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Im Januar 1902 erschien erstmals eine kleine Broschüre mit dem langen Titel "'Karl May als Erzieher' und 'Die Wahrheit über Karl May' oder 'Die Gegner Karl Mays in ihrem eigenen Lichte'" mit der Verfasserangabe "von einem dankbaren May-Leser". In Mays Auseinandersetzungen mit seinen literarischen Gegnern nimmt diese Schrift eine besondere Stellung ein, denn der "dankbare Leser" war niemand anders als Karl May selbst, der hier anonym über die höhere, pädagogische Absicht seines Schreibens Rechenschaft ablegte und gleichzeitig ein Programm entwarf, das er in seinem Spätwerk konsequent verfolgen wollte. Dieses Buch bringt nun nach den Streitschriften in Band 85 diese weitere aufschlussreiche Quelle für den Wandel im Leben und Schaffen des großen Erzählers nach 1900. May hat seiner Rechtfertigung zudem einen Anhang von 178 Leserbriefen angefügt, allerdings größtenteils nur in Ausschnitten und mit kleinen Änderungen. Die gesamten Briefe sind bis zum heutigen Tag im Nachlass des Schriftstellers vorhanden. 70 davon, die über die von May selbst verwendeten Stellen hinaus Auskunft über das einmalige Phänomen seiner Wirkung geben, erscheinen im vorliegenden Band erstmals im vollständigen Neusatz, ergänzt durch Faksimiles einiger Originale. Anhand dieser Dokumentation kann man sich ein Bild von der Begeisterung machen, die die Leser schon zu Lebzeiten des 'Maysters' empfanden. Einmal mehr kommentiert der versierte May-Kenner Prof. Dr. Christoph F. Lorenz den Text und ordnet ihn in Mays Lebens- und Schaffensgeschichte ein.
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Seitenzahl: 422
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‚KARL MAY ALS ERZIEHER‘und ‚DIE WAHRHEIT ÜBER KARL MAY‘oder DIE GEGNER KARL MAYS INIHREM EIGENEN LICHTEvon EINEM DANKBAREN MAY-LESER
VERTEIDIGUNGSSCHRIFTVON
Herausgegeben von Lothar und Bernhard Schmid© 2005 Karl-May-VerlagISBN 978-3-7802-1586-4
KARL-MAY-VERLAGBAMBERG • RADEBEUL
1
Bei seinen Auseinandersetzungen mit literarischen Gegnern in den Jahren 1899-1912 griff Karl May des Öfteren zu dem Kunstmittel, sich zwar selbst gegen die Angriffe zu verteidigen, aber seine Ausführungen in dritter Person, gelegentlich sogar unter dem Namen eines Freundes oder Bekannten, zu verfassen. So antwortete May auf die Presseangriffe durch Fedor Mamroth, den Feuilletonredakteur der liberalen Frankfurter Zeitung, im Sommer 1899 nicht unter eigenem Namen, sondern ließ unter dem seines Freundes Richard Plöhn drei Artikel in der Dortmunder Tremonia erscheinen.1 Unter den vielen Polemiken, Apologien und Repliken Karl Mays nimmt eine kleine Broschüre eine besondere Stellung ein, die sein Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld in einer Auflage von 100.000 Stück und zum Preis von zehn Pfennig pro Exemplar im Januar 1902 veröffentlichte. Dieses Büchlein trug den etwas gewundenen Titel „Karl May als Erzieher“ und „Die Wahrheit über Karl May“ oder „Die Gegner Karl Mays in ihrem eigenen Lichte“ sowie die Verfasserangabe „von einem dankbaren May-Leser“. Der „dankbare Leser“ (unter diesem Kurztitel wird die Schrift in der Forschung bevorzugt zitiert) war niemand anders als Karl May selbst.
