Mein wunderbarer Brautsalon - Wiebke Lorenz - E-Book

Mein wunderbarer Brautsalon E-Book

Wiebke Lorenz

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Beschreibung

Eine Meet-Cute zwischen Tüll und Tränen Wenn man als Dauer-Single seinen Traummann ausgerechnet im Brautsalon trifft, hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man gibt zu, dass man hoffnungslose Romantikerin ist, und für das wunderschöne Kleid, in dem man gerade steckt (noch) keine Hochzeit geplant ist. Oder man lügt sich einen Verlobten herbei, um möglichst würdevoll aus der Sache herauszukommen. Annika entscheidet sich für letzteres – und schon ist das Liebeschaos perfekt. Denn Christoph, der attraktive Salonbesitzer, kann seine Augen nicht von der hübschen Frau in Weiß abwenden – dabei hat er geschworen, sich nie in eine Kundin zu verlieben. Denn das kann nur schlecht enden ... oder? »Werfen Sie Ihre Beziehungsratgeber weg – und lesen Sie lieber diesen Roman!« – Steffi von Wolff Herzerwärmend und humorvoll – ein romantisches Lesehighlight für Fans von Petra Hülsmann und Kerstin Garde

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 324

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über dieses Buch:

Wenn man als Dauer-Single seinen Traummann ausgerechnet im Brautsalon trifft, hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man gibt zu, dass man hoffnungslose Romantikerin ist, und für das wunderschöne Kleid, in dem man gerade steckt (noch) keine Hochzeit geplant ist. Oder man lügt sich einen Verlobten herbei, um möglichst würdevoll aus der Sache herauszukommen. Annika entscheidet sich für letzteres – und schon ist das Liebeschaos perfekt. Denn Christoph, der attraktive Salonbesitzer, kann seine Augen nicht von der hübschen Frau in Weiß abwenden – dabei hat er geschworen, sich nie in eine Kundin zu verlieben. Denn das kann nur schlecht enden ... oder?

Über die Autorin:

Wiebke Lorenz, geboren 1972 in Düsseldorf, war jahrelang als Journalistin für verschiedene Print- und Online-Medien tätig sowie als Drehbuchautorin für diverse TV-Sender. Heute arbeitet sie fast ausschließlich als Roman- und Thrillerautorin und schreibt als Charlotte Lucas und Anne Hertz (gemeinsam mit ihrer Schwester Frauke Scheunemann) romantische Komödien.

Ihre Bücher landen regelmäßig auf der Spiegel-Bestsellerliste und sind bisher in über zwanzig Ländern erschienen.

Wiebke Lorenz lebt mit Mann und Kindern in Hamburg.

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre Romane »Mein wunderbarer Brautsalon« und »Voll auf Ex-Kurs«.

Die Website der Autorin: wiebke-lorenz.de/

Die Autorin bei Facebook: www.facebook.com/lorenzwiebke

Die Autorin auf Instagram: @wiebkelorenz

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eBook-Neuausgabe Februar 2025

Copyright © der Originalausgabe 2021 by Wiebke Lorenz und couchbooks

Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: A&K Buchcover, Duisburg, unter Verwendung eines Bildmotivs von depositphotos/AndreyKr, depositphotos/oilslo, depositphotos/yurok.a, depositphotos/romeovip, shutterstock/Shutterstock.AI

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fe)

ISBN 978-3-98952-759-1

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Wiebke Lorenz

Mein wunderbarer Brautsalon

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

Christoph

Wenn der schönste Tag im Leben einer Frau der ist, an dem sie heiratet – dann frage ich mich manchmal, warum die meisten so erpicht darauf sind. Ich meine, ist doch klar: Nach dem schönsten Tag im Leben kann es schließlich nur noch abwärts gehen.

Aber das ist männliche Logik. Und mit männlicher Logik haben die meisten Frauen nicht viel am Hut. Was aber auch ganz gut so ist, denn sonst hätte ich ein ziemliches Problem. Weil ich nämlich darauf angewiesen bin, auf diesen schönsten Tag im Leben einer Frau. »Brautsalon Hübner« heißt mein Geschäft mitten in der Hamburger Innenstadt, und ich kann mit Stolz behaupten, dass es wohl kaum eine Frau gibt, die nicht in meinen Laden kommt, wenn sie heiraten möchte. Das heißt nicht, dass alle Hamburger Bräute bei mir kaufen, so anmaßend möchte ich nicht sein – aber zum Gucken kommen sie fast alle. Eddy K., Demetrios, Miss Kelly, Lohrengel, Sincerity, Isabel de Mestre, Valérie, Très Chic und Basics – wir haben alles, was bei Hochzeitskleidern gerade angesagt ist. Dazu Accessoires wie Reifröcke, Schleier oder Handschuhe von Weise, Achberger und Speierer, bei den Schuhen verkaufen wir hauptsächlich Doriani oder Sophie Sposa, für Herren führen wir Anzüge von Masterhand. Ich achte eben auf Qualität, und das hat sich mittlerweile herumgesprochen. Noch viel lieber würde ich allerdings meine eigene Kollektion schneidern, aber dazu ist es aus verschiedenen Gründen nie gekommen. Aber wer weiß, vielleicht, eines Tages …

Die meisten Leute sind immer etwas irritiert, wenn ich ihnen erzähle, was ich beruflich mache. Wie kommt ein fünfunddreißigähriger Mann dazu, ausgerechnet ein Geschäft für Brautmoden zu führen? Ich lächele nur freundlich, wenn man mir diese Frage stellt, und erwidere, dass es doch wohl nichts Schöneres gibt, als ständig von glücklichen, aufgeregten Frauen umgeben zu sein. Und das entspricht der Wahrheit. Denn auch wenn ich persönlich nicht viel vom Heiraten halte, ist das Verkaufen von Brautkleidern meine ganze Passion.

