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Es war einmal ein Managing Director der Wall Street, eine alte Schulbekanntschaft und ein heißer President eines Motorradclubs. Deine Freundinnen sagen, der Mann an der Wall Street bringt das Glück in dein Leben. Die Schulbekanntschaft sagt, ich bin der Eine,den du suchst. Und der President beschert dir schmutzige Gedanken. Avery Murphys mittelständisches Leben wird immer mal wieder durch ihre wohlhabenden Freundinnen aufgemischt, die eine andere Wertevorstellung besitzen. Das altbekannte Männerthema sorgt erneut für Zündstoff zwischen den Dreien. Ein Gewinnspiel für eine Auszeit auf einer neu bebauten Insel kommt Avery gelegen, damit sie und ihre Freundinnen, abseits des sonstigen Saus & Braus, wieder zueinander finden können. Das dieser Trip ungeahnte und blutige Folgen haben wird, stand nicht im Kleingedruckten.
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Seitenzahl: 288
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Triggerwarnung:
Vorwort:
1 - Avery
2 - Chester
3 - Avery
4 - Chester
5 - Avery
6 - Chester
7 - Avery
8 - Chester
9 - Avery
10 - Chester
11 - Avery
12 - Chester
13 - Avery
14 - Avery
15 - Chester
16 - Avery
17 - Black
18 - Avery
19 - Black
20 - Black
21 - Avery
22 - Avery
23 - Chester
24 - Avery
25 - Avery
26 - Avery
27 - Chester
28 - Avery
29 - Chester
30 - Avery
31 - Avery
32 - Black
33 - Avery
Epilog - Avery
Danksagung:
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Impressum:
In diesem Buch werden explizite Szenen zur Schau gestellt. Dabei geht es nicht nur um sexuelle Inhalte und die Leidenschaft zwischen zwei Menschen, sondern auch blutige Angelegenheiten und mörderische Szenen.
Außerdem werden in diesem Buch Szenen thematisiert, die ausdrücken, welche Traumata nach Mobbing entstehen können.
Daher nehmt dieses Thema bitte nicht auf die leichte Schulter und geht respektvoll mit anderen Menschen um.
Ansonsten dürft ihr euch auf eine Geschichte mit vielen Spannungsmomenten
freuen.
His love was forbidden
but he risked his life for it
because without it
he had no life.
Die Sonne des Spätsommers flirrte durch die engbebauten Straßen in Manhattan. Einige Leute genossen das Wetter und bummelten bereits durch die Einkaufspassagen. Zwischen ihnen schlängelten sich die gestressten Schlipsträger hindurch, die zur Wall Street hechteten und es kaum abwarten konnten, dass ein neuer Tag an der Börse begann. Ich beobachtete den Tumult aus dem 7. Stock des Apartmentgebäudes, in dem ich lebte. Mit einer Zigarette und einer Tasse Kaffee, die so gut wie leer getrunken war, lehnte ich am gläsernen Balkongeländer. Nachdem ich in dem Café, in dem ich arbeitete, befördert worden war, hatte ich mir diese Wohnung hier gegönnt. Sie bestand nur aus einer kleinen Wohnküche, einem Schlafzimmer und einem Badezimmer. Sie war nicht wesentlich größer als meine alte Wohnung, aber immerhin hatte sie einige Vorzüge, im Sinne einer komfortablen Einbauküche, ein Bad mit Dusche und freistehender Badewanne mit Whirlpoolfunktion. Und diesem wunderbaren Balkon, der fast so groß war, wie die Hälfte dieser Wohnung. Ich liebte den Ausblick und genoss jede freie Minute hier draußen, die ich entbehren konnte. Ich hatte mir eine gemütliche Lounge eingerichtet und den Balkon fast in jeder freien Ecke mit bunten Pflanzen vollgestellt. Jedes Mal, wenn Chloé und Lilian vorbeikamen, rümpften sie die Nasen. Der Balkon war zu bunt, die Wohnung zu klein, die Umgebung zu laut. Immer hatten sie etwas auszusetzen. Dabei musste ich ehrlich gestehen, dass ich aus meiner Wohnung am Stadtrand extra hierhergezogen war, nur wegen ihnen. Die Wohnung lag näher an meiner Arbeit und näher an ihnen, was einige Vorteile bot. Aber wenn ich ehrlich war, waren wir, was Materialismus betraf, nicht gleich gestrickt. Ich brauchte diesen ganzen Schnickschnack nicht. Trotzdem hatte ich mich von ihnen breitschlagen lassen. Chloé und Lilian waren meine besten Freundinnen. Wir hatten uns damals in der Highschool kennengelernt und auch 15 Jahre später bestand unsere Freundschaft noch. Manchmal war es mir ein Rätsel, wie ich zwischen die beiden passte – denn meine Ansichten waren grundverschieden, was regelmäßig für Diskussionen sorgte und trotzdem waren sie die einzigen in meinem Leben, denen ich alles anvertrauen konnte. Die beiden hatten bereits vor zwei Jahren geheiratet. Und natürlich arbeiteten die Herren der Schöpfung an der Wall Street. Chloé hatte den Analysten Dylan