Shadowstalker - Ich sehe dich, meine Schöne - Kiki Wally - E-Book

Shadowstalker - Ich sehe dich, meine Schöne E-Book

Kiki Wally

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Beschreibung

Shadow wird auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen, obwohl das die nächsten zehn Jahre ihr Zuhause sein sollte. Sie wird an die Separate-University in Georgia geschickt, um in der Cafeteria ihre Sozialstunden abzuleisten und sich der guten Führung zu beweisen. Sie ist eine junge Frau mit einer traurigen Familiengeschichte und jener schicksalhaften Nacht, die ihr Leben komplett änderte. Die Dunkelheit, die ihr Leben seit dem Tod ihres Vaters in der Kindheit und dem Versagen der Mutter, bestimmte, hatte sich mit der Beziehung zu Kyrill in die dunkelste Stunde ihres Daseins verwandelt. Albträume und Verfolgungswahn ließen sie seit dem brutalen Ende der Beziehung zu Kyrill nicht mehr los. Eine University, an der strikte Geschlechtertrennung herrschte und junge Männer ständig auf Beutezug waren, konnte unmöglich die beste Umgebung nach monatelanger Berührungsabstinenz und krankhafter Beziehung sein, um ihre Bewährung zu bestimmen. Agent Flint weist Shadow in ihre Auflagen ein und schickt sie direkt am nächsten Tag zu ihrer ersten Schicht in der Cafeteria der University. Dort wird sie direkt von dem heißen Trio der Studentenverbindung "Water Deltas" in Beschlag genommen. Lennox, Clyde und Brandon sind auf ihre Art und Weise verrucht, geheimnisvoll und charmant. Obwohl sie sich besser von den Männern fernhalten sollte, gerät Shadow in ein Gefühlschaos, da sie nicht weiß, welchem Mann sie mehr verfallen ist. Als an der University plötzlich skrupellose Morde und geheimnisvolle Stalkingattacken geschehen, gerät Shadows Welt vollkommen auf den Fugen.

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Prolog

Kapitel I - Shadow

Kapitel II - Shadow

Kapitel III - Lennox

Kapitel IV - Shadow

Kapitel V - Lennox

Kapitel VI - Lennox

Kapitel VII - Shadow

Kapitel VIII - Lennox

Kapitel IX - Shadow

Kapitel X - Lennox

Kapitel XI - Shadow

Kapitel XII - Lennox

Kapitel XIII - Shadow

Kapitel XIV - Shadow

Kapitel XV - Lennox

Kapitel XVI - Shadow

Kapitel XVII - Lennox

Kapitel XVIII - Lennox

Kapitel XIX - Shadow

Kapitel XX - Lennox

Kapitel XXI - Lennox

Kapitel XXII - Shadow

Kapitel XXIII - Lennox

Kapitel XXIV - Shadow

Kapitel XXV - Lennox

Kapitel XXVI - Shadow

Kapitel XXVII - Lennox

Kapitel XXVIII - Shadow

Kapitel XXIX - Lennox

Kapitel XXX - Shadow

Kapitel XXXI - Lennox

Kapitel XXXII - Lennox

Kapitel XXXIII - Shadow

Kapitel XXXIV - Shadow

Kapitel XXXV - Lennox

Kapitel XXXVI - Shadow

Kapitel XXXVII - Lennox

Kapitel XXXVIII - Shadow

Kapitel XXXIX - Lennox

Kapitel XL - Shadow

Kapitel XLI - Shadow

Kapitel XLII - Shadow

T H E E N D

Liebe Leserinnen und Leser,

Kennt ihr bereits meine erste Trilogie?

Ich sage,

danke für alles.

Impressum

Prolog

Kyrill

Du hast mich verraten. Du hast uns verraten.

Ich habe dich eines Tages gefunden. Wie ein verirrtes Glühwürmchen mitten in der Nacht in einem düsterem Wald.

Du hast es geliebt, dass ich älter war, als du. Du hast es geliebt, dass ich so anders und geheimnisvoller war, als die anderen.

Du wolltest eine Hand, die dich führt. Eine Hand, die dich aus dieser endlosen Dunkelheit befreit. Aber ich war die Dunkelheit. Ich wollte dir zeigen, wie schön sie sein kann.

Und dann hast du mich von dir gestoßen. Meine Liebe sei besitzergreifend, manipulativ, psychopathisch.

Du hast es nicht verstanden, Schönheit.

Liebe tut weh.

Wenn ich jemanden auserwähle, dann gehört er mir. Mir allein und mit jeder Facette und jeder Faser seines Seins.

Süß und unschuldig hast du mir dein Gift, welches du Liebe nanntest, eingeflößt, bis du mich auf brutale Weise aus deinem Leben gelöscht hast.

