MAUSOLEUM 2069 - Rick Jones - E-Book

MAUSOLEUM 2069 E-Book

Rick Jones

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Beschreibung

 "Ein großer Science-Fiction-Horror-Zombie-Spaß. Stellen Sie sich vor, John Carpenter würden einen Film für den SyFy-Channel drehen, und Sie wissen in etwa, was Sie erwartet." - Amazon.com  Der Präsident der planetaren Förderation weilt gerade an Bord des riesigen Friedhof-Raumschiffs MAUSOLEUM 2069 im Orbit der Erde, als eine interstellare Wolke die Erde passiert und auf mysteriöse Weise die Toten auf dem Raumschiff zu neuem Leben erweckt. Gefangen auf einem riesigen Schiff voller Untoter entbrennt ein Kampf auf Leben und Tod. Um den Präsidenten zu retten und sicher zur Erde zu eskortieren, wird Eriq Wyman, ehemaliger Soldat eines Spezialkommandos, ausgesandt… … doch was niemand weiß: Haben sich auch bereits auf der Erde die Toten wieder aus ihren Gräbern erhoben? Hat dort die letzte Schlacht, die Apokalypse bereits begonnen? Nur eines ist sicher: auf dem Raumschiff voller Untoter gibt es keinen Ort, um sich zu verstecken … Ein wilder Mix aus John Carpenters DIE KLAPPERSCHLANGE und der Action eines Luc Besson – MAUSOLEUM 2069 bringt die Zombies in den Weltraum … dorthin, wo dich niemand schreien hört …

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Mausoleum 2069

This Translation is published by arrangement with SEVERED PRESS, www.severedpress.com Title: MAUSOLEUM 2069. All rights reserved. First Published by Severed Press, 2014. Severed Press Logo are trademarks or registered trademarks of Severed Press. All rights reserved.

Impressum

überarbeitete Ausgabe Originaltitel: MAUSOLEUM 2069 Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER-Verlag Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Andreas Schiffmann Lektorat: Astrid Pfister

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-435-7

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

Mausoleum 2069
Impressum
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Epilog
Über den Autor

Prolog

Die Wolkenmasse aus interstellarem Staub verformte sich fortwährend zu unterschiedlichen Rorschach-Bildern, während sie durch die Galaxien rollte. Neben ihrer Form veränderte sich auch ihre Farbe und changierte von kühlen Blau- zu warmen Rottönen, während biolumineszentes Licht in ihr aufblitzte.

Als unbeseelte Reisende war sie abhängig von der Strömung der Sonnenwinde, stets quellend voll und von der Richtungskraft getrieben, die sie niemals beeinflussen konnte.

Und wie alle Rätsel des tiefen Raumes war sie unendlich wie die Zeit und älter als der Urknall.

Die regelmäßigen Energieentladungen in der kosmischen Wolke setzten die Verbreitung von Leben in Gang, indem sie Einzellern ermöglichten, auf der Oberfläche von Meteoriten anzusiedeln, um beim Einschlag auf Planeten auszuschwärmen und auf diese Weise tote Welten zu bevölkern.

Auch vor über viereinhalb Milliarden Jahren war ein faustgroßer Stein durch das Staubfeld getrudelt. Wie als Lohn dafür hatten die elektrischen Blitze darin die organische Masse entzündet, die daran haftete, und hatten Leben geschenkt. Daraufhin dauerte es ein ganzes Jahrtausend – eine im Rahmen der kosmischen Zeit verschwindend kurze Zeitspanne – bis der Meteorit mit unvorstellbarer Geschwindigkeit durch das All gerast und die flammende Schale einer Welt der Milchstraße gedrungen war und dem der Sonne drittnächsten Planeten Leben eingehaucht hatte.

Viereinhalb Milliarden Jahre später befand sich die Wolkenmasse nun wieder auf dem Rückweg, da sie den Sonnenwinden unterworfen eine Kreisbahn beschrieb, und obwohl sich das Leben im Laufe von Äonen etabliert hatte, war der Planet im Begriff, einen langsamen Tod zu sterben.

Da kosmischer Staub weder ein Gewissen besaß, noch Wünsche hegte, keine kognitiven oder instinktiven Prozesse durchlief, tat er einfach nur das, was er zwangsläufig tun musste: Er belebte, was bereits tot war.

Für die Erde kam dies einer Apokalypse gleich.

Die Wolke sollte einen Strudel aufwirbeln, der so tief und düster war, dass er die Erde in eine fürchterliche Dämmerung tauchte, die nicht aufhören würde.

Niemals.

Kapitel 1

Bis zum Jahr 2179 lagen über neunzig Prozent der Erdoberfläche brach und die ehemaligen Vereinigten Staaten waren zur Föderation der Felder von Elysium oder kurz FFE geworden. Diese bestanden aus fünfundzwanzig ummauerten Städten mit Namen wie New Philadelphia oder New Boston, in denen es nun energieeffiziente Wolkenkratzer mit Selbsterhaltungssystemen gab, über künstliche Intelligenz gesteuerte Smart Cars und Anlagen mit Aqua- und Hydrokulturen, die groß genug für die Versorgung der Menschen hinter jenen Schutzwällen waren. Somit waren diese unabhängigen Gemeinschaften gut gegen die Angriffe von Aufständischen gewappnet. Auf den Bollwerken befanden sich automatisierte, eigenständige Geschütztürme … hochleistungsfähige Maschinenkanonen mit Wärmesuchsensoren. Sollte also jemand aus den Wastelands versuchen, die Mauern zu erklimmen, wurde er von einem Hagel Geschosse Kaliber .50 in Stücke gerissen.

Orte wie New York City, Atlanta und Baltimore … Städte, die man aufgrund des vollständigen Zusammenbruchs der sozialen Ordnung für rettungslos verloren hielt … boten kein Obdach hinter Wällen, geschweige denn paradiesische Zustände. Weil sie im Gegensatz zu den Feldern nicht geschützt waren, waren sie zu Ruinen geworden und beherbergten nun Stammesbünde, die es auf die Schwachen und Ahnungslosen abgesehen hatten. Im Zuge dieser Ordnung der natürlichen Auslese endeten jene, die ihnen zum Opfer fielen, nicht selten an rotierenden Spießen, in deren Umgebung die Luft nach gebratenem Fleisch roch, während die Körper für ein frühes Abendmahl vor sich hin rösteten. Das war zumindest in den Alten Städten Alltag.