geheiratet und Lilian den Associate Austin. Sie hatten also genau das erreicht, wovon sie schon in der Jugend geträumt hatten: einen wohlhabenden Mann heiraten, den Glamour genießen und sich selbst am besten um nichts kümmern. Zusammen betrieben die beiden eine gutlaufende Boutique mitten in Manhattan, die glamouröse Abendmode mit dazugehörigen Accessoires vertrieb. Es verstand sich natürlich von selbst, dass die beiden sich diesen Laden nur hatten leisten können wegen dem utopischen Gehalt ihrer Ehemänner. Ich hingegen liebte es, in dem Café zu arbeiten, viele verschiedene Menschen am Tag zu treffen, die sich nicht nur mit Luxusgütern, wie hochpreisigen Karosserien, Immobilien und Ferienhäusern in den Hamptons beschäftigten oder darüber erzählen konnten, sondern auch die Menschen, die mittelmäßig- bis okay-bezahlten Jobs nachgingen und einen stinknormalen Alltag führten, wie ich. Ich ging gerne im Central Park joggen, setzte mich mit einem Buch auf die Bank oder schaute zu Hause irgendeine unsinnige Sendung im Fernsehen und schaufelte mir dabei Unmengen an Mikrowellengerichten rein – alles sehr zum Leidwesen meiner Freundinnen. Aber es wäre ja auch langweilig, wenn alle Menschen gleich wären. Im letzten Monat hatten sie mir auf Austins Geburtstag Gil vorgestellt. Gil arbeitete ebenfalls an der Wall Street und war einer der ganz hohen Tiere mit seiner Position als Managing Director. Seitdem hatten wir uns nun einige Male privat getroffen. Er war sehr höflich und zuvorkommend. Und wenn man ihn besser kannte, auch sehr humorvoll und nicht mehr so steif, wie er zu Anfang gewirkt hatte. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass das mit uns nicht mehr an Tiefgang gewinnen würde. Gil wirkte nicht so glattgeleckt, wie die üblichen Teilhaber an der Wall Street. Mit seinem blonden lockigen Haar, den hellgrauen Augen und seinem braunen Teint wirkte er in seinem Anzug eher wie ein verkleideter Surferboy aus Byron Bay. Zusätzlich war er nicht die Sorte Mann, die mich sonst ansprach und doch hatte ich mich darauf eingelassen. An dem Geburtstag hatte ich ein tiefgründiges Gespräch mit ihm geführt, welches bei mir Eindruck hinterlassen hatte. Und leider musste ich gestehen, dass meine Freundinnen mir seit Ewigkeiten in den Ohren lagen, endlich einen vernünftigen und vor allem wohlhabenden Mann zu daten. Einen Mann, der mir all meine Wünsche von den Lippen ablesen und der mir alles kaufen würde, was ich wollte. Dabei waren das nicht die Werte, die ich vertrat. Einen Mann, der mit mir durch die Welt reiste; dem dabei eine kleine Hütte am Strand ohne Strom für ein paar Nächte reichte; der mit mir Kochabende verbrachte und Kinodates vereinbarte – das wollte ich. Diese Spezies Mann schien aber schlichtweg ausgestorben zu sein. Ich schloss hinter mir die große, gläserne Schiebetür und sperrte den Lärm Manhattans aus. Das hellgrüne Tshirt mit dem Cafélogo, eine helle Jeans und weiße Sneaker hatte ich bereits übergeworfen. Also schnappte ich mir meine Tasche von der Garderobe und nahm den Aufzug hinunter in die Eingangshalle. „Guten Morgen, Ms. Murphy“, wurde ich von dem Portier Cameron gegrüßt, als sich die Aufzugtüren im Erdgeschoss öffneten. Wie jeden Morgen stand er hinter dem kleinen Empfangstresen aus weißem Marmor. „Cameron, Sie wissen doch, dass Sie mich Avery nennen dürfen.“, flötete ich. Verschwörerisch lehnte er sich mir über den Tresen entgegen. „Diese mondänen Leute hier haben eine altväterliche Einstellung. Mrs. O’Kelly aus dem 14. Stock hat mich angesprochen, weshalb ich mich derart dilettantisch verhalten und Sie beim Vornamen nennen würde. Das muss man sich mal vorstellen“, motzte er leise vor sich hin und entlockte mir damit ein Lachen. „Ach, Cameron. Lassen Sie sich von der alten Ziege nicht den Spaß verderben.“ Nun musste der Portier sich ebenfalls ein Lachen verkneifen. Denn wir beide wussten, dass Mrs. O’Kelly keine anderen Hobbys pflegte, außer die Nachbarn zu beobachten und irgendwas zu beanstanden. Fröhlich winkte ich ihm noch einmal zu, bevor ich durch die Drehtür hinaustrat. So war ich eben noch im Schutze der klimatisierten Eingangshalle des Apartmentkomplexes gewesen, traf mich hier das pure Leben. Ich mischte mich einfach unter die abgehetzten Leute und lief ruhigen Schrittes zum „Golden Veggies“ – das Café, in dem ich arbeitete. Die Autofahrer hupten und kamen in dem Verkehr kaum vorwärts. Auch eines dieser Dinge, die ich hier versuchte, zu umgehen. Ich nahm lieber die U-Bahn