Macabros 031: Eissturmland - Dan Shocker - E-Book

Macabros 031: Eissturmland E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Gigantopolis - Alptraumstadt Noch immer weilen Björn Hellmark und seine Freunde in der Vergangenheit des neu entstandenen Teils des Kontinents Xantilon. Während Hellmark, immer noch unter dem Bann der Dämonin Apokalypta, seinem vermeintlichen Feind und seiner früheren Inkarnation Kaphoon bis in die Alptraumstadt Gigantopolis folgt, versteinern Arson und Rani Mahay in der Festung Apokalyptas. Zur selben Zeit warten Carminia Brado, Pepe und der Kugelkopf Jim in den Gärten des Hestus. Als der magische Transportspiegel Signale sendet und die drei Freunde einen Dimensionssprung machen landen sie genau in dem Saal wo Rani und Arson stehen. Der Brasilianerin gelingt es Rani und Arson von dem hypnotischen Zwang zu befreien. Sie wissen, dass Björn einem magischen Zwang unterliegt und wollen unbedingt in die Alptraumstadt ihrer neuen Gegnerin eindringen. Nicht ahnend, dass sie dort grauenvolle Monster und tödliche Gefahren erwarten ... Auf der Erde starten in der Zwischenzeit die sieben schwarzen Ritter der Apokalypta einen Beutezug des Schreckens. Eine Farm in den USA wird Schauplatz einer schaurigen Tragödie, denn Gigantopolis lechzt nach den Toten, um sie in Monster zu verwandeln ... Eissturmland des Drachenkönigs Carminia Brado, Rani Mahay, Arson, Pepe, Jim und Kaphoon ist es gelungen ihren Freund Björn Hellmark aus der Alptraumstadt Gigantopolis zu entführen und Apokalyptas Bann zu zerstören. Nun müssen sie allerdings ihren Vorteil nutzen und Apokalypta samt ihrer Stadt vernichten. Gigantopolis kann aber nur zerstört werden, wenn die Ritter von sieben verschiedenen Kämpfern zur selben Zeit getötet werden. Die Alptraumstadt ist in sieben Abschnitte unterteilt, die jeweils von einem schwarzen Ritter verwaltet werden. Björn Hellmark sendet seinen Doppelkörper Macabros nach Gigantopolis und beobachtet, wie die Schwarzen Ritter sich in einer kleineren Version der Stadt in eine Wand in zweidimensionale Gestalten verwandeln.

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DAN SHOCKERS MACABROS

BAND 31

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Titelbildgestaltung: Mark Freier

Fachberatung: Gottfried Marbler

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-95719-731-3

Dan Shockers Macabros Band 31

EISSTURMLAND

Mystery-Thriller

Gigantopolis – Alptraumstadt

von

Dan Shocker

Prolog

Klirrende Kälte stieg von den Fußknöcheln bis in seine Brust. Rani Mahay hatte das Gefühl, als würde Eiswasser durch seine Adern fließen.

Er erstarrte zu Stein!

Rani begriff die ungeschminkte, grausame Wahrheit: Apokalypta, die ewige Unheilbringerin, in deren Machtbereich er und Arson, der Mann mit der Silberhaut, eingedrungen waren, hatte erkannt, dass von diesen beiden mutigen Männern eine Gefahr ausging.

Die Dämonin setzte sofort ihre magischen Kräfte ein, um Rani und Arson an allem zu hindern, was ihre Pläne hätte zu Fall bringen können.

Ihre Absicht war es, ihren größten Widersacher in dieser Zeit, nämlich Kaphoon, durch jenen Mann ausschalten zu lassen, der als Björn Hellmark in einem späteren Jahrtausend wiedergeboren wurde.

Durch einen klugen Schachzug war es ihr gelungen, Björn Hellmark in ihren Palast, in diese ferne Zeit Xantilons zu locken, ihn durch magisch-hypnotische Kräfte zu beeinflussen und dazu zu bringen, dass er nicht von ihrer Seite wich und in ihr das Glück seines Lebens sah. Björn Hellmark war bereit, alles für diese Frau zu geben. Sogar sein Leben ...

Rani versuchte, seinen Kopf zur Seite zu drehen. Das Gefühl der Kälte und Steifheit hatte innerhalb weniger Sekunden seinen Körper ergriffen. Mit ungeheurer Willenskraft brachte er es fertig, den Kopf so weit zu wenden, dass er aus den Augenwinkeln heraus seinen Begleiter Arson sehen konnte.

