Mein Hengst Rih - Karl May - E-Book

Mein Hengst Rih E-Book

Karl May

4,9

Beschreibung

Dieser Sonderband im Gewand der Gesammelten Werke ist ganz dem einzigartigen Araberhengst Rih gewidmet. Der trug Kara Ben Nemsi in sechs Karl-May-Romanen durch die Wüste und den ganzen Orient bis ins Reich des Schut. Nun hat er sich daraus gelöst und präsentiert sich in einem ungeheuer spannenden Buch, das sich weder junge, pferdebegeisterte Leser noch passionierte Karl-May-Sammler entgehen lassen sollten. Carl-Heinz Dömken, gleichermaßen Karl-May- wie Pferdekenner, hat alle Rih-Episoden zusammengestellt und zu einem Pferdebuch ganz besonderer Art verknüpft.

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MEIN HENGST RIH

DER SCHWARZE ARABERHENGST

KARA BEN NEMSIS

IN KARL MAYS REISEERZÄHLUNGEN

„Durch die Wüste“

„Durchs wilde Kurdistan“

„Von Bagdad nach Stambul“

„In den Schluchten des Balkan“

„Durch das Land der Skipetaren“

„Der Schut“

ZUSAMMENFASSUNG

VON

CARL-HEINZ DÖMKEN

Zusammenfassungen und Überleitungen aus der Feder Carl-Heinz Dömkens sind zur Unterscheidung vom May-Text in Kursivschrift gehalten.

1. Vorwort

Die liebe Leserin und der liebe Leser wissen sicherlich, wie sehr mein Leben mit Abenteuern in aller Welt ausgefüllt ist, und kennen wohl viele Schilderungen, die ich niederschrieb, um alle daran teilhaben zu lassen. Meine Erlebnisse füllen viele Bände.

Unvergängliche und unvergessene Begegnungen mit Menschen aller Rassen und Kontinente haben mein Leben geprägt. Mein Blutsbruder Winnetou, der edle Häuptling der Apatschen, die Westmänner Old Firehand, Old Surehand, Sam Hawkens, Will Parker, Dick Stone, der lange Davy, der dicke Jemmy, Dick Hammerdull, Pitt Holbers, die ‚Tante‘ Droll, der Hobble-Frank und all die anderen sind auch gute Freunde der Leser meiner Abenteuer aus den ‚dark and bloody grounds‘ – aus dem Wilden Westen – geworden, in dem ich als Old Shatterhand einen guten Namen habe.

Im Orient bin ich als Kara Ben Nemsi, als Karl, der Sohn der Deutschen, bekannt geworden und dort war zumeist mein guter Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah mein Begleiter, den ich als Diener engagiert hatte, der aber bald mein Freund und ‚Beschützer‘ wurde, ein liebenswertes Kerlchen mit dem Mut des Löwen, mit der Kunst der farbenprächtigen Rede des Orientalen begabt und mit der Aufopferung für mich, seinen Sihdi – den ‚Herrn‘ und Effendi.

Unvergesslich aber wie der Hadschi Halef Omar ist mir mein Rih, das herrlichste Pferd, das ich je zwischen meinen Schenkeln hatte und das mir – obwohl ‚nur‘ ein Tier – zu einem Freund wurde, wie ich ihn nur selten in meinem Leben fand, das ganz bestimmt nicht gerade arm an Freundschaften war.

Rih war der edelste Hengst arabischer Züchterkunst. Wie er in meine Hände kam, davon werde ich meinen Lesern in der nachfolgenden Geschichte erzählen. Vorweggenommen sei nur, dass die Beduinen nur wenige Rappen züchteten – es waren die Edelsteine ihrer Zucht, weil die Rappfarbe bei orientalischen Pferden so selten ist.

Als Fohlen sind Rappen mausgrau oder bräunlich. Der Rappglanz zeigt sich beim ersten Fellwechsel innerhalb des ersten Lebensjahres des jungen Pferdes.

Die Schimmelfarbe ist die eigentliche Farbe des arabischen Pferdes. Braune und Füchse sind seltener, Rappen Kostbarkeiten.

Der Araber hält viel auf sein Pferd. Am berühmtesten sind die Nachkommen jener Tiere, die sich bei einem Feldzug des Propheten auszeichneten. Eine Stute, die von einer dieser Urahninnen abstammt, hat höheren Wert als eine andere von gleich altem Stamm, die vielleicht alle Vorzüge besitzt.