Kapitel I - Shadow

Der unangenehme Signalton in Form eines lauten Piepen ertönte und das schwere Metalltor öffnete sich. Langsam rollte es zur Seite und die hochstehende Mittagssonne flutete den großen Parkplatz. Ich musste die Hand vor meine Augen halten, da ich die Helligkeit kaum ertragen konnte. Die letzten zwei Jahre hatte ich die Sonne nur durch die Gitterstäbe an meinem Fenster gesehen und mehr das Grau der dicken Gefängniswände angesehen, als irgendetwas anderes. Im ersten Jahr war es mir überhaupt nicht erlaubt gewesen, meine Zelle großartig zu verlassen. Im zweiten Jahr durfte ich dann einmal in der Woche für eine Viertelstunde auf den Innenhof. Ich hatte fast schon vergessen, wie sehr die Sonne im Sommer auf der Haut brennen konnte. Ich nahm die beiden schwarzen Plastiksäcke, in denen mein einziges Hab und Gut aus dem Gefängnis verstaut war und verließ das Hauptgebäude. Das Tor setzte sich hinter mir wieder schwer in Bewegung und rastete mit einem lauten Knacken ein. Das war das erste Mal in zwei Jahren, dass ich endlich wieder durchatmen konnte. Endlich war ich frei. Auf dem Parkplatz standen nur zwei Autos. Es war keine Menschenseele zu sehen. Natürlich war niemand gekommen, um mich abzuholen. Es gab ja auch niemanden, den es interessierte, dass ich heute freikam – mehr oder weniger. Mein Vater war vor einigen Jahren gestorben und meine Mutter war meistens bereits um diese Tageszeit betrunken und lag irgendwo in unserem heruntergekommenen Haus und schlief ihren Rausch aus. Seitdem mein Vater nicht mehr da war, hatte sich niemand mehr um irgendwelche Instandsetzungsarbeiten in unserem Haus gekümmert. Das Ganze glich schon fast einer Ruine. Putz bröselte von den Wänden, die Spülung des Gäste-WC im Erdgeschoss funktionierte schon seit langem nicht mehr, in der Scheibe der Terrassentür war ein großes Loch, welches mit Panzertape und einer Mülltüte zugeklebt war. Ich könnte ewig so weitermachen. Daran würde sich auch in den letzten zwei Jahren nichts geändert haben. Ich warf mir die beiden Tüten über die Schultern und lief quer über den Parkplatz. Wir waren hier in Harpers Ferry. Einem kleinen ländlichen Ort in West Virginia. Weit und breit war hier oft nichts zu sehen, bis das nächste Dörfchen mit ein paar Häusern und Einkaufsmöglichkeiten kam. Also lief ich einfach stur gerade aus an der Landstraße entlang, bis hoffentlich bald eine Bushaltestelle kommen würde. Fast schon ein Wunder, dass dieser Ort ein Gefängnis hatte. Das Gefängnis war im Gegensatz zu denen in anderen Staaten winzig. Und genau das war auch der Grund, weshalb ich entlassen wurde. Es war überfüllt und man entschied sich dafür, einige Leute auf Bewährung zu entlassen. Ich war insofern frei, dass ich wieder in meine häusliche Umgebung zurückkonnte. Aber Morgen würde ein Bewährungshelfer zu Besuch kommen und mich erwarteten einige Auflagen, die mir gar nicht gefielen.

******

Nach einer halben Stunde zu Fuß hatte ich endlich eine Bushaltestelle erreicht gehabt und war zusätzlich noch einmal eine Stunde mit dem Bus gefahren. Nun stand ich vor unserem Haus und ich hatte wirklich keine Ahnung, was ich in diesem Moment empfand. Der Gartenzaun hang schief in den Garten hinein, als hätte ein kräftiger Wind dagegen geschlagen. Das Tor stand offen, das Brett der unteren Verandastufe war lose und hang halb von der Stufe hinunter. Ich ging auf das Haus zu und passte auf, dass ich mir auf der Veranda keinen rostigen Nagel durch die Schuhsohle haute. Ich musste mir nicht einmal die Mühe machen, meinen Schlüssel rauszuholen, denn die Eingangstür war nur angelehnt. Mit der Schuhspitze stupste ich sie auf und wurde von einem widerlichen Geruch empfangen. Direkt im Eingangsbereich stapelten sich mehrere volle Mülltüten. Ich wusste, dass mich hier kein kernsaniertes Haus empfangen würde und auch keine Mutter, die sich um 180 Grad gewandelt hatte. Aber ein bisschen Normalität hätte ich mir gewünscht. Ich stellte meine Tüten ab und griff mir die vergammelten Müllbeutel und schleppte sie nach draußen zur Mülltonne. Unser Nachbar Mr. Hastings trat gerade ebenfalls auf seine Veranda. Ich wollte ihn grüßen, doch als er mich sah, verschwand er mit schreckgeweiteten Augen wieder nach Drinnen. Natürlich hatte sich die Geschichte in unserem kleinen Städtchen rumgesprochen. Selbst, wenn ich es hätte verhindern wollen – ich hätte keine Chance gehabt. Und nun war ich zwei Jahre weggewesen und konnte mich nicht einmal dazu äußern, was eigentlich geschehen war und dass es keine Absicht gewesen war. Ich ging wieder rein und blieb einen Moment im Flur stehen. „Mum?“, rief ich ins Hausinnere. „Ich bins, Shadow. Ich bin zu Hause!“ Doch es kam keine Antwort. Ich ging ein paar Schritte weiter vor und mein Blick verharrte auf der Stelle am Boden direkt vor der Treppe. Ein dunkler Blutfleck war in die Holzdielen eingezogen. Selbst hierbei hatte sich meine Mutter keine Mühe gemacht, ihn zu entfernen. Jenen Beweis, jene Erinnerung an die verhängnisvolle Nacht vor zwei Jahren, als ich in Handschellen aus diesem Haus abgeführt wurde und selber nicht wusste, was eigentlich los war. Aber vermutlich hatte sie sich danach wieder die Kante gegeben, sodass sie am nächsten Morgen gar nicht mehr wusste, dass ich abgeführt wurde. Als ich durch die offene Glastür ins Wohnzimmer trat, kickte ich versehentlich eine leere Bierflasche durch den Raum, die mir in den Weg gerollt kam. Überall lagen welche von ihnen rum, zu ihnen gesellten sich auch leere Schnapsflaschen, leere Pizzakartons und leere Schachteln vom Chinesen. Im Fernseher lief leise irgendeine Dokumentation über Meeresbewohner und als ich von hinten an das Sofa herantrat und über die Lehne schaute, sah ich meine Mutter, die tief und fest schlief und mit einem ausgestreckten Arm, der auf dem Couchtisch lag, noch einen Zigarettenstümmel in der Hand hielt. Ich ging um das Sofa herum und nahm ihr den Stümmel aus der Hand. Sie trug ein fleckiges Tshirt und nur einen Slip. Ihre Haare waren ein wildes Chaos und so fettig, dass ihre Aufmachung schon ahnen ließ, dass sie mindestens eine Woche keine Dusche von innen gesehen hatte. Geschlagen ließ ich mich auf den alten Schaukelstuhl neben dem Sofa sinken und lehnte meinen Kopf zurück. Ich schloss für einen Moment die Augen, damit ich, wie immer, meine Tränen zurückdrängen konnte. Es hatte sich nichts geändert. Ich war nach wie vor allein. Niemand kümmerte sich um mich. Niemand hörte mir zu. Der Einzige, der mir jemals Liebe und Aufmerksamkeit geschenkt hatte, war Kyrill. Eine toxische Liebe, nach der ich trotzdem wie eine Ertrinkende lechzte. Die Sprungfedern vom Sofa knarzten. Als ich die Augen öffnete, hatte meine Mutter sich auf einem Arm aufgestützt und starrte mich an. „Schätzchen, du bist so früh hier. Ist die Schule eher aus?“ Ihre vom Alkohol raue Stimme zerriss mein Herz in seine Einzelteile. Oder zumindest das, was noch davon übrig war. Sie hatte sich offenbar die ganzen 730 Tage, die ich nicht dagewesen war, weiter ins Delirium getrunken. Ich stand auf und strich ihr leicht über den Arm. „Schon gut, Mum. Leg dich wieder hin. Ich mache was zu Essen.“ Wie auf Knopfdruck legte sie ihren Kopf wieder ab und schlief augenblicklich ein. Ich würde mich erst einmal daran machen, hier etwas aufzuräumen. Vermutlich würde sie den Rest des Tages sowie so nicht mehr wach werden. Ich musste schauen, dass der Bewährungshelfer Morgen dieses Haus betreten konnte, ohne dass er sich irgendwelche Hautkrankheiten oder Läuse einfing.