Dem erging es nicht besser als ihm. Der Freund aus der Zukunft, der Mann mit der Silberhaut, stand eine gute Armlänge von ihm entfernt auf der anderen Seite des Vorhangs neben dem großen Fenster, das auf den Balkon führte, und von dem aus man einen Blick über die Weite der hügeligen, trüben Landschaft hatte, die sich bis zum Horizont erstreckte.

Es war eine unwirkliche, fremdartige Welt, die Rani Mahay wahrnahm. Dort hatte sich ein schwerer, ungleicher Kampf abgespielt. Zwischen Tausenden von mutigen Rebellen, die, mit einfachsten Waffen versehen, versucht hatten, den Palast der Dämonin Apokalypta zu stürmen. »Arson ...«, entrann es Rani Mahays Lippen. Es war erstaunlich, dass der zu Stein werdende Inder noch die Kraft fand, diese Worte herauszupressen. »Vorhin ... Kaphoon ... er hat doch etwas ... gesagt ... als die Gigantin auftauchte ...«

Rani atmete flach. Jedes Wort wurde ihm zur Qual. Man sah dem Inder an, wie sehr er sich bemühte, sich zu sammeln. In seinen Augen spiegelte sich der Ausdruck der Angst. Rani versuchte, seine Kräfte gegen die Macht aufzubieten, die ihn fesseln wollte. Er konnte nicht glauben, dass es seiner Widersacherin so einfach gelang, sie hier festzuhalten, ohne auch nur Hand an sie zu legen. Blitzschnell rasten vor seinem geistigen Auge noch einmal jene Szenen vorüber, die er in den letzten Minuten erlebt hatte, und er versuchte, sich alles ins Gedächtnis zu rufen, was er gehört hatte.

»Er stellte es ... als eine Erscheinung ... hin«, vernahm er wie aus weiter Ferne Arsons Erwiderung. »Aber Kaphoon muss sich getäuscht haben ... noch jetzt liegen die Toten ... auf dem ... Schlachtfeld ...«

Rani nickte.

Ja, das war unübersehbar.

Es gelang ihm gerade noch, mit einem kurzen scharfen Ruck seinen Kopf so weit zu drehen, dass er einen Blick über die geschwungene Balkonbrüstung erhaschte. Am Horizont zeigten sich die schemenhaften Umrisse einer bizarren, grotesken Stadt. Verschwommen hinter diffusen Nebeln erkannte er die lanzenförmigen Türme, die dicht an dicht standen und steil und hoch in einen sich zu Wolken ballenden Himmel ragten, der sich unwirklich über diese Stadt dehnte.

Die einzelnen Säulen und Türme waren durch verschlungene und gewundene Brücken und Straßen miteinander verbunden, als würde der Komplex aus einem einzigen Stück bestehen. Es schien, als könne eine einzelne Straße oder ein einzelner Turm nicht ohne die anderen stehen.

Dies war Gigantopolis, die rätselhafte Stadt, in der Apokalypta residierte. Aus dem, was Rani und Arson nach ihrem Eintreffen beobachtet und gehört hatten, glaubten sie, sich ein Bild von Apokalyptas Welt machen zu können.

Arson und er waren, nachdem sie den magischen Kreis in einer bestimmten Halle der alten Burg betreten hatten, offensichtlich in die ferne Vergangenheit geschleudert worden.

Aus Apokalyptas Palast kamen zwei Berittene.

Der Mann, hochaufgerichtet, hager, mit schwarzem Umhang, der wie eine Fahne hinter ihm herflatterte, war Tantor, Apokalyptas Vertrauter. Die Frau an seiner Seite war die Dämonin selbst. Sie trug einen blutroten Umhang, der ihre vollendete Figur umwehte.

Apokalypta und Tantor, in dem Rani eine Mischung zwischen Mensch und Dämon zu sehen glaubte, preschten in scharfem Galopp über die unwirkliche Landschaft Richtung Stadt, in deren Nähe auch Kaphoon und Björn Hellmark verschwunden waren.

Dann wurde es dunkel vor Rani Mahay. Seine Augen waren unfähig, noch etwas aufzunehmen. Die Versteinerung ergriff von seinem gesamten Körper Besitz.

Leblos?

1. Kapitel

Der Himmel war blau, kein Wölkchen zeigte sich. Doch es wurde schon Abend.

Die Luft war kühl, aber die beiden Reiter, die über den dicht von Bäumen gesäumten Pfad kamen, trugen dicke Rollkragenpullover und merkten nichts davon.

Die Sonne stand bereits tief. Die Bäume warfen lange Schatten, und schmale, schräge Lichtbahnen sickerten durch das Blattwerk der belaubten Wipfel. Dort schimmerte es gelb, grün und braun. Von den Ästen löste sich das herbstliche Laub und fiel raschelnd durch die Zweige. Der Herbst zeigte seine ersten Vorboten.