oder das Fahrrad – ebenfalls zum Leidwesen meiner Freundinnen. Vielleicht war ich deshalb entspannter und ausgeglichener, als die meisten anderen Leute hier. Nach fünf Gehminuten kam ich auch schon vor dem schwarzen, gläsernen Tower an, der in die Höhe ragte und die Sonne reflektierte. Das Café lag in der unteren Etage des Bürokomplexes und war damit nicht das übliche kleine Stadtcafé, in dem die Leute sich kaum drehen konnten. Der weitläufige Innenraum des Cafés glich eher einer Mensa. Auch unser Außenbereich war nicht gerade schmal gehalten, wobei ich nie verstehen würde, weshalb die Leute dort gerne saßen. Der Außenbereich war mitten im Getümmel und doch blieb dort meist kein Platz leer. Die automatischen Schiebetüren öffneten sich, als ich näher kam und an der Theke reihte sich bereits die erste Schlange von Anzugträgern. Ich huschte an ihnen vorbei und verschwand hinter der Theke. „Guten Morgen, Ave. Wie geht es dir an diesem Morgen?“, flirtete Toby mich direkt an. Toby war erst achtzehn Jahre alt, studierte Betriebswirtschaft an einer University, weil er sich ausgerechnet die Leute zum Vorbild genommen hatte, die gerade ungeduldig vor dem Tresen warteten, wie wild auf ihren Smartphones tippten und die Angestellten hier bloß nicht eines Blickes zu viel würdigten. Denn auch er wollte unbedingt an die Wall Street. „Ganz wunderbar. Und wie läuft es hier? Soll ich euch unter die Arme greifen?“ Auch Luna und Heather rotierten bereits, obwohl das Café erst seit einer halben Stunde geöffnet war. Luna näherte sich, um an unserer großen Röstmaschine zwei Café Latte mit Sojamilch aufbrühen zu lassen. „Ave, du bist jetzt unsere Standortleitung. Du kümmerst dich um die Zahlen, den Papierkram, Online-Bestellungen. Das heiße Pflaster hinter der Theke ist nun tabu für dich.“ Sie zwinkerte mir zu und kicherte leise. „Hey, Sie da. Geht das etwas schneller mit dem Kaffee? Nicht jeder von uns kann auf der Arbeit rumplänkeln und kommen, wann er will“, rief plötzlich ein grauhaariger, streng frisierter Mann in einem dunkelblauen Anzug. Sagte ich bereits, dass ich diese gut situierten, nach teurem Parfüm stinkenden und in Dior gehüllten Schönlinge nicht besonders gut leiden konnte? „Sir, der Kaffeevollautomat bestimmt die Röstgeschwindigkeit Ihres Kaffees, nicht die Angestellte. Und bei Ihrem Anblick kam er sicherlich auf die Idee, dass Sie wohl besonders viel Koffein vertragen könnten“, nahm ich diesem unverschämten Vornehmtuer den Wind aus den Segeln. Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte er mich, bevor er sich wieder seinem Handydisplay widmete und irgendwas in das Headset murmelte, welches er trug. Toby himmelte mich für meine freche Art schon wieder an, was an seinen rot-gefärbten Wangen, die nun im wunderbaren Einklang mit seinen Haaren standen, unverkennbar war. Schmunzelnd verdrehte ich die Augen, bevor ich tatsächlich den Rückzug in mein Büro antrat. Durch die Schwingtür lief ich in die Küche. Leo und Zayn brieten Spiegeleier in Höchstgeschwindigkeit, genauso wie die veganen Lachsstreifen, karamellisierte Zwiebelringe und vielerlei anderer Köstlichkeiten, die mittlerweile zu einem hippen Lifestyle dazugehörten und die bei den Leuten, die hier reinkamen, ganz oben auf der Liste standen. „Hey Ave, warte kurz“, hörte ich Tobys Stimme hinter mir. Die Küche war vom Verkaufsbereich durch einen großen Fensterrahmen getrennt, der als Durchreiche diente. Sein roter Schopf tauchte dort auf und hielt mir ein Glas mit Strohhalm entgegen. Dankend nahm ich den Eiskaffee mit einem Schuss Karamell an. Er wusste, wie gern ich den trank. „Danke dir, Toby. Das macht meinen Tag direkt viel besser.“ Aufrichtig lächelte ich ihn an, bevor die kühle koffeingetränkte Kalorienbombe meinen Hals hinunter lief. „Und würde es deinen Tag noch besser machen, wenn wir heute Abend zusammen ins Kino gehen würden?“ Leicht nervös massierte er sich seinen Nacken, während er auf meine Antwort wartete. „Du hast wirklich alle guten Eigenschaften, die ich bei den meisten Männern vermisse – aber nein, Toby. Wir gehen nicht zusammen aus. Irgendwann wirst du schon noch erkennen, dass die zwölf Jahre, die uns trennen, viel zu viele sind.“ Ich prostete ihm mit dem Eiskaffee noch einmal zu, bevor ich nun den endgültigen Rückzug in das Büro antrat. Wie ein geprügelter Hund widmete er sich wieder seiner Arbeit, während Luna ihn mitleidig und gleichzeitig enttäuscht betrachtete. Denn, tja – so war das mit der unerfüllten Liebe.