Im Inneren der Neuen Städte blieben die Wälder und Wiesen smaragdgrün und die Blumen blühten in schillernden Farben, wohingegen die Bäume in den Alten Städten unheilvoll anmutende Gerippe darstellten, deren knochige Glieder in Todeskrämpfen erstarrt zu sein schienen. Einst gepflegte Rasen waren nun kahles Gelände, auf dem Grashalme eher Anomalien als Normalität darstellten, und überall waberte gelblicher Rauch.

Die Landschaft zwischen den alten und neuen Städten waren Kulissen aus Sand und Stein inmitten toter Natur. Dafür hatten sich die Wastelands aber zum Lebensraum von Wilden entwickelt, die viel schlimmer waren als die in den Ruinen der Alten Städte lebenden Sippen.

Die Umstände änderten sich je nach Region, wobei die Vielfalt der Lebensarten einer Person oder Familie, eines Stammes oder Clans zum Erkennungsmal reichte. Die Tracht der Bewohner der Neuen Städte belief sich auf hochwertige Hausanzüge und Gewänder aus synthetischen Leder-, Woll- beziehungsweise hochwertigen Stoffarten; wer in den Alten Städten lebte, musste auf zerfledderte Lumpen und schmutzige Tücher zurückgreifen, und die Wilden der Wastelands kleideten sich mit der verarbeiteten Haut ihrer Opfer, deren ledrige Beschaffenheit im Winter für natürliche Wärme sorgte und bei Regen trocken hielt.

Politisch verfolgten die Felder von Elysium eine utopische Ideologie und wahrten ein Rechtssystem, das nur auf einer Regel basierte: Wer uns zuwiderhandelt, egal wie geringfügig, wird mit Verbannung aus dem Schutzkreis der Stadt bestraft. Da es niemand darauf ankommen lassen wollte, sich in den Wastelands behaupten und häuten lassen zu müssen, existierten Verbrechen praktisch nicht mehr.

In den Alten Städten oder der Wüste jedoch beschränkte sich die Ahndung von Gesetzesbrüchen einfach darauf, zu töten, unabhängig von der Schwere des Vergehens und ohne Einspruchsverfahren.

Exekution zählte mittlerweile zu den erwarteten Schicksalen.

Da die Menschheit nur noch in kleinen Zellen auf dem kranken Planeten lebten, bemerkte niemand, dass etwas Bösartiges im Anflug auf ihre Welt war.

Schon bald sollte sich alles ändern, sowohl in den Wastelands, den Ruinen der Alten Städte als auch in den Feldern von Elysium. Ein rasches Ende stand ihnen bevor, bereitet von Mächten, so dunkel, dass nur wenige den Angriff überleben würden.

Und diejenigen, die überleben würden, durften mit einem noch viel schwierigeren Kampf rechnen.

Kapitel 2

New Miami

Präsident Steven J. Michelin, der gerade am Ende seiner ersten Amtsperiode zur Wiederwahl antrat, flog mit der Air Force Six ein, einem modifizierten Luftbus, der gerade über dem Landeplatz von New Miami schwebte. Der Pilot richtete die Triebwerke von horizontal auf vertikal aus, wie jene eines Harrier-Jets, und setzte dann langsam zur Landung an.

Sobald die Air Force Six angedockt hatte und verankert war, öffnete sich die Flügeltür.

Präsident Michelin, der einen legeren, sehr teuren Anzug der Marke Bertucci trug, stieg mit seinem Hauptberater die Landungsbrücke hinunter. In einer Hand hielt er einen elektronischen Reader, auf den er sich eine vorgeschriebene Rede geladen hatte, die auf die Empfindungen des Volkes von New Miami zugeschnitten war … Worte der Hoffnung. Die Grundlage seiner Wiederwahl wollte er dadurch schaffen, dass er den Menschen versicherte, dass er sein Amt behalten müsse, weil er sich dann dafür einsetzen könne, ihre Anliegen so lange zu forcieren, bis sie Gesetz wurden.

Dies war eine Politik leerer Versprechungen, denn in Wahrheit sollten jene Anliegen überhaupt nicht erhört werden.

Michelin hielt den Reader in die Höhe und zeigte ihn seinem Berater John Eldridge. »Haben Sie den Text noch einmal durchgesehen?«, fragte er. »Und ihn korrigiert?«

»Ja, das habe ich.«

»Ich spüre irgendwie, dass etwas fehlt … etwas Nachdrückliches. Ich brauche Argumente, mit denen ich diese Menschen im Sturm erobern kann.«

»Da es sich zumeist um ältere Menschen handelt, Mr. President, könnte ich den Text in Hinblick auf die Senkung der Kosten im Gesundheitswesen aufbessern, falls Sie dies wünschen. Sie wissen schon … dem Volk von Miami erzählen, was es hören will.«

Michelin drückte ihm den Reader in die Hand. »Setzen Sie das um, das ist gut.«

»Ja, Sir.« Nachdem Eldridge das Gerät genommen hatte, loggte er sich ein, während sie über den Teppich auf dem Rollfeld gingen.

Am Ende des Weges standen Ehrengäste und politische Würdenträger bereit, deren Lächeln von geheuchelter Gefälligkeit zeugte.

Hände wurden geschüttelt und ein umgänglicher Tonfall herrschte vor, als sie dastanden und von ihrem Flug aus New DC sowie der Hoffnung sprachen, das Wetter möge so freundlich bleiben, denn der Himmel zeigte nur einen vernachlässigbaren Gelbstich, was einen guten Tag für die Rede des Präsidenten verhieß.

Als das Geplänkel endlich vorüber war, begaben sich die Würdenträger zu einem Konvoi aus Limousinen mit Schwebekapazitäten auf dem neuesten Stand der Technik, um eine reibungslose Fahrt über die Straßen der Stadt zu gewährleisten.

