Macabros 058: Das Zauberpergament - Dan Shocker - E-Book

Macabros 058: Das Zauberpergament E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Das Zauber-Pergament Drudans Geheimnis wurde gelüftet, und Björn und seine Freunde haben ein Vermächtnis mitgebracht: Den Hinweis auf ein Pergament, mit dem es möglich sein soll, die schreckliche Dämonengöttin Rha-Ta-N my zu besiegen! Noch nie war die Chance so groß. Doch wo befindet sich das Zauber-Pergament! Björn, Carminia und Doc Shadow gehen getrennte Weg, um das Pergament zu finden. Unglaubliche Abenteuer und Gefahren warten auf sie, denn Rha-Ta-N my ist nicht bereit, sich in die Karten schauen zu lassen! Sie ergreift persönlich die Initiative … Bald steht Björn seiner Todfeindin gegenüber, doch er kann sie nicht erkennen. Er vertraut ihr ...

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DAN SHOCKERS MACABROS

BAND 58

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Titelbildgestaltung: Mark Freier

Fachberatung: Gottfried Marbler

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-95719-758-0

Dan Shockers Macabros Band 58

DAS ZAUBERPERGAMENT

Mystery-Thriller

Das Zauberpergament

von

Dan Shocker

Prolog

Er hatte eine Stellung inne, die ihn jederzeit in die Lage versetzte, freie Entscheidungen zu fällen und über andere zu bestimmen. Roger Capsul war ein ehrgeiziger Politiker, Senator für seine Partei und verfügte über die denkbar besten Kontakte und Verbindungen zu Leuten, die etwas in Bewegung setzen konnten, wenn sie sich das vornahmen.

Dazu gehörte Geld, und daran mangelte es Capsul nicht. Er besaß Aktienpakete mehrerer großer und expandierender Firmen, und ihm gehörte außerdem eine riesige Ranch im Süden, die er verpachtet hatte und großen Gewinn erwirtschaftete.

Doch das allein war es nicht, das ihn unabhängig machte. Da war noch etwas anderes, und das machte ihn gefährlich, gleich einer Zeitbombe, die jederzeit explodieren konnte.

Roger Capsul war kein wirklicher Mensch. Der zweiundfünfzigjährige, Vertrauen erweckende und freundlich wirkende Politiker war ein Mann mit einer Omega-Seele. Das bedeutete, dass der Mensch Roger Capsul, der vor zweiundfünfzig Jahren geboren wurde, nur noch die äußere Hülle lieferte. Die Seele und der Geist des Neugeborenen waren damals durch eine Omega-Seele ausgetauscht worden.

Es gab viele Omega-Menschen auf der Welt. Sie hatten ein kollektives Bewusstsein und wussten, dass sie diejenigen sein würden, die einst zusammen mit einer Mächtigen aus dem Reich der Finsternis die unterworfene, ins Chaos gestürzte Welt erben würden.

Daran arbeiteten die Eindringlinge eines dämonischen Planeten. Stets war es ihr Ziel gewesen, die Zahl der Omega-Seelen auf der Erde zu vergrößern, und Tag für Tag waren neue von einer fernen Welt hier eingetroffen und hatten von den Körpern Neugeborener Besitz ergriffen. Sie wuchsen unerkannt und bestens getarnt als Menschen unter Menschen auf.

Seit Jahrhunderten funktionierte dieses Austauschsystem. Erst waren es einzelne Seelen, dann hundert, dann tausend. Inzwischen lebten die Menschen mit den Omega-Seelen überall auf der Welt verteilt, zum Teil in hervorragenden Schlüsselpositionen.

War in der Vergangenheit durch Krankheit oder Unfall oder Altersschwäche ein Mensch mit einer Omega-Seele gestorben, dann war der Körper für den Eindringling unbrauchbar geworden. Die Seele suchte sich einen neuen Wirtskörper und hatte auf diese Weise auch gelernt, sich Schichten auszusuchen, die in die Geschicke besser eingreifen konnten als gesellschaftlich unwichtigere Gruppen.

Die Menschen mit den Omega-Seelen unterstützten die Dämonengöttin Rha-Ta-N'my und waren Teil ihrer Strategie gegen das Leben, das sich auf der Erde entwickelt und ausgebreitet hatte.