Eine Frau, die in Jeans und Pullover meinen Laden betritt, ist meistens noch eine ganz normale Frau. Aber wenn sie dann mit Hilfe meiner Großmutter oder meiner Angestellten Britta in eines der Kleider schlüpft, wenn sie zum ersten Mal ganz in Weiß in einem Traum aus Satin und Organza vor dem großen Spiegel steht – dann verwandelt sie sich. Ihre Haut wirkt auf einmal rosig, schimmert wie Seide, ihre Augen strahlen, und auf ihr Gesicht tritt ein Lächeln, das jeden Mann tief ins Herz trifft. Und dann, wenn der Schleier aufgesteckt wird, kommen meistens die Tränen. Die Tränen des Glücks und der Rührung, die unfassbare Freude darüber, dass sie genau so aussieht, wie sie es sich als kleines Mädchen immer vorgestellt hat. Sie dreht sich ungläubig hin und her, lässt den weiten Reifrock um ihre Beine schwingen und wirkt dabei wie eine zerbrechliche Prinzessin – selbst wenn sie Kleidergröße 56 hat.

Nein, ich glaube wirklich nicht, dass eine Frau jemals zauberhafter aussehen kann, als wenn sie sich darauf vorbereitet, eine Braut zu sein. Und ich darf diese unglaubliche Verwandlung immer wieder miterleben, Tag für Tag, von morgens bis abends. Und mich dabei in Träumereien verlieren … Dass ich derjenige bin, der sie so zum Strahlen bringt, dass sie zu mir ja gesagt hat, dass sie sich auf ein Leben mit mir freut. Oder dass sie die Hochzeit einfach sausen ließe, wenn ich nur hinter sie träte, mein Gesicht ganz dicht an ihre samtweiche Wange legen und ihr ein »komm mit mir« ins Ohr flüstern würde.

Natürlich sind das nur Spinnereien, denn wenn es einen denkbar schlechten Ort gibt, um sich in eine Frau zu verlieben, dann ist das wohl mein Geschäft.

Der schönste Tag des Lebens. Während ich im Lager die neue Lieferung in Augenschein nehme und überprüfe, ob die Ware auch in Ordnung ist, muss ich plötzlich an den schönsten Tag meines Lebens denken. Der gleichzeitig als der furchtbarste endete. Vor fast genau zwölf Jahren. Nach langen 365 Tagen abzüglich ein bisschen Urlaub hatte ich endlich meinen Grundwehrdienst in Schleswig abgeschlossen und verließ bestens gelaunt die Kaserne »Auf der Freiheit« – ein Name, der mir rückblickend betrachtet noch immer absurd erscheint. Meine Bundeswehrkollegen machten sich auf den Weg zum Bahnhof, um den Zug Richtung Hamburg zu nehmen und ein letztes Mal im Abteil zu feiern, aber ich hatte keinen Bock, zusammen mit ihnen nach Hause zu fahren. Lange genug waren sie mir mit ihren Machosprüchen auf den Wecker gegangen, ich war von Anfang an ein Außenseiter gewesen. Vor allem, nachdem ich unvorsichtigerweise erzählt hatte, dass ich zum Sommersemester einen Studienplatz an der Fachhochschule Hamburg hatte. Für Modedesign. Man kann sich vorstellen, was danach los war. »Rüschen-Christoph« oder »Das tapfere Schneiderlein« wurde ich genannt, das fanden die Hohlköpfe offensichtlich lustig.

Dafür steckte ich sie bei den Übungen allesamt in die Tasche, und so mancher wunderte sich, wie man mit Nadel und Faden zu einer derartigen Kondition kommt. »Hat ja echt was drauf, die Mode-Tucke« und ähnliche Kommentare hörte ich sie nuscheln. Ein Klischee, das mich bis heute nervt, schließlich ist nicht jeder Designer schwul. Es gibt auch Ausnahmen: Ralph Lauren, zum Beispiel. Willy Bogner, Roberto Cavalli, Yohji Yamamoto. Aber ich verzichtete darauf, das meinen Kumpanen zu erläutern und ihnen auseinander zu setzen, dass die meisten der erwähnten Männer wahrscheinlich dickere Autos fuhren, als diese Schwachköpfe sich jemals würden leisten können. Vielleicht hätte sie das beeindruckt – aber wahrscheinlich hätten sie Yamamoto für ein japanisches Reisgericht gehalten.

Wie gesagt, ich war also durch mit der Bundeswehr, endlich konnte mein richtiges Leben beginnen! Nach Abitur und zweijähriger Schneiderlehre würde ich mein Studium anfangen und schon bald die internationalen Catwalks von Paris, Mailand und New York erobern. Zusammen mit meiner Freundin Clara, die ich während der Lehre kennengelernt hatte, wollte ich ein eigenes Label gründen und damit mindestens so erfolgreich werden wie Yves Saint Laurent oder Giorgio Armani. Dann irgendwann heiraten (früher konnte ich mir das noch vorstellen), beide natürlich in eigenen Entwürfen, drei Kinder in die Welt setzen und unser Leben an der französischen Riviera genießen. Das waren unsere Träume, auch wenn Clara manchmal mit ihrer typisch sarkastischen Art feststellte: »Mal sehen, was die Zukunft bringt. Das einzig Sichere im Leben ist der Tod.« Meistens lachte sie dann, zog ihre Stupsnase mit den vielen Sommersprossen kraus, gab mir einen Kuss und fügte dann hinzu: »Und dass ich dich liebe, das ist natürlich auch sicher!«

Ich weiß noch heute, wie Clara mit meinen Eltern draußen vor der Kaserne auf mich wartete, um mich abzuholen. Wie ich auf sie zurannte, mein Mädchen lachend in den Arm nahm und durch ihr kurzes, blondes Haar strubbelte. »Endlich frei!«, jubelte ich. »Endlich wieder ganz bei dir!«

Zehn Minuten später wurde unser Auto auf der Bundesstraße 77 zwischen Schleswig und Busdorf von einem LKW gerammt. Außer mir hat niemand überlebt.

***

»Christoph? Bist du hinten im Lager?« Die Stimme meiner Großmutter Hilde reißt mich aus meinen Gedanken. Kaum dreißig Sekunden später wird auch schon die Tür aufgerissen, und das freundliche, zerknitterte Gesicht meiner fünfundachtzigjährigen Oma lächelt mich an.