Kapitel II - Shadow

„Das rote Kleid finde ich besonders schön an dir. Zieh es an. Tu es für mich“, flüsterte Kyrill in mein Ohr, als er hinter mir stand und mich über den Spiegel vor uns beobachtete. Er hielt das rote Kleid vor mich, sodass ich es ihm nicht ausschlagen konnte, es anzuziehen. Ich schlüpfte hinein. Es war wirklich sehr knapp. Aber wenn ich auf meine Bewegungen etwas aufpasste, würde nichts passieren. Kyrill führte mich heute zum Essen aus. Wir verließen mein Zimmer und gingen hinaus, stiegen in seinen weißen Bentley. Er raste die Landstraße entlang und machte mir mit seinem Fahrstil, wie immer, Angst. Doch ich hatte gelernt, dass ich dazu nichts mehr sagen würde. Er mochte das nicht und wollte von mir nicht bevormundet werden. Ich sollte mir genau überlegen, was ich demnächst sagen würde, hatte er gesagt. Er saß schließlich am Steuer und entschied über Leben und Tod, falls ich ihn zu sehr nerven würde. Wir fuhren auf den Parkplatz bei dem kleinen Italiener im Dorf. Wir bestellten Pasta und Wein und hatten einen wunderbaren Abend. Als er bezahlte und ich noch einmal zur Toilette ging und anschließend wieder zum Tisch kam, funkelten seine Augen, als würde der Wahnsinn in ihm wohnen. Er stand auf und umfasste grob meinen Arm. Ich hatte gelernt, nichts zu sagen. Er beförderte mich aus dem Restaurant und schubste mich zum Auto. „Du bist eine Schlampe, Shadow. Das weißt du, oder?“, schrie er mich ungehalten an. „Kyrill Baby, bitte. Was ist denn passiert?“, versuchte ich ihn zu beruhigen. Ich wollte meine Hände an seine Brust legen, doch er schlug sie weg. „Du hast ganz genau gesehen, wie die Männer dich alle angesehen haben! Du hast dieses Kleid absichtlich angezogen, weil es dir gefällt, wie sie dir auf den knappbekleideten Hintern glotzen!“, brüllte er. „Ich habe es für dich angezogen! Du wolltest das. Ich wollte nur schön für dich sein!“, schrie ich ihn nun ebenfalls an. Er stürzte auf mich zu und umfasste meinen Hals. Mit seinem Gesicht kam er so nah, dass sich unsere Nasenspitzen berührten. „Du sollst doch nicht lügen, Shadow. Hast du das etwa vergessen?“, presste er durch seine Zähne und drückte etwas fester zu. Schweißgebadet schreckte ich aus meinem Traum nach oben. Ich hielt mir die Brust, weil ich das Gefühl hatte, dass mein trommelndes Herz gleich meine Rippen durchbrechen würde. Ich schaute mich in meinem tristen Zimmer um. Ich war allein. Ich legte mich wieder zurück und starrte an die Decke. Der Traum war so real gewesen, als wäre ich drei Jahre zurückversetzt worden. Immer wieder träumte ich von Kyrill und von den verstörenden Szenen, die ich mit ihm erlebt hatte. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass sich mein Hirn im Schlaf nur irgendwas zusammen sponn, doch leider war dieser Abend damals genau so gelaufen. Danach hatte er mich nach Hause gefahren, hatte mich auf seinen Armen, wie eine Prinzessin, die Stufen hochgetragen und mich in meinem kleinen Bett geliebt, als wäre ich die Eine für ihn. Er hatte mich immer auf meine Kosten kommen lassen und unter einer Stunde ging bei ihm gar nichts. Das war der charmante, attraktive Kyrill, in den ich mich verliebt hatte, bevor seine Schattenseiten sich gezeigt hatten. Ich warf einen Blick auf mein Handy. Er war kurz vor Neun. In ein paar Minuten würde ohnehin mein Wecker klingeln. Um zehn Uhr würde der Bewährungshelfer auf der Matte stehen. Also schälte ich mich aus dem Bett und trat hinaus auf den Flur. Ich lauschte einen Moment in die Stille des Hauses. Natürlich war nichts zu hören. Andere Mütter standen nun in der Küche, machten Kaffee oder Frühstück – nur meine Mutter nicht. Ich ging in das angrenzende Bad und schlüpfte aus meinen Klamotten. Ich stieg unter die Dusche und sprang ein Stück zur Seite, als nur kaltes Wasser aus der Leitung kam. Auch nach einer Minute wurde es nicht wärmer. Selbstverständlich hatte meine Mutter mal wieder nicht die Nebenkosten bezahlt. Also tänzelte ich unter dem kalten Wasserstrahl hin und her, wusch mich in Windeseile und wickelte mich danach in zwei Handtücher ein, um mich wieder aufzuwärmen. Ich zog mir ein Oversize-Tshirt und eine Leggings über, kämmte meine blonden, langen Haare und ließ sie lufttrocknen. Bevor ich die Stufen hinunterging, spähte ich noch in das Schlafzimmer meiner Mutter. Sie war tatsächlich irgendwann in der Nacht hier hoch gekrochen und lag nun in ihrem Bett. Wenigstens würde ihr Anblick meinen Bewährungshelfer nicht verstören. Ich hatte gestern noch den Eingangsbereich und die Wohnküche aufgeräumt und geputzt. Außer ein paar neuen Zigarettenstümmeln und fünf Bierflaschen war hier alles noch sauber. Ich räumte die Sachen schnell weg und öffnete die Terrassentür, um die abgestandene Nikotinluft nach Draußen zu entlassen. Ich setzte eine Kanne Kaffee auf, als es auch schon an der Tür klingelte. Ich atmete noch einmal durch, bevor ich nach vorne ging und die Tür öffnete. Ein dunkelhäutiger Mann mittleren Alters mit einer Glatze und in einem dunkelblauen Anzug stand auf der Veranda. Er hielt einen Aktenkoffer in der Hand. „Ms. Twist?