Medical Secrets - Kiki Wally - E-Book

Medical Secrets E-Book

Kiki Wally

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Beschreibung

Hat nicht jeder ein Geheimnis? Lebt nicht jeder sein Leben wie ein Saubermann, obwohl tief verborgen die eigenen Abgründe lauern? Juana lässt ihre eigenen Trümmer in Mexiko zurück, als sie nach L.A. kommt, um sich ein besseres Leben aufzubauen. Ihr neuer Chef Logan verdreht ihr schon ab dem ersten Moment den Kopf. Turbulent nimmt ihr Leben Fahrt auf, mit Dingen, die am Ende nicht mehr das sind, was sie am Anfang zu sein schienen. Juana bekommt ein Jobangebot in einem Organtransplantationszentrum in L.A., welches sie ohne zu Zögern annimmt. Ihr erster Tag wird aufregender als gedacht, als sie erfährt, wer ihr Chef ist - denn er ist kein Unbekannter. Sie findet Gefallen an ihm, was sie sich aber strikt zu verbieten versucht. Denn was sie nicht weiß - Logan ist nicht der "Gott in weiß". In seinem Leben lauern dunkle Geheimnisse, die den beiden zum Verhängnis werden könnten.

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Medical

Secrets

Kiki Wally

Auflage 2024

Copyright © Kiki Wally

Impressum:Christina Wallberg-Hanstein

(unter dem Pseudonym: Kiki Wally)

c/o Tüddel-Lädchen by Kira Rosen

Halinger Dorfstr. 118

58708 Menden

[email protected]

Das Werk ist rein fiktiv. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu noch lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Das Werk ist einschließlich aller Inhalte urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion in irgendeiner Form sowie die Einspeicherung , Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronische Systeme jeder Art , gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung untersagt.

Selfpublishing über www.epubli.de

Neopubli GmbH, Köpenicker Str. 154 a, 10997 Berlin

Triggerwarnung:

Wenn du Probleme mit Gewalttätigkeiten, eindeutigen

sexuellen Handlungen, menschlichen Schicksalen oder Drogen hast, solltest du das Buch

besser zur Seite legen. Aber wenn du bereit für eine Reise bist,

dann lass die Hüllen fallen, denn es gibt kein Safeword.

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Danksagung

Kapitel 1

Juana

Es war 04.45 Uhr in Mexiko. Der Flughafen war ruhig. Kaum eine Menschenseele trieb sich herum. Die Menschen hier mochte keine frühen Uhrzeiten.

Ich war nervös, denn ab heute begann ein neues Leben für mich. Ich reiste nach Los Angeles. One way. Nie wieder zurück in mein altes Leben. Dafür hatte ich gekämpft, seitdem ich 15 Jahre alt war und in einer Schwesternschaft, den “Hermanas mayores” groß geworden war. Mit 18 durfte ich die Schwesternschule besuchen und habe mich in 3 Jahren zur OP-Schwester ausbilden lassen. An einer offiziell eingetragenen Hochschule in Mexiko musste ich anschließend noch ein Jahr eine Weiterbildung machen, damit mein beruflicher Status auch in den Staaten anerkannt wurde.

Vor einigen Monaten hatte ich dann über Google eine Stelle in einem Organtransplantationszentrum gefunden. Über eine Skypekonferenz mit dem Leiter des Zentrums wurde mir die Stelle zugesichert und die Schwesternschaft hatte mir geholfen, mein altes Leben hinter mir zu lassen und die Weichen für mein neues Leben zu stellen sowie eine kleine, bezahlbare Wohnung zwei Querstraßen vom Organtransplantationszentrum zu finden. Während meiner Ausbildung hatte ich versucht, soviel Geld wie möglich an die Seite zu legen. Damit ich in der Schwesternschaft nicht allzuviel davon abgeben musste, hatte ich neben meiner Ausbildung noch sämtliche Jobs wie Küchendienst, Wäsche und Anderes übernommen. Und nun saß ich hier und ließ dieses Kapitel endlich hinter mir.

Das Boarding begann in 15 Minuten. Um mich herum versammelten sich allmählich die weiteren Passagiere. Mit der Maschine schienen offensichtlich nur Business People zu fliegen. Die Meisten trugen teure Anzüge, schicke Kleider und Overalls. Keine Familien in Sicht. Das solltet mir recht sein. Keine schreienden Kinder an Bord. Ich musste unbedingt ein bisschen Schlaf nachholen. Ich war den ganzen Abend aufgeregt gewesen und hatte mich in meinem Bett hin- und hergewälzt. Schwester Gabriela hatte mich dann um 03.00 Uhr zum Flughafen gefahren. Wir hatten zum Abschied noch ein gemeinsames Gebet gesprochen, so wie es in der Schwesternschaft üblich war und dann war sie wieder gefahren. Meine Persönlichkeit und mein Leben sind und waren immer anders als die der Schwestern. Und trotzdem hatte ich versucht mich aufgrund meiner Lebensumstände ihnen anzupassen. Das hatte mal mehr und mal weniger gut funktioniert.

Aber immerhin hatte ich es durch sie geschafft, mir ein normales Leben aufzubauen und nicht abzurutschen, wie meine Eltern, Maria und Eduarudo, die mit dem mexikanischen Kartell lebensgefährliche Geschäfte gemacht hatten. Als meine Mutter schwanger wurde, hatten sie diesen Umstand dem Kartell vorenthalten. Irgendwann wurde ihr Bauch unübersehbar und sie hatten behauptet, dass meine Mutter aufgrund eines Autounfalles und schwereren Verletzungen erstmal das Haus nicht verlassen könnte. Sie hatten mich die ersten Jahre im Haus groß gezogen und ich hatte nie verstanden, wieso ich nicht, wie die anderen Kinder, draußen spielen oder zur Schule gehen durfte. Als die Hürde zu groß wurde und ich im rebellischen Teenageralter ankam, hatten sie sich entschlossen, mich an die Schwesternschaft abzugeben. Ich sah meiner Mutter viel zu ähnlich und die Gefahr, dass ich draußen erkannt werden würde, war zu groß gewesen. María und Eduardo Ramírez waren ab diesem Zeitpunkt wieder das kriminelle kinderlose Paar, welches sie seit Jahren vorgaben zu sein. Mein neues Domizil in dem römisch-katholischem Kloster hatte sich nach einem Jahr als Safeplace herausgestellt, welches meine Familie dann endgültig von mir getrennt hatte.