Der junge Mann zügelte plötzlich sein Pferd und hielt.

Sein gleichaltriger Begleiter folgte seinem Beispiel. »Was ist denn los, Jim?«, fragte der Dunkelhaarige.

»Hörst du es nicht?«, entgegnete Jim Conetti und blickte sich irritiert nach allen Seiten um. »Es scheint von überall zu kommen.« Stan Olsons Augen verengten sich. Jetzt registrierte auch er, was sein Begleiter schon einige Sekunden früher wahrgenommen hatte. Pferdegetrappel!

»Es hört sich an, als ob eine Armee unterwegs wäre!«

»Genau«, entgegnete Jim Conetti einsilbig. »Ich habe schon gedacht, ich spinne. Es ist doch eigentlich ausgeschlossen, dass außer uns noch andere Reiter unterwegs sind ...«

Das Ganze war in der Tat äußerst rätselhaft.

Stan Olson kam aus Philadelphia. Er hielt sich seit vierzehn Tagen auf Jim Conettis Ranch auf, die zu den größten im Süden zählte. Zur Farm gehörten riesige Ländereien und Äcker und Waldabschnitte, die sich seit rund hundertfünfzig Jahren in Familienbesitz befanden. Zwischen den Familien Conetti und Olson bestand seit Jahrzehnten eine enge Freundschaft. Stan Olson war bereits als Junge häufig im Süden gewesen, und es hatte ihm Spaß gemacht, auf den Äckern und Feldern mitzuarbeiten, beim Einbringen der Ernte dabeizusein und dann wieder stundenlang auszureiten, was mit zum Schönsten zählte, das er sich denken konnte.

»Vielleicht hat dein Vater ein paar Leute losgeschickt, um uns zu suchen«, vermutete Stan.

»Unsinn«, entfuhr es Jim etwas schärfer als er wollte. »Ich verstehe das nicht. Außer uns ist doch kein Mensch unterwegs. Das ist ein umzäunter Privatwald, und außer unseren Reitern kommt niemand sonst hierher. Komm ...«, stieß er plötzlich hervor und gab seinem Pferd so heftig die Sporen, dass es einen Satz nach vorn machte. »Wir sehen uns das mal aus der Nähe an!«

Der Pfad war breit genug, so dass beide bequem nebeneinander reiten konnten. Zwischendurch versammelte Jim mehrere Male sein Pferd, hob lauschend den Kopf und starrte atemlos in die Umgebung. Er war sich nicht sicher, aus welcher Richtung das Pferdegetrappel kam.

»Einmal scheint es von links zu kommen, ein andermal von rechts«, knurrte er. »Dann wieder von vorn oder hinten ...«

»Es kommt aus allen Richtungen gleichzeitig«, fügte Stan hinzu. Jim Conetti warf einen Blick zurück. »Sie kommen von dort. Wir reiten genau in die falsche Richtung. Die ganze Schwadron kehrt ...« Stan wollte noch etwas erwidern. Doch Jim Conetti wendete sein Pferd und ritt im Galopp den Weg zurück.

Der Boden dröhnte und vibrierte unter den Hufen der Pferde. Die beiden jungen Männer preschten durch den abendlichen Wald und erreichten nach wenigen Minuten einen sanft abfallenden Hügel, auf dem eine kleine Baumgruppe stand und von wo aus man einen Blick in das wellenförmige Tal hatte.

Am Rand des Waldes ereignete es sich: Jim und Stan sahen die Reiter, die sie die ganze Zeit über gehört hatten. Sie galoppierten aus dem dämmrigen Waldstück und jagten wie Schatten auf sie zu – genau sieben. Die Pferde waren pechschwarz, ebenso die Rüstungen der Reiter, die ihre Visiere zugeklappt hatten. Stans und Jims Pferde wieherten erschrocken, schlugen unruhig aus und waren kaum unter Kontrolle zu halten.

»Was ist denn das, Jim?«, entfuhr es Stan, und er starrte auf die Reiter, die wie eine Geistererscheinung aus dem Schatten des Wäldchens auftauchten.

Und es waren Geister!

Aber das konnten Jim und Stan zu dieser Zeit noch nicht wissen.

Es waren die sieben Todesboten der Apokalypta!

Die Luft um sie herum war erfüllt von einem gespenstigen Dröhnen, vom Schnauben der Tiere und Klirren der schweren Rüstungen, in die die Fremden gehüllt waren.