Präsident Michelin stieg mit John Eldridge und der Gouverneurin von New Miami in die erste Limousine ein, einer aufgeweckt wirkenden Frau, die sich ihre altersbedingten Gesichtsfalten per Laser hatte entfernen lassen.

Sie ließ sich dem Präsidenten gegenüber auf einem Sitz nieder, dessen Polster sich automatisch ihrer Anatomie anpasste.

Sie flogen dem anführenden Vehikel nun hinterher, dicht gefolgt von zwei weiteren.

Der Präsident wandte sich ohne ein Lächeln und mit belegter Stimme an die Gouverneurin: »Sie sehen den Umständen entsprechend gut aus.«

Sie nickte. »Sie wissen es also?«

»Krebs im vierten Stadium – die Gallenwege, glaube ich. Eine sehr seltene Krebsart.«

»Primär sklerosierende Cholangitis«, antwortete sie. »Selbst mit unserer heutigen Technologie lässt sich nichts dagegen unternehmen, weil die Föderation nicht bereit ist, für die Behandlung aufzukommen. Darin liegt das Problem, Mr. President: Menschen wie ich, sind es – und von uns gibt es viele in New Miami – die finanzielle Hilfe benötigen, um den Lebensstandard zu heben und das Alter auszudehnen.«

Präsident Michelin seufzte mit geschlossenem Mund, dann fragte er: »Wie alt sind Sie denn?«

»Wie bitte?«

»Ich fragte, wie alt Sie sind.«

»Was spielt denn das in diesem Zusammenhang für eine Rolle?«

»Sie sind neunundsiebzig«, sagte er gelassen.

»Und was wollen Sie damit sagen?«

»Damit will ich sagen, Governor, dass Sie ein langes Leben hinter sich haben. Der Tod ist eine Station, an die wir alle irgendwann gelangen. Die finanzielle Hilfe, von der Sie sprechen, brauchen diejenigen, vor denen noch eine beträchtliche Lebensspanne liegt. Gäben wir Geld aus, um Menschen wie Ihnen zu helfen, würde das System innerhalb kürzester Zeit bankrottgehen.«

Sie schien mit einer solchen Offenheit nicht gerechnet zu haben, weshalb ihre Augen wütend aufblitzten. Es kam einem kalten Schwall Wasser in ihr Gesicht gleich. »Mr. President, Sie sind in einem Bezirk, wo die Älteren hoffnungsfroh auf Sie schauen. Die Leute sind nicht hier, um sich Lügenmärchen über Langlebigkeit anzuhören, während wir zwei genau wissen, dass Ihr einziges Ziel vor Ort darin besteht, Wählerstimmen durch Falschaussagen zu sammeln.«

Michelin beugte sich nach vorn, um seiner Erwiderung Gewicht zu verleihen. »Governor, diese politische Debatte dauert nun bereits zwei Jahrhunderte an, ohne dass eine Einigung absehbar wäre. Zunächst einmal tut es mir leid, dass Sie krank sind; das meine ich ernst. Aber ich kann kein Programm fördern, das letztendlich die Staatskassen leeren würde.« Er lehnte sich langsam im Sitz zurück, wendete seinen Blick aber nicht von ihr ab.

»Also werden Sie die Bevölkerung von New Miami einfach anlügen, meinen Sie das damit? So sieht Ihre Kampagne also aus?«

»Ich werde ihnen Hoffnung spenden«, behauptete er.

»Mr. President, die Staatskassen in Mitleidenschaft zu ziehen, ist nicht das Problem.« Sie streckte sich nach dem Platz links neben sich aus, wo ihre Handtasche lag, und zog ein Tablet daraus hervor. Nachdem sie mehrere Online-Befehle eingetippt hatte, öffneten sich Dokumente auf dem Bildschirm. Sie begann nun damit, die buchhalterisch nicht erfassten Ausgaben während seiner Amtszeit als Präsident vorzulesen. »2177 haben Sie widerrechtlich flüssige Mittel zum Bau einer Villa in New Malibu verwendet, dem vornehmsten aller Felder von Elysium. Im selben Jahr bauten Sie außerdem Ihre Anwesen in New Waikiki, New Myrtle Beach und New Bermuda mit diesen Geldern aus. Im Sinne der Gemeinheit gesprochen, hätten diese Mittel ausgereicht, um die Leben von über tausend Menschen im Bezirk New Miami zu retten oder zu verlängern. Sie entschieden sich jedoch trotz des Wissens um unsere Notlage, anders.«

»Dass solche Investitionen getätigt worden sein sollen, ist mir vollkommen neu.«

»2178 stellten Sie vierundzwanzig Familienangehörige in den Dienst Ihres Regierungsstabes, für deren Berufsbilder nicht einmal Beschreibungen existieren und bei denen nicht ersichtlich ist, dass sie den Mitgliedern der Föderation tatsächlich in irgendeiner Weise nutzen. Trotzdem strichen Sie astronomisch hohe Summen als Vergütung ein, die das Listengehalt weit überstiegen. Diese Beträge summieren sich auf insgesamt vierunddreißig Millionen Dollar, Mr. President, mit denen sie über 2650 Leben hätten bewahren können. Allein in diesem Jahr haben Sie …«

Michelin hob eine Hand, um die Frau abzuwürgen. »Genug«, ermahnte er sie. »Das ist alles vollkommen aus der Luft gegriffen. Es gibt nichts, was Ihre Vorwürfe belegt, Governor. Rein gar nichts.«

»In diesem Punkt irren Sie sich, Mr. President, und das wissen wir beide, nicht wahr?«

Er starrte sie einen langen Moment gleichgültig an, bevor er erneut sprach: »Sollten Sie planen, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, Governor, garantiere ich Ihnen, dass Sie sich von Beginn an auf einen harten Kampf einstellen dürfen. Offengestanden«, fügte er hinzu, »glaube ich allerdings nicht, dass Sie genügend Zeit und Kraft haben werden, um sich dabei gut zu schlagen.«

Die Gouverneurin machte bereits jetzt einen vollkommen ausgelaugten Eindruck. »Wissen Sie was, Mr. President? Sie haben recht, Sie haben absolut recht. Ich werde noch zwei, vielleicht drei Monate leben, und bis irgendetwas von alledem …« Sie wedelte mit dem Tablet. »… in New DC auf den Tisch kommt, hätten Ihre Lakaien längst dafür gesorgt, dass Ihre Cyber-Fingerabdrücke sauber sind, kein Zweifel. Sie werden Ihre zweite Amtszeit als Bundespräsident der Felder von Elysium bekommen, Sie werden die Menschen der Föderation weiter ausbeuten, und mich wird man einäschern, worüber Sie sich unleugbar diebisch freuen werden.«

Präsident Michelin starrte argwöhnisch ihr Tablet an.