Ich stellte meine Kawasaki auf dem Besucherparkplatz des riesigen Towers von HBY-One USA ab. Unter dem Sitz holte ich meine Sonnenbrille raus und tauschte sie gegen den Motorradhelm. Mein Blick glitt an dem riesigen Tower hinauf, dessen Scheiben verspiegelt waren und silbrig in der Sonne glänzten. Überall ragten diese kolossalen Gebäudekomplexe in den Himmel und verwehrten einem die Aussicht auf die Umgebung. Gott sei Dank würde ich in ein paar Tagen die klare Luft auf New Shoreham wieder genießen können. Durch eine Drehtür an der Vorderseite des Towers gelang ich ins Innere und wurde bereits an der Rezeption von meinem Anwalt und auch besten Freund erwartet – Aiden Baker. Mit dem blonden Dutt, dem leichten Kinnbart und seinen hellgrauen Augen könnte er das passende Pendant zu mir mit meinem hellbraunen Dutt, dem etwas vollerem Bart und ebenfalls hellgrauen Augen sein. Die Frauen würden auf ihn fliegen, wenn er ebenfalls auf einem PS-Ungetüm mit zwei Rädern den Asphalt erobern würde, wie ich. Aber er trug lieber einen maßgeschneiderten beigen Anzug und bewegte sich in seinem Porsche fort. „Da bist du ja endlich...“ Seine Slipper klackerten über den Marmorboden, als er auf mich zukam und leicht meine Schulter drückte. „Ich habe uns beim Empfang bereits angemeldet und das hier bekommen.“ Aus seiner Jackettasche beförderte er eine schwarz-glänzende Karte hervor. „Damit können wir direkt in das Studio im 26. Stock fahren. Man erwartet uns bereit.“ Großzügig holte er mit dem Arm aus, um auf den Fahrstuhl zu deuten. „Dann lass uns los. Du hältst es doch schon wieder kaum aus, dass ich fünf Minuten zu spät bin“, witzelte ich mit leicht kratziger Stimme. Meine Nacht war wieder lang gewesen. Erst spät war ich ins Bett gegangen, weshalb ich den Wecker auch nicht rechtzeitig gehört hatte. Ich drückte auf den großen goldenen Knopf neben dem Aufzug und augenblicklich glitten die Türen auseinander. Aiden führte die Karte in einen dafür vorgesehenen Schlitz und drückte die Nummer 26. Leicht ruckelnd und dennoch leise setzte sich der Aufzug in Bewegung. Gemeinsam lehnten wir uns gegen die rechte Wand des Aufzuges und musterten uns über den Spiegel gegenüber. „Und du bist dir ganz sicher, dass du das machen willst? Ich meine, jetzt gerade sind die Leute doch nur so auf der Suche nach weiteren Urlaubszielen, um dem herannahenden Herbst zu entkommen. Das sind wichtige Einnahmen, die dir entgehen könnten“, sprach nun ganz der Anwalt aus meinem Freund. „Warst du nicht derjenige, der gesagt hat, dass man mit dem ganzen Geld, was man selber zu Verfügung hat, auch mal was Gutes tun könnte?“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn noch intensiver. „Durchaus. Dabei dachte ich allerdings eher an wohltätige Zwecke und nicht daran, irgendwelche wildfremden Leute zu einem Urlaub einzuladen.“ Geschäftig faltete er seine Hände vor dem Schritt. „Oh, so fremd sind sie gar nicht“, murmelte ich, während mein Lächeln schärfere Züge annahm und mein Blick sich verdunkelte. Irritiert zuckte nun Aidens Kopf zu mir herum, doch der Fahrstuhl öffnete in dem Moment seine Türen im 26. Stock und unser Gespräch wurde unterbrochen. Eine Frau mit einem strengfrisiertem braunen Zopf und einem hellgrünen Businesskostüm erwartete uns bereits mit einem Klemmbrett in der Hand vor dem Aufzug. „Mr. Rogers, es ist mir eine Ehre, Sie bei unserem Fernsehsender begrüßen zu dürfen. Wenn Sie mir bitte folgen würden.“ Mit ihren zehn Zentimeterhacken lief sie voraus und mir entging nicht, wie mein Freund ihren Hintern mit schiefgelegtem Kopf abcheckte. Er war nett anzusehen, aber auch sie verkörperte alles, was ich an einer gewissen Spezies Mensch in meinem Leben nicht ausstehen konnte. Deshalb konnte ihr wohlgeformter Körper nicht mal einen sexuellen Anreiz in mir wecken. Denn Frauen wie sie waren alle gleich – gesichtslos, charakterlos. Miststücke. Sie führte uns an mehreren gläsernen Büros vorbei, bis hin zu dem des Senderchefs Mr. Mitchell. „Boss, Mr. Rogers wäre dann nun da“, hörte ich sie gedämpft sprechen, als sie ihren Kopf durch den Türspalt in das Büro steckte. Ein männliches Gemurmel war zu hören und kurz darauf deutete sie uns auch schon hinein. Ein hochgewachsener Mann mittleren Alters, recht muskulös, mit einer Glatze, begrüßte uns. „Mr. Rogers, Mr. Baker. Schön, dass Sie hier sind.“ Geschäftig wurden sich die Hände gereicht, ehe wir vor seinem Schreibtisch Platz nahmen. Das hellgrüne Businesskostüm schneite noch einmal herein, sehr zur Freude von Aiden, und servierte uns Wasser und Kaffee. Hinter sich schloss sie die Tür, sodass wir drei Männer allein waren. „Erst einmal möchte ich Ihnen meine herzlichsten Glückwünsche aussprechen, dass Sie Block Island für sich erwerben konnten und daraus einen so wunderbaren Urlaubsort gemacht haben. Wie ich hörte, fand man bis vor einiger Zeit dort nicht mehr als Brachland.