Jeder Beduine hält den Stammbaum seines Pferdes heilig. Die Namen berühmter Tiere sind weithin bekannt, sodass zum Beispiel von einer Stute, die ihre Datteln im westlichen Marokko, also im fernen Maghreb, frisst, im fernen Ostarabien, ja in Kurdistan und Persien gesprochen wird.

Man erzählt sich, dass der Prophet, als er noch sehr wenige Anhänger hatte, in ein arabisches Zeltdorf kam, um sich ein Pferd zu kaufen. Er wurde nach dem Weideplatz geführt, und als er dort anlangte, scheuten alle Tiere, als ob sie von seiner Herrlichkeit geblendet wären. Nur das einzige Graue unter ihnen kam herbei und beugte seine Knie vor dem Gesandten Allahs, um ihm zu huldigen. Der aber stieg sofort auf und sagte:

„Gesegnet sei dieses Ross! Es soll den ersten Diener Allahs tragen, und verflucht sei, wer an seinen Nachkommen einen Fehler findet!“

Seit jenen längst vergangenen Tagen tragen alle Abkömmlinge dieses Pferdes die graue Farbe. Sie werden heiliggehalten, nur selten, und dann zu unglaublich hohen Preisen, verkauft, und auf ihre Zucht verwendet man solche Sorgfalt und Mühe, dass ihr Stammbaum niemals einen Makel zeigt.

Mohammed, der Prophet, hatte einen langen, beschwerlichen Marsch in glühender Sonnenhitze zurückgelegt. Weder Reiter noch Pferd hatten sich an einem Tropfen Wasser laben können; Menschen und Tieren klebte die Zunge am Gaumen, der Durst war fürchterlich und viele fühlten sich dem Verschmachten nahe. Da endlich kam man an einen kleinen Bach. Alles stürzte sich an das Wasser. Nur dreißig Pferde, alles edle Stuten, blieben stehen, um zu warten, bis ihre Herren ihnen das Trinken erlauben würden. Mohammed segnete sie und schrieb ihre Namen eigenhändig auf Pergamenttafeln, die er den Besitzern dieser Pferde aushändigte. So entstanden die Stammbäume für die Nachkommenschaft dieser Stuten.

Wer noch nie auf einem solchen Pferd saß, und das wird wohl bei den meisten Menschen der Fall sein, der hat keine Ahnung von der Schnelligkeit eines echten und in der freien Wüste aufgewachsenen arabischen Rosses. Man sage, was man wolle, ich behaupte doch immer und immer wieder, es kommt ihm keines unserer berühmtesten Rennpferde gleich.

Winnetou, mein Blutsbruder, war ein erlesener Kenner edler Pferde und die Apatschen züchteten hochklassige Renner. Wir ritten im Wilden Westen die weitaus besten Pferde. Hatatitla hieß mein Rapphengst, was Blitz heißt. Hatatitlas Bruder war Winnetous Lieblingspferd und trug den Namen Iltschi, das bedeutet Wind.

Meine Leser werden sich erinnern, dass Winnetou nur einmal die Jagdgründe seiner amerikanischen Heimat verließ, um mir zu helfen, die verbrecherischen Brüder Melton zu jagen und zur Strecke zu bringen. Wir hatten die Meltons – Satan und Ischariot – in Amerika verfolgt, doch ihre Spur führte mich dann in den Orient. Dort kam mir Winnetou, für mich völlig überraschend, zu Hilfe und wir waren beide auf arabischen Pferden beritten, die indes mit Rih nicht zu messen waren. Winnetou war, was selten bei ihm vorkam, begeistert:

„Scharlih“, rief er mir zu, „denkst du an deinen Hatatitla?“

„Und du an deinen Iltschi?“, nickte ich.

Das waren die beiden Indianerhengste, die wir drüben in der Savanne geritten hatten, die zwei vortrefflichsten Pferde, die mir drüben vor die Augen und unter die Hände gekommen waren, und dennoch jauchzte er:

„Hundert solche Hatatitla und hundert solche Iltschi für ein einziges von den Pferden, die wir jetzt reiten. Selbst der große Manitou reitet in den ewigen Jagdgründen kein besseres!“

Arabische Pferde sind ungemein gelehrig und vertrauen sich im Leben nur einem Menschen an: ihrem Herrn.

