MAN HUMAN HERE - Stephen Urbanski - E-Book

MAN HUMAN HERE E-Book

Stephen Urbanski

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Beschreibung

Das Mädchen ist 1 und an. Sitzt in einem himmelblauen Ganzkörperkondom auf Beton, verzieht verbiestert das kleine Gesicht, bereit, alles zu verweigern. Muschimutter steht hilflos daneben, sagt, Ida, wir hätten schon vor einer halben Stunde zuhaus sein können, stehst du bitte auf? Ida ist 1 und an. Was weiß Ida über Zeit? Was weiß Ida über Ort? Was weiß Ida über Willen? Wird Ida aufstehen? Wird, kann, sollte Ida ihre Ehre verteidigen? Lesen Sie weiter im nächsten Heft. Es regnet in Strömen. Nacht fällt runter.

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Stephen Urbanski

MAN HUMAN HERE

Ein elftes Hamburger Elektrobuch

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Imprint

Stephen Urbanski

 

MAN HUMAN HERE

 

Ein elftes Hamburger Elektrobuch

 

Redaktion: George Nuke

 

Cover: Götz Göpfert

 

Support: Jason B. Saiks

 

Best Girl: Conny Corbucci

 

© Urbi et Urbanski Hamburg 2015

 

Elektrobücher –

 

TODE$$CHLAGER – Die Charts der Neuen Armut:

 

TAUBENHHEIM – Erstes Buch Armut

HHAU – Zweites Buch Armut

HHÄRTZCHEN IN DER GRUBE – Drittes Buch Armut

ABSCHAUMDÖRFER – Viertes Buch Armut

DER GESTANK DER GROSSEN WIESE – Letztes Buch Armut

 

Zweieinhalb Fibeln Anmut – Hamburger Realgrotesken:

 

GRUHHL (Private Poverty)

HHOOLAHOP (Momentum)

HHUG (Van Hool)

 

HASPDEHHXXX – Ein Facialbook in Echtzeit

 

NUUL – Poetry

 

norncore.wordpress.com

urbi-et-urbanski.tumblr.com

facebook.com/stephen.urbanski.75

ello.co/stephenlofthouseurbanski

Zunächst:

Erwarte mich zuviel.

Durch Leistung Ruhe reinbringen.

Kapitel: Eisenlager

(Für sich.)

 

Kapitel: Warnung vor dem Munde

(Für dich.)

 

Schub: Fratzengulag

(Fürwahr.)

 

Schub: Deutsch-Nachthilfe

(Für mich.)

 

Resümee: Mann Mensch IV

(Fürderhin?)

 

Resümee: Rohrortung

(Fürti.)

 

Resümee: Zuhause rauchen

(Fürsorglich.)

 

Resümee: Die Öffentliche Hand

(Fürsprech.)

 

Da: Strass

(Fürbass.)

 

Dada: Danke

(Für drei Jahre.) 

Kapitel: Eisenlager

(Für sich.)

 

1

Es beginnt mit dir.

 

(Nivea Men, Kampagnen-Claim)

2

Jason hat mir ein Zeichen geschenkt. Als Anhänger, massives Silber, schwer, wertig an einem dünnen schwarzen Lederband. Die Tyr-Rune, die zweifache Erweckungsrune. Soll helfen: bei Überwindung des Irdisch-Materiellen. Soll helfen: bei der Erinnerung an frühere Inkarnationen. Soll helfen: bei Tarnungen, Geheimnissen, versteckten Aktivitäten. Soll zu wachsendem Wohlstand, Reichtum und Überfluss verhelfen. Soll vor Todesfurcht und Entdeckung schützen. Tyr-Rune ist mit der Sig-Rune verwandt. Tyr-Rune ist die Rune des Blitzes und des Kampfes. Der Wiedergeburt, der Auferstehung durch Selbstaufopferung. Pflichterfüllung und Opferbereitschaft fördern ihre Kraft, führen durch geistige Überlegenheit zum Erfolg.

 

In der zwölften Strophe ihres Zauberliedes heißt es:

 

Ein zwölftes kann ich, seh ich zittern im Wind,

Den Gehenkten am Holz.

So ritz ich und Runen färb ich,

Dass der Recke reden kann und vom Galgen geht.

 

Sing mit mir das Runenmantra:

 

Tyr-Tyr, Tyr-Tyr, Ti, Tiu, ttt, Sig-Tyr, sig-sa, sig-ti, sig-te, sig-to, ich fürchte den Tod nicht, er kann mir nicht schaden. Tyr-Tyr, Tyr-Tyr, wachsender Wohlstand mehrt sich in Glück.

 

Rune ersetzt das Gegenkreuz um meinen Hals, auf meiner Brust.

 

Kreuz auf den Kopf gestellt, schweigt. Satan sagt nichts mehr.

 

Tyr-Rune übernimmt, Tyr-Rune sagt: Es beginnt mit dir.

 

Jetzt. 