*********

Eine halbe Stunde später saß ich im Flieger. Fensterplatz. Das Boarding hatte verspätet stattgefunden aufgrund einer defekten Tür am Gate. Es war keine große Maschine, aber alle Plätze waren ausgebucht.

“Können Sie Ihre Handtasche auf den Schoß nehmen?”, ertönte eine dunkle Stimme rechts hinter mir. Verwirrt schaute ich in die Richtung und merkte, dass ich gemeint war.

“Verstehen Sie meine Frage nicht? Das schwarze Lackteil hier ist doch Ihre Handtasche, oder?” Ein hochgewachsener Mann mit dunklen Haaren und Augen, fast schwarz wie die Nacht, hielt mir baumelnd meine Handtasche vor die Nase. Er trug dazu einen hellgrauen Anzug mit offenem weißem Hemd. Er musste ungefähr um die Dreißig sein.

“Und was genau ist falsch daran, dass meine Handtasche im Gepäckfach verstaut ist?”, blaffte ich zurück. Was war bitte das Problem von dem Typen?

“Mein Koffer passt dort nicht mehr rein sowie mein frischgereinigter Anzug, der den Flug über möglichst glatt liegen sollte. Wären Sie also so freundlich, mir dieses Ding abzunehmen?” Wieder fuchtelte er mit der Tasche vor meiner Nase herum. “Gott, bewahre - aber selbstverständlich. Der gute Anzug. Der soll natürlich 4,5 Stunden faltenfrei und ohne Flecken überstehen.” Angriffslustig starrte ich ihn an und riss ihm anschließend meine Tasche aus der Hand. Laut verstaute er seine Sachen im Gepäckfach und knallte anschließend die Klappe zu. Er ließ sich neben mir in den Sitz gleiten, fast schon anmutig und starrte mich mit hochgezogener Braue an.

“Was?”, wurde ich langsam ungehalten. “Sie wissen, dass diese Diskussion völlig redundant ist, oder ?” -”Ha.” Ein ungläubiges Lachen entkam mir. “Nein, das wusste ich nicht, aber für mich ist dieses Gespräch in jedem Fall nun beendet.”

Ich drehte meinen Kopf Richtung Fenster und aktivierte meine AirPods. Musik hören, runterkommen und nicht mehr mit diesem Schwachkopf sprechen. Leider einem echt heißen Schwachkopf, der auch noch fabelhaft roch. Ob er wohl auch in Los Angeles lebte? Wie ein Mexikaner wirkte er jedenfalls nicht. Er sah eher aus, wie ein Mann, der den amerikanischen Traum lebte. Wahrscheinlich war er Richter oder Anwalt, typischer Schlipsträger und an Arroganz nicht zu überbieten.

Gott sei Dank war ich ihn in ein paar Stunden wieder los. Ich lehnte mich weiter Richtung Fenster und drehte die Musik an meinem Handy etwas lauter. Ich versuchte meine Augen zu schließen und mich einfach für die nächsten Stunden zu entspannen. Ich kam nicht umhin zuzugeben, dass sein männlicher Duft mich anzog, wie eine Motte das Licht. Es roch herb - wie ein dunkler Wald mitten im frischen Morgentau.

Als ich meine Tasche zwischen meinen Beinen verstauen wollte, wagte ich einen kleinen Seitenblick in seine Richtung. Auch er hatte die Augen geschlossen und seine AirPods aktiviert. Welchen Musikgeschmack er wohl hatte? Wahrscheinlich klassische Musik, damit sich auch der Rest seinen spießigen Dasein vollendete. Oder aber er hörte irgendeinen Podcast über Politik und soziale Medien. Er hatte wirklich eine gerade Nase. Gott, ich war so ein Stalker. Ich saß zwei Zentimeter neben diesem fremden Mann und mir fiel nichts Besseres ein, als ihn zu analysieren.

Plötzlich riss er seine Augen auf und starrte mich direkt an. Sein Blick ging tief. Ich konnte ihn nicht deuten. Er müsste verärgert sein, falls er bemerkt haben sollte, dass ich ihn beobachtet hatte. Aber das war es nicht. Sein Blick wirkte dunkel und so, als würde er direkt unter meiner Haut kratzen. Er gab keinen Ton von sich. Ich lehnte mich wieder mit meinem Kopf ans Fenster und schloss die Augen. Hoffentlich gingen diese paar Stunden einfach zügig um und ich entkam dieser unangenehmen Situation, obwohl ich merkte, wie es zwischen meinen Beinen glühte. Es war absolut grotesk.

Wenn ich heute Nacht endlich wieder friedlichen Schlaf in meinen neuen eigenen vier Wänden fand, hatte ich das Ganze hoffentlich Morgen ganz schnell wieder vergessen.

Kapitel 2

Logan

Nach 4,5 Stunden Flugzeit in der Holzklasse, da angeblich keine Maschine nach LA flog, die ein Erster-Klasse-Abteil besaß, eine Stunde Autofahrt und eine rassige Mexikanerin später, saß ich endlich in meinem Apartment und schaute auf die Stadt hinunter. Nicht zu fassen, dass ich mich auf dieses Treffen mit Fernando einlassen musste. Und dann musste ich mich noch in dieser dreckigen mexikanischen Spelunke, die sich Reinigung schimpfte, herumärgern, um meinen Anzug nach dem Ausflug in die Pampa reinigen zu lassen. Wenn sich das nicht gelohnt hatte, dafür das Fortbildungsmodul an diesem Wochenende sausen zu lassen, machte ich diesen Mistkerl kalt. Aber was tut man nicht alles für Geld und ein unbeschwertes Leben, nicht wahr. Leute, die behaupteten, Geld würde nicht glücklich machen, lügen schlicht und ergreifend. Wahrscheinlich waren sie nie ehrgeizig genug gewesen, um in ihrem Leben Bäume zu versetzen und Ziele zu erreichen. Ich liebte Geld. Ohne das könnte ich nicht in meinem Ledersessel sitzen, einen guten Rotwein trinken und über die Skyline bei hochstehender Mittagssonne von LA schauen. Warum sollte ich mich schließlich für meinen Fleiß im Leben, der damit belohnt wurde, schämen?