Den äußeren Anlass für die Veröffentlichung der Streitschrift bildeten zwei Artikel, die in der Frankfurter Zeitung erschienen waren. Sie stammten allerdings nicht von Fedor Mamroth, der 1899 die Angriffe gegen May eröffnet hatte. In dem Aufsatz Gymnasiasten auf dem Kriegspfade. Karl May als Erzieher vom 22. Juli 1901 ging es um Jugendliche, die angeblich unter dem verderblichen Einfluss Mayscher Bücher straffällig geworden waren. Die Wahrheit über Karl May, ein Artikel in der FZ vom 9. November 1901, beschäftigte sich mit Mays Münchmeyer-Romanen, die damals gerade vom Münchmeyer-Nachfolger Adalbert Fischer neu aufgelegt und von dem FZ-Autor – ganz im Sinne von Mays Hauptgegner Dr. Hermann Cardauns, dem Chefredakteur der Kölnischen Volkszeitung – als unsittliche Schundliteratur gebrandmarkt wurden. Auch Mays Gedichtband Himmelsgedanken2 (Weihnachten 1900 bei Fehsenfeld erschienen) wurde von dem Frankfurter Rezensenten als quasi wertlose Gelegenheitslyrik dargestellt.3
Indem May die Schlagworte von „Karl May als Erzieher“ und „Die Wahrheit über Karl May“ aus den Artikeln seiner Gegner aufgriff und polemisch in ihr Gegenteil zu wenden suchte, bediente er sich einer Technik, die er in den folgenden Streitschriften ab 1902 noch häufiger anwenden sollte. Er gedachte seine Widersacher mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, deren Worte und Argumente gegen sie zu benutzen und so den Nachweis zu führen, dass die Wahrheit über Karl May eine andere war als die von den Angreifern behauptete und dass seinen Schriften tatsächlich eine höhere, pädagogische Absicht zu Grunde lag. Nicht immer ist ihm dies so überzeugend gelungen wie im Dankbaren Leser, wo er – trotz einer gewissen Selbstbeweihräucherung – über die Intentionen seines Schreibens offen Rechenschaft ablegte und gleichzeitig ein Programm erkennen ließ, das er in seinem Spätwerk konsequent verfolgen wollte. Doch dazu an anderer Stelle mehr.
Nicht gut bekommen ist der kleinen Broschüre hingegen Mays Versuch, die Darlegung seiner pädagogischen und literarischen Absichten und seines ‚wahren‘ Charakters mit einer Streitschrift gegen Fedor Mamroth und Hermann Cardauns zu verbinden. Weite Strecken des Textes befassen sich in aggressiver und gereizter Form mit Mamroths Artikeln von 1899 und mit Cardauns Angriffen in der Kölnischen Volkszeitung. Während die Polemik gegen Mamroth und die FZ im Wesentlichen Mays Argumentationslinie des zweiten Tremonia-Beitrags wiederaufgreift4, sind die Attacken gegen Cardauns noch deutlich massiver.
Um Mays Verteidigungslinie besser würdigen zu können, sei hier ein kurzer Überblick gegeben, wie Cardauns die Pressefehde eröffnet hatte.
Der Auftakt war dabei eigentlich eher harmlos zu nennen: Am 24. Juni 1892 erschien in der Kölnischen Volkszeitung eine kurze Rezension, vermutlich aus der Feder des Chefredakteurs Cardauns, in der Mays Reiseromane als „ganz eigenartige Schöpfungen“ bezeichnet wurden. May hat dieses, wenn auch frostige, Teillob in den Dankbaren Leser aufgenommen, wobei er allerdings einige charakteristische Auslassungen vornahm. So hieß es bei Cardauns vollständig: „Mays Reiseheld verbringt allerdings etwas unglaubliche Taten, aber er steht turmhoch über den Skalp-, Büffel- und sonstigen Jägern, für welche sich unsere Jugend oft mehr als wünschenswert begeistert.“5 Durch kleine Auslassungen und Umformulierungen hat May hier die Cardauns’schen Ausführungen geschickt zu seinen Gunsten verändert, ohne allerdings die Grundaussage zu verfälschen. Tatsache bleibt, dass Cardauns 1892 Mays Abenteuerromane zwar nicht unkritisch, aber doch insgesamt noch wohlwollend behandelte.
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