Natürlich sind nicht alle Araberpferde von vorzüglicher Rasse und Abstammung. Als Kenner des edelsten Blutes musste ich meinem Freund Halef einmal eine große Enttäuschung bereiten, als er mir voller Stolz einen Rapparaberhengst vorstellte:

„Du hast ihn noch nicht gesehen, ich wollte dich überraschen. Es ist ein echter Nedschdhengst, dessen Stammbaum ich leider nicht besitze.“

„Unmöglich! Ein so kostbares Pferd – ohne den Stammbaum?“

„Es ist so! Als die Abu Hammed sich zum letzten Mal gegen uns erhoben, mussten sie den Frieden mit Pferden und Kamelen bezahlen, unter denen ich selbst die Auswahl traf. Das beste ihrer Pferde war der Rapphengst, den ich meine. Ich nahm ihn für mich, das war die schwerste Strafe, die sie treffen konnte, und ich weiß, dass sie diesen Verlust selbst heute noch nicht verwunden haben. Der Hengst wurde von einem Raubzug mitgebracht und es war von niemand zu erfahren, wer der frühere Besitzer des Tieres gewesen ist. So kommt es, dass ich einen echten Nedschdhengst, aber nicht auch seinen Stammbaum besitze.“

„Aber einen Namen hat er doch?“

„Wie er früher geheißen hat, weiß ich nicht. Bei den Abu Hammed wurde er El Atim[1] genannt, seiner Farbe wegen. Das war mir nicht genug, denn er verdient einen edleren Namen. Da fiel mir der Rapphengst ein, den dir, wie du mir erzähltest, dein Freund Winnetou, der rote Scheik, geschenkt hat. Sag, wie war der Name dieses Pferdes?“

„Hatatitla.“

„Bedeutet das nicht so viel wie Barkh[2] in meiner Sprache?“

„Ja.“

„Das wusste ich noch, du hast es mir gesagt, und darum habe ich das Pferd El Barkh genannt, weil dir der Hengst deines roten Freundes stets so teuer gewesen ist. Komm und sieh dir seinen Namensbruder an!“

Halef führte mich ein großes Stück in die Steppe hinein, bis dahin, wo die Kamelhirten ihre Tiere beaufsichtigten. Es befand sich nur ein einziges Pferd dort, der Nedschdi, den ich sehen sollte. Als er uns bemerkte, kam er auf uns zu und ließ sich von Halef liebkosen.

„Nun, Sihdi, wie gefällt er dir?“, fragte dieser.

Der Rappe hatte eine kleine, schmale Blesse unter der breiten Stirn. Der schön gebogene, feine Hals trug einen kleinen Kopf mit spitzen, geradestehenden Ohren. Die Nase war sanft zugespitzt, das Auge hervorstehend und feurig, die Brust breit, der Widerrist scharf, der Rumpf kurz, das Bein sehnig und der Huf klein, rund und hart. Lobenswert war der schöne Schweifansatz, weniger aber das lange und dichte Mähnenhaar.

Ohne die Frage des Hadschi gleich zu beantworten, unterwarf ich das Pferd einer genauen Prüfung, mit der Besichtigung der Augen beginnend und mit der Untersuchung des Hufs aufhörend. Dann musste Halef es mir in allen Gangarten vorreiten. Als er abstieg, wiederholte er seine Frage:

„Nun, wie gefällt er dir? Hast du Fehler gefunden?“

„Sag vorher, ob auch du Barkh schon auf Fehler untersucht hast?“

„Ja. Er ist fehlerfrei.“

„Lieber Halef, glaubst du, dass es überhaupt ein fehlerfreies Pferd geben kann?“

„Das verstehst du besser als ich.“

„Eigentlich solltest du als Bedawi das besser verstehen als ich, dessen Beruf es ist, möglichst viel Federn und Tinte zu verbrauchen.“

„Allah! Sag aufrichtig: Hat dieser Hengst Fehler?“

„Ja.“

„Wenn das wahr ist, muss ich blind gewesen sein!“

„O nein! Es handelt sich nur um Kleinigkeiten, die den Wert des Pferdes nicht vermindern. Zunächst sind die Hinterhufe ungleich groß, aber der Unterschied ist so unbedeutend, dass du ihn noch gar nicht bemerkt hast. Sodann sollte das Vorderteil etwas tiefer sein, und endlich ist die Stirn zwar breit, aber zwischen den Augen zu flach. Sie sollte da gewölbter sein.“

„Allah kerihm!“, seufzte er. „Eine solche Menge Fehler sind vorhanden? Aber du gibst doch sicher zu, dass er dennoch ‚hörr‘ zu nennen ist?“

‚Hörr‘ bedeutet hochedel und wird bei solchen Pferden gebraucht, deren Eltern beide fehlerfrei waren.