Lange Zeit konnten die Omegas unbeeinflusst und unerkannt ihre Pläne verwirklichen. Nun war das schlagartig anders geworden.

Die Menschen mit den Omega-Seelen waren erkannt. Es gab einen Mann namens Björn Hellmark. Er war der Todfeind der Mächte der Finsternis. Er arbeitete mit einem unsichtbaren Geist zusammen. Das war Doc Shadow. Und Shadow hatte die Gabe, Omegas aufzuspüren.

Durch Hellmarks letzten Erfolg war Unruhe in die Reihen der Eindringlinge mit den Menschenkörpern gekommen. Sie konnten erkannt und entdeckt werden. Hellmark hatte es geschafft, die Träume Drudans zu unterbrechen und damit das Eindringen weiterer Omega-Seelen auf die Erde zu verhindern. Der Turm auf der Welt Okk, wo die Seelen entstanden, war unbrauchbar.

Die Unruhe in den Reihen der Omegas war beachtlich, und jeder war informiert. Roger Capsul war einer der Großen in ihren Reihen. So kam es, dass in dieser Nacht der Ruf an ihn erging.

Er hörte im Schlaf eine Stimme.

»Du bist mein Diener. Ich brauche dich, und du wirst mir gehorchen.«

Es war eine kalte, unpersönliche Stimme.

»Ich will, dass Björn Hellmark, der Herr der unsichtbaren Insel Marlos und der Mann, der an zwei Orten gleichzeitig sein kann, vernichtet wird. Setzt alles ein, was ihr habt! Ich werde euch meinen Plan unterbreiten und bei euch sein. Von Hellmark und seinen Begleitern darf keiner am Leben bleiben. Und wir werden es schaffen, so wahr ich Rha-Ta-N'my, die Göttin der Dämonen bin!«

1. Kapitel

Der Mann, von dem in diesem Moment die Rede war, hielt sich zur gleichen Zeit in der Geisterhöhle von Marlos auf.

Dies war sein Refugium, hier schöpfte er Kraft nach anstrengenden Kämpfen und Einsätzen, hier bewahrte er seine Trophäen auf, die er bei seinen außergewöhnlichen Abenteuern in verschiedenen Zeiten und Dimensionen errungen hatte.

Die Geisterhöhle war ein besonderer Ort. Geheimnisvoller Schein tauchte sie in geisterhaftes Zwielicht und verstärkte dadurch den Eindruck des Ungewöhnlichen und Einmaligen dieses Ortes. Mittelpunkt der Höhle war eine sich pyramidenförmig nach oben hin verjüngende Treppe, auf der in regelmäßigen Abständen steinerne Throne standen. Auf jedem Thron saß ein Skelett, in ein farbenprächtiges Gewand gehüllt. Hierher hatten sich seinerzeit die Weisen und Priester des bedrohten Urkontinents Xantilon zurückgezogen, als sie erkannten, dass es für die Insel keine Rettung mehr gab. Sie nahmen Kenntnisse mit, in der Hoffnung, sie weitergeben zu können an den Mann, der einst auf Xantilon lebte und wiedergeboren werden würde. Für ihn waren die Informationen gespeichert. Dieser Mann war Björn Hellmark.

Durch eine Kette unglücklicher Umstände und hektischer Aktivitäten mächtiger Feinde war Björn Hellmark nur bruchstückhaft in den Besitz des Wissens gekommen. Damals, als die unsichtbare Insel und mit ihr die Geisterhöhle auftauchte, erfuhr er zum ersten Mal in aller Deutlichkeit, wer seine Feinde wirklich waren und was sie von ihm wollten.

Von diesem Moment an musste er sich weitere Informationen hart erkämpfen und hatte heute einen Überblick über die Mächte der Finsternis, über den Aufbau und die Strategie der Dämonenhierarchie wie kein anderer auf der Welt.

Seit dem letzten Abenteuer aber glaubte er, seinem Ziel, die Dämonengöttin Rha-Ta-N'my zu vernichten, die die Erde in Besitz nehmen wollte und schon viele Brückenköpfe – sichtbare wie unsichtbare – errichtet hatte, einen Schritt näher gekommen zu sein.

Die Unheimliche mit den tausend Gesichtern, die überall und nirgends war, musste irgendwann in ihrem Dasein eine Schwäche gezeigt haben. Oder einer, der wie er die Göttin der Dämonen jagte, war hinter ihr Geheimnis gekommen.