“ Mr. Mitchell hatte seine Hausaufgaben offenbar gemacht. Denn ja, ich hatte diese Insel erworben und einzelne Blockhüttensysteme entworfen, die Urlaub mit Familien, Tieren, Freunden oder nur als Paar erlaubten. Die Insel hatte einen eigenen Supermarkt, eine eigene Apotheke, ein kleines Schwimmbad, zwei Restaurants und einen Bäcker. Ansonsten bot sie nur Natur pur. Keine asphaltierten Straßen, keine motorisierten Gefährte, was eigentlich gar nicht mein Ding war, diese aber die idyllische Ruhe stören würden. Man konnte die Insel nur mit kleinen Speedbooten erreichen, die vom Hafen in Westerly abfuhren und ebenfalls zum Buchungspaket dazu gehörten. Deshalb war das der perfekte Ort, für das, was ich vorhatte. Nach der Highschool hatte meine Mutter noch einmal geheiratet. Harvey Rogers hatte selbst keine Kinder, weshalb er mich adoptiert hatte. Er und meine Mutter waren viel umher gereist. Die beiden ereilte ein tragisches Schicksal, als ein Tsunami die Küste von Thailand flutete und auch die beiden mit sich riss. Harvey hatte kurz vorher, als hätte er es ahnen können, erst ein neues Testament verfassen lassen, in welchem ich als alleiniger Erbe neben meiner Mutter genannt wurde. So erst war ich zu dem ganzen Haufen Geld gekommen. „Das ist wahr. Ein schönes Fleckchen Erde, den ich etwas hergerichtet habe“, antwortete ich etwas verspätet. „Und ist es richtig, dass Sie nach wie vor nicht erwähnt werden möchten? Für die Leute dort draußen ist der Käufer aus Queens ein Mysterium.“ Ich beobachtete Mr. Mitchell über den Rand meines Wasserglases hinweg, während ich meine trockene Kehle befeuchtete. Mit seinem Blick versuchte er mich zu ergründen. Daran waren bereits die meisten gescheitert. Seine Mühe war vergebens. „Nun, ich möchte mich weiterhin auch ungestört bewegen können. Ich mag es nicht, wenn die Leute dort anfangen mich anzuhimmeln, nur weil ich der Besitzer bin. Die Heuchlerei kann ich mir sparen.“ Außerdem zahlte ich diesem Sender für seine Verschwiegenheit genug Geld. Das war auch der einzige Grund, weshalb ich Aiden zu dieser Sache mitgenommen hatte. „Nun, gut. Wir werden Ihren Namen nur mit den Initialen abkürzen, wenn es für Sie in Ordnung ist. Dann lassen Sie mal hören, was Sie sich bei dem Gewinnspiel gedacht haben.“ Der Senderchef zog seine Brille auf, die bereits die ganze Zeit an einer Kordel um seinen Hals baumelte und deaktivierte den Bildschirmschoner seines Computers. „Es gibt insgesamt 30 Plätze zu gewinnen. Fünfmal Zwei, Viermal drei und Zweimal vier. So haben sowohl Familien, Freunde als auch Paare die Chance teilzunehmen. Es soll ein klassisches Frageantwortspiel sein, bei dem sie gewinnen können. Die Frage dazu kann sich gerne der Sender überlegen“, endete ich. Denn mehr Bedingungen gab es im Offensichtlichen nicht. Was das Verborgene anging, so ruhte noch eine weitere Bedingung in meiner Hosentasche, die allerdings nicht für Aidens Ohren bestimmt war. „Was sollen die Gewinner erhalten? Einen Gutschein, einen QR-Code?“, fragte Mr. Mitchell. „Oh, ich habe bereits in einer Druckerei etwas in Auftrag geben lassen, passend zu den genannten Gewinnoptionen, da es auf die Blockhütten abgestimmt ist. Ich werde Ihnen dies in den nächsten Tagen zukommen lassen. Und was Sie erwähnen sollten, ist, dass diese Reise an ein Datum gebunden ist: vom 26. September bis zum 10. Oktober.“ Er hielt beim Tippen inne und auch Aidens Blick strandete auf meinem Profil. „Zwei Wochen? Das ist wirklich großzügig, Mr. Rogers.“ Der Senderchef war so begeistert, dass seine hochgezogenen Augenbrauen fast über seine Glatze rutschten. „Hast du dir das gut überlegt, Ches?“, raunte Aiden mir nun von der Seite zu. „Die Leute gewinnen ja nur den Aufenthalt in den Blockhütten, keine Rundumverpflegung. Ein bisschen was müssen sie schon selbst beisteuern.“ Mr. Mitchell schloss seine Dokumentation ab. „In Ordnung. Ich habe meine Notizen direkt an die Marketing-Abteilung weitergeleitet. Wir können dann gleich in den Werbedesignbereich gehen und Sie können mitbestimmen, welche Farben, Bilder oder Motive bei der Gewinnspielwerbung verwendet werden sollen. Und Sie, Mr. Baker, werde ich gerne zur Rechtsabteilung bringen lassen. Dort können Sie den Vertrag prüfen.“ Mr. Mitchell wählte auf seinem Standtelefon eine Kurzwahl und nach ein paar Sekunden erschien die Dame in der Tür, die uns empfangen hatte. „Ms. Torres, wenn Sie so freundlich wären, Mr. Baker in die Rechtsabteilung zu begleiten.“ Aiden stand auf und strich sein Jackett glatt. Er reichte dem Senderchef die Hand und drehte sich noch einmal zu mir um. „Wir sehen uns dann unten. Wenn was ist, klingel durch.