Jim und Stan kam es so vor, als ob sie in eine andere Zeit, an einen anderen Ort versetzt worden wären.

»Jim!« Stans Stimme überschlug sich und wurde schrill. »Sieh dir das an! Um Himmels willen, so etwas gibt es doch nicht! Die berühren ja mit ihren Hufen nicht mal den Erdboden!«

Jim Conetti saß wie festgewachsen im Sattel und wollte etwas erwidern. Doch dazu kam er nicht mehr. Das Grauen schnürte ihm die Kehle zu, als er sah, welche furchtbaren Dinge sich vor seinen Augen ereigneten.

Zwei Reiter waren jetzt auf Stans Höhe. Mit einer scharfen, ruckartigen Bewegung rissen sie ihre Schwerter aus der Scheide. Die Waffen waren so schwarz wie die Rüstungen, sie schienen aus dem gleichen Stahl geschmiedet.

»Weg hier!«, schrie Jim.

Die beiden finsteren Geisterreiter ließen ihre Schwerter in einer ausholenden Bewegung durch die Luft sausen und schlugen dann zu.

Beide trafen auf Anhieb.

Stans Pferd wurde ebenso getroffen wie sein Reiter. Stan Olson kippte mit dem zu Boden gehenden Hengst zur Seite, kam auf weichen, belaubten Boden auf, während Jim Conetti seinem Reittier die Sporen gab und mit der Peitsche wie wild auf das völlig verstörte und zitternde Tier einschlug.

Mit harter Hand riss er es herum.

Was nicht sein durfte, war Wahrheit geworden. Etwas völlig Irreales war in diese Welt eingebrochen und drückte ihr seinen Stempel auf.

Tausend Fragen durchzuckten Jim Conetti. Er fand keine Erklärung für das Geschehen, für den Tod des Freundes, der lautlos, von einem Schwert durchbohrt, zu Boden sank.

Jim glaubte zu träumen und hoffte, so schnell wie möglich zu erwachen – doch das geschah nicht. Sein Pferd gebärdete sich wie toll, jagte im Galopp davon, und Jim lag tief über den Hals des Tieres gebeugt, um so wenig Widerstand wie möglich zu bieten. Gehetzt warf er einen Blick zurück, während sie an den Baumreihen entlangjagten, hinaus ins freie, hügelige Land und den Hügel empor, hinter dem die Talsenke begann und wo schließlich auch die Farm lag.

Das Gebäude musste er unbedingt erreichen. Dort war er sicher und konnte Hilfe herbeirufen, die mit diesen Verrückten nicht lange fackelte.

Jim dachte in diesen Sekunden weder an etwas Übernatürliches noch an etwas Okkultes. In seine fiebernden Sinne schlich sich der Gedanke, dass es sich um eine Horde Jugendlicher handelte, die sich verkleidet hatten und ahnungslose Spaziergänger oder Reiter überfielen.

Sie mussten über bestimmte Gewohnheiten der Farmgäste und der ständigen Bewohner informiert sein. Aber warum taten sie das? Warum tauchten sie auf und mordeten einfach einen Menschen?

Dann wieder die geheimnisvolle Tatsache, dass die Pferde den Boden nicht berührt hatten!

Da stimmte überhaupt nichts mehr.

Wurde er schon verrückt? Waren seine Sinne so verwirrt, dass er nicht mehr in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen?

Jim wusste es nicht – und warf einen nervösen Blick zurück.

Seine Verfolger waren ihm dicht auf den Fersen und rückten ständig näher.

Sie ritten wie die Teufel!

Die Pferde schienen direkt aus der Hölle zu kommen. Das unselige Funkeln ihrer Augen! Ein eisiger Schauer durchfuhr den Fliehenden, als er die großen, wie Kohle glühenden Augen in den schwarzen Köpfen erblickte.

Jim Conetti holte aus seinem Reittier heraus, was er konnte.

Das Pferd war bereits schweißgebadet, Schaum flockte um sein Maul. Das Zittern hatte sich verstärkt. Es schien, als spüre das Tier die unmittelbare Gefahr, als empfände es das Grauen, das die unheimlichen Gestalten allein schon durch ihre rätselhafte Erscheinung bewirkten.

Da, ein Loch!

Jim Conetti, ein erfahrener Reiter, der jeden Handbreit Boden kannte, registrierte die Gefahr und wollte das Tier noch am Zügel herumreißen.

Doch es war zu spät!

Es brach in die Knie, als würde ein unsichtbarer Schwerthieb die Beine des Pferdes kappen.