»Ich habe Frau Steffens am Telefon«, erklärt sie. »Sie möchte wissen, wann sie zur nächsten Anprobe vorbeikommen kann.«

»Moment«, antworte ich und versuche meine Gedanken zu sortieren. Steffens, rattert es durch meinen Kopf, reinweißes Kleid von Eddy K., Korsage ein bisschen zu eng. Ich drehe mich zur Kleiderstange hinter mir, auf der die bereits verkauften Modelle hängen, die noch geändert werden müssen, und lasse meinen Blick über die Zettel an den Schutzfolien gleiten. Steffens, da ist es. Britta hat mit einem Häkchen auf dem Änderungsschildchen vermerkt, dass sie das Oberteil bereits ausgelassen hat. »Ist fertig«, teile ich meiner Oma mit. »Frau Steffens soll für nächste Woche einen Termin vereinbaren.«

»Gut, ich sage es ihr.« Schon will sie die Tür hinter sich schließen, da verharrt sie noch einen Moment und sieht mich etwas besorgt an. »Alles in Ordnung, mein Junge?«

Ich nicke. »Es sind nur manchmal noch die Erinnerungen.« Sie schweigt einen Moment und nickt dann ebenfalls langsam und bedächtig.

»Ich weiß.« Sie zieht die Tür ins Schloss und lässt mich wieder allein. Ich seufze tief.

Für meine Großmutter war es natürlich auch nicht einfach. Durch den Unfall verlor sie ihren einzigen Sohn und ihre Schwiegertochter. Zuerst versuchte sie, das Brautgeschäft meiner Eltern allein zu führen, war damit aber vollkommen überfordert. Immerhin war sie damals schon dreiundsiebzig Jahre alt.

Wir überlegten, den Laden zu verkaufen, aber im Gegensatz zu heute war das Geschäft hoch verschuldet, meine Eltern hatten – immer in der Hoffnung, dass sich die Zeiten bessern würden – fast ihr gesamtes Vermögen hineingesteckt, um den »Brautsalon Hübner« vor dem Konkurs zu retten. Ein Verkauf war also nicht möglich, mein damals zehnjähriger Bruder Rufus, meine Großmutter und ich hätten völlig mittellos dagestanden. Also übernahm ich den Laden und ließ mein Studium sausen. Ich kann noch nicht einmal behaupten, dass mir diese Entscheidung damals sonderlich schwer gefallen ist. Immerhin gab es Clara nicht mehr. Clara, mit der ich so große Pläne gehabt hatte, die mir plötzlich so sinnlos erschienen. Nur manchmal denke ich noch daran, was ich eigentlich hätte tun wollen.

Ich mache mich wieder daran, die neue Ware zu begutachten und ein paar Stücke fürs Schaufenster auszuwählen. Es ist höchste Zeit für eine neue Dekoration, im Januar beginnt die Saison, weil sich dann alle Frauen, die im Vorjahr ihren Antrag bekommen haben, auf die Suche nach dem richtigen Kleid für ihre Hochzeit begeben.

Nach zwanzig Minuten steht meine Auswahl fest, nur das Modell, das ich mir beim Vertreterbesuch bereits für das große Hauptschaufenster ausgeguckt hatte, habe ich noch nicht entdeckt: »Gisele« von Lohrengel, ein champagnerfarbener Mädchentraum aus Satin und Tüll: das Neckholder-Oberteil mit aufgestickten Blumen in Rosenholz, der ausgestellte Rock mit opulenten Ballon-Layers, unter dem die gleiche Tüllspitze wie im Oberteil hervorlugt.

Suchend blicke ich mich um und ärgere mich, dass ich bei der Anlieferung nicht persönlich da war und Britta die Ware entgegengenommen hat. Britta ist zwar für ihre einundzwanzig Jahre eine hervorragende Verkäuferin und Schneiderin – aber ihr Ordnungssystem gibt mir mehr als Rätsel auf. Ich wandere an den Stangen mit den Kleidern entlang: Fast alle Marken sind schon da, nur Lohrengel kann ich nirgends entdecken. Aber ich bin mir ganz sicher, dass sie schon Anfang der Woche geliefert haben. Ich gehe rüber in die Verkaufsräume.

»Britta?«, rufe ich. Keine Antwort. »Britta? Sind Sie da?« Ich höre ein lautes Rumpeln aus der kleinen Teeküche, zwei Sekunden später steht Britta mit hochrotem Kopf vor mir.

»Äh, ja, was ist denn?« Sie fährt sich mit der Zunge über die Lippen und streicht sich mit der Hand durch ihre kinnlangen schwarzen Haare.

»Stimmt etwas nicht?«, will ich wissen, weil sie einen leicht derangierten Eindruck macht.

»Nein, nein, ich war nur … irgendwie eingenickt.«

»Ach so.« Ich muss innerlich schmunzeln. »Sie waren wohl gestern Abend länger aus, was?«

»Äh, nein«, widerspricht Britta, »ich hab nur schlecht geschlafen.« Während sie das sagt, läuft sie noch röter an und sieht beinahe aus wie eine Tomate. Da habe ich wohl doch ins Schwarze getroffen. Na ja, in dem Alter konnte ich auch noch bis morgens um fünf um die Häuser ziehen. Aber mittlerweile streiche ich spätestens um ein Uhr nachts die Segel, wenn mein kleiner Bruder mich mal dazu überredet, mit ihm auf die Reeperbahn zu gehen. »Komm schon, Alder«, fordert er mich hin und wieder im übertriebenen Gangsta-Slang auf, »lass mal ein paar Mädels klarmachen!« »Mach du mal lieber dein Studium klar«, antworte ich dann meistens.

Rufus ist nämlich ein kleiner Lebenskünstler, der von Jura über Geschichte bis hin zu Medizin schon alles mal angefangen – und leider auch immer schnell wieder abgebrochen hat. Zwischendurch möchte er dann Pilot, Unternehmensberater oder Musiker werden oder bei mir im Geschäft einsteigen, je nach Laune und Tageszeit. Und was die Damen der Schöpfung betrifft, ist er in etwa genauso stetig, ich mache mir nicht mehr die Mühe, mir ihre Namen zu merken. Dabei ist er tief in seinem Herzen ein wirklich feiner Kerl, und ich muss zugeben, dass Oma und ich ihn wahrscheinlich ein kleines bisschen verzogen haben.

