Macabros 062: Die Qualligen (Mirakel 04) - Dan Shocker - E-Book

Macabros 062: Die Qualligen (Mirakel 04) E-Book

Dan Shocker

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Beschreibung

Ein Mann begegnet nach Jahrzehnten seinem toten Freund. Mehrere Gäste einer Westernparty bekommen es mit einem Schlossgeist zu tun, und ein Medium wird ins Geisterreich entführt. Frank Morell, alias Mirakel, versucht der jungen Frau zu helfen - und findet seinen Tod!

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Band 62

Dan Shocker

DIE QUALLIGEN

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Titelbildgestaltung: Mark Freier

Illustration: www.ralph-kretschmann.de

Fachberatung: Gottfried Marbler

Satz: Winfried Brand

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-95719-762-7

Sie war nervös und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Die aber rauchte sie nicht mal bis zum Ende, sondern drückte sie schon nach der Hälfte wieder aus. Der Ascher war überfüllt von stinkenden und qualmenden Kippen. In der rosa und hellblau eingerichteten Wohnung der Pariser Chansonnette Françoise Value herrschte Unordnung. Das Bett war zerwühlt, Kissen lagen auf dem Boden, zerfledderte Zeitschriften auf dem Sofa und den verschiedenen Sesseln.

Françoise Value bemerkte diese Unordnung längst nicht mehr und achtete nicht darauf. Vor einem halben Jahr noch hätte sie jede herumliegende Zeitschrift, jedes schief an der Wand hängende Bild, jedes zerdrückte Kissen auf dem Sofa gestört. Heute machte ihr das nichts mehr aus.

Françoise Value, sechsundzwanzig Jahre alt, eine dunkelhaarige, rassige Frau von graziler Gestalt, mit hellem Teint, der ihrem Gesicht die Zerbrechlichkeit chinesischen Porzellans verlieh, hatte sich verändert. Ihre Übererregbarkeit, ihre ständige Unruhe, ihre Gefühlswallungen waren ihren engsten Freunden schon seit einiger Zeit bekannt, nun bekamen es auch die zu spüren, die weniger oft mit ihr zusammentrafen.

Unruhig ging Françoise in ihrem Appartement auf und ab. „Wenn er nur endlich käme“, flüsterte sie im Selbstgespräch. „Er weiß doch genau, dass ich den Stoff brauche. Er weiß es doch …“ Sie nagte an ihren Lippen, bis die Zahnabdrücke schließlich zu sehen waren. Sie ging an das Fenster, weil es ihr plötzlich heiß wurde. Mit zitternden Händen öffnete sie es.

Die Dunkelheit lag wie ein schwerer Mantel über der Stadt. Leichter Nebel wallte über die Dächer von Paris, und schemenhaft verwaschene Lichthöfe schimmerten durch. Das waren die Lichter der mit einem Mal so fern wirkenden Straßenlaternen.

Françoise atmete unruhig und flach. Die Atmosphäre über der Stadt an der Seine kam ihr fremdartig und bedrückend vor. Es lag etwas in der Luft, etwas Unheilvolles, Lauerndes, das ihr Angst machte.

„Ich brauch den Stoff“, murmelte sie. „Ich werd sonst verrückt …“

Für einige Sekunden lang wurde ihr bewusst, dass sie die Angst selbst erzeugte und auf ihre Umgebung projizierte. Sie befand sich in einem Zustand höchster Erregung und kam sich wie eingesperrt in ihrem Körper vor. Das waren die typischen Gefühle, die in der letzten Zeit in immer kürzeren Abständen auftraten. Rauschgiftsüchtig …

„Pierre … so beeil dich doch, mein Gott, komm doch endlich!“ Sie raufte sich mit ihren zitternden Händen die Haare und hatte das Gefühl, laut schreien zu müssen. Aber die Angst war nicht nur innerlich. In der Tat kam sie auch von außen, aus der Luft, aus dem bleischweren Himmel über der Stadt. Viele Menschen klagten an diesem Tag über Kopfschmerzen, über Schwindelgefühle, Schwächeanfälle und Herzbeschwerden. Es liegt am Wetter, sagten die meisten. Ein warmes Tiefdruckgebiet lag über dem französischen Festland.

Françoise versuchte tief und ruhig durchzuatmen. Ihr Herz pochte unregelmäßig, ihr Puls war flach.