Jim konnte sich nicht mehr festhalten und flog in hohem Bogen aus dem Sattel. Über den Hals des stürzenden Tieres hinweg landete er auf der feuchten, mit faulendem Laub bedeckten Wiese.

Brennende Schmerzen durchrasten seinen Körper.

Jim überschlug sich mehrere Male und hatte das Gefühl, von zahllosen Stockschlägen getroffen und mit Fußtritten traktiert zu werden.

Benommen blieb er liegen.

Wertvolle Sekunden vergingen. Vor seinen Augen verschwamm alles, und er nahm seine ganze Kraft zusammen, um sich aufzurappeln. Auf keinen Fall durfte er in die Hände der Schwarzen fallen. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie mit ihm dasselbe wie mit Stan machen würden.

Der Gedanke erfüllte ihn mit einer unbändigen Kraft.

Er wusste später nicht mehr, wie er es schaffte, auf die Füße zu kommen und zu laufen. Sein ganzer Körper tat ihm weh, aber er setzte wie ein Roboter einen Fuß vor den anderen, um sich vor den Verfolgern in Sicherheit zu bringen.

Doch er hatte keine Chance.

Im nächsten Moment waren sie bei ihm und kreisten ihn ein.

Wie eine Schattenmauer ragten die sieben mächtigen Pferde und die düsteren Reiter um ihn herum auf.

Jim Conetti torkelte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in die Runde, drehte sich im Kreis und sah überall nur die schwarzen Ritter.

Jim atmete schnell. Schweiß rann über sein Gesicht, die Haare hingen ihm wirr in die Stirn, und er zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub.

»Was wollt ihr ... von ... mir?«, stammelte er erschöpft.

Der Kreis wurde enger.

Dann sprang einer der Schwarzen vom Pferd und trat mit gezücktem Schwert zu dem jungen Mann.

Dumpf dröhnten die Schritte des Fremden in der Rüstung auf dem Boden. Deutlich spürte Jim unter seinen Füßen die Erschütterung.

Aber auch das konnte, durfte eigentlich nicht sein! Ganz deutlich war zu sehen, dass der Unbekannte mit seinen Füßen den Untergrund nicht berührte.

Wie ein Gespenst, nur nicht mit dessen Lautlosigkeit, kam der Krieger auf ihn zu. Jim Conetti starrte ihn an, als wolle er jedes Detail dieses Körpers in sich aufnehmen.

Alles an ihm war schwarz – wie die Hölle und die Nacht. Der Mann in der Rüstung, oder was immer sich darin auch befand, bewegte sich kraftvoll und gleichsam mit seltsam federnder Elastizität.

»Was wir von dir wollen?«, dröhnte es da dumpf und mit schrecklicher Stimme hinter dem geschlossenen Visier, dass Jim zusammenfuhr. »Ich will es dir sagen.«

Der schwarze Ritter streckte sein Schwert nach Jim Conetti aus.

Da waren noch zwei Reiter.

Aber nicht in dieser Welt, sie waren nicht schwarz und nicht in eine klirrende Rüstung gehüllt.

Der eine war Kaphoon, der Sohn des Toten Gottes, der andere Björn Hellmark.

Björn Hellmark stand noch unter Apokalyptas hypnotischem Einfluss.

Er glaubte, aus freien Stücken den Reiter zu verfolgen, der es gewagt hatte, Apokalyptas Machtanspruch in Frage zu stellen. Dass dieser Reiter Kaphoon war, wusste er und wollte ihn töten. Dass er damit seine eigene Existenz in der Zukunft auslöschte, davon ahnte er nicht mehr das Geringste. Björn erkannte in Apokalypta nicht mehr seine Todfeindin. Das geschickt ausgeklügelte Spiel, das sich die ewige Unheilbringerin ausgedacht und eingeleitet hatte, zog ihn in seinen Bann.

Björn Hellmark war von dem Gedanken besessen, Kaphoon einzuholen und zu töten.

Björn wusste nichts davon, dass zur gleichen Zeit, während er den Fliehenden jagte, sieben Reiter in der Gegenwart der Erde, in der dritten Dimension, Jim Conetti auflauerten und ihn umringten.

Er ahnte ebenfalls nichts davon, dass sich die Ereignisse hier in der Vergangenheit der Erde auf dem versunkenen Kontinent Xantilon abspielten und direkte Verbindung mit der Gegenwart, aus der er gekommen war, hatten.

Björn sah den Reiter, der sich fest in die Mähne seines weißen Pferdes klammerte, vor sich. Ständig verringerte sich der Abstand zwischen den beiden Männern, die sich ähnelten wie ein Ei dem anderen. Im Hintergrund zeichneten sich wie eine riesige, groteske Projektion die Umrisse der Hauptstadt des Grauens – Gigantopolis – ab.