“ Er klopfte mit zwei Fingern auf das Handy in seiner Hosentasche, bevor er Ms. Torres wie ein Honigkuchenpferd anstrahlte und ihr hinausfolgte. Als die Tür wieder ins Schloss fiel, räusperte ich mich. „Mr. Mitchell, es gibt sehr wohl noch eine Bedingung für das Gewinnspiel.“ Ich zog die Liste aus meiner Hosentasche und legte sie ihm vor die Nase. „Sollten diese Leute bei dem Gewinnspiel teilnehmen und gewinnen, haben sie Vorrang. Ich möchte, dass das Spiel so abläuft, dass die Leute ihre Daten hinterlassen und dann noch einmal gesondert informiert werden, in welcher Weise sie gewonnen haben. Und bevor der Gewinn ausgeliefert wird, möchte ich, dass wir uns noch einmal zusammen setzen und ich die Personen erfahre.“ Völlig verblüfft schaute Mr. Mitchell zwischen dem Zettel und mir hin und her. „Ich verstehe nicht recht...kennen Sie diese Leute?“ Für einen Moment versteckte ich mein verschmitztes Grinsen hinter meinem auf der Stuhllehne aufgestützten Arm. „Sie sehen dort 40 Namen auf der Liste. Sagen wir, ich möchte einigen von ihnen etwas Gutes tun, ohne dass sie wissen, dass es von mir kommt. Ich habe aus der Vergangenheit noch einiges offen.“ Und das waren sicherlich keine Gefallen, die ich irgendwem schuldete. „Und seien Sie so gut und behalten das für sich. Mr. Baker muss über diesen Teil der Abmachung nicht in Kenntnis gesetzt werden. Er versteht die ganze Sache mit dem Gewinnspiel ohnehin schon nicht.“ Ein gemächliches Nicken folgte, bevor er die Liste an sich nahm und die Namen in seinen Computer eintippte. „Wäre das dann alles oder gibt es noch etwas, was ich wissen sollte?“ Mr. Mitchell versuchte belanglos auf seinen Bildschirm zu schauen, doch seine verkrampften Finger zeigten, dass er sich nicht unbedingt wohl fühlte in seiner Haut. „Vielen Dank, das wäre dann alles. Wollen Sie mir dann den Designbereich zeigen?“ Ich setzte mein charmantestes Lächeln auf, um mir meine niederträchtigen Gedanken nicht ansehen zu lassen.
In meiner Mittagspause bekam ich meinen üblichen Besuch von meinen Freundinnen. Und obwohl sie meinen Job so sehr verteufelten, setzten sie sich jeden Tag in den Außenbereich des Cafés, genossen unsere lokalen Köstlichkeiten sowie einen Kaffee und verbrachten eine Stunde Zeit mit mir. Mit einem Tablett mit zwei French-Avocado-Dinkeltoast und zwei Milchkaffee bewaffnet, schob ich mich an der Schlange am Tresen vorbei, die auch um diese Uhrzeit noch nicht abgeebbt war und balancierte es zu dem Bistrotisch, an dem meine Freundinnen bereits saßen. Sie fielen in der Menge der vielen in Designeroutftits gekleideten Menschen überhaupt nicht auf. Eher stach der Tisch aus der Menge heraus, an dem gerade fünf Leute aus dem örtlichen Hospital saßen, die in typische blaue Arbeitskleidung gehüllt waren. Einer von ihnen trug sogar noch ein Stethoskop um den Hals. Ein paar Tische weiter saßen ein paar Bauarbeiter, die in der Parkanlage um die Ecke arbeiteten, um einen Teich auszuheben. Sie wurden von einigen anderen betrachtet, als wären sie von einem anderen Planeten hergekommen. Dabei war das hier ein Café für jedermann und nicht nur für die Snobs dieser Gesellschaft. Chloé hingegen, deren blondes schulterlanges Haar in der Sonne glänzte, deren weiße Sommerbluse förmlich nach Chanel schrie, genauso wie der Rest ihrer Kleidung und Lilian, die mit ihrem strengfrisiertem orangehaarigen Dutt, den großen Diamantohrringen und dem trägerlosen Jumpsuit aus Spitze und den Louboutins auf dem Stuhl thronte, gingen zwischen all den anderen gut situierten Leuten unter. Denn sie sahen alle gleich langweilig aus, auch wenn Lillians Ohrringe in der Sonne funkelten und bunte Reflektionen in ihre Umgebung streuten. „Schätzchen, hätte das nicht einer von deinen Angestellten machen können? Dieser kleine Junge..wie heißt er doch gleich..den du beschäftigst? Er himmelt dich doch immer so an. Er hätte das sicherlich gerne für dich getan“, säuselte Chloé. Spielerisch verdrehte ich die Augen, während ich ihnen ihre kleine Mittagsmahlzeit vor die Nase stellte. „Also erst einmal seid ihr meine Freundinnen und ich mache das sehr gerne für euch. Und zweitens mag ich es, mal wieder für einen Moment in meinen alten Job zu schlüpfen.“ Angewidert verzogen meine Freundinnen ihre Gesichter. Doch bevor sie etwas sagen konnten, wandte ich mich wieder ab und holte mir ebenfalls etwas für den Magen. Ich gönnte mir allerdings ein Bakenlachssandwich mit Ei und Rucola und noch einen Eiskaffee mit Karamell. Als ich mich zu ihnen an den Tisch setzte, konnte ich die Verurteilung bereits in Lillians Augen sehen. Wir drei waren allesamt schlanke Frauen, doch Lilian war für meinen Geschmack schon etwas zu dürr. Sie zählte jede einzelne Kalorie und verabscheute jedes bisschen Zucker. „Oh Ave. Du willst doch nicht etwa wie diese fetten Amerikanerhausfrauen auseinander gehen, die zehn Kinder aus sich rauspressen und jeden Tag nur Burger essen, oder?