In Gedanken versunken, vibrierte mein Handy auf dem Küchentresen. Erschöpft erhob ich mich und lief in meine angrenzende, offene Küche.

“Dex, was gibt es?” Nur mein bester Freund hatte die Nerven, mich nach einem langen Flug direkt zu behelligen.

“Wie ist es mit Mr. Mustacho gelaufen? Konntet ihr euch einigen, auch noch Blatt E und F ins Kontingent aufzunehmen?” Mr. Mustacho war unser Spitzname für Fernando. Ich kannte wirklich niemanden, der so einen perfekten Schnurrbart besaß, wie er. Wahrscheinlich als Ausgleich für die fehlenden Haare auf seinem Kopf.

“Hey Dexter, mir geht es gut. Ich hoffe, dir auch. Schön, dass mein bester Freund sich für mich interessiert und nicht direkt mit der Tür in Haus fällt.” Kopfschüttelnd ging ich zurück zu meinem Sessel, während Dex am anderen Ende lachte. “Komm schon, Black. Du weißt doch, wie wichtig dieses Treffen war. Da kann ich nun mal nicht die Füße still halten.” Black - das war auch wieder einer dieser Spitznamen. Diesen fand ich allerdings nicht besonders lustig. Dexter hatte sich bereits im Teenageralter erlaubt, diesen Spitznamen für mich zu finden. Logan Moore - Schwarz wie “Moor”. Daher Black. Nicht gerade cool und einfallsreich. Aber es hatte sich herausgestellt, dass mir dieser Spitzname äußerst dienlich war.

“Ich habe den Deal abgewickelt. E und F sind aufgenommen worden. Ehrlich gesagt, bin ich mir aber noch nicht sicher, ob mir das gefällt. Das bedeutet für mich noch mehr Stress und Vorsicht.” - “Aber auch mehr Geld für uns”, lachte Dexter. “Okay, ich merke schon - das Wochenende hat dich fertig gemacht. Mr. Mustacho hat mir nach deiner Abreise geschrieben, dass wir uns nächsten Samstag, um 23.00 Uhr am Hafen treffen und wir Blatt E und F einführen sollen. Bekommst du das hin?”

“Ich hoffe es. Wir sehen uns dann.” Ich legte auf und atmete tief durch. Was soll schon schieflaufen? Dieses Business ziehen wir, seit ich mit dem Studium fertig bin, durch. Wir sind Profis geworden. Allerdings musste ich mir neue Wege ausdenken, wie ich nun an E und F kam. Aber das würde nicht anders laufen als sonst. Mit einer Zentralkarte kam ich schließlich überall rein und raus, so wie es mir gefiel. Dumm nur, dass Morgen die Neuankömmlinge starteten. Das hieß, ich würde wieder auf Schritt und Tritt verfolgt und mit Fragen gelöchert werden. Jeder hatte mal klein angefangen, aber mein zweites Business nahm gerade soviel Platz in meinem Leben ein, dass ich es aktuell nicht gebrauchen konnte, genervt zu werden. Ich musste dafür wirklich einen kühlen Kopf bewahren.

Apropos kühlen Kopf - den hätte ich gerne auch auf meinem Flug gehabt, damit ich mir über die neuen “Vertragspunkte” mit Fernando noch hätte einige Gedanken machen können, aber stattdessen musste ich neben dieser kurvigen Schönheit sitzen, die aber genau das gemacht hatte, was ich gerade nicht gebrauchen kann - genervt zu werden. Diese Frau sollte unbedingt ihren Geschmack überdenken.

Kapitel 3

Juana

Der Wecker klingelte. Es war Montag, 06.15 Uhr. Endlich konnte ich in meinem neuen Leben durchstarten. Ich streckte mich in meinem 1,80 m großen Bett. Die Wohnung war wunderschön. Klein, aber fein. Bereits möbliert von einer jungen Innenarchitektin, die mit ihrem Maklerbüro mehrere Wohnungen hier in der Gegend vermietete. An mein Schlafzimmer grenzte ein kleines Wohnzimmer mit offener Küchenzeile, ein kleiner runder Esstisch am Fenster, ein gemütliches Zweisitzersofa mit sogar angrenzender Leseecke, die mir besonders gut gefiel. Ein Tageslichtbad, in dem man sich leider kaum drehen konnte, aber trotzdem mit allem ausgestattet, was man brauchte.

Ich sprang unter die Dusche und schlüpfte anschließend in mein Arbeitsoutfit. Der Leiter des Organtransplantationszentrums hatte mir alles zusammenstellen lassen, was ich für meinen ersten Arbeitstag brauchte und hatte das Paket meiner Maklerin übergeben. Sie hatte versprochen, sich um alles zu kümmern, was für den Einzug notwendig war und ihr Versprechen gehalten.

Ich bändigte meine langen lockigen Haare zu einem Zopf und brachte sichtbar meinen Arbeitsausweis an meinem hellblauen Poloshirt an. “Juana Ramírez - OP-Schwester, Sektor 7”. Ich könnte vor Stolz platzen. Anschließend packte ich mein Essen ein, welches ich mir gestern noch für die heutige Mittagspause zubereitet hatte sowie meinen Arbeitsschlüssel und meinen Kittel.