Der Gedanke kam ihm ganz plötzlich, und er elektrisierte ihn.

»Al Nafuur!«, flüsterte er unwillkürlich und schickte seinen Geist weit über die Grenzen der Höhle und der etwa vierzig Quadratmeter großen Insel hinaus.

Er rief nach einem Freund, dem er viel verdankte, und der ihm in der Vergangenheit immer wieder wertvolle Hinweise geben konnte. Gerade der letzte Kontakt, der nach langer Pause zustande kam, zeigte, dass wieder etwas in Bewegung geraten war.

Al Nafuur! Diesmal sprach der große; blonde Mann mit dem braun gebrannten Gesicht den Namen des Toten im Zwischenreich nicht aus, sondern dachte ihn nur intensiv. Irgendwann in der Vergangenheit wusste jemand einen Weg. Vor seinem geistigen Auge erstand noch einmal der brüchige Stein, der die Form eines Pergaments hatte und in dem eine rätselhafte Inschrift eingekerbt war. In dem Moment, als er sie vorlas, um auch seinem Freund Rani Mahay davon Kenntnis zu geben, war der Stein zerfallen und die Inschrift vergangen.

Aber Björn Hellmark hatte sie sich genau eingeprägt und nach seiner Rückkehr auf die Insel sofort eine Zeichnung angefertigt, um das Aussehen und die Form des Reliktes festzuhalten.

Ganz bewusst gab Björn Hellmark auch jetzt in Gedanken das Aussehen dieses Steines und den Text weiter, den er darin gefunden hatte.

Rha-Ta-N'my, auch du bist zu besiegen! Wenn der, der dich bekämpfen will, das Pergament findet, weist das auf einen Wissenden hin, Al Nafuur. Ist dir etwas über die Identität dieser Person bekannt? Kannst du mich hören?

Ja, ich kann dich hören, Björn. Deutlich vernahm er die Stimme seines Geistführers im Bewusstsein. Der telepathische Kontakt ins Zwischenreich, in dem der Geist des Zauberpriesters von Xantilon herrschte, klappte hervorragend. Und es ist mir möglich, mit dir frei und gefahrlos zu sprechen. Deine Überlegungen sind folgerichtig. Es muss einen gegeben haben, der in der alten Schrift Xantilons die Botschaft in Stein meißelte, eine Botschaft, die weder durch Drudans Träume noch durch Rha-Ta-N'mys Aktivitäten auf der Erde und in jener Dimension ausgelöscht werden konnte. Sie erlosch erst, als einer sie las, der damit etwas anfangen konnte. Es war so etwas wie Magie, das sich hier gezeigt hat.

Dann war es also ein Magier, der von Rha-Ta-N'my wusste?, dachte Björn angestrengt.

Vielleicht, antwortete die Stimme in seinem Bewusstsein. Über den, der die Botschaft einst schuf, weiß ich nichts. Aber vielleicht, Björn, sollte man den Ort, wo du sie gefunden hast, noch einmal unter die Lupe nehmen.

Genau das hatte ich vor. Es scheint, bei diesen Gedanken lächelte Hellmark abwesend, während sein Blick sich in unbestimmbarer Ferne verlor, als würdest du genau erkennen, was in mir vorgeht.

Irgendwoher, klang es todernst in ihm, muss ich meine Informationen ja haben.

In den Gesprächen, die sich lautlos in seinem Kopf abspielten und von denen niemand, auch seine besten Freunde nicht, etwas mitbekommen konnten, hatte sich stets gezeigt, dass Al Nafuur eine recht heitere Person war, die sich zu manch scherzhafter Bemerkung hinreißen ließ.

Dann kannst du mir vielleicht auch sagen, alter Freund, was sonst noch in mir vorgeht?

Klar, Björn. Der Begriff Pergament müsste eindeutig geklärt sein. Man müsste versuchen, so schnell wie möglich herauszufinden, was der andere damit gemeint hat.

Normalerweise gibt es mit einem solchen Wort keine Schwierigkeiten, Al: Ein Pergament ist ein Pergament!

Du aber hast einen Stein gefunden, der wie ein Pergament geformt war. Vielleicht ein versteinertes Pergament?