“, brummte der tiefe Tenor seiner Stimme. Zögerlich nickte ich. „Mein Name ist Agent Flint. Ich bin hier, um mit Ihnen Ihre Bewährungsauflagen zu besprechen. Darf ich reinkommen?“ Ich trat einen Schritt zur Seite und gab ihm den Weg ins Hausinnere frei. Er übertrat die Türschwelle und ging forschen Schrittes durch in das Wohnzimmer. „Setzen Sie sich doch bitte.“ Ich deutete zum Esstisch, der an der halbhohen Wand zur Küche stand. Die Couch würde ich ihm besser nicht anbieten. „Darf ich Ihnen einen Kaffee bringen. Oder etwas anderes?“, fragte ich nervös. „Kaffee, bitte, Schwarz mit einem Stück Zucker.“ Ich huschte in die Küche und holte zwei Tassen aus dem Schrank. Ich befüllte sie und setzte mich anschließend zu ihm an den Tisch. Er legte seinen Aktenkoffer auf den Tisch und klappte ihn auf. Da kam auch schon mein neues, wunderschönes Accessoire zum Vorschein. „Wenn Sie bitte einen Knöchel freimachen würden“, sage Agent Flint dann auch schon und nahm die elektronische Fußfessel aus dem Koffer. Ich stellte meinen Fuß auf den Stuhl zwischen uns, damit er mir das Ding anlegen konnte. Mit einem kleinen Schlüssel öffnete er sie, legte sie anschließend um meinen Knöchel und verschloss sie wieder. Dann drückte er einen kleinen Knopf an der Unterseite, um sie zu aktivieren. „Ich werde den Schlüssel behalten. Sie sind zwei Jahre auf die Fußfessel angewiesen. Sollten Sie in dieser Zeit eine gute Führung beweisen, können wir Ihre Bewährung im Anschluss ohne weiterfortführen.“ Wieder nickte ich einfach nur. „Die Fußfessel ist auf zwei Orte ausgerichtet: Das Haus Ihrer Eltern und die Separate-University in Georgia.“, erklärte Agent Flint. Er wollte weitersprechen, doch ich hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. „Separate-University? Diese neue Elite-Uni? Was soll ich da? Sie wissen schon, dass ich keine entsprechende Qualifikation habe, um an einer derartigen Uni zu studieren“, sagte ich entrüstet. „Ms. Twist, Sie werden auch nicht an diese Uni gehen, um zu studieren. Sie werden dort in der Cafeteria arbeiten und selbstverständlich Sozialstunden dort ableisten. Sie können froh sein, dass man Sie trotz Mordes entlassen hat. Sicherlich werden wir Ihnen nicht noch Ihre Zeit versüßen, indem wir Ihnen ein Stipendium wie ein Weihnachtsgeschenk zuschieben“, sprach er mit autoritärer Stimme. Ich machte mich auf meinem Stuhl klein und antwortete darauf nichts. „Da uns die Entscheidung oblag, Sie dorthin zu schicken, um Ihre Bewährung abzuarbeiten, bekommen Sie eine kleine Wohnung direkt in einem Gebäude neben dem Campus gestellt. Sie bekommen 300 Dollar im Monat für Verpflegung und Kleidung, außerdem ein Auto, da Sie mit der Fußfessel nur eine bestimmte Route zwischen diesem Haus hier und dem Campus befahren dürfen. Diese werde ich Ihnen gleich noch in Ihrem Handy eingeben. Im Umkreis von drei Kilometern rund um den Campus erreichen Sie alles, was Sie zum täglichen Leben brauchen. Überschreiten Sie die eingestellten Grenzen, geht ein Signal an unsere Verwaltung. Sollte dreimal ein Signal bei uns eingehen, werden Sie umgehend abgeholt und in ein Gefängnis in New York oder Washington verlegt. Sie sehen also, dass Sie trotz Ihrer brutalen Tat einige Vorzüge genießen können. Das bedeutet für Sie aber auch, dass Sie der Leiterin der Cafeteria nichts abschlagen. Jede Aufgabe und jede Schicht wird von Ihnen angenommen, die man von Ihnen verlangt. Haben wir uns da verstanden?“ Mir qualmte der Kopf von den ganzen Informationen. Eine schlimmere Strafe, als das ich nun mein Leben mit irgendwelchen Snobs verbringen musste, konnte man mir kaum verpassen. „Na, schön.“, antwortete ich patzig. „Und wenn ich hierher komme, was muss ich beachten?“ Agent Flint klappte seinen Koffer zusammen und kippte den letzten Rest seines Kaffees hinunter. „Sie dürfen sich ausschließlich in diesem Haus und auf dem Grundstück aufhalten. Keine Stadtbummel, keine Barbesuche, nichts dergleichen.“ Er stand auf und hielt mir einen Stapel Papiere hin. Auch ich erhob mich und nahm ihm anschließend die Dokumente ab. „Nutzen Sie diese Chance und vermasseln Sie es nicht, Ms. Twist. Jeder, der mit so einer Strafe irgendwo auf der Welt einsitzt, würde sich danach die Finger lecken. In den Papieren steht alles, was Sie wissen müssen. Morgen früh um 11.00 Uhr werden Sie dort erwartet.“ Eindringlich sah er mich noch einmal an, bevor er sich zum Gehen wandte. „Ach und Ihr Auto steht vor der Tür“, warf er mir noch über die Schulter zu. Dann zog er einen Schlüssel aus der Jacketttasche und legte ihn auf den kleinen Beistelltisch neben der Wohnzimmertür, bevor er unser Haus verließ.