Ein Blitz spaltete den regenverhangenen, schwarzgrauen Himmel vor ihr. Wie ein plötzlich aufleuchtendes, glühendes Schwert tauchte er vor ihr auf. Mit einem Aufschrei warf sich Françoise herum, lief erschrocken in das altrosa und hellblau eingerichtete Wohnzimmer zurück, stolperte und fiel zu Boden. Der Blitz erlosch. Es folgte kein Donner nach. Die unheimliche Stille war unnormal.

Schwer und massig hing der Himmel über den Dächern, war wie eine quallige Wand, die sich unendlich langsam näher zu schieben schien. Die Luft pulsierte. Die kleine Vase auf dem Tisch, der schräg neben dem Fenster stand, fiel um. Ein plötzlicher Luftzug, der von draußen kam, hatte sie getroffen. Der Blitz hatte einen kurzen heftigen Gewitterwind ausgelöst.

Françoise Value lag noch immer auf dem Boden. Sie glaubte, eisige Klauenhände würden nach ihrem Körper greifen, an dem es wie in einem Ameisenhaufen kribbelte. Sie rappelte sich auf und kam wieder auf die Beine, die unter dem hauchzarten schwarzen Negligé die Blicke jedes Mannes auf sich gezogen hätten. Unter dem Negligé war Françoise nackt. Die Chansonnette drückte beunruhigt das Fenster zu und stellte die Vase wieder hin, die zum Glück nicht gesprungen war.

Françoise zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub. Die rauschgiftsüchtige Französin fühlte sich beobachtet. „Es ist jemand im Raum …“, wisperte sie, sich unruhig umblickend.

Es war unmöglich, dass jemand durch das Fenster des Appartementhauses hätte steigen können. Das nächste Dach lag sieben Meter tiefer. Dieses Appartementhochhaus besaß siebzehn Stockwerke, und Françoise lebte im obersten.

Ihr Gefühl trog sie nicht. Jedoch nicht jemand war im Raum, sondern etwas …

Etwas lag auf dem Tisch. Etwas war so winzig klein, dass es mit bloßem Auge nicht zu erkennen war. Etwas war mikroskopisch klein …

Etwas, das waren Tausende, von denen Françoise Value nichts wusste, nichts ahnte.

Der Tod in Person lauerte auf seine Chance.

Es klingelte.

Françoise fuhr zusammen. „Pierre! Endlich!“ Sie hätte weinen können, so fertig war sie. Und in diesen Sekunden nahm sie sich vor, es nie wieder zu einer solchen Situation kommen zu lassen. Das nächste Mal wollte sie eher für Nachschub sorgen. Vielleicht gab es auch kein nächstes Mal mehr. Nach diesem Schuss wollte sie endlich damit aufhören. Sie machte sich kaputt, wenn das so weiterging. Sie musste voll da sein, wenn in zwei Tagen ihre neue Tournee begann. Die Hauptproben und Fernsehaufzeichnungen waren hervorragend gewesen. Die neuen Chansons, die sie vorstellte, hatten es in sich. Die Texte gingen unter die Haut, die Melodien waren eingänglich. Sie versprach sich viel von der neuen Tournee.

Der Name Françoise Value war im Moment in aller Munde. Jeder brachte sie mit Schönheit, Charme und den verträumt nachdenklichen Chansons in Verbindung, die auf Tausenden von Schallplatten in das Land gegangen waren. Niemand aber ahnte, dass sie abhängig war vom Rauschgift, dass sie seit einem knappen Jahr mehr als einmal täglich die Heroinspritze ansetzte, und erst danach wieder ruhig und glücklich war.

Sie hetzte zur Tür und nahm erst gar nicht den Hörer der Sprechanlage ab, sondern drückte gleich auf den Knopf, der die Haustür unten öffnete. Es konnte nur Pierre sein, der jetzt noch kam, doch sie sollte sich täuschen, es war nicht Pierre, der kam.

Der Lift rauschte ihr entgegen. Erwartungsvoll stand sie an der spaltbreit geöffneten Tür und konnte es kaum erwarten, bis die Aufzugstür zurückglitt. Ein Fremder trat auf sie zu. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, dunkle Schuhe, eine dezent gemusterte Krawatte.

Françoise wich zurück und wollte die Tür zudrücken.