„Nein, es ist nicht ‚hörr‘, sondern nur ‚mekueref‘, lieber Halef.“

‚Mekueref‘ bezeichnet ein Pferd, dessen Mutter edel, der Vater aber unedel war.

„Beweise es!“, forderte mich der Hadschi auf.

„Die Ohren stehen zu gerade. Bei einem hochedlen Pferd müssten sich ihre Spitzen fast berühren. Und sodann ist eine so dichte Mähne stets ein Zeichen gemischten Blutes. Ich kann dir dieses Urteil nicht ersparen, doch hast du keinen Grund, darüber zu trauern. Hat Barkh auch ein Geheimnis?“

„Ob sein erster Besitzer ihm eins gegeben hat, kann ich nicht wissen. Aber ich habe dem Rappen ein heimliches Zeichen eingeübt. Ich bin der Einzige, der es kennt. Selbst mein Sohn und Hanneh wissen nichts davon. Dir aber, Sihdi, will ich es sagen. Wenn wir miteinander reiten, kann leicht der Fall eintreten, dass du zu unserer Rettung das Geheimnis wissen musst. Es besteht nämlich darin, dass ich mich in den Bügeln hebe und dreimal hintereinander stark niese.“

„Lieber Halef“, lachte ich, „du bleibst doch stets der Gleiche!“

„Wie meinst du das? Worüber lachst du so?“

„Darüber, dass du selbst dem ernstesten Ding eine lustige Seite abzugewinnen weißt.“

„Ernst? Lustig?“

„Ja. Das Geheimnis eines Pferdes ist doch eine sehr ernste Sache, denn man wendet es nur dann an, wenn man sich in großer Gefahr oder gar in Todesnot befindet. Nun sehe ich dich jetzt im Geist von Feinden umgeben oder von ihnen verfolgt. Die Kugeln pfeifen, die Speere sausen, die Messer blinken, und da fängst du an zu niesen, und...“

„Schweig, Sihdi!“, unterbrach er mich. „Es ist gleich, was man in einer solchen Gefahr zu seiner Rettung tut, wenn es nur Hilfe bringt. Wenn ich durch dreimaliges Niesen dem Tod entgehe, so ist das wohl besser für mich, als wenn ich durch zehnmaliges Husten das Leben verliere. Wie du darüber lachen kannst, ist mir unbegreiflich.“

„So will ich mich jetzt des Ernstes befleißigen und dich fragen: Hast du dem Nedschdi eine Sure angewöhnt, die du ihm abends ins Ohr flüsterst?“

„O Sihdi, verlange nicht zu viel von mir!“

„Wie schade! Mein Rih war gewöhnt, dass ich bei ihm schlief. Sein Hals war mein Kopfkissen, und ehe ich einschlief, sagte ich ihm seine Sure leise ins Ohr. Er war gewohnt, nur dem, der das tat, zu gehorchen. Nun hat wohl auch Assil Ben Rih keine Sure?“

„Sihdi, wie kannst du fragen! Der Nachkomme deines herrlichen Rih musste unbedingt eine haben. Kennst du die Sure Abu Laheb?“

„Ja. Es ist die Hundertelfte.“

„Sage sie!“

„Sie lautet: ‚Untergehen sollen die Hände des Abu Laheb; untergehen soll er selbst. Sein Vermögen und alles, was er sich erworben hat, soll ihm nichts helfen. Zum Verbrennen wird er ins flammende Feuer kommen und mit ihm sein Weib, das Holz herbeischleppen muss, und an ihrem Hals soll ein Seil hängen, das aus den Fasern eines Palmbaums geflochten ist!‘“

„Ja, das ist die Sure Abu Laheb, die du deinem Pferd des Abends ins Ohr flüstern musst.“