Das war ein Widerspruch an sich, aber Hellmark hatte im Verlauf vieler Abenteuer die Erfahrung gemacht, dass nicht immer alles so war, wie es zu sein schien. Wo Geister und Dämonen, wo Wesen der Finsternis und solche aus anderen Dimensionen ihre Hände im Spiel hatten, standen die Naturgesetze auf dem Kopf.

Vielleicht gehört die Botschaft auch mit zu Drudans Träumen, dachte Björn. Oder die Stelle, an der ich die Botschaft gefunden habe, enthält noch mehr, als wir alle vielleicht darin gesehen haben.

Der Stein war ein Wegweiser.

Ein Wegweiser zum Pergament. Aber ein Wegweiser gibt für gewöhnlich die Richtung an. Björn Hellmarks Unruhe wuchs. Dann fehlt noch etwas ...

... das du möglicherweise an Ort und Stelle findest. Schnelle Entschlüsse sind immer gut. Aber pass auf! Deine Gegner sind gewarnt, und sie wissen, dass du einer Lösung nahe bist. Bisher haben sich die Omegas zurückgehalten. Du bist eine Gefahr für sie. Das bedeutet, dass sie alles daransetzen werden, dich zu Fall zu bringen. Sie sind Rha-Ta-N'mys mächtigste Verbündete auf der Erde. Sie haben alles zu verlieren, wenn es dir gelingen sollte, das Pergament zu finden und sein Geheimnis zu entschleiern. Also werden sie alles riskieren.

Die letzten Worte empfing er schon schwächer, und das war stets ein Zeichen dafür, dass die Verbindung zu seinem Geistführer abbrach. Welche Umstände dafür stets im Einzelnen verantwortlich zu machen waren, wusste niemand genau. Fest stand lediglich, dass Al Nafuur eine feine Antenne für Gefahren hatte. Sobald er Anlass hatte zu glauben, dass Dämonische ihn orten konnten, brach er die Verbindung ab und sprach auf keinen geistigen Ruf mehr an.

Björn Hellmark erhob sich vom Thron. Er stand auf dem obersten Ende der Treppenpyramide. Im Sockel war groß sein Name eingemeißelt.

Er hatte den Thron genau so vorgefunden. Die Weisen und Priester von damals schienen durch einen Blick in die Zukunft bereits erfahren zu haben, wie einst der Mann heißen würde, der das Vermächtnis von Marlos übernahm. Vielleicht wäre ihm damals, als die Insel auftauchte, auch mehr über die Dämonischen und deren Welten mitgeteilt worden, wenn er nur rechtzeitig hätte eintreffen können. Doch das Verlorene von damals war nicht mehr nachzuholen. Er musste neue Wege gehen und versuchen, dort Fuß zu fassen.

Zwischen den prächtig gekleideten Skeletten, deren farbenfrohe Gewänder auf den Schultern mit großen Goldspangen gehalten wurden, schritt er nachdenklich in die Tiefe. An der Wand vor ihm stand ein mannshoher Spiegel mit einem alten schwarzen Rahmen. Die Spiegelfläche war zur Hälfte mit einem roten Tuch abgedeckt. Das war der Spiegel der Kiuna Macgullyghosh. Vor einiger Zeit war er sein Eigentum geworden. Lange Zeit hatte er ihn danach nicht mehr eingesetzt, bis er vor wenigen Stunden zu einer Lebensnotwendigkeit in einem erfolgreichen Unternehmen geworden war.

Nun würde er ihn wieder brauchen. Mit dem Spiegel war es möglich, in jene Dimensionen einzudringen, in der sich möglicherweise noch ein weiterer Hinweis auf das Pergament befand, den er vielleicht übersehen hatte.

Vor der untersten Stufe blieb er stehen und warf einen Blick zurück auf den Thron, der als einziger nicht von einem Skelett besetzt war. Auf diesen Thron, so die Prophezeiung und Überlieferung, würde er sich einst zum Sterben zurückziehen. Damit würde sich die Geisterhöhle schließen und für alle Zeiten ihr Geheimnis wahren.

Als Björn nach oben sah, wurde ihm unbehaglich zumute. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass er an einer Grenze angelangt war, dass er von dem Abenteuer, das er einzuleiten gedachte, nicht mehr lebend zurückkehren würde.