Ich trat raus auf die bereits jetzt belebte Straße. Typisch Großstadt. Hier schläft nie wirklich jemand. Da ich nur zwei Querstraßen entfernt wohnte, würde ich jeden Morgen zur Arbeit laufen. An einem kleinen Bistro an der Ecke nahm ich mir noch einen Kaffee mit und keine 15 Minuten später sah ich es - das Hauptgebäude des OTZ. Meine Hände wurden schwitzig und meine Beine fühlten sich an, als würden sie jeden Augenblick nachgeben.

Ich ging durch die Drehtür und wandte mich der Empfangsdame zu. Eine junge Frau mit roten kurzen Haaren, ungefähr in meinem Alter, mit einer großen schwarzen Brille auf der Nase und stilvoll in einem Hosenanzug gekleidet.

“Guten Morgen, Miss. Kann ich Ihnen weiterhelfen?” Geduldig betrachtete sie mich aus ihren hellgrünen Augen. “Mein Name ist Juana Ramírez und ich habe hier heute meinen ersten Tag als OP-Schwester”. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. “Herzlich Willkommen, Juana. Die Einführungsveranstaltung findet den Gang runter und am Ende rechts in Hörsaal 1 statt. Mit deinem Mitarbeiterausweis öffnest du die entsprechenden Glastüren auf dem Weg dorthin. Viel Spaß und einen guten Einstieg.” Dankend nickte ich ihr zu.

Leichtfüßig folgte ich der Wegbeschreibung und landete ich einem uniähnlichen Hörsaal, in welchem sich schon einige Leute tummelten. Scheinbar Ärzte, OP-Schwestern und anderes Fachpersonal. Ich ging runter in die dritte Reihe und klappte einen Stuhl neben einem blonden Mädchen herunter. “Hey, ist hier noch frei?”, sprach ich sie an. “Klar, setz dich doch. Auch erster Tag heute?” Ich verstaute meine Tasche unter dem Klappsitz und wandte mich dem Mädchen wieder zu. “Ja, mein Name ist Juana und ich fange hier als OP-Schwester an. Und du?” - “Oh, wie ich sehe Sektor 7. Ich bin in Sektor 5 - Nerven und Rückenmark. Mein Name ist Sara. Freut mich, dich kennenzulernen.” Sara strahlte mir entgegen. Sie hatte hellblaue Augen, trug einen blonden Longbob und war eindeutig einer Zahnpastawerbung entsprungen mit ihren geraden, weißen Zähnen. “Wow, Nerven und Rückenmark. Das klingt spannend. Steht jeder Sektor für was anderes?” Als Sara gerade antworten wollte, schlossen sich die Türen und das Licht wurde gedimmt.

Ein älterer Herr im schwarzen Anzug und gräulichen Haar betrat das Podium. Ich erkannte ihn aus meiner vergangenen Skypekonferenz wieder. Es war der Leiter des OTZ.

“Ich heiße Sie herzlich Willkommen in dem größten Organtransplantationszentrum der Welt. Mein Name ist Prof. Dr. Alan Moore, Leiter des hiesigen OTZ. Ab dem heutigen Tag liegt in Ihrer Verantwortung die Gesundheit und Genesung tausender Menschen. Ich hoffe, Sie sind sich dessen bewusst. Ich freue mich, wenn junge Menschen wie Sie, sich dazu entscheiden, die Welt zu verbessern und kranken Menschen zu helfen. Damit übernehmen Sie eine sinnvolle Aufgabe in Ihrem Leben.“ Es folgte kurzer Applaus, bevor Prof. Moore wieder ansetzte: „Ich möchte Ihnen gerne zunächst etwas über unser Handeln und Tun hier erzählen. Zu unserem OTZ gehören insgesamt 7 Häuser, die aufgrund ihrer Größe den Namen Sektor tragen. Ich werde Sie gleich Ihrem entsprechenden Sektor zuteilen und Ihnen Ihre übergeordneten Chefärzte namentlich vorstellen. Diese erwarten Sie dann im jeweiligen Bereich.

In Sektor 1 befindet sich unser Hauptgebäude. Hier haben Sie mit Ihrem Ausweis überall Zutritt. Mitarbeiterkantine, Personalabteilung, Wäscheabteilung, Umkleidekabinen mit Duschräumen und die Möglichkeit, psychologische Betreuung bei unseren hauseigenen Psychotherapeuten in Anspruch zu nehmen.”

Prof. Dr. Alan Moore machte mit seiner ruhigen und professionellen Art unmissverständlich klar, um was für einen harten Job es sich hier handelte und das man sich dessen hoffentlich bewusst war. Ich hatte mich jahrelang darauf vorbereitet und hatte durch die Schwesternschaft den schmalen Grad zwischen Leben und Tod gelernt. Ich würde das packen.

“In Sektor 2 befindet sich die Organprüfung. Hier werden die ankommenden Organe entgegen genommen und noch einmal final auf ihre weitere Transplantation und Sterilität geprüft. Zusätzlich findet hier die fachgerechte Lagerung und Kühlung statt. Zuständig ist hier unsere Chefärztin Frau Dr. Deborah Smith. In Sektor 3 befindet sich unser medizinisches Beratungszentrum, in welchem sich potentielle Patienten, die ein Transplantat bekommen sollen, zur eingehenden Anamnese und Aufklärung vorstellen, sofern sie uns nicht als Notfall zugeliefert werden. Geleitet wird der Sektor durch Herrn Prof. Dr. Mikael Goon. Ab Sektor 4 beginnen die Häuser, in denen die verschiedenen Transplantationen durchgeführt werden. Sektor 4, die Haut, unter der Leitung von Herrn Dr. Ian Winers. Sektor 5, Nerven und Rückenmark, Frau Dr. Bridget Fender. Sektor 6, Herz und Lunge, Herr Dr. Patric Roling und schlussendlich Sektor 7, der gesamte Bauchbereich, erfreulicherweise unter der Leitung meines Enkels, Herrn Dr. Logan Moore.”