»Was gibt es denn?«, reißt Britta mich aus meinen Gedanken.

»Ach so, ja, ich wollte wissen, wo die Kleider von Lohrengel sind.«

»Hab ich gestern schon durchgeguckt und einsortiert.«

»Aha.« Eigentlich mache ich das immer gern selbst, aber nachdem Britta schon seit zwei Jahren bei mir arbeitet, ist es vielleicht sogar ganz gut, wenn sie etwas mehr Eigenständigkeit entwickelt. »Und das Modell ›Gisele‹, das ich fürs große Schaufenster nehmen wollte?«

»Das hab ich vorhin dekoriert, während Sie im Lager waren.« Sie lächelt mich stolz an. Hm, die Schaufenster sind nun wirklich mein Bereich, aber bevor ich etwas sagen kann, taucht meine Großmutter auf.

»Guck’s dir mal an«, fordert sie mich auf. »Das hat Britta ganz wunderbar gemacht.« Britta strahlt noch breiter. Also gut, lasse ich ihr die Freude.

Ich gehe auf die Straße und stelle mich vor das große Schaufenster. Meine Großmutter hat recht, die Dekoration ist Britta wirklich sehr gelungen: Das Kleid sitzt perfekt auf der Schneiderbüste, und trotzdem sieht man nicht, wo es abgesteckt wurde. Wir benutzen immer Büsten ohne Kopf, Schaufensterpuppen sehen mit der Zeit einfach nicht mehr gut aus, und außerdem kann sich so jede Frau, die am Fenster vorübergeht, in das Kleid hineinprojizieren. Bei einer Puppe aus Polyester, noch dazu in etwas seltsamer Pose, fällt das schon schwerer.

Zu dem Kleid hat Britta einen der goldenen Stühle mit rotem Samtbezug aus dem Laden gestellt und darauf verschiedene Accessoires drapiert: ein Modeschmuck-Diadem mit passendem Collier, eine champagnerfarbene Handtasche, an der Lehne steckt ein langer Schleier, und zu den Füßen des Stuhls steht ein Paar Brautschuhe. Ein kleiner Hingucker, aber nicht zu übertrieben, damit das Kleid trotzdem noch allein wirken kann. Und das tut es auch, dieses Modell wird heiratswillige Frauen garantiert in den Laden locken!

Zufrieden betrachte ich das Schaufenster, daran muss ich wirklich nichts mehr verändern. Während ich überlege, was ich bei den anderen zwei Fenstern, die noch neu dekoriert werden müssen, machen kann, sehe ich aus den Augenwinkeln, wie jemand aus dem Geschäft kommt. Schwarze Strubbelhaare, lässiger Armeeparka – mein Bruder Rufus.

»He Kleiner«, begrüße ich ihn erstaunt. »Ich hab gar nicht gewusst, dass du drinnen im Laden bist!«

»Ich hab nur oben in der Küche schnell einen Tee getrunken und ein paar Kekse gefuttert«, erwidert er grinsend – und ist im nächsten Moment auch schon mit einem lässigen »so long« um die Ecke entschwunden. Rufus!

***

Wieder zurück im Laden, höre ich das Klingeln des Telefons oben im Büro. Mit eiligen Schritten stürze ich die Treppe zum ersten Stock hoch, stoße die Tür zum Büro auf und reiße das Telefon aus der Station.

»Brautsalon Hübner, guten Tag!«, melde ich mich atemlos. Am anderen Ende der Leitung erklingt eine Stimme, die sich anhört, als stünde ihr Besitzer kurz vor dem Exitus.

»Moin, Christoph, ich bin’s.«

»Wer ist ›ich‹?«, erwidere ich, weil ich nicht die geringste Ahnung habe, wen ich da an der Strippe habe. Wieso können sich die Leute nicht vernünftig melden? Bin doch kein Hellseher.

»Malte«, erklingt es dann, dicht gefolgt von einem lauten Stöhnen.

»Ach, du bist es! Du klingst ja furchtbar.«

»Ja«, meint Malte und stöhnt noch einmal so laut, dass ich den Hörer etwas weiter weg vom Ohr halten muss. »Mich hat’s total erwischt«, erklärt er und hustet demonstrativ. »Magen-Darm-Infekt mit Erkältung, kann kaum aus den Augen gucken.«

»Das höre ich.«

»Tja, so ist das eben mit zwei Kleinkindern, ständig bringen sie irgendwas aus dem Kindergarten mit.« Mein bester Freund Malte hat mit seiner Freundin Marion zwei Töchter im Alter von zwei und vier Jahren. Eigentlich ist er ständig krank, neulich waren es sogar Kopfläuse. »Jedenfalls muss ich die Probe für heute Abend absagen, tut mir echt leid. Aber Donnerstag bin ich hoffentlich wieder auf dem Damm. Ich ruf dann die anderen noch an.«

»Kein Problem«, antworte ich, »kurier dich erst einmal richtig aus. Momentan stehen ja eh keine Auftritte an.«

»Ja, leider.« Wieder stöhnt er. »Ich muss zurück ins Bett.«

»Glaube ich auch. Also, besser dich!« Wir verabschieden uns, und ich überlege kurz, was ich mit dem unverhofft freien Abend anfangen könnte. Am besten einfach gemütlich vorm Fernseher abhängen und die Füße hochlegen.

Ehrlich gesagt verbringe ich fast jeden Abend so. Außer dienstags und donnerstags, da haben Malte, Torsten, Nina und ich immer Probe. Musik ist nämlich neben Modedesign meine zweite große Leidenschaft. Seit gut zehn Jahren besteht unsere Band »High Emotions«. Irgendwann mit Mitte zwanzig habe ich einen Aushang gesehen, dass sie noch einen Sänger und Gitarristen suchten, und habe mir gedacht, dass das neben dem Geschäft ein guter Ausgleich wäre. Malte spielt Bass, Torsten Schlagzeug, Nina spielt Keyboard und singt, ich selbst bin der Frontman mit Gitarre. Eine Zeit lang hat Rufus sich bei uns auch mal als Sänger versucht. Das war die Phase, als er davon überzeugt war, Rockmusiker zu werden. Aber nachdem er merkte, dass wir nicht gerade von Groupies belagert werden und es außerdem ziemlich anstrengend ist, für jeden Auftritt Instrumente, Verstärker, Monitorboxen und was man sonst noch alles braucht, hin und her zu transportieren, auf- und wieder abzubauen, hatte er schnell keine Lust mehr.