Björn verließ die Geisterhöhle in Eile. Unweit der felsigen Landzunge begann der weiße, weiche Sandstrand von Marlos, der sich wie ein Ring um die gesamte paradiesische Insel zog. Weiter vom hinter den himmelhoch ragenden Palmen lagen in mehreren Reihen die Blockhütten. Es waren die einzigen Behausungen auf Marlos, die jedoch ständig erweitert wurden. Besonders Pepe und Jim, der Guuf, hatten sich während der letzten Zeit beim Bau weiterer Hütten hervorgetan. Sie nutzten die Zeit, in der Hellmark und seine Freunde sich nicht auf der Insel aufhielten und machten sich nützlich.

Blobb-Blobb, der kleinste und frechste Marlos-Bewohner, unterstützte sie dabei. Der Winzling war drei Zentimeter groß, hatte Arme und Beine wie ein Mensch und einen Kopf, der dicke, runde Glupschaugen aufwies und ihm gewisse Ähnlichkeit mit einer Schildkröte gab. Mitten auf der Schulter wuchsen hauchdünne, winzige Flügel, mit denen er sich pfeilschnell wie eine Biene bewegen konnte. Dass dieser kleine Kerl in der Lage war, ausgewachsene Baumstämme zu schälen und in gleich große Teile zu zerlegen, hing mit den elf winzigen Punkten zusammen, die auf seinem kahlen Köpfchen wuchsen. Er konnte sie ausfahren wie Fühler. Es waren sogenannte Para-Antennen, mit denen er eine Reihe übersinnlicher Aktivitäten entfalten konnte. Ohne Hand anzulegen wurden dann Baumstämme gefällt oder geschält, ohne Hand anzulegen wurden sie Dank Blobb-Blobbs Hilfe über größere Entfernungen transportiert. Sie schwebten lautlos durch die Luft.

So auch jetzt wieder. Auf halbem Weg zurück zur Siedlung glitten zwei Baumstämme durch die Luft, kreisten über Hellmark und senkten sich dann abrupt bedrohlich tiefer.

Instinktiv zog Björn den Kopf ein und hielt Ausschau nach Blobb-Blobb. Der Herr von Marlos wusste nur zu gut, dass der Winzling jederzeit zu einem Schabernack aufgelegt war und oft die Gefahr manchen Unsinns in seiner Unerfahrenheit gar nicht einzuschätzen wusste.

Hellmark begann zu laufen. Im Tiefflug kamen die beiden geschälten Stämme heran. Björn fühlte den Luftzug über seinem Haupt.

»Blobb-Blobb!«, rief Hellmark mit scharfer Stimme und blickte sich nervös um. Er vermutete Blobb-Blobb auf einem der Stämme, vielleicht nach vorn geduckt, die Ohren angelegt, weil er mal wieder Rakete spielte.

Aber da war niemand.

Die beiden riesigen Stämme sausten immer schneller werdend durch die Luft.

»Blobb-Blobb! Wo bist du?«

Was der kleine Kerl mit ihm anstellte, ging über einen Schabernack hinaus. Die beiden mächtigen Stämme schlugen zusammen, und das dumpfe Dröhnen setzte sich in der Luft fort.

Hellmark schlug einen Haken und warf sich in einen Busch mit großen roten Hibiskusblüten. Er hätte keine Sekunde später reagieren dürfen. Die beiden Baumstämme jagten in eineinhalb Metern Höhe über ihn hinweg und hätten ihn voll getroffen.

»Heh, Björn!«, rief da aus dem wackelnden Busch eine fröhliche Stimme. Aus einer Blüte kroch der Winzling, zwei seiner Fühler zitterten. Vor Aufregung, wie es schien.

»Was machst du denn bloß für einen Krach?«, beschwerte sich Blobb-Blobb und rieb die Augen.

»Ich habe nach Hilfe gerufen, bevor du mir den Kopf abrasiert hättest.«

»Ach du lieber Himmel! Die Baumstämme!« Er fasste sich an die Stirn und blitzschnell ruckte ein dritter Fühler aus seinem kleinen kahlen Kopf.

Unsichtbare Kraftströme erreichten die beiden mächtigen Stämme, deren Fluglage sich sofort stabilisierte. Sanft schwebten sie auf die Erde hinab und blieben rund zwanzig Schritte hinter der Ansammlung von Hibiskussträuchern liegen.