Ich hatte bereits ein bisschen zu der Familie Moore recherchiert und herausgefunden, dass es sich bei dem OTZ um ein Familienunternehmen handelte. Das Internet hielt sich, was die Familiengeschichte und Fotos betraf, relativ bedeckt, allerdings war durchgekommen, dass der Sohn von Prof. Moore sich diesem Familienimperium entzog. Warum, war in den Medien bisher nicht bekannt. Dafür wurde in einigen Artikeln allerdings deutlich, dass Prof. Moore umso stolzer war, dass sein Enkel ihn in dem Familienimperium unter die Arme griff.

“Ich bitte Sie nun, sich vor dem Hörsaal in Gruppen für den entsprechenden Sektor zusammenzufinden. Alle aus Sektor 7 bleiben bitte hier bei mir. Ich werde Sie begleiten.”

Der Saal erhob sich und fand sich vor dem Hörsaal ein. Für Sektor 7 blieben neben mir zwei Frauen, offenbar Ärztinnen und ein OP-Helfer bei Herrn Prof. Dr. Moore.

“Na dann wollen wir uns mal auf den Weg machen. Es ist mir eine ganz besondere Freude, Sie meinem Enkel zu übergeben.”

Kapitel 4

Logan

“Sorgen Sie bitte dafür, dass OP-Saal 3 für Herrn Brown vorbereitet wird, damit wir gleich mit der Lebertransplantation starten können. Ich werde den neuen Teil meines OP-Teams nun in Empfang nehmen und Sie direkt in die erste Transplantation einführen.” Charlotte nickte mir zu und verließ mein Büro. Charlotte war meine Sekretärin. Sie war bereits Mitte Fünfzig, eine gestandene, verwitwete Frau mit zwei erwachsenen Kindern, die ihr das Leben schwer machten. Ich konnte nicht noch eine weitere junge Frau gebrauchen, die mich anschmachtete. Den Fehler hatte ich bei meiner ersten Sekretärin Darlyn gemacht. Nachdem ich sie nach einem harten OP-Tag auf meinem Schreibtisch gevögelt hatte und sie offensichtlich der Meinung war, wir würden eine kleine happy family werden, wurde ich sie nur noch los, indem ich sie entließ.

“Log, mein Junge.” Mein Grandpa kam herein und schloss die Tür. “Grandpa.” Ich ging um den Schreibtisch herum und klopfte ihm auf die Schulter. “Ein wirklich ambitioniertes Team habe ich dir zusammengestellt. Sie machen alle einen hervorragenden Eindruck. Die junge Mexikanerin wird dir besonders gut gefallen. Fachlich versteht sich.” Spielerisch stieß er mir in die Seite. Mexikanerin. Ich konnte gerade nichts mehr vertragen, was in irgendeiner Art mit Mexiko zutun hatte und wenn diese Mexikanerin genauso nervig und geschmacklos war, wie meine Mitpassagierin, konnte der Tag nur noch in einer Katastrophe enden.

“Na dann hol meine neuen Kollegen doch mal rein.” Grandpa öffnete meine Bürotür. Zuerst betraten zwei Frauen den Raum - das mussten die neuen Ärztinnen sein. Beide ungefähr in meinem Alter und auch nicht schlecht anzusehen. Dahinter kam ein junger Mann herein, Anfang Zwanzig, leicht verschüchtert und dann.. heilige Scheiße! Das konnte nicht wahr sein. Im gleichen Moment, in dem ich realisierte, wer die vierte Person im Bunde war, erstarrte sie zur Salzsäule und musterte mich argwöhnisch von oben bis unten. Nicht nur eine weitere nervige Mexikanerin, nein sondern genau DIE. Wie verrückt konnten Zufälle sein? Hofften wir, dass sie derart ambitioniert war, wie mein Grandpa sagte. Ich zweifelte seine fachliche Meinung eigentlich in keinster Weise an, aber aufgrund unserer kleinen Vorgeschichte, war ich etwas voreingenommen.

Ich räusperte mich. “Schön, dass Sie alle da sind. Ich habe mir gedacht, anstatt Sie weiter rumzuführen, steigen wir direkt in den OP-Alltag ein. Ich habe einen OP-Saal für eine Lebertransplantation vorbereiten lassen. Der Patient ist männlich, 33 Jahre alt, leidet aufgrund eines Lebertumors an akutem Leberversagen. Der Tumor ist erfreulicherweise lokal angesiedelt, ohne Metastasen. Der Spender ist leider ein 16-jähriger Rollerfahrer, der bei einem Unfall ums Leben kam. Sie werden bei uns lernen müssen, mit solchen Schicksalen umzugehen.” Ich drückte auf den Knopf meiner Gegensprechanlage auf dem Schreibtisch. “Charlotte, kommen Sie bitte herein.” Kurze Zeit später öffnete sich erneut meine Tür.

“Charlotte wird Ihnen nun zeigen, wo Sie den OP-Saal und die Schleuse finden, in der Sie sich bitte steril kleiden und waschen. Ich werde gleich dazustoßen.”

Einstimmiges Gemurmel ging durch den Raum und Charlotte führte sie hinaus. Die Mexikanerin drehte noch einmal ihren Kopf in meine Richtung und hob erstaunt die Augenbrauen. Ich tat es ihr gleich. Würde sie genauso frech werden, wie im Flugzeug, würde sie die Tür des OTZ bald nur noch von außen schließen.

“Junge, ist alles in Ordnung mit dir? Du hast dich ihnen gar nicht vorgestellt.” Besorgt musterte mich mein Grandpa. “Das werde ich heute Abend bei einem Essen nachholen. Mach dir keine Sorgen. Ich muss nur mal einen Moment durchatmen. Und ich gehe davon aus, dass du bereits von mir in den höchsten Tönen gesprochen hast.”

Diesmal war es mein Grandpa, der mir fürsorglich auf die Schulter klopfte.