„Mademoiselle Françoise? Bitte, warten Sie! Ich komme von Pierre.“

„Pierre? Warum kommt er nicht selbst?“

„Es gab Schwierigkeiten. Er muss noch geschäftlich etwas erledigen. Da hat er mich geschickt.“

„Sie haben die Nachricht für mich?“ Das war das vereinbarte Stichwort, wenn Pierre mal nicht persönlich kommen konnte. Wenn der andere jetzt von Pierre kam, dann musste er auf diese eingespielte Frage eingehen.

„Es ist ein Päckchen für Sie abgegeben worden, wenn Sie das meinen, Mademoiselle …“

„Das meine ich. Geben Sie schon her! Schnell!“ Sie streckte ihre Arme aus.

Der späte Besucher ließ seinen Blick wohlwollend über den verführerisch wirkenden Leib der schönen Chansonnette gleiten. „Erst das Geld, Mademoiselle.“

Sie lief in die geräumige Diele zurück, in der ein Sofa und bequeme Sessel standen. Aus einem Schrank nahm sie ein paar Scheine. Die drückte sie dem Mann wortlos in die Hand.

Der schüttelte den Kopf. „Zehn mehr …“

„Zehn Scheine mehr?“ Françoise, deren Hände zitterten und die sich vor Schwäche kaum noch auf den Beinen halten konnte, gierte danach, sich endlich die Spritze geben zu können.

„Richtig.“

„Das ist Wahnsinn!“

Der Besucher hob lächelnd die Schultern. „Kann nichts dran ändern. Anordnung von Pierre!“

„Das kann nicht wahr sein. Ich ruf an …“

„Das geht nicht. Pierre ist unterwegs, ich sagte es Ihnen schon. Sie wollen den Preis nicht bezahlen? Dann muss ich wieder gehen. Ich hab noch andere Kunden zu besuchen.“ Er näherte sich ihr. Ehe sie sich versah, zog er sie an sich und presste seinen Mund auf ihre Lippen. „Ich würde gern bei dir bleiben, du bist wunderbar“, flüsterte er erregt. „Wenn es nach mir ginge, würde ich dir den Stoff für die Hälfte des Preises lassen. Aber dann stimmt nachher die Kasse nicht.“

„Gib schon her! Hier …“ Mit diesen Worten drückte sie ihm das restliche Geld in die Hand und nahm dafür das flache, in braunes Packpapier eingeschlagene Päckchen entgegen, das er lautlos aus seinem Jackett zog. „Aber du kannst ja wiederkommen“, flüsterte sie ihm zu, ihn verführerisch ansehend. „Ich warte auf dich. Mir würd’s Spaß machen mit dir … ich bin danach …“ Sie tippte auf das Päckchen. „… immer gut in Form!“

Er zog sie noch mal an sich, und sie erwiderte seinen Kuss.

„Ich komme. Ich beeil mich …“ Er lief zum Lift. Sie ging in ihre Wohnung zurück, da wandte sich der Besucher noch mal um. „Philipe“, sagte er. „Ich heiße Philipe.“

„Bis nachher, Philipe. Ich freu mich drauf.“ Sie schob den Riegel vor und öffnete mit fahrigen Fingern das Päckchen. Fünf Ampullen waren darin eingewickelt.

Françoise lief damit schnell ins Wohnzimmer. An dem Tisch schräg neben dem Fenster gab es drei kleine Schubladen, die verschlossen waren. Einen winzigen Schlüssel dazu trug sie an einem goldenen Kettchen um den Hals. Sie löste die Kette und öffnete mit dem Schlüssel die mittlere Schublade. Darin befanden sich zwei Fächer, in dem persönliche Briefe lagen. Die Fächer ließen sich nach hinten schieben. Darunter befand sich ein Hohlraum, und in ihm lagen die Spritzen und Injektionsnadeln. Es konnte ihr nicht schnell genug gehen. Der Deckel, der die Schachtel mit den Injektionsnadeln verschloss, rutschte zur Seite. Mit zitternden Fingern stülpte Françoise erst die Kanüle auf den Glaskolben und griff dann nach einer der Ampullen, die sie auf der mit Intarsien ausgelegten Deckplatte abgelegt hatte. Sie brach bei einer Ampulle den Hals ab, dabei entglitt ihr der Glasbehälter und fiel auf den Tisch. Die Flüssigkeit tropfte auf die Platte. Ruckartig, gierig und unkontrolliert riss Françoise die angebrochene Ampulle wieder empor, griff mit der anderen Hand nach der vorbereiteten Spritze und tat etwas, was jeglicher Vernunft widersprach. Sie saugte mit der Kanüle die für sie so kostbare Flüssigkeit auf. Damit gerieten die Qualligen aus der Mikrowelt in die Flüssigkeit, die sie sich wenige Augenblicke später in ihren Oberschenkel injizierte.