Die Gouverneurin steckte das Gerät nun wieder in ihre Tasche, doch als sie die Hand herauszog, hielt sie plötzlich eine vernickelte Pistole mit Schalldämpfer in der Hand und richtete sie auf den Präsidenten.

Michelin hob erschrocken die Arme hoch. »Moment mal«, lenkte er nervös ein. »Was zum Teufel glauben Sie, tun Sie da?«

Hauptberater Eldridge starrte fassungslos auf die Mündung der Feuerwaffe und bekam den Mund nicht mehr zu. »Falls ich etwas hinzufügen darf, Governor …«

Nun schwenkte die Pistole zu ihm herum. »Nein, dürfen Sie nicht«, ließ sie ihn wissen. »Von Ihnen, Mr. Chief Advisor, will ich nichts weiter, als dass Sie dort sitzenbleiben und Ihren Mund halten. Haben Sie mich verstanden?«

Das hatte er offenbar, denn er fuhr jetzt damit fort, auf den Schirm seines eigenen Tablets zu schauen, als sei nichts Besonderes geschehen.

Sie zielte wieder auf den Präsidenten. »Also«, fuhr sie fort, »wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, wir haben darüber gesprochen, wie zwecklos ein Versuch meinerseits wäre, im Kapitol einen Krieg gegen Sie zu führen, und das stimmt auch. Sie verfügen über stärkeren politischen Einfluss, als ich mir je erträumen könnte. Sie werden sich weiterhin genügend Geld in die Taschen Ihrer Anhängerschaft stecken, damit sie die Wahrheit verdrängt, und die gealterte Bevölkerung von New Miami wird nach wie vor dasselbe Leben führen.«

»Sie wollen das gar nicht tun«, unterstellte Michelin ihr.

»Oh, und ob ich das will, Mr. President. Leute wie Sie verdienen das Privileg nicht, das höchste Amt in diesem Land zu bekleiden. Was das Volk der Felder von Elysium braucht, ist eine integre und moralisch gefestigte Führungsperson.«

»Tja, na dann viel Glück beim Suchen.« Er schaute weiterhin gebannt auf die Pistole. »Ihre Lösung besteht also darin, mich umzubringen, habe ich recht?«

»Ich tue es wirklich nicht gern, weil es sich nicht mit meinem christlichen Glauben vereinbaren lässt, doch es geschieht zum Wohle der Felder von Elysium. Deshalb sehe ich keine andere Wahl, oder Sie etwa?«

»Man kann sich immer frei entscheiden«, erwiderte er. »Wir brauchen nichts weiter zu tun, als zu verhandeln. Ganz einfach, oder?«

»Ich fürchte, Mr. President, von nun an wird es keine weiteren Diskussionen, Debatten oder Verhandlungen mehr geben. Ihre Amtszeit als Staatsoberhaupt ist nun vorbei, tut mir leid.«

In dem Moment, als sie die Waffe mitten auf die Brust des Präsidenten richtete, stürzte Eldridge mit seinem Tablet vorwärts und schlug den Lauf damit zur Seite. Die Waffe ging los, doch die Kugel verfehlte ihr vorgesehenes Ziel und traf stattdessen die Tür.

Michelin beugte sich nach vorn und ergriff die Hand der Gouverneurin. Zwei weitere Schüsse fielen, wiederum unterdrückt durch den Schalldämpfer … die Kugeln schlugen durch das Dach.

»Geben Sie sie schon her, Sie Miststück«, brauste er auf, während er ihr die Waffe zu entreißen versuchte.

Für eine alte und obendrein noch todkranke Frau setzte sie sich auf beachtliche Weise zur Wehr, wie Michelin fand, während er mit ihr um die Pistole kämpfte, denn es war ein Hin und Her, bei dem mal er die Oberhand hatte, dann wieder sie.

»Bleiben Sie nicht einfach tatenlos da sitzen, Sie Trottel!«, herrschte er Eldridge an. »Unternehmen Sie doch etwas!«

Der Hauptberater beugte sich daraufhin nach vorn und drückte die Schultern der Gouverneurin gegen die Rückenlehne, sodass Michelin sie endlich überwältigen konnte.

Er legte beide Hände auf ihre, richtete den Lauf auf die weiche Stelle unter ihrem Kinn, hakte den Finger am Abzug ein und feuerte.

Die Kugel trat an ihrer Schädeldecke aus und hinterließ ein Loch, das ungefähr so groß wie ein Pfirsich war. Die Gouverneurin bäumte sich langsam auf, sackte aber einen Augenblick später zusammen und stieß seufzend einen letzten Atemhauch aus.

Blut und Hirnmasse tropften von der Decke auf ihre Bluse. Die Waffe befand sich noch immer in ihren Händen, als sie mit zur Seite geneigtem Kopf dasaß.