“Das habe ich mein Junge und ich weiß, dass du dieses Team an die Hand nehmen und gut in unser OTZ integrieren wirst. Du hast soviel von deiner Grandma, Log. Sie wäre stolz auf dich.” Noch einmal sah er mich wehmütig an und verließ den Raum. Ihm fiel es unendlich schwer, seitdem meine Grandma vor einem Jahr gestorben war. Auch sie hatte einen Tumor, allerdings in der Lunge. Ein Transplantat hätte ihr wahrscheinlich das Leben gerettet, aber das passende Spenderorgan hatte lange auf sich warten lassen. Als eines Morgens die Meldung kam, dass eine passende Lunge einer 40-jährigen Frau, die leider von ihrem Mann mit einem Kopfschuss ermordet wurde, unterwegs war, war meine Grandma am Abend zuvor friedlich eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Die Lunge musste ich dann auf andere Weise loswerden. Zusätzlich belastete ihn, dass mein Vater, sein Sohn, nicht den gleichen Weg eingeschlagen hatte, wie wir. Seitdem meine Grandma nicht mehr da war, kam er immer mehr vom Weg ab. Ich hörte auch kaum noch was von ihm. Meistens versank er in irgendwelchen Bars und kam erst bei Morgenröte wieder raus, bevor er volltrunken seine Autowerkstatt öffnete und seinen Rausch im Büro ausschlief. Immer wieder hatten wir versucht, ihm Rückhalt zu bieten und ihm bei jeder Entscheidung zur Seite zu stehen. Niemand in unserer Familie war gezwungen, in irgendeiner Art und Weise in das OTZ einzusteigen, trotzdem erfüllte es jede Generation mit Stolz, wenn es eben doch geschah.

Aber mein Vater hatte sich nicht nur von unserem Imperium abgewandt, sondern auch von uns.

Kapitel 5

Juana

Gott, verdammt. Wie groß konnte ein Zufall sein? Mein neuer Vorgesetzter war der Arsch aus dem Flieger gestern. Zugegeben ein heißer Arsch, der in seinem Kittel noch viel besser aussah, als in seinem Anzug. Seine Blicke hatten mir bereits versichert, dass er mich auch erkannt hatte und mein erster Tag offensichtlich kein Zuckerschlecken werden würde.

Nachdem Charlotte uns in der Schleuse abgeliefert hatte, wurden wir von der OP-Leitung Nancy eingewiesen. Mein neuer Mitstreiter hieß Marc, er war sehr schüchtern und sprach kaum ein Wort. Das würde sich hoffentlich bald ändern, wenn er sich hier besser eingefunden hatte. Die beiden Ärztinnen kamen aus New York: Dr. Lisa Duster und Dr. Wendy Thompson. Beide kamen aus der Unfallchirurgie und ihr bisher beliebtestes Thema war Dr. Logan Moore, der unfassbar scharf war und mit dem man sicherlich eine tolle Nachtschicht verbringen konnte. Ich könnte brechen. Ich hatte wirklich keine Lust auf Stutenbeißereien in meinem Job. Sie konnten so viel schwärmen, wie sie wollten, aber bitte ohne mich. Ich war hier, um den Menschen zu helfen.

Ich wusste ohnehin nicht, wie unser erster Tag werden würde und ob das Flugzeugthema hoffentlich in Vergessenheit geraten würde.

Wahrscheinlich fand er die beiden Grazien genauso attraktiv. Beide sahen aus, wie aus einem Katalog. Lange Beine, gemachte Brüste und Lippen und offensichtlich einem Schlankheitswarn verfallen. Ich dagegen kam mir vor wie ein kleiner Troll, mit 1,65 m und Kurven, die jede Mexikanerin hatte. Aber was dachte ich ? Ich wollte mir hier eine Zukunft aufbauen und davon ein gutes Leben in LA führen. Ich wollte sicherlich nicht gefeuert werden, weil ich eine Liaison mit meinem Chef einging. Den beiden schien das egal zu sein. Wahrscheinlich hatten sie nur ein Studium absolviert, weil ihnen die Storyline von der Kultserie Greys Anatomy so gut gefallen hatte.

Dr. Moore stieß zu uns und unterbrach damit meinen Gedankenstrudel. Er desinfizierte und wusch sich ebenfalls für den OP. Er würdigte mich keines Blickes. Besser so, bevor es noch zu Peinlichkeiten kam.

“Folgen Sie mir bitte”, rief er uns schroff zu und betätigte den automatischen Türschalter, der die Tür zwischen Schleuse und OP öffnete. Der Patient lag bereits narkotisiert auf dem OP-Tisch und alles war vorbereitet. Nancy nickte uns noch einmal aufmuntert zu und verließ den OP-Saal. Sie hatte hier scheinbar solange die Stellung gehalten.

“Dr. Thompson und Dr. Duster, ich möchte Sie bitten sich mir gegenüber auf der rechten Seite des Patienten aufzustellen. Mr. Dodge, Sie assistieren den beiden und Miss Ramírez, Sie assistieren mir”, kommandierte uns Dr. Logan Moore herum. Natürlich musste ich ihm assistieren. Mit einem überheblichen Blick musterte er mich und demonstrierte mir damit, dass ich mich nun unter Beweis stellen musste. Ich war guter Dinge. Ich hatte mich bestens auf den Job vorbereitet.

Hofften wir, dass er das am Ende der OP genau so sehen würde.

********

Die OP hatte 6 Stunden gedauert. Gott sei Dank war sie komplikationslos verlaufen. Marc erging es nicht sonderlich gut. Er hatte sich nach der OP mehrfach übergeben und war weiterhin so still wie vorher. Er hatte bereits den OP-Bereich verlassen. Dr. Doppel D 1 und 2 hatten sich ebenfalls in die Pause verabschiedet.

Ich saß noch in der Schleuse und atmete durch. Was ein harter erster Tag. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir direkt mit einer OP starten würden. Aber es gefiel mir und ich dachte, dass Dr. Moore mit meiner Assistenz mehr als zufrieden war. Wir hatten uns blind verstanden und ich musste nicht einmal eine Rückfrage zu einer Anweisung stellen. Ganz im Gegensatz zu Marc, der sichtlich überfordert mit unseren beiden sexy Ärztinnen schien.