3

MO-IN 1670. Kennzeichen. Der Aufgewertete lässt mal stehen. Lässt seinen schwarzen SUV Audi Q7 „Das Reich“ mal stehen. Chrom auf Nacht vorm Haus im Halteverbot, weil Feuerwehrzufahrt. Chrom auf Nacht vor der Kita in der ersten aus der zweiten Reihe. Chrom auf Nacht in der Auffahrt zum Altenheim „Sonnenschein“. Chrom auf Nacht in der Auffahrt zur Notfallambulanz Dialyse des Universitätsklinikums Appendorf. Chrom auf Nacht im Naturschutzgebiet Boberger Dünen. Ende Gelände, denkt der Aufgewertete.

 

Es beginnt mit mir, denkt der Aufwertende.

 

Was steht, geht, denkt der Aufwertende.

 

Was giert, marschiert, denkt der Aufwertende.

 

Und ist dann mal weg für ein paar Tage, woanders zeigen, wo der Hummer hängt.

 

Hassgenauigkeit: Chrom auf Nacht, Gewicht schlägt Gesicht.

 

Hassgenauigkeit: Wer nichts wird, ist nichts wert.

 

Hassgenauigkeit: Aus der Mitte seines Kinns entwächst ein schwarzes Haar, ein einziges, vereinzeltes. 

4

Tyrn me on, ein Lustspiel in IV Aufzügen:

 

Sich mal zurücklehnen.

 

Sich mal zurücknehmen.

 

Sich mal zusammennehmen.

 

Sich mal nicht so wichtig nehmen.

 

Lastspiel?

 

Vorhang. 

5

Copy and Taste, an alle Hersteller von Winterbekleidung weltweit: Don´t let me Daun.

 

Copy and Taste, an alle Hersteller von Pelzimitaten, die sich dann als Kragen an Daunenjacken wiederfinden: Fur den Arsch.

 

Synthetisch. Fake.

 

Meanstream.

 

Copy and Taste, an alle Hersteller von Feiertagen: Die Hartzer kommen nach zwanzig Uhr. Greifen sich reduzierte Artikel: Brot vom Vortag. Kefir dreifach. Und eine Flasche O-Saft.

 

Du erkennst sie an Turnschuhen, den billigen. An Klamotten, direkt aus der Schütte. Du erkennst sie am Haarschnitt, der längst keiner mehr ist. Verlegen. An der Ratlosigkeit, mit der sie samt Einkaufwagen durch die Gänge irren. Brot vom Vortage. Kefir dreifach. Und eine Flasche O-Saft. Bild wirkt wie ein Bild, irrtümlich beschnitten. Falsches Format, Zauber gestaucht, gepresst wie eine Frucht, die kaum noch Frische kennt.

 

O du Fröhliche, chemisch versetzt.

 

Du würdest sie an Zähnen erkennen, den schlechten. So sie denn den Mund aufmachten. Tun sie aber nicht. Den Gefallen. Erweisen sie dir nicht. Copy and Taste: Es beginnt mit ihnen.

6

Darf man eigentlich Ihr Kinderlein kommet sagen, singen? So als erwachsener Mann? Ohne sich gleich pädophiler Neigungen verdächtig zu machen?

 

2015, das Christkind schläft nie. Happy New Fear.

7

Du musst dich damit abfinden, meint sie.

Ich tue den ganzen Tag wenig anderes, sage ich.

Du solltest lernen, es endlich zuzulassen, sagt sie.

Der früheste, bereits vollständig abgeschmückte Tannenbaum lag übrigens auf dem Kampnagel-Gelände, sage ich.

Akzeptiere es, sagt sie.

Und zwar in der Nacht vom ersten auf den zweiten Weihnachtstag, sage ich. Das ist früh, finde ich, sage ich.

Geht schon ein paar Jahre so, sagt sie.

Nur feiern müssen Sie selbst, zitiere ich den Slogan eines Geschirrdienstleisters in der Barmbeker Straße.

Es ist so, wie es ist, sagt sie, nimm es zur Kenntnis.

Mal im Ernst, sage ich, deinesgleichen wird doch alles vorgegeben: um acht im Büro, Bildschirm an, Mittagspäuschen, siebzehn Uhr Feierabend, nach Haus, dieses und jenes, Beine hoch, Bildschirm an, Küsschen, gute Nacht. Bei aller Liebe, sage ich, bei allem Respekt.

Ich gehe arbeiten, um meine Miete zu bezahlen, sagt sie.

Das tun alle, sage ich. Galt einst auch für mich, sage ich.

Jetzt nicht mehr, sagt sie.

Ich weiß, sage ich, niemand weiß das besser als ich, sage ich. Ich muss mir Strukturen selbst erschaffen, es ist nicht leicht.

Nichts ist leicht, sagt sie.

Ich arbeite hart, sage ich, ich schreibe. Über den Absturz der Mitte ins Nichts, kopfüber hinein in die Grube, irgendwo abgelegt zwischen Tauben und Grau, auf den Knien zwischen Grund und Sicherung dem Sozialamt einen blasend. So kann es kommen, so kann es sich anfühlen, das ist mein Thema, Härtzchen.

Will keiner wissen, sagt sie.

Wer weiß, sage ich, ich tue alles dafür, warte nur darauf, dass da draußen jemand den alles entscheidenden Knopf drückt.