Der Präsident war blutbesudelt, besonders sein Gesicht, an dem die warme, rote Flüssigkeit hinabrann. »Was für eine Schweinerei!«, wetterte er. Dann schaute er auf seine Hände, die ebenfalls mit dem Blut der Gouverneurin bespritzt waren. Sein Anzug zeigte sogar Spuren breiiger Hirnmasse. »Verdammt! Sie hat meinen Bertucci ruiniert!«

»Es musste sein, Mr. President«, beschwichtigte ihn Eldridge. »Sie wollte Sie töten.«

Michelin fuchtelte in einem fort mit seinen Händen in der Luft herum, als ob er das Blut abschütteln wollte. »Was um alles in der Welt soll ich denn jetzt tun?«

»Wir finden schon eine Lösung.«

»Selbstverständlich«, pflichtete er ihm bei, »doch der springende Punkt ist: Wie münzen wir das zu meinem Vorteil um?«

»Die Frau war geistig nicht mehr auf der Höhe; sie litt unter ihrer Krankheit und wäre sowieso bald gestorben. Als sie in ihre Tasche griff, verlor sie ihren Verstand und nahm auf einmal eine Waffe heraus … was ja schließlich der Wahrheit entspricht, korrekt? Die Pistole lässt sich definitiv ihr zuweisen, das wird also kein Problem darstellen. Unsere Vorgehensweise besteht nun darin, eine Geschichte zu erfinden, die Sie in den Augen der Bevölkerung von New Miami gut dastehen lässt. Alles hängt nun einzig und allein davon ab, wie wir es bewerben.«

»Die Ermordung einer Gouverneurin bewerben?«

»Hören Sie mir einfach zu«, fuhr Eldridge fort. »Obwohl Sie Mitleid angesichts ihres Zustandes hatten, zeigte sie sich Ihrem politischen Programm gegenüber wenig gewogen; darum wurden die Gespräche irgendwann hitziger. Als sie versuchten, die Gefahr einer Frau zu bannen, die labil war und unter Depressionen litt, fiel bedauerlicherweise ein Schuss und tötete sie. Natürlich müssen wir das Ganze noch ein wenig aufhübschen und mit weiteren Details ausschmücken, doch damit durchzukommen ist durchaus möglich.«

»Tun Sie, was auch immer erforderlich ist, John, und sorgen Sie dafür, dass das Ganze wasserdicht ist. Ich möchte keine Patzer in dieser Angelegenheit.«

»Sehr wohl, Mr. President.«

»Und noch etwas.« Er nahm die Handtasche der Gouverneurin und zog das Tablet heraus, um es Eldridge zu übergeben. »Ich will, dass Sie jede Datei auf diesem Gerät zu ihrer Quelle zurückverfolgen. Ich will, dass alles gelöscht wird, und zwar am liebsten schon gestern. Hacken Sie sich in ihre Systeme ein, verfolgen Sie ihre Datenübertragungen – alles, was eine marginale Spur meiner Transaktionen seit Beginn meiner Amtszeit enthalten könnte, und beseitigen Sie es.«

»Das werde ich tun, Mr. President.«

»Und wenn Sie diese Sache für mich erledigt haben, John, verspreche ich Ihnen eine Villa in einem Elysium Ihrer Wahl. Ich weiß, ich muss Ihnen das nicht sagen, doch Sie sollen das Ganze vollkommen unbedenklich abwickeln.«

Eldridge kam nicht umhin, zu schmunzeln. »Sie können sich darauf verlassen, dass ich Sie nicht enttäuschen werde, Mr. President. Das habe ich nie getan und werde es nie tun.«

Michelin wandte sich der Leiche zu, die zu einer Seite gelehnt in ihrem Sitz kauerte, ihr Leben gewaltsam mit einer einzigen Patrone ausgetrieben. Dann blickte er zum Dach über ihr und beobachtete mit makabrer Faszination, wie die blutige Masse dort langsam auf ihre Bluse hinuntertropfte.

Ja, dachte er. Ich werde schon eine Lösung finden, um von diesem Vorfall zu profitieren.

Daraufhin wog er gemeinsam mit John Eldridge seine Optionen ab, während sich der Flieger seinem Bestimmungsort näherte.

Kapitel 3

An Bord von Mausoleum 2069
Kommunikationszentrale

Mausoleum 2069 ist eine selbstversorgende Anlage, die ungefähr sechzig Meilen über der Erdoberfläche schwebt. Es handelt sich dabei um ein Schiff in geosynchroner Umlaufbahn des Planeten, wo sich dessen Rotation unmittelbar über New DC stationiert angleicht. In seinen Katakomben bestattet sind entweder extrem wohlhabende Menschen oder solche von hohem Renommee, beispielsweise Prominente oder Politiker.

Das Mausoleum wurde trapezförmig konstruiert, also breit und nach oben hin spitz zulaufend. Der Rumpf besteht aus matt glänzenden Stahlplatten, die zusammengefügt und vernietet wurden. An der Unterseite befindet sich ein Hangar, der breit genug ist, um zwei Luftbusse gleichzeitig andocken zu lassen, und oben, wo sich die Hülle zum spitzesten Punkt hin verjüngt, liegt ein Observatorium aus Panzerglas, von dem aus man einen phänomenalen Ausblick ins Universum erhält. Außerdem dient es als nachgerüstete Plattform für die Grüfte derer mit den tiefsten Taschen.

Auf der Ebene direkt unter dem Observatorium gelangt man zur Kommunikationszentrale der Anlage, wo ein vierköpfiger Stab mit der Aufgabe betraut ist, ein Schiff zu kontrollieren, dessen Grundfläche ungefähr zwanzig Fußballfeldern entspricht.

In der Zentrale stehen in einem überfüllten Bereich an der vorderen Bordwand reihenweise Monitore. Winkel- und T-Rohre verlaufen in scheinbar willkürlicher Anordnung an der niedrigen Decke durch den Raum und die an Gitterroste ähnelnden Bodenelemente lassen sich anheben, um die dünnen Kabelkanäle darunter erreichen zu können.

Jen Jacoby saß gerade nichts tuend mit den Füßen auf der Konsole vor einem Plasma-Fernseher. Wie alle Besatzungsmitglieder von Mausoleum 2069 trug sie den erforderlichen Overall in Marineblau mit dem Abzeichen des Unternehmens – der Zahl 2069 – links auf der Brust. Sie nippte an einer Packung Saft, während sie die Satellitenübertragung der Abendnachrichten verfolgte, die gerade von New DC aus gesendet wurden.