Kaphoon warf einen erschreckten Blick auf die schemenhafte Stadt, die sich ihm darbot, als würde sie aus wirbelnden Nebeln langsam erst entstehen.

Dies war Apokalyptas Reich. In dieser Stadt war sie zu Hause, mit ihr untermauerte Apokalypta ihren Anspruch auf die Macht in diesem Teil Xantilons.

Kaphoon atmete schnell. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, und der junge Kämpfer, der aussah wie ein schöner Barbar, war in Schweiß gebadet. Über seinen Oberarm und seine Schultern lief Blut. Dort war er von Björn Hellmarks Waffe getroffen worden.

Was für ein Wahnwitz!

Kaphoon, der Sohn des Toten Gottes, der gekommen war, um Apokalypta zum Kampf zu stellen, wurde von jenem Mann empfindlich verletzt und in die Flucht geschlagen, der auf sein eigenes Leben hier in der Vergangenheit folgte.

Dabei wollten sie beide das gleiche. Den Einfluss der bösen Mächte eindämmen und zunichte machen. Es stand schlecht um Xantilon. Durch die Macht der schwarzen Priester, geführt durch den Obersten der Kaste, Molochos, stand das Land nahe vor dem Untergang. Es gab keine Stadt mehr, keinen Ort, wo nicht erbittert gekämpft wurde. Es war der Kampf zwischen Dämon und Mensch und zwischen den Menschen selbst, die überzeugt waren, auf der Seite der Dämonen kämpfen zu müssen. Viele taten es freiwillig, andere wurden gegen ihren Willen gezwungen.

Kaphoon sah den Mann, der eigentlich sein Freund hätte sein müssen, um ihn hier im Kampf gegen das Böse zu unterstützen, mit erschreckender Geschwindigkeit näherkommen. Durch die Verletzung wagte er es nicht, sich erneut seinem Gegner zu stellen. Kaphoons Atem flog. »Lauf, lauf, Anyxa!«, stieß er hervor. »Auf dich setze ich meine Hoffnung. Du musst es einfach schaffen ... lauf nicht nach Gigantopolis! Dort wird sie erreichen, was sie will ... die schreckliche Dämonin ist ganz nahe ihrem Ziel ... Lauf, Anyxa, lauf!«

Seine Stimme klang gebrochen und schwach. Der starke Blutverlust machte sich bemerkbar. Jeder Schritt, den Anyxa, die Schimmelstute, machte, wurde für Kaphoon zur Qual. Doch er hielt durch, biss die Zähne zusammen und forderte von seinem geschwächten Körper äußerste Kraft.

Mit leichtem Schenkeldruck war es ihm möglich, das kluge Tier auf das, was er wollte, aufmerksam zu machen. Immer wieder flüsterte er leise auf es ein, und es schien, als würde das Pferd die Ohren spitzen und genau zuhören. »Nicht nach Gigantopolis ... links, Anyxa ... lauf nach links ...«, flüsterte er unaufhörlich.

Fieberhaft warf er noch mal einen Blick zurück und musste zu seinem Erschrecken feststellen, dass sich der Abstand weiter verringert hatte. Hinter ihm folgte Björn Hellmark, der nur von dem Gedanken besessen war, seinen Feind auszumerzen, um Apokalypta den größten Gefallen ihres Lebens zu tun und schließlich an ihrer Seite in jener aus dem Nichts entstehenden Stadt zu herrschen.

Es passte genau zur Prophezeiung.

Die besagte, dass eines Tages einer kommen werde, der ihm ähnlich sehe wie ein Ei dem anderen. Sie würden wie Zwillinge sein, und doch bis auf den Tod verfeindet. Auch der Grund, weshalb jener andere kam, der ihm so ähnlich sah, war ihm klar. Doch darüber wollte er jetzt nicht nachdenken, weil unzählige andere Gedanken seinen Kopf erfüllten.

Anyxa reagierte!

Kaphoon nahm es nur schwach und benommen wahr. Er war schon zu erschöpft, um seine Umgebung und das, was sich wirklich ereignete, mit vollen Sinnen aufzunehmen.

Wie hinter wirbelnden, blutroten Nebeln gewahrte er die Umrisse von Gigantopolis, die sich schärfer aus dem Nichts heraushoben.

Anyxa jagte wie von Sinnen davon.

Das wellige, hügelige Land fiel sanft zum Meer hin ab. Eine frische Brise wehte dem Erschöpften in das heiße, fiebrige Gesicht. Unwillkürlich und ohne dass es ihm bewusst wurde, öffnete er den Mund und atmete gierig die klare Luft.