“, kommentierte sie auch direkt missbilligend mein Getränk. Großzügig nahm ich einen Schluck von dem Eiskaffee und ließ sie mit einem lauten „Aaah“ wissen, wie gut mir das Getränk schmeckte, egal wie sehr sie darüber herziehen würde. „Ich gehe heute Abend joggen und dann ist der Eiskaffee Schnee von gestern“, kam ich dann doch nicht umhin, mich zu rechtfertigen. „Kennt ihr schon das neue Gym an der Wall Street?“, stieg Chloé nun auf das Sportthema ein, während sie ein Stück von ihrem Toast mundgerecht abschnitt. „Oh, Austin hat davon erzählt. Er hat mir direkt eine Mitgliedschaft mitgebucht. Süße, Gil kann dir sicherlich auch eine Mitgliedschaftskarte besorgen. Mir gefällt das sowie so nicht, dass du immer im Halbdunkeln durch den Central Park joggst. Das ist viel zu gefährlich“, mischte Lilian sich ein. „Ich gehe gerne in der freien Natur joggen und seit zehn Jahren ist noch nie etwas passiert. Danke für deine Fürsorge, aber nein danke. Und mal ehrlich, ich habe keine Lust von jedem Kerl im Fitnessstudio angestarrt zu werden.“ Nun nahm ich ebenfalls einen großen Bissen von meinem Mittagessen und schloss genussvoll für einen Moment die Augen. Leo hatte das mit dem Lachs echt drauf. Diesen genauen Garmoment bekam nur er hin. „Aber in dem Gym könntest du noch mehr einflussreiche Leute kennenlernen. Wenn du Gil nicht hättest, wäre das sicherlich auch eine gute Gelegenheit gewesen, einen Mann an deiner Seite zu finden. Vielleicht kämst du dann durch die Kontakte endlich mal aus diesem stinkigen Café weg“, gab Chloé zu bedenken. Dabei sträubte sich mein Inneres bei jedem Wort immer mehr. Allein bei dem Namen Gil zog sich alles in mir zusammen. Denn Morgen wollte er mich in ein Restaurant ausführen und ehrlich gesagt, war ich noch dabei, mir eine Ausrede einfallen zu lassen, um dieses Date sausen zu lassen. „Dafür, dass es ein stinkiges Café ist, kommt ihr ganz schön gerne her, um Kaffee zu trinken und hin und wieder was zu essen“, gab ich harsch von mir. „Sorry Süße, wir wollten dich nicht verletzen. Aber findest du nicht, dass du es so viel besser haben könntest?“ Aus sorgenvollen Augen wurde ich von Lilian gemustert. Denn sie meinten das wirklich ernst: Reichtum stand an oberster Stelle. Für sie war die Vorstellung absurd, dass man auch ohne mehrere tausend Dollar auf dem Konto glücklich sein konnte. „Ich bin zur Standortleitung befördert worden, falls ihr es vergessen haben solltet. Ich verdiene damit mehr Geld, mit welchem ich mehr als zufrieden bin und mein Job macht mir auch Spaß. Ich möchte nicht einer von diesen seelenlosen Menschen werden, die von 07.00-19.00 Uhr ihren Tag auf der Arbeit verbringen und sich nur dafür opfern. Mag sein, dass dabei mehr Geld abfällt, aber ausgeglichen und zufrieden sind diese Menschen niemals.“ Für einen Moment waren meine beiden Freundinnen sprachlos. Aber sie waren immer für eine Überraschung gut, weshalb ich nur darauf wartete, den nächsten Grund von ihnen zu hören, warum ich aus dem Golden Veggies verschwinden sollte. Doch die Diskussion über meinen Job blieb aus und für ein paar Minuten aßen wir im einvernehmlichen Schweigen unsere Sandwiches. „Habt ihr übrigens mitbekommen, dass der Urlaubsort auf Block Island nun fertiggestellt wurde?“, wechselte Chloé plötzlich das Thema. „Für meinen Geschmack ist es etwas zu naturbelassen und einfach gestrickt. Dafür, dass dieser reiche Käufer aus Queens so viel Geld dafür ausgegeben hat, hätte er ruhig gläserne Luxusbauten mit Pools dort aufstellen können, findet ihr nicht?“ Ein zustimmendes Murmeln folgte von Lilian, während sie an ihrem Kaffee nippte. „Naja, nicht jeder definiert Urlaub mit einer Luxusvilla, Champagner und Indoorpool. Die meisten Menschen mögen die Idylle und dass sie Zeit in der Natur oder am Strand verbringen können. Vielleicht sollten wir das auch mal machen.“, schlug ich vor. Ein bisschen aus diesem ganzen Stadttrubel rauszukommen, würde uns sicherlich allen mal gut tun. Außerdem hatten wir schon ewig keinen Mädelstrip mehr gemacht, da die beiden wie Kletten an ihren Männern hangen. „Also ich weiß nicht, ob ich mit meinen Klamotten für ein Survivalcamp ausgestattet bin.“, war Lilian ehrlich schockiert über meinen Vorschlag. „Oh, bitte. Das ist doch kein Survivalcamp.“ Ich holte mein Handy hervor und scrollte durch die Website von Block Island. Die Blockhütten waren modern eingerichtet und hatten alles an Komfort, was man brauchte. Hingerissen zeigte ich meinen Freundinnen die Bilder, doch Begeisterung sah definitiv anders aus. „Ich wusste gar nicht, dass es schon eine Website gibt.“ Auch Chloé entsperrte ihr Handy und scrollte durch die Seite. „Und auch hier findet man keinen Hinweis darauf, wer diese Insel gekauft hat. Müsste das nicht mindestens im Impressum stehen?“ Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Seit sie das erste Mal davon gehört hatte, dass dieses Fleckchen Land gekauft worden war, wollte sie unbedingt wissen, von wem. Gossip wurde bei ihr großgeschrieben. „Naja, dafür wird derjenige genug Anwälte und Angestellte haben, um nicht seinen Namen preisgeben zu müssen. Was meinst du, wie viele Ladys sonst Schlange stehen würden, wenn sie wüssten, wer der reiche Kerl ist? Wärt ihr nicht unter der Haube, würdet ihr euch dort ebenfalls einreihen“, lachte ich auf. Erst wurde ich mit geweiteten Augen angestarrt, bevor auch meine Freundinnen anfingen zu lachen. „Wohlmöglich hast du recht“, gab Chloé zu und verstaute ihr Handy wieder in der Handtasche. „Also ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass Gil dich Morgen in dieses neue Restaurant am Stadtrand ausführt. Da kannst du mal sehen, was es bedeutet, Managing Director an der Wall Street zu sein. Ich habe bereits gehört, dass die Wartelisten für einen Tisch dort unendlich lang sein sollen. Selbst Austin als Associate hatte nicht viel Glück.“ Pikiert schaute Lilian in unsere kleine Runde. „Eure Männer scheinen definitiv noch mehr Klatsch auszutauschen als wir.“ Heather räumte netterweise unseren Tisch ab, weshalb das Gespräch für einen Moment verstummte. „Liebes, ausnahmsweise kommt die Info nicht von unseren Männern. Aber warte nur den morgigen Tag ab. Du wirst dich so sehr freuen.“ Mit ihren kryptischen Worten verursachte Chloé mir Bauchschmerzen. Was sollte ich abwarten? Hoffentlich würde Gil nicht einen Schritt weitergehen wollten. Wenn ich nur daran dachte, wurde mir klar, dass ich dafür nicht bereit war. Für mich war das zwischen uns noch keine Beziehung. Wir hatten nicht einmal miteinander geschlafen. Aber von meinen Freundinnen wusste ich, dass Gil mich überall als feste Freundin erwähnte. „Na gut, Süße. Es war wieder schön mit dir. Aber wir müssen zurück in die Boutique. Die Frau des Vice President der Wall Street hat einen Termin bei uns, um noch ein passendes Kleid für ihren Opernabend am Wochenende zu finden.“ Gleichzeitig erhoben die beiden sich und hauchten mir jeder ein Küsschen auf die Wange. „Wir sehen uns dann Übermorgen, Darling“, flötete Chloé noch, während sie sich durch die Tische schlängelten und auf dem überfüllten Gehweg verschwanden. Ich hatte noch ein paar Minuten Pause und lehnte mich in meinem Stuhl zurück, während ich den letzten Rest meines Eiskaffees genoss. Ich beobachtete die Autos, die an der Kreuzung ein paar Meter weiter zum Stehen kamen. Die Schlange der Autos reihte sich auch am Café vorbei und direkt in meinem Blickfeld blieb eine schwarze Kawasaki stehen. Der Mann trug nur ein Tshirt, welches eng um seine muskulösen Arme spannte und eine Jeans. Seine tattoowierten Muskeln ließen ein paar unanständige Gedanken in meinem Kopf aufploppen, denn er sah wirklich höchstattraktiv aus, wie er da so auf seinem Bike lehnte. Aber leider verdeckte ein schwarzer Helm mit verdunkeltem Visier sein Gesicht. Als könnte er meine Gedanken hören, klappte er sein Visier nach oben und ich bekam das Gefühl, von seinen Augen fixiert zu werden. Sie funkelten in der Sonne und ich versuchte mir auszureden, dass er genau mich anschaute. Hier waren dutzende Menschen. Vielleicht kannte er jemanden und hatte deshalb seine Augen zu erkennen gegeben. Unbeteiligt wirkend trank ich den letzten Schluck von meinem Eiskaffee und beobachtete ihn weiter. Als die Ampeln wieder grün wurden, klappte er das Visier lässig wieder runter und rauschte einfach davon. Meine Hormone schienen offenbar einfach durchzudrehen, wenn auch sie an den morgigen Abend dachten.
Oh, kleine Avery. Ich hatte sie sofort erkannt. Denn sie hatte sich kein Bisschen verändert. Es war wie ein Sog gewesen, den ich gespürt hatte, als mein Bike an der Ampel zum Stehen gekommen war. Und da saß sie – die gleiche natürliche Schönheit, die sie immer gewesen war. So wie damals in der Highschool. Ihr schwarzes welliges Haar trug sie nun etwas länger, ihre hellgrünen Augen verliehen ihrem Gesicht so viel Charisma und der neue Nasenring an ihrem rechten Nasenflügel, der mich frech in der Sonne angefunkelt hatte, verlieh ihr ein gewisses Sexappeal, welches sich mit der Reinheit ihrer Sommersprossen mischte. Und immer noch verbrachte sie die Zeit mit den falschen Menschen. Ich hatte kurz vorher Chloé und Lilian catwalkartig über den Bürgersteig laufen sehen, bis ich sie entdeckt hatte. Nicht zu fassen, dass ihre Freundschaft noch hielt. Die Wut von früher keimte wieder in mir hoch. Avery war viel zu gut für diese falschen Schlangen. Das war sie früher schon gewesen und auch sicherlich heute noch. Auch wenn ich sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Aber dem Äußeren nach zu urteilen