Governor Michelle Anderson beging heute in New Miami Selbstmord. Sie war mit der Gesandtschaft von Präsident Michelin unterwegs zum Free Haven Hotel in der Innenstadt, wo er seine Wahlkampfreise antreten sollte. Denn New Miami ist das erste Feld von Elysium, das er besucht. Obwohl uns immer noch weitere Einzelheiten zukommen, hat News Central Eight bestätigt, dass Präsident Michelin die Tragödie zwar bezeugen musste, aber unverletzt blieb. Er verkündete, Governor Andersons Anliegen vertreten zu wollen, also nicht nur den Ausbau der Dienstleistungen für die ältere Bevölkerung New Miamis, sondern für alle Menschen innerhalb der Föderation der Felder von Elysium.

Zu den weiteren Nachrichten des Tages …

»Wow«, sagte Jen erstaunt. »Hast du das gehört?«

Jim Schott, der leitende Ingenieur der Station, kauerte momentan vor einem Werkzeugkasten und fluchte heftig, weil er einen bestimmten Schlüssel nicht finden konnte.

»Hast du das gehört?«, wiederholte sie.

»Siehst du denn nicht, dass ich gerade zu tun habe?«

»Was denn … kannst nicht reden und gleichzeitig etwas suchen?«

Jim ließ resignierend den Kopf hängen und schnaufte heftig, um Ruhe zu bewahren. »Ich finde das Scheißding sowieso nicht«, sagte er und richtete sich mühsam auf, wobei seine Knie knackten. Dann drehte er sich zu Jen um. »Was soll ich denn gehört haben?«

Jennifer »Jen« Jacoby war groß, hatte lange Beine und einen milchkaffeebraunen Körper, der aussah, wie im Fitnessstudio geformt. Ihr pechschwarzes Haar war kurz geschnitten und umrahmte ihr feenhaftes Gesicht, dessen bezaubernd braune Augen farblich an frisch geprägtes Münzgeld erinnerten. Im Übrigen fungierte sie als Fernmeldeoffizierin des Schiffs. »Governor Anderson hat sich heute selbst die Lichter ausgeblasen, heißt es.«

Er zuckte mit den Achseln. »Wer ist Governor Anderson denn überhaupt?«

Sie schaute ihn ungläubig an. »Du solltest wirklich aus der Höhle kriechen, in der du es dir so bequem gemacht hast, und die Welt außerhalb dieses fliegenden Grabes mal ein bisschen kennenlernen.«

»Mir gefällt meine Welt, so wie sie ist. Würde ich wissen wollen, was da unten geschieht, wäre ich dort, aber dieses fliegende Grab hier ist meine Komfortzone. Was am Boden passiert, betrifft mich nicht mehr.« Daraufhin beugte er sich nach vorn und streckte den Hintern heraus, um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen. »Und es wird mich auch nie interessieren.«

Sie verdrehte die Augen, wandte sich wieder dem Fernseher zu und drehte den Ton lauter, während Jim zurückging und eine Zeit lang weiter nach dem Schlüssel suchte, während er eine erneute Schimpftirade von sich gab.

Nur noch zwei Tage, dann würde sie sich sein Gezeter nie wieder anhören müssen … kein einziges gesalzenes Wort mehr.

In zwei Tagen würde sie nämlich tot sein.

Kapitel 4

Im Laufe der über 4,5 Milliarden Jahre war die kosmische Staubwolke exponentiell gewachsen. Ihre Masse bewegte und verwandelte sich unaufhörlich, so als sei sie lebendig und breitete sich so haltlos aus wie das Universum selbst.

Sie hatte sich mit der Zeit auf einen steten Kurs eingependelt, den Boden von Planeten nur einmal leicht mit ihren nebligen Fingern gestreift und dadurch Leben geschenkt, wo nichts leben sollte.

Sie besaß keinen Verstand.

Sie besaß kein Gewissen.

Sie besaß keinen Begriff von einem etwaigen Zweck.

Sie war eines der größten Rätsel des Universums.

Im Laufe der Äonen hatte sie sich aufgebläht wie das Tuch eines Großseglers, das sich bei kräftigem Wind aufspannte, und sich stetig weiter mit kosmischem Staub angereichert.

Auf ihrer Kreisbahn war sie zu dem der Sonne drittnächsten Planeten der Milchstraße zurückgekehrt, dem sie beim ersten Vorbeiziehen vor Jahrmilliarden eine außergewöhnliche Zelle beschert hatte.

Und jetzt näherte sie sich ihm wieder.

Der Planet war von dort aus, wo sie sich gerade befand, nur stecknadelkopfgroß, sie selbst jedoch erheblich größer, nachdem sie derart ausladende Proportionen angenommen hatte, sodass sie nunmehr wie eine ausgebreitete Decke ganze Gestirne im Vorbeiflug ausblenden konnte.

Nichts auf ihrer Bahn würde davon unberührt bleiben.

Dies bezog auch den der Sonne drittnächsten Planeten mit ein.

Kapitel 5

Präsidentensuite, Free Haven Hotel, New Miami

Präsident Michelin stand vor dem Spiegel und musterte sich, um herauszufinden, wie er optisch wirkte. Er war schlank und körperlich fit, seine kantigen Züge vermittelten Stärke und königliche Würde. Er hatte braunes Haar mit grau melierten Koteletten, was ihn wie einen klassischen Typ wirken ließ, und dank einer Laserbehandlung, die Krähenfüße und andere Fältchen getilgt hatte, wirkte das Oberhaupt deutlich jünger als achtundfünfzig.

Heute trug er einen neuen Anzug von Bertucci, maßgefertigt zur Betonung der besonders ansehnlichen Aspekte seiner Figur, um ihn jugendlich wirken zu lassen.

Während er in die Begutachtung seiner selbst vertieft dastand, tauchte plötzlich John Eldridge neben ihm im Spiegel auf. Dieser hielt ein Tablet in der Hand.