Kapitel III - Lennox

Als der Wecker klingelte, hatte ich das Gefühl, als wenn ich einen Presslufthammer in meinem Kopf zu Besuch hätte. Die gestrige Nacht war wieder zu wild gewesen. Abseits des Campus hatte ich mich heimlich in einem Hotel mit Adelaine getroffen – wie so oft. Sie war eine heiße Bitch, die was davon verstand, wie man einen Mann um den Verstand blasen oder vögeln konnte. Seit einiger Zeit fing sie allerdings an zu klammern – ich hatte keine Lust auf eine Freundin, die mir im Schlaf die Eier kraulte. Ich wollte vögeln und dann abhauen. Ganz ohne Verpflichtungen. Auf dem Campusgelände war die Mischung der Geschlechter strikt untersagt, weshalb man als Mann hier definitiv nicht auf seine Kosten kommen konnte. Außer dem Gottesdienst, der einmal die Woche in der angrenzenden Kapelle stattfand. Hier durften die Jungen zusammen mit den Mädchen sitzen und sich anhören, dass man nicht sündigen sollte. So ein Schwachsinn! Ich konnte nach wie vor nicht glauben, dass mein Spießervater mich an dieser University angemeldet hatte. Auf der Jungenseite der University gab es drei Verbindungen. Hinter unserem Lehrgebäude standen drei Wohnhäuser, die von uns genutzt wurden. Es gab die „Water Deltas“, zu denen ich und meine besten zwei Jungs gehörten, Brandon und Clyde. Die Water Deltas waren seit Jahrzenten die Besten im Fach Naturwissenschaften und hatten vor etlichen Jahren daher ihren Namen erhalten. Dann gab es noch die „Thunder Omegas“ und die „Liberty Betas“. Auf der Mädchenseite gab es genau die gleichen Verbindungen. Die Vollhonks hatten gestern Abend gefeiert, dass wir mal wieder die Projektwoche in Naturwissenschaften gewonnen hatten – mit irgendeiner dämlichen Vulkansimulation. Die meiste Zeit im Unterricht hatte ich ohnehin nicht zugehört oder mitgearbeitet, sondern mir irgendwelche heißen Bräute auf Tinder angesehen, mit denen ich mich abseits des Campus treffen konnte. Nach meiner eigenen kleinen Party mit Adelaine war ich zu der Party im Verbindungshaus noch hinzugestoßen und hatte mit dem Alkohol nicht gegeizt. Die Jungs hier waren allesamt Streber – aber saufen konnten sie wie die Großen. Das war das Einzige, was mich hin und wieder mit ihnen verband. Brandon und Clyde waren ein halbes Jahr später an die University gekommen. Die beiden waren Jungs nach meinem Geschmack. Sie lebten ebenfalls ein Leben im Verborgenen aus und konnten sich mit dem Schwachsinn, der hier praktiziert wurde, nicht identifizieren. Aber was sollte ich groß ausrichten, bei einem Vater, der im Vorstand des US-Staaten Schulverbandes saß. Wohl oder übel hatte ich mich diesem Schicksal fügen müssen. Es war nicht so, als wenn ich kein kluges Köpfchen wäre. Aber ich hatte mir mein Leben anders vorgestellt. Ich wollte mich auf meine Harley schwingen, die Küste von Kalifornien bis zum Sonnenuntergang entlangfahren, irgendwo einen Club eröffnen, mich mit Frauen treffen, die Sau raus lassen und einfach in Ruhe gelassen werden mit irgendwelchen merkwürdigen ethischen Verpflichtungen. Obwohl hier alles streng überwacht wurde, hatten Brandon, Clyde und ich es schon oft geschafft, in den Kellern der University verruchte Partys zu feiern und die Mädels aus den anderen Verbindungshäusern zu vielen Sünden zu überreden. Es war eben nicht nur ein Nachteil, einen Vater im Schulvorstand der US-Staaten zu haben. Unbemerkt hatte ich mir vor einem Jahr den Generalschlüssel für die Separate-University nachmachen lassen. Ich hatte keine Ahnung, wer auf die Idee gekommen war, sich dieses Schulsystem auszudenken. Aber ich würde weiterhin versuchen, es zu boykottieren. Auch, wenn nur mit Kleinigkeiten. Selbst die morgendlichen Cafeteriazeiten sowie die Pausen mussten die Geschlechter voneinander getrennt verbringen. Es gab vorgeschriebene Zeiten, welche Gruppe wann die Cafeteria betreten durfte. Das war auch der Grund, weshalb ich mich nun mit meinem pochenden Kopf aus dem Bett schwang. Ich hatte noch fünfzehn Minuten, bis die Zeit der Jungs in der Cafeteria beginnen würde. Als hätte ich es geahnt, hämmerte es auch schon an meiner Tür. „WAS?“, blaffte ich. Die Tür wurde einfach aufgerissen und Brandon steckte seinen lockigen Kopf durch den Schlitz. „Hey, man. Beweg dich. Wer saufen kann, kann auch aufstehen.“ Ich griff nach einem Schuh, der neben meinem Bett stand und schmiss ihn nach Brandon. Lachend zog er seinen Kopf zurück und rief noch, dass ich mich beeilen sollte. Ich nahm die zerknitterte Uniform von gestern von meinem Sofa. Wir trugen bei den Water Deltas ein weißes Hemd, eine dunkelblaue Krawatte und eine dunkelblaue Hose. Die Thunder Omegas trugen das Gleiche in Orange und die Liberty Betas in Grau. Bei den Mädchen war es das Gleiche, nur dass sie Faltenröcke und weiße Kniestrümpfe trugen. Ich knöpfte das Hemd zu und band die Krawatte. Dann nahm ich meine halblangen blonden Haare zusammen und wickelte sie in einen unordentlichen Dutt auf meinem Kopf zusammen. Noch so eine Sache, die mein Vater hasste. Irgendwann hatte ich mir diese Surferboy-ähnliche Frisur wachsen lassen. Hier an der University sollte man am besten kurzhaarig und ordentlich gegelt rumlaufen. Also hatte ich beschlossen, die langen Haare zu behalten. Ich schulterte meinen Rucksack und verließ mein Zimmer. Wie immer schloss ich meine Tür ab. In meinem Zimmer hatte niemand etwas verloren. Es gab hier zu viele Dinge, die nicht in die falschen Hände gelangen durften. Im Verbindungshaus war es ruhig. Die ganzen Loser waren natürlich bereits auf dem Campusgelände unterwegs. Als ich die Treppen runterkam, standen Brandon und Clyde im Eingangsbereich und warteten auf mich. Clyde war wieder sein abgefucktestes Selbst. Ihm fielen die schwarzen strähnigen Haare in die Stirn und in seinem Mundwinkel hing lässig eine Zigarette. Darüber würden sich die Streber später wieder aufregen, wenn das Haus nach Zigarettenqualm stank. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, seine Krawatte zu binden. Sie hang locker um seinen Hals und sein Hemd stand fast bis zum Bauchnabel offen und gab seinen volltattoowierten Oberkörper preis. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ich liebte es, dass diese Jungs genauso abgefuckt waren, wie ich. „Was ist los, Cinderella? Gefällt dir was du siehst?“, sprach Clyde mich mit seiner vom Alkohol heiseren Stimme an und warf mir sein charmantestes Lächeln zu. Die Mädels standen drauf und fielen dabei gefühlt reihenweise in Ohnmacht. „Na klar, Babyboy“, antwortete ich ironisch und warf ihm einen Luftkuss zu. An der Schulter schubste er mich zur Seite und ich verpasste ihm im Wegtaumeln einen Box mit der Faust in die Rippen. Es war nicht so, dass ich auf Männer stehen würde. Ganz im Gegenteil. Aber Clyde und ich hatten schon den ein oder anderen wilden Dreier mit irgendeiner Frau geschoben. Seitdem machten wir einige merkwürdige Späße. Wir verließen als Letzte das Verbindungshaus und schlenderten zu der Cafeteria.

