.

Aber hier, direkt neben dem Fenster, stand weder Stuhl noch Sessel.

Marika Olin riss den Mund auf zum Schrei, als sie sah, wer vor ihr stand und sie anlächelte.

Es war ...

»Arnd!«, schrie sie erleichtert.

2. Kapitel

»Hier kennt sich jemand aus, der mal das Märchen vom Tischlein, deck dich gelesen hat!«, freute sich Rani Mahay und klatschte in die Hände. Normalerweise hätte er sich nicht so verhalten. Nun kam es jedoch nicht mehr darauf an, dass sie besonders leise waren. Was immer hier geschah, ließ darauf schließen, dass derjenige, der sie beobachtete, der wusste, dass sie hier waren, sogar Einblick in ihre Gedankenwelt hatte.

»Das ist Sequus' Werk«, entrann es Björn Hellmarks Lippen. »Wer in der Lage ist, aus Wasser und Geist Tempelstädte und ein Feuerland entstehen zu lassen, der Menschen in Feuerbestien verwandelt, der riesige Hallen und Korridore, steinerne Standbilder und gemütliche Gärten aus dem Nichts entstehen lässt, für den ist es eine Kleinigkeit, aus den Gedanken heraus Molochos darzustellen, oder diesen Tisch mit den Speisen erscheinen zu lassen.«

Er konnte sich gut vorstellen, auf welche Weise es zu seiner angeblichen Begegnung mit dem Dämonenfürst gekommen war.

Dieser Gedanke beschäftigte ihn. Wer ihn hier beobachtete und über seine Mission Bescheid wusste, für den war dies kein Geheimnis.

Sequus war darüber unterrichtet. Er war einer der sieben Hauptdämonen. Einst war auch er aus Fleisch und Blut gewesen, ehe er sich Rha-Ta-N'my verschrieb, aber noch eine lange Zeit der Prüfung durchmachte, bevor er sich endgültig und für alle Zeit in die Netze der Dämonengöttin verstrickte.

»Er hält uns genau unter Kontrolle«, fuhr Björn zu sprechen fort. Seine Augen befanden sich in ständiger Bewegung, und er suchte die Säulen, die dunkelsten Winkel und die fernsten Ecken der Wände ab, als würde dort jemand auf sie lauern und sie beobachten.

Doch er wusste, dass dieser Eindruck täuschte. Ihr Feind war viel weiter weg. Und doch befand er sich ganz in der Nähe. Er konnte hinter der nächsten Mauer hocken, in der nächsten Halle. Und sogar selbst wenn er Hunderte oder Tausende Meilen entfernt gewesen wäre, es hätte nichts an dem geändert, was hier geschah.

Aufmerksam ihre nähere Umgebung beobachtend, lösten sich die beiden Männer schließlich aus dem restlichen Teil der Höhle, um hinüberzugehen in die Halle, in die der Stollen mündete. Dabei merkte Björn, dass sich etwas verändert hatte, seitdem er glaubte, Molochos begegnet zu sein.

Und jetzt fiel es ihm wieder auf.

Rechts in der Ecke neben der Säule, der geheimnisvolle Thron mit den sieben Stufen!

Er nicht mehr da! Hatte sich aufgelöst wie ein Nebelstreif in der ersten Morgensonne.

In dieser Welt, die so real wirkte, wurden ihnen Halluzinationen und Visionen geschickt.

Aus welchem Grund?