„Warum gerade diese?“

„Weil sie so kurz ist. Ich habe sie auswendig lernen müssen, um sie dem Rappen vorzusagen. Soll ich dir auch noch sein Geheimnis des Herunterwerfens sagen?“

„Hat er eins? Das wäre mir willkommen.“

„Assil und Barkh, beide haben eins. Ich habe es ihnen heimlich eingelernt. Es ist für beide Pferde gleich, weil die Abrichtung dadurch vereinfacht wurde. Wenn du zweimal das Wort ‚Litaht‘[3] rufst und dazwischen einen scharfen Pfiff hören lässt, wird sofort jeder Reiter abgeworfen, dem du nicht erlauben willst, im Sattel sitzenzubleiben. Merke dir das, Sihdi, denn es ist leicht möglich, dass du dadurch einmal Vorteile über einen Feind gewinnst!“

Es verstand sich von selbst, dass ich diese Vorteile für wahrscheinlich hielt, denn nicht bloß Rih, sondern auch die beiden Hengste Winnetous waren geübt gewesen, jeden fremden Reiter auf ein bestimmtes Zeichen abzuwerfen, und ich hatte den Nutzen dieser Abrichtung wiederholt erlebt.

Ich will nun meine Leser nicht mehr weiter mit einem Vorwort aufhalten. Es schien mir nur geboten, ihnen von arabischen Pferden zu berichten, um ihnen klarzumachen, welch Glück es für mich bedeutete, einen Hengst wie Rih zu besitzen, und ich will ihm in der nachfolgenden Erzählung ein Denkmal setzen.

2. Die Löwenjagd

Die abenteuerliche Jagd auf den Schut fing, wie bei mir üblich, eigentlich nur mit einer Reise an, während derer ich Land und Leute kennenlernen wollte, um über sie zu schreiben.

Die Reise begann in Algier, führte durch Algerien, Tripolitanien, durch die Sahara und Ägypten und mitten durch die arabische Halbinsel. Wir ritten an Persiens Grenze vorbei, gelangten in das Reich der Türken und das der Albaner, begegneten Skipetaren und Palästinensern und lernten gute und böse Menschen kennen. Wir halfen den Unterdrückten, entlarvten einen Geheimbund, der das Land mit Übeltaten tyrannisierte, und ritten Tausende von Kilometern, wobei mich einer nie im Stich ließ: mein Rih!

Ich war in Algier an Land gegangen und hatte mir einen spindeldürren, winzigen Araber zum Führer ausgewählt und engagiert. Er nannte sich Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah.

Unser gemeinsamer Weg führte uns in die Gegend eines großen Salzsees, über den es nur einen für das Auge des Ungeübten schmalen Pfad gab. Ein Araber namens Sadek kannte diesen Weg und Sadek wurde unser Begleiter. Mitten auf dem Weg über den Schott Dscherid wurde er erschossen und Halef und ich erreichten mit Mühe das jenseitige Ufer des Salzsees. Dort trafen wir auf den Sohn des Ermordeten, der meinte, den Namen des Mörders zu kennen: Hamd el Amasat. Omar Ben Sadek also schloss sich uns an, um den Mörder seines Vaters zu töten. Doch bald trennten sich unsere Wege.

Hamd el Amasat hatte nicht nur Omars Vater ermordet – er war auch sicherlich der Mörder eines Mannes, dessen Leiche Halef und ich gefunden hatten. Dass sich eines Tages all diese schrecklichen Erlebnisse miteinander verwinden sollten, davon ahnten wir noch nichts.

Wir ritten weiter, befreiten Senitza aus dem Harem des Ägypters Abrahim Mamur und führten sie ihrem Verlobten, Isla Ben Maflei, zu, der überglücklich war.

Im weiteren Verlauf unserer Reise trafen wir auf einen kleinen Beduinenstamm, die Ateïbeh, Ausgestoßene und Verfluchte, deren Angehörigen es verboten war, in die heilige Stadt Mekka zu pilgern.

Mit dem Ateïbeh-Scheik Malek schlossen wir schnell Freundschaft und mein guter Halef verliebte sich in seine Enkelin Hanneh, die Tochter Amschas, die einstmals von Abu Seïf, dem Vater des Säbels, geraubt worden war. Amscha hasste Abu Seïf, dem sie mit ihrer Tochter Hanneh entfliehen konnte.