Dabei sind wir gar nicht mal so schlecht. Zu einem Plattenvertrag hat’s zwar nicht gereicht, aber seit wir nicht mehr eigene Sachen spielen, sondern nur noch bekannte Stücke covern, haben wir sogar hin und wieder einen Auftritt. Bei Betriebsfeiern, auf großen Geburtstagen und – ja – manchmal auch bei Hochzeiten. Unten neben der Kasse hängt ein Zettel mit Maltes Telefonnummer, und etwa alle drei Monate ruft sogar eine meiner Kundinnen an. Früher hat Malte dann immer eine Demo-CD zugeschickt, aber seit neuestem haben wir sogar eine eigene Homepage, auf der man sich Hörproben runterladen kann. Und manchmal werden wir dann tatsächlich auch gebucht. Okay, kommt nicht wirklich oft vor, aber es ist ja schließlich auch mehr ein Hobby. Unsere Version von »Eye of the Tiger« ist jedenfalls sensationell, das finden alle, die sie mal gehört haben. Manchmal denke ich, dass wir vielleicht doch noch versuchen sollten, etwas mehr draus zu machen. Aber für »Deutschland sucht den Superstar« sind wir wohl alle schon ein bisschen zu alt. Und vielleicht auch ein bisschen zu schlecht, wenn ich ehrlich bin.

Die Sache mit Clara weiß keiner aus der Band, nicht einmal Malte. Zu Beginn hatte ich keine Lust, ihnen davon zu erzählen, weil ich keine mitleidigen Kommentare hören oder eine Sonderbehandlung bekommen wollte. Außerdem erzählt man das nicht einfach so. Und jetzt ist es mittlerweile zu spät dafür. So nach dem Motto: »Hey, Leute, wir kennen uns jetzt zwar schon einige Jahre und verbringen den größten Teil unserer Freizeit miteinander, aber was ihr noch gar nicht wisst, ist, dass ich meine große Liebe verloren habe, als sie vorm Kühlergrill eines Sattelschleppers landete!« Nein, das käme möglicherweise nicht so gut. Es ist zwar nicht so, das ich aus meinem Herzen eine Mördergrube mache – aber bestimmte Dinge behalte ich lieber für mich.

Ich gehe wieder runter in den Laden. Wird Zeit, dass ich die anderen beiden Schaufenster dekoriere.

Annika

Ich bin eine Single-Expertin. Das habe ich sogar Schwarz auf Weiß. Einmal pro Monat erscheint mein Foto in der angesagten Frauenzeitschrift »Isabelle«. Und darunter steht es dann: Annika Peters, unsere Single-Expertin. Mal gebe ich Tipps zum Thema »Wie finde ich den Traummann?« oder »Woran erkenne ich, wie ernst er es meint?«, dann wieder lasse ich mich über »So wickeln Sie ihn garantiert um den Finger!« oder »Wie aus einem One-Night-Stand die große Liebe wird« aus. Jeden Monat. Von Januar bis Dezember. Und das schon seit mehr als fünf Jahren.

Das Komische dabei: Ich bin nicht nur Expertin für Singles, ich bin es auch selber. Also, Single, meine ich. So, wie die gesamte Redaktion der »Isabelle«. Allesamt unfreiwillige Einzelgänger, die morgens allein aufwachen und abends allein wieder einschlafen – und die sich trotzdem nicht zu blöd dafür sind, ihrer weiblichen Leserschaft (von ein paar verirrten Männern mal abgesehen) alle vier Wochen die neuesten Erkenntnisse rund um Liebe, Sex und Partnerschaft unterzujubeln. Aber eine verkaufte Auflage von über vierhunderttausend Exemplaren gibt uns recht, wen kümmert es da schon, dass wir wie die Blinden von der Farbe reden?

Ich persönlich habe die Sache mit dem Traummann mit meinen dreiunddreißig Jahren übrigens aufgegeben. Zumindest für die nächsten zehn Jahre, bis ich wieder genug Kraft gesammelt habe, um ein weiteres Beziehungs-Desaster zu überleben. Denn seit ich aktiv am Liebeskarussell teilnehme (also ungefähr, seit ich dreizehn oder vierzehn bin), wiederholen sich die Geschichten in derart identischer Weise, dass ich schon gelangweilt wäre – wenn es nicht jedes Mal so verdammt wehtun würde: Annika lernt Typ kennen, Typ interessiert sich für sie, Annika weiß nicht so recht. Typ baggert wie wild, Annika will sich eigentlich nicht einlassen. Nach ein paar Wochen (oder Tagen) verliebt Annika sich in Typ und wagt es doch. Ein, zwei Monate lang sind Annika und Typ glücklich, aber dann will Annika wissen, woran sie bei ihm eigentlich ist. Typ zieht sich plötzlich zurück, ruft nicht mehr an und verschwindet irgendwo im Nirwana …

So oder so ähnlich passiert das immer wieder. Und dabei sollte doch gerade ich mich auskennen! Was habe ich nicht schon an schlauen Büchern über das andere Geschlecht gelesen: über den passiv-aggressiven Mann, über die Nähe-Distanz-Problematik, darüber, warum Männer mauern, Bindungs-und Beziehungsangst, Mutter-Sohn-Konflikte, Emotionsblockaden, männliche Kommunikationsmuster, warum Männer bleiben, gehen oder einfach rein gar nichts tun – ich bin eine wandelnde Partnerschaftsbibliothek und habe jeden (wirklich jeden!) Ratgeber zu diesem Thema bei mir im Regal stehen.