»Also, was haben Sie herausgefunden?«, fragte Michelin ihn und fuhr sich mit beiden Händen über die Vorderseite seines Anzugs.

»Gute Neuigkeiten«, erwiderte der Berater. »Nach Ihrem Versprechen, das Vorhaben der Gouverneurin weiterzuführen und nicht nur das Gesundheitssystem in New Miami, sondern in allen Feldern von Elysium zu verbessern, ist die Zahl Ihrer Befürworter um ganze elf Prozent gestiegen.«

»Da fängt der Tag ja prima an«, freute sich Michelin. »Anscheinend war die Schlampe doch noch zu etwas zu gebrauchen.« Er trat vom Spiegel zurück. »Und die Vorgeschichte?«

Eldridge tippte auf den Bildschirm des Geräts, um seine Stichpunktliste aufzurufen. »Den Medien wurde zugespielt, dass Governor Anderson tödlich erkrankt war und mutwillig unterlassen hatte, ihre Verfassung wie von Gesetzeswegen her vorgeschrieben, öffentlich zu machen. Alle Berichte und Dokumente wurden abgeändert, um den Eindruck zu vermitteln, dass sie unzurechnungsfähig gewesen war, und vor allen darauf hinzuweisen, dass Sie noch versucht haben, die Situation zu entspannen, es aber trotz ihres tapferen Bestrebens, ihr Leben zu retten, nicht vermocht haben.« Er nahm das Tablet wieder herunter. »Sie gelten jetzt als Held, Mr. President.«

Michelin drehte sich wieder zum Spiegel um und ließ sich zu einem verhaltenen, schiefen Grinsen hinreißen. »Gute Arbeit, John. Ich bin stolz auf Sie.«

»Wie versprochen, Mr. President, habe ich es durchgezogen. Ich habe den Sachverhalt zu Ihren Gunsten umgekehrt.«

»Das kann man wohl sagen, John; genau das haben Sie getan.«

»Etwas ist allerdings noch offen«, gab Eldridge zu bedenken. »Wir müssen dafür sorgen, dass Ihre guten Prognosen auch so bleiben.«

»Und wie?«

»Governor Anderson soll übermorgen ehrenhaft in Mausoleum 2069 bestattet werden; Ihre Anwesenheit dort würde Ihr Image noch mehr stärken.«

Nun schaute ihn Michelin enerviert an. »Dafür gibt es doch bestimmt auch eine andere Möglichkeit, oder?«

»Ich fürchte nein, Mr. President. Im Augenblick ist nichts wichtiger als die Schärfung Ihres Profils. Wir müssen die Korruptionsvorwürfe unbedingt verstummen lassen und die gegenwärtige Vertrauenskrise innerhalb Ihrer Regierung beenden. Dieser Schritt würde uns eine solide Grundlage bieten, um weiter darauf aufbauen zu können, besonders, da in zwei Monaten die Vorwahlen in New Miami anstehen. Man würde Sie als teilnahmsvollen Mann wahrnehmen … als einen Menschen mit hehren Absichten. Wir müssen das tun.«

Michelin willigte zähneknirschend ein. »Also gut«, sagte er. »Dann setzen Sie eine Grabrede auf; sie soll aber kurz sein und schnell auf den Punkt kommen. Ich will es nicht länger ausdehnen als nötig, ist das klar?«

»Jawohl, Sir, Mr. President. Ich setze die Schreiber sofort darauf an.«

Als Eldridge verschwunden war, trat Michelin auf den Balkon und überblickte die Lichter von New Miami. Im Dunkeln erinnerte ihn die Stadt an einen Haufen Diamanten, die ausgebreitet auf schwarzem Samt vor ihm lagen, eine wunderbare Aussicht.

Dann schaute er zu den winzigen Leuchtpunkten am Himmel auf. Er wusste, bei einigen davon handelte es sich keineswegs um Sterne, sondern um die strahlenden Ringe von Satelliten oder einfach nur um Weltraumschrott. In zweiundsiebzig Stunden würde er hoch über der Erde kreisen und durch ein Bullauge hinunter auf sein Königreich blicken.

Dann würde sich ihm allerdings kein prachtvolles Bild wie jenes von New Miami bei Nacht bieten, sondern das eines sterbenden Planeten, dessen Ozeane von Blau zu Grau umgekippt waren, da sich ihr letztes Plankton aufgelöst hatte, und das einer Landschaft, in der die Farbe von Wüstensand überwog.

Ihm oblag es jedoch, über dieses Reich zu herrschen und er fand es immer noch besser, als gar kein Reich zu haben.

Präsident Michelin war durchaus zufrieden.

Kapitel 6

Mausoleum 2069

»Also gut, Leute, alle hergehört.« Eric Wyman war als Besatzungschef hauptsächlich dafür verantwortlich, dass alles an Bord reibungslos verlief, indem er sein Team in der Spur laufen ließ. Er war über eins-neunzig groß, hatte breite Schultern und eine schmale Taille sowie einen Teint, der an gegerbtes Leder denken ließ, doch sein herausragendes Körpermerkmal waren die verschiedenfarbigen Augen. Infolge eines Leidens war eine Pupille so hellblau geworden, dass sie sich fast nicht mehr vom Weiß der umliegenden Netzhaut unterscheiden ließ; das andere Auge war hingegen so schwarz, dass man aufgrund der sehr dunklen Iris glaubte, es habe gar keine Pupille. Doch Kontrast hin oder her: Sie standen bezeichnend für Wyman als ehemaligen Kommandanten, der die Wastelands oftmals nach Aufständischen durchkämmt hatte. Das hellblaue Auge deutete auf eine zutiefst mitfühlende und zuvorkommende Person hin … einen Menschen des Lichts; das dunkle jedoch repräsentierte seine Bereitschaft zu extremer Gewalt, wenn er an seine Grenzen getrieben wurde.

An einem Edelstahltisch in der Mitte der Bordküche, die klein und eng war, scharten sich nun seine Untergebenen.

Jen Jacoby hatte neben Sheena Tolbert Platz genommen, der brünetten Aufseherin der Internierung. Sie war klein und eher niedlich als hübsch, mit ihren sommersprossigen Wangen, unnatürlich geraden Zähnen und den warmen grauen Augen.