******

Wir standen in der Schlange für unseren morgendlichen Kaffee und ein paar Croissants. Ich konnte diese ganzen Flachpfeifen auf einen Blick nicht ertragen. Wir waren die einzigen Coolen hier. Das konnte jeder Trottel erkennen, der hier reinkam. „Ey alter, seht ihr das, was ich sehe?“, raunte Clyde. Ich sah ihn an und dann in die Richtung, in die er seinen Blick gerichtet hatte. „Na sowas. Wen haben wir dann da?“, fragte ich amüsiert. Hinter der Theke stand ein Frischling. Ein hübscher, junger Frischling. So ganz untypisch für diese University, jemanden wie sie hier einzustellen. Wir hatten sonst nur den alten Hank, der immer Flecken auf seinem Tshirt hatte oder die alte Magda. Sie hatte eine dicke Warze an der Oberlippe und war grundsätzlich schlecht gelaunt. Aber jetzt bekamen wir ein junges blondes Mädchen zu sehen. Sie trug ihre langen Haare in einem hohen Zopf zusammen, ihre Brüste waren in dem engen Top verboten zusammengequetscht und sie war an den Oberarmen tattoowiert. Sie hatte ein engelsgleiches Gesicht, aber irgendetwas an ihr schrie, dass sie aus der Gosse kam. Sie war nicht der Typ Frau, der mich normalerweise ansprach. Ich stand auf kleine zickige und reiche Bitches, wie Adelaine, die so taten, als wären sie Daddys Prinzessin und wären ach so brav – aber im Bett ließen sie dann die Hure aus sich heraus. Bei dem Frischling hinter der Theke waren die Karten direkt offen gelegt. Sie bewegte sich selbstbewusst und wusste, was sie zu zeigen hatte. Frauen wie sie saugten dich im Bett blutleer, wie ein Vampir. Nicht, dass mir das nicht auch zusagen würde. Aber wo war der Spaß, wenn man schon ohne die Verpackung zu öffnen wusste, was man bekam. „Wenn ihr nichts dagegen habt, dann werde ich mir die Kleine auf jeden Fall klar machen“, raunte uns Clyde noch einmal über die Schulter zu, bevor wir an der Reihe waren. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden. Lässig beugte er sich auf den Tresen. „Guten Morgen Jungs, was kann ich euch Gutes tun?“, sprach sie uns auch direkt an. Ich fiel kurz aus der Rolle, da ich mit einer so melodischen Stimme nicht gerechnet hatte. „Hey Täubchen, zeigst du mir deine Tattoos, zeig ich dir meine“, ging Clyde direkt aufs Ganze. Das sogenannte Täubchen bekam einen funkelnd-stechenden Blick, bevor sie Clydes Position nachahmte und sich ihm am Tresen gegenüberbeugte. Ihr Gesicht war nur einige Zentimeter von seinem entfernt. Und mal ganz nebenbei bemerkt, bekam man nun noch einen viel tieferen Einblick in ihren Ausschnitt. „Wie wäre es, wenn du deinen Machoarsch ein Stück beiseiteschiebst, damit die anderen ihr Frühstück bekommen, Täubchen?“, hauchte sie ihm mit einer verführerischen Stimme entgegen, die selbst meinen Schwanz kurz in der Hose zucken ließ. Clyde lachte ungläubig auf, aber seine Augen zeigten, dass er im Raubtiermodus war und sich davon nicht abschrecken lassen würde.