Ich dachte, dass ich Dr. Moore heute wohl nicht mehr sehen würde, aber dummerweise hatte er uns zu einem Abendessen bei sich zu Hause eingeladen, um einander besser kennenzulernen. Teambuildingsmaßnahme. Er war arrogant, überheblich und oberflächlich. Immer wieder hatte er bei der OP Dr. Duster in den Ausschnitt geschaut. Es war nicht zu übersehen, dass ihm gefiel, was er sah. Der Patient lag geöffnet vor uns auf dem Tisch und er hatte scheinbar nichts Besseres zu tun, als irgendwelchen Sexfantasien nachzuträumen. Aber trotzdem war er auf eine Art auch geheimnisvoll und überdurchschnittlich männlich. Seine Art, wie er Dr. Duster abgecheckt hatte, hatte mich gleichzeitig angewidert als auch angemacht. Ich weiß nicht, wie ich das fand, nun auch noch meine Freizeit mit ihm zu verbringen. Ich hoffte, dieses Essen war eine einmalige Geschichte und würde keine wöchentliche Sitzung werden.

Aber er war nunmal ab jetzt mein Vorgesetzter. Man sollte allem eine zweite Chance geben. Deshalb würde ich an dieses Essen neutral herangehen. Vielleicht war er in seinem privaten Umfeld etwas gelassener.

Als ich gerade meine Schuhüberzieher, meine Haube und den Einmalkittel in den Abwurf schmiss, spürte ich eine Präsenz hinter mir. Und ich ahnte schon, wessen dunkle Augen mich anstarren würden, wenn ich mich umdrehte.

“Sie waren gestern sehr unhöflich zu mir, Ms. Ramírez. Ich hoffe, Sie bringen dieses scheußliche Ding, welches Sie eine Handtasche nennen, heute nicht mit zum Dinner.” Gott, wie er meinen Namen aussprach, konnte einem eine Gänsehaut bescheren.

“Ich denke, Gleiches gilt für Sie, Dr. Moore. Wir haben uns offensichtlich gestern beide auf dem falschen Fuß erwischt. Ich beabsichtige nicht, dass dies unsere berufliche Beziehung belastet. Ich denke mit meinem heutigen ersten Job habe ich einiges wieder rausgeholt. Und bei allem Respekt - meinen privaten Kleidungsstil haben Sie nicht zu kommentieren oder zu befürworten, Sir.” Er war überheblich und offensichtlich wollte er mich schon wieder testen. Sein teuflisches Lächeln, welches an seinen Mundwinkeln zupfte, konnte er nicht verbergen. Aber ich musste versuchen, professionell zu bleiben - auch, wenn er mich wahrscheinlich noch in den Wahnsinn treiben würde, mit seiner vermessenen Art. Soviel zu, jeder hatte eine zweite Chance verdient und ich wollte versuchen neutral zu bleiben. Wirklich lustig.

“Nun, da mögen Sie Recht haben, aber an meiner Meinung wird dies nichts ändern. Sie haben heute in der Tat einen guten Job gemacht. Ich hoffe, dass ich in Zukunft weiterhin von Ihnen soviel Motivation sehen werde, Ms. Ramírez.”

Seine Stimme wurde zum Ende hin dunkler und er senkte seine Augen in die Richtung meiner Lippen. Er kam einen Schritt auf mich zu und ich fühlte, wie der Raum langsam kleiner und merkwürdigerweise immer heißer wurde.

“Ich habe nicht vor Sie zu enttäuschen, Dr. Moore.” ,krächzte ich. Mein Körper war ein Verräter. Er beugte sich zu mir herunter. “Ich freue mich darauf”, hauchte er mir entgegen, machte prompt auf dem Absatz kehrt und verließ die Schleuse. Ich rutschte mit dem Rücken an der Wand hinunter. FUCK! Es fühlte sich an, als hätte ich eine Stunde nicht geatmet. Meine Wangen glühten. Und heilige Scheiße, hatte er versucht mich anzugraben? Das hier durfte sich nicht in eine falsche Richtung entwickeln. Ich hatte zu lange für meine Zukunft gekämpft. Am liebsten hätte ich ihm zuerst für seine Frechheit eine schallende Ohrfeige verpasst und danach bin ich fast wie Butter zerschmolzen.

Wenn ich an heute Abend dachte, bildete sich ein feuriger Knoten unterhalb meines Bauchnabels.

Kapitel 6

Logan

Ich stand im Bad und bereitete mich auf den Abend vor. Meine Haushälterin sorgte bereits seit Stunden für ein 3-Gänge-Menü in meiner Küche und alles war entsprechend hergerichtet. Ich zog es vor, die Abende allein zu verbringen oder zumindest die Nächte, falls sich doch der ein oder andere Besuch ergab. Aber Grandpa hatte recht. Ich musste mein Team besser kennenlernen und sie noch einmal herzlich willkommen heißen. Das Auftauchen von Juana Ramírez hatte mich ins Wanken gebracht. Das durfte nicht wieder passieren. Die kleine rassige Mexikanerin hatte mich im Flugzeug rasend vor Wut gemacht und heute stand sie in meinem Büro und war ab fortan ein neues Mitglied in meinem Team. Sie war eine Naturschönheit. Lisa und Wendy sind nichts im Vergleich zu ihr. Trotzdem hatte ich einige nette Ausblicke im OP gehabt. An der Art, wie Juana sich bewegte und kommunizierte, schien ihr das aber nicht klar zu sein. Sie hatte mich fasziniert. Ich musste während der OP aufpassen, dass ich nicht die falschen Instrumente wählte. Lisa und Wendy waren mein eigentliches Beuteschema. Rennen jedem Beautytrend hinterher, leicht zu haben und waren mir direkt verfallen, ohne Scheu zu haben, dass auch offensichtlich preiszugeben. Aber Juana war anders. Anders, wie ich es bisher nicht kannte und zugegeben, es reizte mich. Ich hatte in der Schleuse genau beobachten können, wie sie sich innerlich gewunden hatte, als ich in direkter Konfrontation mit ihr stand. Ich war erpicht darauf, heute Abend mehr über sie und ihr bisheriges Leben zu erfahren, auch wenn mir das auf der Arbeit irgendwann noch das Genick brechen würde. Aber ich war schon immer ein Freund davon, ein bisschen mit dem Feuer zu spielen.