Schott saß ihnen mit defensiv verschränkten Armen gegenüber und sah aus, als sei ihm die Besprechung mehr als lästig. In seinem Gesicht standen graue Barthaare, die sich leicht kräuselten und ihn stets ungepflegt wirken ließen. Momentan machte er einen extrem missbilligenden Eindruck.

Nachdem er die Aufmerksamkeit aller gewonnen hatte, gab Wyman die Informationen weiter, die er auf seinem Tablet aufgerufen hatte. »Wir haben gerade von den hohen Tieren in New DC eine Order bekommen. Übermorgen findet in New Miami die Gedenkfeier für Governor Anderson statt, woraufhin sie hierher zu uns befördert wird, wo eine abschließende Zeremonie mit einem Aufgebot wichtiger Gäste – darunter auch Präsident Michelin – vorgesehen ist. Diese Sache genießt hohe Priorität. Wir müssen also absolut perfekte Arbeit leisten.«

»Von wie viel hohem Besuch sprechen wir denn?«, fragte Sheena.

Wyman schaute auf seinem Tablet nach. »Neben Michelin werden es zwei elysische Senatoren, sein Hauptberater, die Tochter der Gouverneurin und seine Garde, die aus vier bewaffneten Leibwächtern besteht, sein. Nicht zu vergessen natürlich der Priester, also insgesamt zehn Personen. Ihr begreift also, warum wir uns bei dieser Sache von unserer absoluten Sonnenseite zeigen müssen – und damit meine ich auch dich, Jim.«

Schott drehte sich weg und schnaubte abfällig.

»Man teilte mir aber mit, dass die Bestattungsfeier nicht lange dauert. Es gibt keinen großen Aufwand; wir müssen nichts weiter tun, als das Grab herzurichten.« Er fuhr mit einem Finger über den Schirm, um Seiten durchzublättern. »Governor Anderson wird auf der Ebene des Observatoriums untergebracht: Sektion 6, Grab 3478.«

»Also mit Bausch und Bogen«, meinte Schott.

»Alles vollständig von der FFE bezahlt, der Föderation der Felder von Elysium«, ergänzte Wyman. »Noch Fragen?«

Niemand hatte welche.

»Also gut, Leute, ihr wisst, was ihr jetzt zu tun habt. Zeit zum Arbeiten.«

Jim Schott und Jen Jacoby verschwanden durch verschiedene Schleusen in unterschiedliche Bereiche des Schiffs, doch Sheena Tolbert blieb sitzen.

Wyman legte das Tablet hin, setzte sich neben sie und streichelte mit mehreren Fingern sanft über ihre Wange.

Sie hob eine Hand, hielt seine fest und drückte sie an die Seite ihres Gesichts. »Ich hab dich gestern Nacht vermisst«, sagte sie.

»Jim und ich mussten die Geosphären neu kalibrieren, was lange gedauert hat. Wir waren erst um drei Uhr heute Morgen fertig und ich wollte dich nicht extra wecken.«

Die Geosphären dienten zur Verankerung des Schiffes. Es handelte sich dabei um acht magnetisch aufgeladene Kugeln rings um das Mausoleum herum, deren Felder sozusagen als Halteleinen maximale Stabilität gewährleisten sollten. Funktionierten zwei Sphären nicht synchron, bekam die Anlage Schlagseite, sodass man sie neu einstellen musste. Eine äußerst zeitintensive Angelegenheit.

»Heute Nacht komme ich aber«, versprach er ihr mit sanfter Stimme.

Sie lächelte und gab ihm einen Kuss auf den Handrücken. »Das hoffe ich für dich.«

»Ich werde da sein, verlass dich drauf.« Er beugte sich nach vorn und küsste ihre Stirn. »Geh und hilf Jen beim Vorbereiten des Grabes der Gouverneurin. Ich muss noch zwei andere Särge fertigmachen.« Nach einem weiteren Kuss – einem kurzen Tupfer auf ihre Nase – zwinkerte er ihr mit seinem hellen Auge zu. »Bis später.«

Dann nahm er sein Tablet und verließ die Küche.

Bevor sie zur vorgesehenen Grabstätte der Gouverneurin ging, besuchte Sheena noch ihre Mutter, die zwanzig Jahre zuvor im Mausoleum beigesetzt worden war.

***

Mit sechs Jahren hatte Sheena Tolbert zusehen müssen, wie ihre Mutter starb.

Es war Abend gewesen, ungefähr gegen einundzwanzig Uhr in New Albuquerque. Sie waren mit dem Auto gefahren, ihre Mutter am Steuer, ihr Onkel auf dem Beifahrersitz und Sheena kurz vor dem Einschlafen auf der Rückbank. Die beiden Erwachsenen hatten sich über sie unterhalten, also hatte sie versucht, möglichst lange wach zu bleiben, um zu belauschen, worum es ging.

Ihre Mutter hatte ihrem Bruder erzählt, wie stolz sie auf ihr einziges Kind sei und wie sehr sie einander liebten. Er erwiderte daraufhin etwas, das Sheena seinerzeit nicht verstand; er sagte: »Sie steht dir sehr nahe, weil das Wort Mutter für Kinder Gott bedeutet. Sie sieht in dir jemanden, der sie verteidigt, eine Behüterin und Orientierungshilfe, ein Fanal bedingungsloser Liebe. Darum gibt sie zurück, was sie empfängt. Das ist eine Liebe«, betonte er, »die ihre beide nie vergessen werdet, komme, was wolle.«

Doch kaum, als ihm das letzte Wort über die Lippen gekommen war, erhielten sie plötzlich eine Warnung. Die Roboterstimme aus der Konsole des Fahrzeugs meldete eine Fehlfunktion in der Lenksäule. Kurz darauf kam der Wagen von der Straße ab und rammte einen Lichtmast. Das Nächste, woran Sheena sich erinnerte, war eine Säule aus rußig schwarzem Rauch und Hitze von einem Feuer in der Nähe.