Anyxa schlug Haken wie ein Hase. Selbst jetzt, trotz dieses hohen Tempos, waren die Kräfte der Stute kaum in Mitleidenschaft gezogen.

»Halte durch ...«, stieß Kaphoon heiser hervor. »Du weißt, worauf's ankommt ... führe mich weg aus dieser Gefahr. Lauf, Anyxa, lauf!«

Anyxa war auf den Tonfall dieser Worte dressiert. Nur im Augenblick höchster Gefahr, und wenn Kaphoon keinen Ausweg mehr aus einer Situation kannte, machte er davon Gebrauch.

Es klang wie eine Beschwörung.

Hinter dem hohen Hügel begann eine beinahe liebliche Landschaft. Sie wirkte unberührt und verträumt. Bäume bildeten eine regelrechte naturgewachsene Mauer.

Kaphoon klammerte sich an die Mähne und presste seine Schenkel, so gut es ging, gegen den warmen Leib des Tieres. Anyxa lief in die Wand aus Blättern hinein. Die weichen Äste gaben wie eine Wand aus Gummi nach.

Das Blattwerk berührte seinen Körper wie streichelnde Hände. Kaphoon kämpfte gegen die Ohnmacht, die ihn zu besiegen drohte. Er war zu schwach, um Anyxa noch jene Worte zuzuflüstern, die den Lauf und die Richtung des Pferdes bestimmten.

Wo Anyxa die niedrigen Stauden niedertrampelte, richteten sie sich Sekunden später zu voller Größe und unbeschädigt wieder auf. Diese besondere Art Pflanzen kam ihrem Vorhaben entgegen. Dies war mit ein Grund, weshalb sich Kaphoon in diesem Winkel der Insel, nahe der Burg, die von Apokalypta im Handstreich erobert worden war, ein bisher unentdecktes Versteck geschaffen hatte.

Doch Björn Hellmark war ihm auf den Fersen. Und dieser tapfere, mutige Mann, dem man nicht verübeln konnte, dass er durch seine Verblendung, durch die Irreführung, in ihm den Todfeind sah, erkannte seinen Fluchtweg.

Anyxa jagte unter den tiefhängenden Zweigen und Ästen hindurch, kam auf eine Lichtung und verschwand hinter zwei nur wenige Meter hohen Hügeln, die so rund, so gleichmäßig waren, dass man meinen mochte, sie wären von der Künstlerhand eines Riesen gestaltet.

In gestrecktem Galopp galoppierte das weiße Pferd in die Talsenke jenseits der Hügel.

Ein leises Gurgeln wurde hörbar.

Hinter einer Baumreihe, die so gleichmäßig war, als habe einst ein Gärtner jeden einzelnen Stamm gesetzt, plätscherte ein Bach den sanften Abhang hinab. Es war keiner, der einer Quelle der großen Felsen entsprang, die wie Fremdkörper kahl und glatt aus dem Boden wuchsen, sondern aus einer höher gelegenen Mulde stammte, in der ein nur handbreiter Riss vorhanden war. Aus diesem ergoss sich ständig Wasser über die Felswand nach unten, über vorspringende Steine, und wurde schließlich zu einem murmelnden, rasch fließenden Bach, in dem sich buntschillernde Fische und sonstiges kleineres Wassergetier tummelte. Ein schmaler, steiniger Pfad führte links um den Felsen herum und ging steil aufwärts.

Anyxa jagte den Pfad hoch. Das riesige Felsengebilde, von dem es mehrere in dieser Gegend, nahe einer Bucht gab, war Kaphoons Versteck und Zufluchtsort.

Zwischen dem Plateau und dem Wasserfall, der sanft und gleichmäßig aus der Höhe plätscherte, befand sich ein breiter wassergefüllter Graben, der unmöglich auf einfache Weise zu überwinden war.

Selbst Anyxas Sprungkraft reichte nicht aus, dies zu vollbringen. Die Stute stoppte ihren Lauf und drückte mit ihren Nüstern auf einen bestimmten Felsteil, der sich in Augenhöhe links neben ihr befand. Wie Stempel drückten sich große dunkle Felsenflächen aus der Tiefe und bildeten eine mehrfach unterbrochene Brücke, die von diesseits bis jenseits des Grabens reichte. Noch ehe sich der Untergrund völlig hervorgehoben hatte, lief Anyxa schon über den Rand des Grabens und benutzte geschickt die ovalen Felsenstempel, um auf die andere Seite zu gelangen.