Für meine Artikel habe ich auch sämtliche Tipps, die dort angepriesen werden, selbst ausprobiert. Ich habe beim Telefonieren neben einer Eieruhr gehockt, um nach zehn Minuten abrupt aufzulegen. Habe frühestens nach dem dritten Date Sex gehabt. War immer locker, leicht und fröhlich und um Himmels willen nicht zu tiefsinnig oder emotional. Habe in seiner Gegenwart nie die bösen Worte »Heirat«, »Kinder« oder »gemeinsame Wohnung« ausgesprochen, habe beim Reden darauf geachtet, immer nur »Ich-Botschaften« zu senden und Sätze wie »ich liebe dich« gleich vollständig aus meinem Vokabular eliminiert. Ich war wahnsinnig beschäftigt, obwohl ich in Wahrheit gelangweilt auf dem Sofa saß, habe ein Date nie in einen Liebesfilm geschleift oder mit Kuschelattacken traktiert und selbstverständlich zahllose Male Anrufe nicht entgegengenommen, obwohl ich durchaus zu Hause war.

Und was hat es gebracht? Nichts! Spätestens, wenn ich nach wochenlanger Zermürbung und Selbstkasteiung um etwas mehr Verbindlichkeit bat, war mit einem Schlag immer alles vorbei. Mag ja sein, dass all diese tollen Tipps und Tricks bei meinen Leserinnen funktionieren, bei mir selbst nützen sie rein gar nichts. Deshalb bin ich für mich persönlich zu dem Schluss gekommen: Es liegt nicht an mir, es liegt an den Kerlen. Und eben darum bin ich vorläufig raus aus dem Rennen und werde das andere Geschlecht ab sofort nur noch dazu benutzen, ein bisschen Spaß zu haben. Denn wenn ich noch ein einziges Mal von einem Mann den Satz »Ich will ja, aber ich kann nicht« höre, lache ich mich entweder tot – oder erschieße ihn.

»Na, was starrst du denn so düster vor dich hin?« Mein Kollege Paul steht neben meinem Schreibtisch und mustert mich amüsiert. Er ist unser »Quotenmann« und hat jeden Monat seine Kolumne »Was Männer wirklich wollen – Paul Ostermann verrät’s«. Dabei ist Paul der untypischste Vertreter seiner Gattung, den ich kenne, schließlich ist er schon seit Jahren auf der Suche nach der Frau fürs Leben und wünscht sich unglaublicherweise eine feste Beziehung und dazu auch noch Kinder. Aber wir sind hier halt allesamt Profis – da muss man abstrahieren können.

»Meditiere gerade über ein neues Single-Thema«, gebe ich mürrisch zurück.

»Da hab ich eine tolle Idee für dich«, sagt Paul unbeirrt fröhlich. »Eine Freundin von mir hat sich vor ein paar Wochen einen Hund gekauft.«

»Glaube nicht, dass Sodomie bei der Chefin so gut ankommt«, fahre ich ihm unwirsch über den Mund.

»Quatsch«, erwidert er leicht gekränkt, »das meine ich doch nicht. Aber der Hund ist offensichtlich eine echte Flirthilfe, sie hat seitdem beim Spazierengehen jede Menge nette Männer kennengelernt.«

»Aha«, gebe ich wenig begeistert zurück.

»Ja, wirklich!« Paul strahlt mich aufmunternd an. »Sie kommt viel leichter ins Gespräch, das ist doch schon die halbe Miete.«

»Kann ja mal drüber nachdenken«, lenke ich ein. »Vielleicht schlage ich es nachher in der Konferenz vor.«

»Mach das«, meint Paul und geht durch unser Großraumbüro rüber zu seinem Schreibtisch.

Ein Hund? So weit kommt es noch, dass ich mir einen Kläffer zulege, um damit einen vernünftigen Kerl anzulocken. Trotzdem spiele ich es in Gedanken mal kurz durch: Ich, zusammen mit meinem Collie, an einem Sommertag im Stadtpark. Auf einer weichen Decke habe ich es mir gemütlich gemacht, während »Lassie« (ich bin bei Hundenamen nicht gerade einfallsreich) fröhlich über die große Wiese tobt. Ich dämmere vor mich hin und bin schon fast eingeschlafen, als mich plötzlich ein Aufschrei hochschrecken lässt: Lassie hat sich über das Grillgut meiner drei männlichen Sitznachbarn hergemacht und verschlingt gerade mit großer Begeisterung ein paar Nürnberger Rostbratwürste. Einer der Männer kommt auf mich zu, lächelt mich an und sagt dann: »Leinen Sie Ihren blöden Köter gefälligst an, wenn Sie schon nicht auf ihn aufpassen.« In der Zwischenzeit pinkelt Lassie genüsslich gegen den Picknickkorb der Männer … Was für ein toller Einstieg für eine romantische Beziehung! Ich schüttele den Kopf und kichere dabei vor mich hin. Mein Telefon klingelt.

»Redaktion Isabelle, Annika Peters«, melde ich mich noch immer etwas prustend.

»Hallo!«, erwidert die Stimme meiner jüngeren Schwester Kiki. »Du klingst ja gut gelaunt.«

»Ja«, japse ich, »ist hier gerade sehr lustig.«

»Fein«, meint Kiki, »freut mich, dass du so gut drauf bist.« Dann kommt sie ohne weitere Umschweife zu dem Thema, das sie seit Wochen voll und ganz beschäftigt. »Du, wegen der Hochzeit …« Ich schalte innerlich auf Durchzug, denn ich weiß, was jetzt folgt: Eine halbe Stunde lang wird sie mir nun die neuesten Erkenntnisse über die Vorbereitungen ihrer bevorstehenden Heirat erläutern.

Nicht dass es mich nicht interessieren würde, zu welcher Musik meine Schwester mit ihrem Matthias durch den Mittelgang schreiten will (»Meinst du, der Kanon von Pachelbel ist besser als ›Jesu bleibet meine Freude‹?«), welche neuen Ideen sie für die Gestaltung der Tischkärtchen hat (»Es gibt da diesen Brauch, den Gästen fünf Mandeln zu schenken, deshalb wollte ich kleine Zellophantütchen damit füllen und einen Zettel mit dem jeweiligen Namen dranbinden«) und dass sie in irgendeinem Gartencenter eine sensationelle Rosenzüchtung entdeckt hat, die sich ganz fabelhaft auf der Motorhaube der noch zu mietenden Limousine machen würde (»Entweder ein Herz oder die Initialen von Matthias und mir, da bin ich mir noch nicht sicher«). Nein, es ist wirklich nicht so, dass ich davon nichts hören will – es ist aber so, dass ich in meiner derzeitigen Gefühlslage nicht wirklich erpicht darauf bin, mir den ganzen Krempel anzuhören. Schließlich habe ich den Männern fürs Erste abgeschworen, da erfreuen einen solche Schilderungen in etwa so sehr, wie wenn man gerade eisernes Heilfasten betreibt und sich dabei die Speisekarte des »Le Canard« vorlesen lassen muss. Hinkt das Bild? Egal, ich denke, jeder versteht, was ich meine.