Ja, aber, sagt sie.

Ja, aber, sage ich.

Päuschen.

Sie schlägt vor, das Haus zu verlassen, ab zur Tanke, Kippen holen. Draußen muss ich mich beherrschen, nicht dem erstbesten schwarzen Kalb die Spiegel wegzutreten, SUV, Audi, Porsche, BMW. Ihr seid Auto, denke ich, und ich nicht. Und ich nicht mehr, denke ich traurig. Sie hält plötzlich inne, deutet auf ein Haus, einen Neubau aus geschäumter Milch, zeigt auf einen Balkon, sagt, schau, wie tief der liegt, come rain or shine, da kommt nichts rein, da kann man auch im Winter chillen, sagt sie und strahlt mich an. Das ist es, was ich an dir liebe, denke ich. Sich mal zurücknehmen, sich mal zusammennehmen, sich nicht so wichtig nehmen, denke ich und strahle zurück.

Es beginnt mir ihr. 

8

Bild: Wir sind in einem Wald, sie läuft voraus, enteilt mir, ich versuche, aufzuschließen, stolpere, falle hart, fresse Moos, sie ist weg.

 

Bild: Ich betrachte die ausgebrannte Ruine eines Fachwerkhauses. Einige ihrer Freundinnen sind hinter mir, kichern verhalten, lachen dann laut. Ich habe die Hosen runter.

 

Bild: Sie sitzt mir gegenüber, öffnet den Mund, eine Tablette auf ihrer Zunge. Ich sage, du hast eine Tablette auf deiner Zunge. Um endlich deinen Geschmack loszuwerden, sagt sie.

 

Verlusttraum, einer von vielen, unzähligen. Steht für alles, was vermisst werden möchte. Kühlschrank springt an, ächzt, stöhnt, greint, jault, als sei ihm nicht wohl. Ich muss hier seit Stunden gesessen haben, stinke aus dem Loch. Draußen toben Winterstürme, Wind peitscht Bäume, treibt Silvestermüll vor sich her. Drinnen ist draußen ist dunkel. Kühlschrank ächzt, stöhnt, greint, jault, quietscht. In seinen Fächern: einige Flaschen Wasser, Joghurt pur, Industriekäse, Buttermargarine „aus der guten Weidemilch“ mit Meersalz. Eine Flasche Coke, falls mal was ist. Falls man mal wach werden will. Kühlschrank jammert. Dabei ist alles okay, ist alles noch vorhanden: Räume, Strom, Heizung, Wasser, Waschmaschine, Kleidung, Bike, Telefon, TV, Dispo, Rechner: Acer lockt, sagt, komm her, mach Zeilen. Kopflied, Zeile: The Cure, A Forest.

 

Ein Wald. Welch ein schöne Idee, ein Lied so zu nennen.

9

Dies ist ein Freistoß, Nummer 9, lassen Sie den Ball liegen.

 

Januar 2015, der Mond ist voll. Und ich muss an eine Besucherin vor Wochen denken, die mit einem Kuchen kam, einem Marmorkuchen, extra für mich gebacken, wie sie sagte.

 

Ich liebe Marmorkuchen, wo bleibt mein Marmorkuchen?

 

Da stand er nun auf dem Tisch des Hauses, eingewickelt in Silberpapier. Und ich wollte zwei Teller holen, zwei von den guten meiner Großmutter, die mit dem goldenen Rand. Und die Besucherin sagte, brauchst du nicht, der Kuchen ist nur für dich, ich möchte nichts, danke. Und sie wickelte den Kuchen aus. Und da stand er nun auf dem Tisch des Hauses, ausgepackt. Im Farbenspiel harmonisch, Ying und Yang, Sang und Klang. Und ich schnappte mir ein Messer und schnitt heraus ein ordentliches Stück aus dem leckeren Rund. Und legte es auf den Teller, den mit dem Goldrand aus der Kollektion „Marie Luise“ von Seltmann Weiden. Und ich schnappte mir eine Gabel, nahm das Stückchen auf und führte es zum Munde. Und öffnete diesen. Und die Besucherin sagte, habe ich übrigens mit echtem Rum gebacken. Und ich vernahm den Satz sehr wohl, konnte jedoch die Bewegung nicht mehr stoppen. Und so landete der Bissen auf meiner Zunge. Und ich hätte mich übergeben mögen. Und ich spuckte aus. Und ich sagte, den kannst du wieder mitnehmen. Und ich sagte, ich bin seit bald sechseinhalb Jahren clean, sober, ohne Alkohol, weißt du doch. Und die Besucherin sagte, ja, aber wir haben nicht explizit darüber gesprochen. Und der Rest des Nachmittages verlief dann etwas – schwerfällig.

 

Und ich denke, vielleicht sollte man in Fällen mehr reden.

 

Und weniger sprechen.

 

Und wir schreiben den 7. Januar 2015. Und der Mond ist voll. Und ich bin es nicht. Weder von Pott. Noch von Hansen Präsident oder dergleichen Verschnitt.

 

Dies ist ein Freistoß, Nummer 9, lassen Sie den Ball liegen.

 

Dies ist ein Ligaspiel.