Sie drückte den Kolben schnell herab, als käme es auf jede Sekunde an. Auf dem Boden vor dem Tisch hockend legte sie dann die Spritze achtlos auf den Teppich und ließ sich langsam zurücksinken. Plötzlich kam die Ruhe. Das Zittern ihrer Hände hörte auf, sie konnte tief atmen, und das wohlige, zufriedene Gefühl der Gleichgültigkeit folgte. Ein verklärter Ausdruck lag auf ihrem zarten, blassen Gesicht. Sie lächelte. Langsam erhob sie sich, ging leichtfüßig durch den Raum, machte ein paar Tanzschritte und löschte die Lichter.

Zufrieden seufzend ließ sie sich auf das breite, altrosafarbene Bett fallen, wiegte den Kopf hin und her und summte eine Melodie, trat dann geistig mehr und mehr weg und gab sich den wohligen Schauern hin, die ihr ein falsches Bild ihres Zustandes vermittelte.

Die Tür zur Diele stand offen, damit sie besser die Klingel hörte, sobald Philipe zurückkam.

Ausgestreckt lag Françoise auf dem Bett. Nur eine kleine Lampe, deren Licht gedämpft war und einen schummrigen Schein vermittelte, stand auf dem Nachttisch. Sie dämmerte vor sich hin und glaubte sich an einen anderen Ort versetzt. Sie träumte mit offenen Augen, leichtfüßig einen menschenleeren Strand entlangzuwandern. Strahlend blau war der Himmel, warm und wohltuend die Sonne auf ihrer nackten Haut. Sie trug nichts am Körper und genoss die Freiheit, der sie sich hingab, in vollen Zügen. Hoch kreisten Vögel über dem Strand und dem endlosen Meer, das sanft plätschernd seine Wellen an Land spülte. Françoise Value meinte, ins Wasser zu laufen, sie schwamm, war glücklich, eilte an den Strand zurück und rollte sich über den Sand. Er war weich, und sie spürte die Wärme tief in ihrem Körper.

Die Frau lag lächelnd auf dem Bett in dem schummrigen Zimmer und hatte vergessen, dass sie in Wirklichkeit zu Hause war, in ihrem Pariser Appartement, in dem sie die beiden letzten Tage vor Antritt der Tournee verbringen wollte.

Das wohlige Wärmegefühl steigerte sich noch. Ihre Haut wurde feucht. Und das bildete sie sich nicht ein. Was sie nicht sehen konnte, waren die klebrigen Tropfen, die aus ihren Poren quollen und ihre Hautoberfläche mit einem öligen Schimmer versahen. In den Schweißtröpfchen bewegte sich etwas und wuchs langsam, aber stetig. Zuerst waren nur winzige, hell schimmernde Punkte zu erkennen, die dann stecknadelkopfgroß wurden. Es sah aus, als wäre Françoise Values Körper mit einem eitrigen Ausschlag bedeckt. Die Punkte wurden größer. Einige fielen ab, kullerten über das Bett auf den Boden und rollten dort wie Quecksilberkugeln weiter. Sie stießen an die Fußleisten und die Sockel der Sessel, der Couch und anderer Einrichtungsgegenstände.

Die klebrigen Kugeln verfügten über ein Eigenleben. Sie wanderten langsam an den Sockeln und Leisten und an den Wänden empor und wuchsen dabei ständig weiter. Auch die nun fingernagelgroßen Kugeln auf Françoise Values Leib schwollen an. Aber davon merkte sie noch immer nichts. Die Invasion der Unheimlichen kam direkt aus ihrem Körper! Die gelblichen Kugeln schimmerten nun weißlich-grau, pulsierten und zeigten Details auf ihrer qualligen, schmierigen Oberfläche. Sie erinnerten in gewissem Sinn an eine Abart der Geiseltierchen. Etwas auf ihrer Oberfläche bewegte sich wie ein Haarkranz. Es zuckte und spielte darauf; es waren winzige Augen, die langsam hervorquollen, die förmlich aus dem Kugelleib geboren wurden. Sie wurden zu kleinen, wie Eiskristalle glitzernden Augen, wimpernlos, nackt und starr.