Trotzdem würge ich Kiki nicht ab, sie kann ja nichts dafür, dass ich so ein frustrierter Muffelkopf bin. Und ich freue mich auch für sie. So, wie ich mich für meine ältere Schwester Maren gefreut habe, als sie vor vier Jahren geheiratet hat. Damals fiel es mir allerdings deutlich leichter, denn zum einen war sie schließlich die Ältere und daher logischerweise mit Recht als Erste vom Markt, zum anderen hatte ich zu der Zeit tatsächlich so etwas wie einen festen Freund, den ich zu ihrer Hochzeit mitnehmen wollte. Unnötig, zu erwähnen, dass es so weit natürlich nicht kam. Allein die Frage, ob er mich begleiten wollte, veranlasste ihn dazu, nach Tadschikistan auszuwandern.

So saß ich neben meinem übergewichtigen, kahlköpfigen Cousin Markus, der auch noch allen Ernstes Bemerkungen darüber machte, dass Sex unter Verwandten zweiten Grades ja nicht verboten sei. Bevor ich ihn allerdings nach vier Stunden Gefasel und Anzüglichkeiten in der Mitternachtssuppe ertränken konnte, wurde ich zusammen mit Kiki und sieben anderen kreischenden Single-Frauen in die Mitte des Saals geschoben, um den Brautstrauß zu fangen. Tatsächlich landete er wie von selbst in meinen Händen, womit mal wieder bewiesen wäre, dass von altmodischem Brauchtum rein gar nichts zu halten ist. Schließlich ist es Kiki, die nun heiratet. Meine süße, kleine Kiki, die mit gerade mal sechsundzwanzig Jahren ihren Traummann gefunden hat. Das Leben ist einfach nicht fair!

Genau genommen sollten wohl Kiki oder Maren hier sitzen und meinen Job machen, die zwei scheinen sich wesentlich besser auszukennen, wenn es ums Thema Partnersuche geht. Und außerdem sind sie der Gegenbeweis dafür, dass es an den Männern liegt, irgendetwas scheinen sie anders zu machen als ich. Nur was? Das habe ich auch nach jahrelangen Beobachtungen noch nicht herausgefunden.

»Also, guckst du’s dir mal an?« Kikis Stimme erinnert mich daran, dass ich gerade mit ihr telefoniere.

»Äh, was?«, stottere ich verwirrt.

»Das Kleid!«, meint sie. »Ob du dir das Kleid mal anguckst!«

»Was für ein Kleid?« Bahnhof? Gütersloh? Bratkartoffeln?

Kiki lacht. »Sag mal, hast du mir überhaupt zugehört?«

»Ja, sicher hab ich das.« Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen, ich bin eine ignorante, neidische blöde Kuh! »Ein Kollege hat mir nur gerade was auf den Schreibtisch gelegt, da war ich kurz abgelenkt«, starte ich einen lahmen Erklärungsversuch. »Kannst du das noch mal erzählen?«

»Also gut«, setzt Kiki an. »Das Modell, das ich eigentlich kaufen wollte, ist vielleicht doch nicht ganz perfekt. Ich glaube, das macht überm Po ein bisschen dick.«

»Süße«, beruhige ich sie, »du wirst in jedem Kleid fantastisch aussehen, du könntest sogar im Gelben Sack in die Kirche kommen.«

»Danke«, meint sie, »aber ich hab heute Vormittag in der Stadt ein echtes Wahnsinnskleid entdeckt und wollte dich bitten, ob du es dir mal ansehen kannst. Ist bei dir direkt um die Ecke, da kommst du auf dem Heimweg fast vorbei.«

»Hm«, meine ich, »ich weiß nicht genau, wann ich heute hier rauskomme. Meine Arbeitszeiten sind ja immer ziemlich unberechenbar.«

»Bitte, Nika!«, beharrt Kiki. Immer, wenn sie mich zu etwas überreden will, benutzt sie meinen albernen Kosenamen. »Es wäre mir wirklich wichtig, du bist doch so geschmackssicher.« Ich muss lachen.

»Du glaubst wohl auch, dass du mich so billig rumkriegen kannst, wie?«

Kiki lacht jetzt auch. »Ja«, gibt sie mir Recht. »Aber ich meine das durchaus ernst, ich lege wirklich großen Wert auf deine Meinung.«

»Aber wir haben doch fast genau denselben Geschmack«, erinnere ich sie. Mehr als einmal ist es schon vorgekommen, dass Kiki und ich unabhängig voneinander die gleichen Klamotten oder den gleichen Einrichtungsgegenstand für unsere Wohnung gekauft haben. Manchmal fast unheimlich, es lässt sich nicht verleugnen, dass wir Geschwister sind. Nur, was unseren Männergeschmack betrifft, sind wir vollkommen verschieden. Aber das sieht man ja, wer von uns beiden da das bessere Händchen hat.

»In Ordnung«, meine ich, »Ich sehe zu, dass ich es noch rechtzeitig aus der Redaktion schaffe, um mir dieses Wahnsinnskleid mal anzusehen.«

»Das wäre super!«, freut sich Kiki. »Ich bin einfach so unsicher und muss mich ja langsam mal entscheiden.«

»Richtig«, ziehe ich sie auf, »bis zum 5. Mai sind es ja nur noch knapp vier Monate, das reicht kaum noch aus, um ein Kleid zu kaufen!«

»Erstens sind vier Monate so gut wie nichts«, klärt sie mich auf. »Und zweitens bin ich eben aufgeregt, das wärst du doch wohl auch.« Ich seufze. Ja, das wäre ich. Und da ich selbst offensichtlich nie in diese Lage kommen werde, kann ich ja einfach mal für Kiki mit aufgeregt sein.