Nachdem ich meine Haare gestylt hatte, zog ich mir mein weißes Hemd über, eine lockere beige Chino und meine Rolex. Im Apartment duftete es köstlich. Margret hatte sich mit dem Essen wahrscheinlich mal wieder selbst übertroffen.

“Mr. Moore, ich würde dann nun gehen und Morgen früh wiederkommen, wenn es Ihnen recht ist.” Margret stand an der Küchenanrichte mit ihrer Tasche und ihrem Mantel. “Das Essen ist in den Wärmebehältern und der Wein kalt gestellt.”

“Vielen Dank, Margret. Wir sehen uns Morgen.”

Ich schenkte mir direkt ein Glas Wein an und trat ans Fenster. Bei Dunkelheit war die Skyline von LA noch erstaunlicher. Hier konnte man gut abschalten und seinen Gedanken nachhängen, was ich gerade lieber bevorzugen würde. Zum Beispiel würde ich mir gerne Gedanken darüber machen, wie ich den Job für Samstag am besten erledigte. Aber dafür war heute Abend kein Platz.

Kurz darauf schellte es. Ich ging zur Tür und sah über die Kamera, wie sich mein neues Team unten vor dem Tower tummelte. Scheinbar hatten sie sich unten getroffen.

“Kommt rein, ihr müsst Aufzug 3 nehmen und damit in den 18. Stock.” Damit drückte ich auf und ließ den Knopf an der Gegensprechanlage los. Ich öffnete die Tür zu meinem Apartment und wartete bis der Fahrstuhl oben ankam. Keine Minute später öffneten sich die Fahrstuhltüren und Lisa und Wendy traten zuerst hinaus. Völlig überstylt und frisiert mit tiefen Ausschnitten kamen sie auf mich zu.

“Hey Logan, danke für die Einladung. Wir haben dir eine Flasche Chateau d’Yquem, Jahrgang 2016 mitgebracht. Für den besten Chef, nur das Beste”, singsangte Lisa und drückte mir die Flasche in die Hand. Ihr schweres Parfüm erfüllte die Luft und ich bekam direkt Kopfschmerzen. Ich nahm ihnen die Jacken ab und deutete den Flur runter zum Essbereich. Als ich mich wieder umdrehte, um meine weiteren Gäste zu begrüßen, verschlug es mir den Atem. Marc war wieder stickum, wie den ganzen Tag über und sah immer noch etwas blass um die Nase aus. Er drückte mir geschäftig die Hand und schloss sich Lisa und Wendy an. Aber hinter ihm, da stand sie - Juana. Und sie sah einfach fabelhaft aus. Sie trug ein enges schwarzes Neckholderabendkleid, welches ihr bis zu den Knien reichte und ihre Brüste unfassbar gut in Szene setzte. Ihre langen dunklen Locken fielen geschmeidig über eine Schulter, auf der anderen Seite hatte sie die Haare weggesteckt. Sie trug dezenten Schmuck und Makeup, schwarze Sandalen und eine kleine schwarze Handtasche. Wie ich feststellte , nicht das scheußliche Lackding aus dem Flugzeug. Die Luft füllte sich nun mit einem süßlichem Duft nach Kirsche und wedelte Gott sei Dank diesen ekelhaften schweren Parfümgeruch von Lisa beiseite. Wir standen uns eine gefühlte Ewigkeit gegenüber ohne miteinander zu sprechen. Ich löste mich als Erstes aus der Trance.

“Kommen Sie doch rein, Ms. Ramírez oder möchten Sie den Abend auf der Türschwelle verbringen?”, neckte ich sie. Eine leichte Röte zeichnete sich auf ihren Wangen ab und sie trat einen Schritt näher, streckte mir die Hand aus. Ich nahm sie in meine und küsste sich auf die Wangen. Ihre Hände waren weich und zierlich und passten perfekt in meine.

“Danke für die Einladung, Dr. Moore. Ich freue mich auf einen schönen Abend.” Ein leichtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen.

“Gehen Sie doch durch zu den anderen. Ich bin gleich bei Ihnen.” Ein knappes Nicken folgte und sie ging den langen weißen Flur hinunter. Diese schwarze Schönheit in dieser hellen, puren Umgebung. Wie ein gefallener Engel. Und ich kam nicht umhin einen Blick auf ihren Hintern in diesem verboten engen Kleid zu werfen und wie ihre Hüften von rechts nach links wogen.

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Nachdem wir das sagenhafte Essen von Margret zu uns genommen hatten, ein wenig Wein geflossen war und ich mit meinem Team nun endlich bei allen zum “DU” übergegangen war, verteilte sich die Gruppe in meinem Apartment. Marc hatte endlich angefangen zu sprechen. Wir haben uns noch einmal über die heutige OP ausgetauscht und selbst Lisa und Wendy war es gelungen, ihm ein paar aufmunternde Worte zu schenken. Auch ich hatte in meiner Anfangszeit bei manchen OP’s meine Probleme gehabt, das ganze Blut, die Gerüche und das offene Fleisch einfach wegzustecken. Er war sichtlich erleichtert, dass auch wir keine Maschinen, sondern nur Menschen waren und schien nun etwas gefestigter.

Ich ging in die Küche und holte eine neue Flasche Wein. Ich lehnte mich an den Küchentresen und beobachtete Juana. Sie stand neben meinen antiken Bücherregalen an meiner Vitrine. Ich entkorkte die Flasche und goß uns beiden jeweils einen Schluck ein. Ich schlenderte mit den beiden Gläsern geschäftig zu ihr und spürte die Blicke der anderen beiden Frauen. Schien ihnen wohl nicht zu gefallen, dass ich mich nicht in ihre Mitte auf das Sofa setzte.

“Noch ein bisschen Wein?” Ich hielt Juana ihr Glas entgegen. “Gerne. Was sind das hier für alte Schmuckstücke?” Sie zeigte auf meine Vitrine.