Kapitel IV - Shadow

„Ich krieg dich schon noch dazu, Mieze“, plauderte dieser arrogante Kerl einfach weiter. Zugegeben, er war ein echt heißer arroganter Kerl. Ich wusste, dass ich mich von Typen wie ihm hier definitiv fernhalten sollte. Aber natürlich zog er mich in seinen Bann, was ich mir versuchte, nicht anmerken zu lassen. „Das werden wir noch sehen, Sunnyboy. Also möchtest du was bestellen oder darf ich mit deinen Freunden weitermachen?“ Ich ließ kurz meinen Blick zu ihnen schweifen. Der braune Lockenkopf schien amüsiert von unserer kleinen Unterhaltung, was allerdings mit dem blonden Surferboy nicht stimmte, konnte ich nicht sagen. Er beobachtete mich mit einem Blick, bestehend aus Bewunderung und Abneigung zugleich. „Oh, glaub mir, wenn du erstmal auf mir saßt, dann willst du gar nicht mit meinen Freunden weiter machen“, wagte der sexy tattoowierte Typ allen Ernstes noch zu sagen. Das lockte seinen blonden Freund aus der Reserve, der sich ein Lachen nicht mehr verkneifen konnte. „Komm schon, Clyde. Bestell endlich was. Die Kleine denkt noch, wir sind alle so bescheuert, wie du.“ Ich weiß nicht wieso, aber das Wort „Kleine“ schoss direkt zwischen meine Beine. Das war eindeutig zu viel Testosteron für mich an meinem ersten Tag. „Okay, ist ja gut. Einen Milchkaffee und ein Schokocrossaint“, ergab Clyde sich nun. „Na geht doch.“ Ich zwinkerte ihm zu und stellte einen Becher unter den Vollautomaten. Dann schnappte ich mir ein Crossaint und packte es in eine Tüte. „Dann bekomm ich bitte einmal deine Universitycard.“ Er reichte sie mir, damit ich seine Bestellung abrechnen konnte, doch kurz bevor ich sie ergreifen konnte, zog er sie wieder zurück. „Aber nur, wenn du mir noch deinen Namen verrätst.“ Lasziv lächelte er mich an. „Ich heiße Shadow. Darf ich dann?“ Ich riss ihm die Karte einfach aus der Hand und zog sie durch die Scanvorrichtung an der Theke. Ich drückte ihm seinen Milchkaffee und die Tüte in die Hand. „Ich wünsche dir einen schönen Tag, Shadow. Wir sehen uns später“, hauchte er mir zu, bevor sein blonder Freund ihn an der Schulter wegschob. „So, und was kann ich für euch zwei Hübschen tun? Wollt ihr auch meine Tattoos sehen, wie euer arroganter Freund oder fragt ihr direkt nach einem Nacktbild?“ Ich ließ meine Augenbrauen demonstrativ in die Höhe wandern und schaute zwischen den beiden hin und her. „Hör mal, Kleine. Unser Clyde hier fickt alles, was nicht bei Drei auf dem Baum ist. Also bild dir bloß nicht ein, dass du was Besonderes wärst. Hier gibt es eindeutig schönere und intelligentere Frauen, als dich.“ Autsch. Das hatte wehgetan. Keine Ahnung, was der Surferboy für ein Problem hatte. „Na, wenn das so ist, sag mir doch einfach, was du bestellen möchtest, anstatt hier dumm rum zu labern“, zischte ich ihm entgegen, da ich meine Wut nicht vollends unterdrücken konnte. Ich stützte meine Hände auf dem Tresen ab und wartete. Dabei entging mir nicht, dass sein Blick einen Moment zu lange in meinem Top verschwand. Hübschere Frauen, also, ja? Am Ende wollten sie doch sowie so alle nur das eine. „Für mich einen Cappuchino und ein belegtes Laugenbrötchen. Für meinen Freund Brandon das Gleiche.“ Ich drehte mich einfach von ihnen weg und machte die Bestellung fertig. Lässig hielt der Typ mir dann seine Universitycard hin, auf der ich den Namen Lennox erkennen konnte. Auch sie zog ich durch die Scanvorrichtung und gab sie ihm zurück. Er nahm seine Bestellung und ging einfach weg. „Sorry, Sweetie. Lennox ist manchmal einfach ein Vollarsch.“ Auch Brandon nahm seine Sachen vom Tresen und schenkte mir noch ein mitleidiges Lächeln. „Keine Sorge, ich bin schon groß und habe weitaus schlimmere Männer kennengelernt“, ließ ich Brandon wissen, der ein wenig die Stirn runzelte, bevor auch er sich auf den Weg machte, die Cafeteria zu verlassen. Bevor die Jungs wieder durch die Tür hinaustraten, warf Clyde mir noch ein Zwinkern zu. Ich sollte darauf nicht abfahren, aber ich konnte ein mädchenhaftes Kichern nicht unterdrücken.

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Nachdem die männlichen Studenten abgefrühstückt waren, kamen die weiblichen Studentinnen, um sich ihren Kaffee und ihr Frühstück zu holen. Von den meisten wurde ich wie Dreck behandelt und sie hatten eindeutig ein Problem damit, dass sie nun jemand im nahezu gleichen Alter bediente. Immer wieder sah ich Mädelstrüppchen zusammenstehen, die miteinander tuschelten und zu mir rüber schauten. Fehlte nur noch, dass sie mit ihrem Zeigefinger auf mich zeigen würden. Das konnte ja spaßig werden, wenn ich irgendwann im Laufe des Tages hinter dem Tresen hervorkommen müsste und sie meine Fußfessel zu sehen bekamen. Dann hatten sie wenigstens was, worüber sie lästern konnten. Nachdem auch die weibliche Meute gesättigt und zum Unterricht aufgebrochen war, hatte ich die Cafeteria abgeschlossen, damit wir aufräumen und alles für das Mittagessen vorbereiten konnten. Magda hatte mir für mittags freigegeben, damit ich mich in meiner kleinen Wohnung ein bisschen einrichten konnte. Ich war heute Morgen direkt in der Cafeteria aufgeschlagen und hatte meine Koffer solange ins Lager gestellt. Abends müsste ich allerdings wieder hier sein. Ich räumte gerade den restlichen Müll von den Tischen und wischte die Tischplatten ab, als Magda zu mir trat. „Pass auf, ich will dich nicht bevormunden. Ich war schließlich auch mal jung. Aber dir ist klar, wo du hier bist, oder?“ Irritiert sah ich sie an, weil ich nicht verstand, was sie mir sagen wollte. „Separate-University. Männer und Frauen getrennt. Die Leute wollen hier keine triebgesteuerten Halberwachsenen sehen oder Blickgeficke beobachten.“ Ich riss die Augen weit auf und starrte sie weiter an. Heute früh hatte sie noch so ruhig und in sich gekehrt gewirkt. Ich war leicht schockiert über ihre Wortwahl. „Also pass ein bisschen auf, was du machst. Die Lehrer kommen zwar selten hier rein, aber falls doch, sollte das besser keiner von ihnen mitbekommen. Ich meins nur gut mit dir, Mädchen. Und jetzt sieh zu, dass du gleich hier rauskommst, damit du dich in deiner Wohnung ein bisschen einfinden kannst.“ Sie schenkte mir noch ein aufrichtiges Lächeln, bevor sie wegging und wieder in der Küche verschwand. Ich hatte von Anfang an ein komisches Gefühl gegenüber diesem Schulsystem gehabt. Jetzt, nach Magdas Bemerkung, wurde ich das Gefühl erst recht nicht los, dass hier irgendwas ganz und gar nicht stimmte.