Der Wechsel währte nur wenige Augenblicke.

An der gegenüberliegenden Felswand, direkt neben dem Wasserfall, angekommen, wandte das Pferd ruckartig den Kopf und stieß mit dem Maul, ebenfalls in Augenhöhe, gegen den Felsen.

Die Felsbrocken im Wassergraben sanken wieder lautlos in die Tiefe.

Anyxa trabte um den Felsvorsprung herum, während Kaphoon schon bedrohlich an ihrer Seite hing.

Halb ohnmächtig krallte er sich instinktiv in Anyxas Mähne, um einen Sturz zu verhindern.

Da tauchte die Schimmelstute in den Wasservorhang ein und verschwand dahinter. Durch den Druck der herabfließenden Fluten wurde Kaphoon förmlich vom Rücken der Stute gespült und stürzte jenseits des Wasserfalls zu Boden.

Anyxa blieb wie versteinert neben dem blonden, bewusstlosen Mann stehen, senkte den Kopf und blickte mit traurigen Augen auf den Reglosen zu ihren Füßen.

Draußen in der Senke zwischen den beiden gleichartig geformten Hügeln tauchte Björn Hellmark auf. Aufmerksam blickte er sich um. Außer dem Sprudeln des Wassers lag kein weiteres Geräusch in der Luft. Doch ... aus der Ferne näherte sich Pferdegetrappel!

Gleich darauf tauchten Apokalypta und Tantor, ihr Berater, auf.

Gemeinsam durchsuchten sie die Ebene und die Umgebung der Hügel.

Apokalypta winkte ab. »Da hinauf wird er sich in seinem Zustand wohl nicht gewagt haben!«

»Da hast du recht, Herrin«, sagte Tantor. »Er muss sich irgendwo hinter den Büschen, Bäumen oder Hügeln verbergen.«

Also suchten sie dort weiter. Aber ihr Bemühen blieb ergebnislos. Kaphoon war verschwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst.

»Vielleicht schlägt er mich mit meinen eigenen Waffen«, bemerkte Apokalypta leise, ohne weiter darauf einzugehen. »Aber damit wird er nicht weit kommen. Wir werden ihn schon noch finden. Wenn nicht jetzt, dann eben später.«

Sie lenkte ihre Gedanken auf Björn Hellmark. Auf dich kann ich mich verlassen, Geliebter. Du hast mir doch versprochen, mir seine Leiche zu Füßen zu legen.

Björn Hellmark lenkte sein Pferd in ihre Richtung und nickte. Noch einmal blickte sich Apokalypta in der Runde um und ließ ihre Augen über die scheinbar endlos wirkende Bucht schweifen. Dann verließen sie das kleine Land hinter den Hügeln und ritten hinaus in die freie Ebene, wo sich Gigantopolis inzwischen materialisiert hatte.

Gewaltig und unüberschaubar in ihrer Ausdehnung breitete sich die rätselhafte Stadt vor ihnen aus. Ein gleißender Schimmer lag um ihre Türme, gewundenen Brücken und spiralförmigen Aufgänge, die sich an den säulenartigen Gebäuden emporrankten. Die Türme standen so dicht beieinander, dass es unmöglich war, zu erkennen, ob es sich um einzelne Gebilde handelte.

Ein geheimnisvolles Raunen und seltsame Töne drangen aus Gigantopolis den drei Reitern entgegen. Die Stadt war zwar völlig materialisiert, vermittelte aber doch den Eindruck, als läge ein seltsames Glimmen über ihr und als würde sie gleich wieder in der Welt des Unsichtbaren, aus der sie gekommen war, verschwinden.

Björn Hellmark blieb eine Pferdelänge hinter Apokalypta. Tantor und die Dämonin ritten nebeneinander zu einem der Eingänge.

»Mir gefällt das Spiel nicht, das du eingeleitet hast«, sagte Tantor. Sie lachte leise, und es hörte sich an wie das Gurren einer Taube.

»Deine Zweifel sind nicht gerechtfertigt, Tantor. Ich habe mir seinen Untergang genau vorgestellt.«

»Lass es nicht zu deinem werden, Apokalypta!«

»Du siehst die Dinge zu schwarz.«

»Ich mache mir Sorgen!«

»Das brauchst du nicht, Tantor. Ich weiß genau, was ich tue. Dieser Mann wird an meiner Seite herrschen, und er wird genau das Gegenteil von dem tun, was er sich ursprünglich vorgenommen hat. Es gibt Mittel, auch solche von dem Weg abzubringen, den sie meinen, gehen zu müssen!«

»Nicht bei ihm, Apokalypta.«