Aus den nun tennisballgroßen Kugeln, die lautlos und schmierend über den Körper, das Bett, den Boden und die Wände krochen, schoben sich wie Teleskope dünne, zuckende Fühler, die flatterten wie im Luftzug hängendes, hauchdünnes Spinngewebe. Peitschenähnlich wippten die Fühler hin und her. Die unheimlichen Geschöpfe aus dem Mikrokosmos, aus dem Blut und den Körpersäften der Sängerin, entwickelten sich mit einer Schnelligkeit und Lautlosigkeit, die erschreckte. Die Zunahme ihres Umfangs potenzierte sich mit einem Mal und erfolgte sprunghaft um jeweils das Doppelte.

Als die Wesen aus ihrem Körper, die sie als Ahnungslose mit der Injektionsnadel in ihren Organismus hineingetragen hatte, so groß wie Fußbälle waren, wurde der Druck auf ihrem Leib so unangenehm, dass sie darunter stöhnte. Sie warf unruhig den Kopf hin und her, hatte die Augen jedoch noch immer geschlossen und war der Meinung, am Strand zu liegen und entsetzlich zu schwitzen.

„Die Sonne … mein Gott, die Sonne … ist mir heiß … ich muss wieder ins Wasser …“ Sie wurde unruhig, ihre Augenlider zitterten. Sie merkte nicht, dass sie Anstalten machte, sich zu erheben. Durch die Bewegungen lösten sich einige der fußballgroßen Kugeln, fielen von ihr herunter, bewegten sich schmatzend über den Teppich und schoben sich an Möbeln und Wänden hoch. All das spielte sich im Appartement der Chansonnette mit einer gespenstischen Lautlosigkeit ab. Der große Raum war zu einem Stall geworden, zu einer Art fremdartigem Terrarium, in dem bisher unbekannte Wesen lebten und atmeten, sich bewegten und scheinbar ziellos herumkrochen, als müssten sie ihre neue Umgebung erst kennenlernen.

Unruhig fuhr Françoise über ihren Leib, der ihr heiß und aufgequollen vorkam. Die Luft wurde knapp. Dazu diese entsetzliche Hitze! Sie reckte ihre Arme, die waren schwer wie Blei. Da war nichts mehr von der wohligen Zufriedenheit, nichts mehr von der Freiheit und der Schönheit, die sie wahrzunehmen glaubte. Der Schuss, den sie sich verabreicht hatte, war entweder zu schwach oder zu stark gewesen. Sie spürte förmlich, wie die Wirkung sich ins Gegenteil verkehrte. Ihre Haut wurde bretthart, ihr Herz pochte wie rasend, aus dem eben noch stillen Meer, das sie bis zum Horizont hatte überblicken können, wurde eine aufgewühlte, brausende Wasserlandschaft. Orkane jagten darüber hin und ließen steile Fontänen emporsteigen. Der Himmel wurde schwarz, wirkte drohend und schien sich mit dem aufgepeitschten Meer zu vermählen. Sand spritzte auf.

„Ich muss weg hier!“, hörte Françoise sich selbst sagen. Sie kam aber nicht sofort hoch. Etwas drückte auf sie, als läge ein enormes Gewicht auf ihr. Sie hob den Kopf und schlug die Augen auf. Der drohende Himmel und das wilde, aufgepeitschte Meer waren nur noch wie durch eine wabernde Nebelwand zu erkennen. Sie sah hinter dem aufspritzenden Wasser und den schwarzen, sich zusammenballenden Wolkenbergen vertraute Umrisse. Eine Wand, ein Bild. Ihr Zimmer! Sie war in Paris! Das alles war nur ein schrecklicher Traum, ausgelöst durch die Droge, die sie sich gespritzt hatte. Etwas war nicht in Ordnung. Entweder mit der Ware oder mit ihr. Dies war kein Traum mehr im Paradies, in das sie sich versetzt glaubte. Nein, das war ein Horrortrip! Es war grauenhaft, was sie erlebte, und sie zwang sich dazu, klare Gedanken zu fassen und den beklemmenden Rausch abzuschütteln wie Wasser.

Aber das ging nicht so einfach. Die Schwere blieb, die Unruhe ebenfalls.

Da hockte doch etwas auf ihrem Körper! Sie griff danach, fühlte glitschige Kugeln und bemerkte den peitschenähnlichen Schlag der Fühler.