Kapitel V - Lennox

Wir hatten mal wieder einen öden Studientag hinter uns gebracht. Das einzige Aufregende, was heute passiert war, war, dass wir einen neuen Dozenten im Fach Psychologie bekommen haben. Privatdozentin Dr. Snow stand kurz vor der Entbindung und ging nun in den Mutterschutz. Also wurde für die Schwangerschaftsvertretung ein neuer Privatdozent namens Cooper eingestellt. Anders als sonst war er kein gewöhnlicher Privatdozent, sondern ein Deputy. Er hatte vorher bei der Polizei gearbeitet. Ich konnte mir vorstellen, dass er ganz genau wusste, die Psyche eines Menschen zu analysieren. Bei der heutigen Vorstellung und dem Unterricht hatte ich allerdings das Gefühl gehabt, dass er selber nicht alle Latten am Zaun hatte. Ich hatte das Gefühl, dass er mich und die Jungs besonders ins Visier genommen hatte, obwohl wir uns zum ersten Mal gesehen hatten. Normalerweise würden wir den Tag heute, wie immer, im Verbindungshaus ausklingen lassen, aber Clyde hatte uns dazu überredet, in der Cafeteria abzuhängen und unsere Hausarbeit in Soziologie zu Ende zu schreiben. Diese mussten wir schließlich Morgen pünktlich um 10.00 Uhr abgeben. Aber es war ja klar, wieso er ausgerechnet den Abend dort verbringen wollte. Dieser Grund huschte gerade hinter dem Tresen hin und her und räumte die letzten Reste des Tages weg. Clyde hatte sich immer wieder ablenken lassen und Ewigkeiten zu ihr rübergeschaut. Doch sie schien sich nicht beirren zu lassen. Denn sie hatte nicht ein einziges Mal, seitdem wir hier waren, hergesehen. Auch ich kam nicht umhin, immer wieder einen Blick zu ihr zu werfen. Sie nervte mich einfach. Und das, was mich nervte, war, dass mich ihre selbstbewusste Art so anmachte. Ich hatte sie heute Morgen versucht niederzumachen und sie hatte es einfach weggesteckt. Ich hatte Lust, ein bisschen Chaos anzurichten. Also stupste ich mein volles Glas mit Cola an und es rutschte vom Tisch. Die Flüssigkeit spritzte durch die Gegend und das Glas zerschellte auf dem Boden. „Alter, hast du das mit Absicht gemacht?“, flüsterte Clyde über den Tisch. Wie erhofft, drehte sich Shadow erschrocken zu uns um und Griff sich direkt einen Eimer und ein Kehrblech. Sie kam zu uns herüber. Ich sah Clyde nur verschmitzt an und nickte leicht in ihre Richtung. „Verstehe“, grinste er und richtete seinen Schritt. Sollte nochmal einer sagen, ich wäre notgeil. „Ihr beiden macht mich einfach fertig.“ Brandon wischte sich mit der Hand genervt über sein Gesicht und widmete sich wieder seiner Hausarbeit. Clyde und ich widmeten uns allerdings etwas anderem. Unsere Blicken waren beide auf die elektronische Fußfessel an Shadows Knöchel gerichtet. Da hatte ich mit der Gosse gar nicht mal so Unrecht gehabt. Sie hockte sich hin und fing an die Scherben aufzuwischen. „Ich bring dir gleich ein neues Getränk“, murmelte sie. Clyde löste sich als Erster aus seiner Schockstarre. „Hey Mieze, wer würde es denn wagen, dich zu verhaften?“, scherzte er und man konnte genau sehen, wie Shadow erstarrte. Auch ihr Blick wanderte nun runter zu ihrem Knöchel und sie schloss für ein paar Sekunden geschlagen die Augen. Offenbar hatte sie für einen Moment vergessen, dass sie nicht mehr im Schutz des Tresens stand und wir alles an ihr sehen konnten. Dann hob sie ihren verschlossenen, aber herausfordernden Blick in Clydes Augen. „Vielleicht habe ich einem so aufdringlichen und arroganten Kerl, wie dir, die Augen ausgekratzt.“ Taff lächelte sie. „Uuh, Kätzchen. Bei mir darfst du deine Krallen gerne auf meinem Rücken ausfahren.“ Selbstverständlich machte Clyde das nun wieder an, dass Shadow etwas Verbotenes an sich trug. Sie lachte leicht auf und kehrte dabei die Scherben weiter auf. Ich konnte aus ihrem Lachen genau heraushören, dass sie auch ein wenig erleichtert darüber war, keine unangebrachten Kommentare von uns zu hören. Nun, das konnten wir ganz leicht ändern. „Ich glaube, sie kommt aus der Gosse. Bestimmt ist sie irgendwo eingestiegen und hat geklaut.“ Ich warf meinen Stift auf den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Entrüstet sah Clyde mich an. Brandon blickte nur verwirrt zwischen uns hin und her, weil er die Hälfte nicht mitbekommen hatte. Auch Shadow hob wieder ihren Blick. In ihren Augen loderten Flammen der Verwüstung. „Du weißt gar nichts über mich, du schnöseliger Penner. Also halt deine verdammte Klappe!“, brauste sie auf. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich beugte mich vor und stützte meine Ellenbogen auf den Knien ab. „Vielleicht bist du auch bei der Prostitution erwischt worden, wie du einen deiner Kunden abgezogen hast.“ Ihr Blick wurde immer hasserfüllter. „Lennox, man. Das reicht jetzt.“ Clyde stand auf und stellte sich zwischen uns. Shadow entschied sich dazu, nichts zu erwidern. Entweder hatte ich den Nagel auf den Kopf getroffen oder sie pflegte das Prinzip, der Klügere gibt nach. Aggressiv wischte sie mit dem Lappen über den Boden, bis sie laut zischte. Blut benetzte in Sekundenschnelle den Boden. Sie hatte sich mit einer Scherbe in die Hand geschnitten. „Verdammt“, motzte Clyde und griff einen Stapel Servietten aus der Halterung auf dem Tisch. Er ging in die Hocke und presste sie auf die blutende Stelle an ihrer Hand. „Meine Güte, Clyde. Die Kleine bekommt das schon alleine hin.“ Seltsamerweise wurde Shadow allerdings immer blasser im Gesicht und sank von ihren Fersen nun mit dem Hintern auf den Boden. „Sei endlich still, Lenn. Du siehst doch, dass es ihr nicht gut geht.“ Er hatte kaum den Satz ausgesprochen, da klappte sie in seinen Armen auch schon zusammen. Er hievte sie auf seine Arme und stand auf. Fast leblos hang sie dort einfach und rührte sich nicht. „Ich bring sie zu Magda und du kriegst dich gefälligst wieder ein“, keifte er mich an, bevor er in Richtung Küche verschwand.

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