Mein lieber Halef ging mit Freuden auf den Vorschlag Maleks ein, Hanneh nur zum Schein zu heiraten, um als ihr Begleiter eine Wallfahrt nach Mekka unternehmen zu können.

Während dieser Reise begleitete ich Halef und Hanneh und gelangte als ‚Ungläubiger‘ in die Heilige Stadt.

Im Wirbel der Ereignisse geriet Abu Seïf in unsere Hände. Er wurde Gefangener der Ateïbeh. Doch gelang ihm die Flucht, aber es war Halef, der den Flüchtigen stellte und im Kampf mit dem Messer erstach. Wegen dieser Heldentat wurde mein Halef in den Stamm der Ateïbeh aufgenommen und Hanneh wurde ihm zum richtigen Weib gegeben, worüber beide – Halef und Hanneh – überglücklich waren. Trotzdem ließ es sich Halef nicht nehmen, mit mir die Reise allein weiterzumachen, während sich die Ateïbeh zu den Haddedihn vom großen Stamm der Schammar aufmachen wollten, um in ihren Stamm aufgenommen zu werden.

In Maskat lernten Halef und ich einen spleenigen Engländer kennen, einen Angehörigen des Londoner Traveller Clubs, der es sich zur Aufgabe gestellt hatte, seltene Ausgrabungen für das britische Museum mit nach Hause zu bringen. Sein Name war Sir David Lindsay. Wir fanden sofort Gefallen aneinander und der Verlauf meiner weiteren Erzählung wird zeigen, dass sich unsere Wege von nun an immer wieder kreuzen sollten.

Mit ihm zusammen gelangten wir zu den Haddedihn, wo wir Maleks Ateïbeh wiedertrafen. Haddedihn-Scheik Mohammed Emin berichtete mir voller Sorge, dass der britische Gouverneur von Mossul einen Kriegszug gegen die Haddedihn mit Hilfe einiger arabischer Stämme vorbereite. Die verfeindeten Stämme der Obeïde, Abu Hammed und Dschowari wären dreimal so stark wie die Haddedihn. Als Fremder hätte ich mit der ganzen Sache nichts zu tun gehabt. Aber mein Halef war nun – als Angehöriger des Stammes der Ateïbeh – ein Haddedihn geworden und so lag für mich nichts näher, als ‚seinem‘ Stamm zu helfen, zumal mir klar wurde, dass der Gouverneur von Mossul im Unrecht war.

Mohammed Emin nun versuchte, mich für seine verzweifelte Lage zu gewinnen. Ich sollte ihm als Kundschafter gegen die feindlichen Stämme dienen.

Mohammed Emin hatte mir allerlei aus der Stammesgeschichte erzählt und war erstaunt, dass ich selbst so viel davon wusste. In seiner Rede fuhr er fort:

„Hast du von dem Stamm der Dschehesch gehört?“

„Ja. Es ist ein treuloser Stamm. Er verbindet sich sehr oft mit den Abu Salman und den Tai-Arabern, um die Nachbarstämme zu berauben.“

„Du weißt es. Er fiel über den meinigen her und raubte uns mehrere Herden; wir aber eilten ihm nach und nahmen ihm alles wieder. Nun hat uns der Scheik der Dschehesch beim Gouverneur verklagt und ihn bestochen. Dieser schickte zu mir und entbot mich mit den vornehmsten Kriegern meines Stammes zu einer Besprechung nach Mossul. Ich hatte eine Wunde erhalten und konnte weder reiten noch gehen. Darum sandte ich meinen Sohn mit fünfzehn Kriegern zu ihm. Er war treulos, nahm sie gefangen und schickte sie an einen Ort, den ich noch nicht erfahren habe.“

„Hast du dich nach ihnen erkundigt?“

„Ja, aber ohne Erfolg, da kein Mann meines Stammes sich nach Mossul wagen kann. Die Stämme der Schammar waren entrüstet über diesen Verrat und töteten einige Soldaten des Gouverneurs. Nun rüstet er gegen sie und hat zugleich die Obeïde, die Abu Hammed und die Dschowari gegen mich gehetzt, obgleich sie nicht unter seine Hoheit, sondern nach Bagdad gehören.“

„Wo lagern deine Feinde?“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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