»Was ist denn los mit dir?«, fragte Hellmark. »Warum lässt du die Dinger auf mich los?«

»Ich konnte nicht wissen, dass du hier spazieren gehst«, erwiderte der Kleine betroffen und sah erschrocken drein. »Wir machten gerade einen Test.«

»Einen Test?« Björn richtete sich zu voller Größe auf. »Was für einen Test?«

Blobb-Blobb druckste herum. »Pepe und Jim, ich hab mit ihnen gewettet, dass ich es schaffe – nach der vielen Übung, die ich schon hinter mir hatte – die Stämme gewissermaßen wie im Schlaf an Ort und Stelle zu bringen. ›Das schafft Blobb-Blobb im Schlaf‹, hat Pepe stets gesagt.«

Björn Hellmark schloss einen Moment die Augen, öffnete sie dann wieder und kam auf die Blüte zu, in der Blobb-Blobb wie ein Häufchen Elend hockte. Er war blass um die Nase. Es schien ihm bewusst geworden zu sein, dass es um Haaresbreite zu einem Unglück gekommen wäre. Aber dann hellte sich seine Miene auch schon wieder auf.

»Doch dir wäre schon nichts geschehen«, krähte er dann fröhlich. »Wenn hier auf Marlos mal eine kritische Situation eintritt, dann kann sich jeder an einen anderen Ort versetzen, und schon ist die Gefahr gebannt.«

»Hier auf Marlos, Blobb-Blobb, hat es keine kritischen Situationen zu geben. Das nächste Mal werden die Bauarbeiten nicht wie im Schlaf erledigt, sondern bewusst ausgeführt. Alles klar?«

»Alles klar, Käpt'n!« Blobb-Blobb stand stramm und legte die Rechte zum militärisch knappen Gruß an die Schläfe. Dann turnte er über die Hibiskusblüten, fasste die beiden zu Boden gekommenen Stämme wieder fest ins Auge und lenkte die unsichtbaren Kräfte auf die Objekte.

Wie von Geisterhand bewegt erhoben sich die beiden Stämme in ihrer ganzen Länge und schwebten sanft empor. Blobb-Blobb begann leise eine Melodie zu pfeifen, und sein Gesicht nahm einen verklärten Ausdruck an.

»Schwebt davon ... langsam davon«, murmelte er. »Und kommt nicht auf die Idee, euch wieder selbstständig zu machen. Schön langsam ...«

Björn Hellmark lächelte verschmitzt vor sich hin und setzte seinen Weg fort.

In sicherem Abstand glitten die beiden Stämme neben ihm durch die Luft. Blobb-Blobb konnte es aber nicht unterlassen, sie ständig auf und nieder schweben zu lassen, sodass sie – genau seiner gepfiffenen Melodie entsprechend – eine tanzende Bewegung vollführten. Die schwebenden Stämme entfernten sich dann nach rechts, während Hellmark zum Mittelpunkt der Blockhüttensiedlung strebte.

Rani Mahay, damit beschäftigt ein Netz zu flicken, blickte auf, als sein Freund Björn Hellmark erschien.

Carminia Brado, die rassige Brasilianerin, kam aus der Hütte und ging ihm entgegen.

»Hast du eine Entscheidung gefällt, einen Weg gefunden?«, fragte sie den großen; blonden Mann leise. Sie wusste, dass Björn nach seiner Rückkehr aus der anderen Dimension eine Möglichkeit suchte, das geheimnisvolle Pergament zu finden.

»Wir müssen noch mal zurück, Schoko«, sprach er die Fragerin an.

»In das Land des Träumers Drudan?«

Er nickte. »Vielleicht hatten wir es nach dem Erfolg zu eilig, von dort weg zu kommen. Aber bei näherem Hinsehen kommt mir in den Sinn, dass es besser gewesen wäre, weiter zu suchen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dort, wo die Botschaft im Stein entdeckt wurde, noch mehr zu finden ist.«

»Dann muss es in der Vergangenheit schon einmal jemanden gegeben haben, der über die Dämonengöttin Bescheid wusste und einen Weg entdeckte, um ihr beizukommen. Aber aus irgendeinem Grund hat er dann sein Vorhaben nicht in die Tat umsetzen können.«

»Du sprichst mir aus der Seele, Schoko.«