»Okay, dann schieß los.« Kiki nennt mir die Adresse des Ladens und das Modell, dann verabschiedet sie sich.

In diesem Moment ruft die Sekretärin ins Büro: »Bitte alle zur Themenkonferenz!«

***

»Das ist alles nicht sonderlich originell, alles schon mal da gewesen!« Beatrice Schröder, Chefredakteurin der »Isabelle«, wirft einen unzufriedenen Blick in die Runde. »Fällt euch denn nicht Neues ein?« Meine Kollegen und ich blicken betreten zu Boden, keiner traut sich, etwas zu sagen. Dabei wäre ein »nein« die ehrliche Antwort. Weil es nichts Neues gibt, weil wir – wie die Konkurrenz übrigens auch – alle immer wieder das Gleiche schreiben und uns permanent reproduzieren. Man kann schließlich nicht täglich das Rad neu erfinden, geht eben nicht. Und alle zwei Jahre, wenn alle Themen einmal durchgenudelt worden sind, fängt man halt von vorne an. »So setzen Sie sich im Job durch«, »Das hilft gegen Cellulitis«, »Strategien gegen Stress«, »Top gestylt in zwei Minuten«, und natürlich: »So klappt es in der Liebe«. Immer wieder anders formuliert und trotzdem der gleiche Inhalt. Eigentlich könnten wir uns die Arbeit auch sparen und einfach nur die alten Hefte aus dem Archiv holen, sie optisch ein wenig aufpeppen, und – voilà – haben wir wieder eine neue Ausgabe.

»Annika«, wendet Beatrice sich an mich. »Wie sieht’s denn mit neuen Ideen für die Single-Rubrik im Mai-Heft aus?« Paul, der neben mir sitzt, stößt mich in die Seite. Ich ignoriere es, die Hundegeschichte ist wirklich zu blöd.

»Ich hab da ein paar interessante Vorschläge«, beginne ich. »Da gibt es zum Beispiel diesen US-Mediziner, der gerade eine Studie darüber veröffentlicht hat, dass man mit Pheromon-Parfum tatsächlich so gut wie jeden Mann für sich interessieren kann.«

»Hatte die ›Lady‹ schon vor zwei Monaten«, werde ich von Beatrice abgewürgt. »Liest du denn nicht, was die anderen machen?«

»Doch, doch«, stottere ich und werde rot. »Hab ich gelesen, aber ich dachte, wir könnten die Geschichte weiterdrehen. So nach dem Motto: Aber was, wenn ich das Parfum nicht mehr nehme, also quasi absetze? Will er mich dann immer noch oder muss ich es ein Leben lang benutzen?«

Beatrice glotzt mich an, als wäre ich geisteskrank. Wieder knufft Paul mich in die Seite.

»Weiter«, fordert meine Chefin, ohne auch nur ein einziges Wort über meinen Vorschlag zu verlieren.

»Ja, äh, dann habe ich noch die zehn besten Plätze, wo man Männer kennenlernen kann: im Baumarkt, im Fußballstadion, im Computergeschäft …«

»Das hast du doch erst vor einem halben Jahr gemacht«, stellt Beatrice fest.

»Hab ich?« Sie und alle meine Kollegen nicken. Herrje, wie sich die Zeit in diesem Laden hier zieht – hätte schwören können, das läge schon mehrere Jahre zurück.

»Weiter«, meint Beatrice. Gut, ja, weiter. Das Problem ist, dass ich keine weiteren Vorschläge habe, ich war fest davon überzeugt, dass eins der beiden Themen einschlagen würde.

»Äh, Hunde«, bringe ich mit dem Mut der Verzweifelten hervor. Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, wie Paul breit und zufrieden grinst.

»Hunde?« Jetzt guckt Beatrice noch entgeisterter.

»Ja«, bekräftige ich schnell. »Der Hund als Flirthilfe, meine ich. Es ist nämlich erwiesen«, behaupte ich dreist, »dass Hundebesitzer wesentlich mehr Leute kennenlernen, weil sie beim Spaziergang angesprochen werden. Und ich dachte, na ja, ich dachte, ich leih mir mal für zwei Wochen einen Hund aus und gucke, was passiert.«

»Hm.« Beatrice wiegt grübelnd den Kopf hin und her und trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte. »Ich weiß nicht. Was halten denn die anderen davon?«

»Kommt natürlich drauf an, was das für ein Hund ist«, kommentiert meine Kollegin Susanne Gabler mit ironischem Unterton. Ich werfe ihr einen bösen Blick zu. Sie fällt mir ständig in den Rücken, wahrscheinlich, weil sie neidisch darauf ist, dass ich im Gegensatz zu ihr eine eigene Rubrik habe. Susanne fährt fort: »Lernt man mit einem Königspudel andere Männer kennen als mit einem Schäferhund oder einem Bobtail? Und welches ist dann die beste Rasse, um von einem Klassemann angesprochen zu werden?«

»Ich kann mir ja zehn verschiedene Hunde leihen«, zicke ich sie an.

»Also, ich finde die Idee echt gut«, eilt Paul mir zur Hilfe und lächelt in die Runde. »Ich würde eine Frau bestimmt ansprechen, wenn sie einen Hund dabei hätte.«

»Paul, du sprichst doch sowieso jede Frau an«, meint Susanne süffisant. »Du bist nun wirklich kein Maßstab.« Ein beleidigter Ausdruck tritt auf sein Gesicht, aber nur für etwa eine halbe Sekunde, dann wird er kämpferisch.

»Jetzt hör mir mal zu«, fährt er Susanne an, wird aber von Beatrice unterbrochen.

»Schluss mit der Streiterei«, ruft sie energisch. »Wir sind hier doch nicht im Kindergarten!« Dann wendet sie sich wieder an mich.

»Überzeugt mich nicht so richtig, was hast du noch?« Ich gebe mich geschlagen.

»Leider nichts«, gestehe ich. Beatrice zieht die Augenbrauen zusammen. »Ich müsste noch einmal darüber nachdenken«, füge ich schnell hinzu.

»Tu das«, meint sie, »morgen hätte ich dann gern neue Vorschläge.«

»In Ordnung.«