Mensch und Maschine - Thomas Ramge - E-Book
SONDERANGEBOT

Mensch und Maschine E-Book

Thomas Ramge

0,0
6,49 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 2,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Computerprogramme können menschliche Gesichter zuverlässiger erkennen als Menschen. Sie schlagen uns im Brettspiel Go, das strategisches Denken und Intuition erfordert, und sie bluffen besser als die besten Pokerspieler der Welt. Maschinen treffen komplexe Entscheidungen – oft besser und schneller als wir. Thomas Ramge erklärt sachkundig und verständlich, wie Maschinen dabei sind, das Lernen zu lernen und diskutiert die Frage: Was wird aus uns Menschen, wenn smarte Maschinen immer intelligenter werden?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 103

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Thomas Ramge

Mensch und Maschine

Wie Künstliche Intelligenz und Roboter unser Leben verändern

Mit 8 Abbildungen von Dinara Galieva

Reclam

E-Book-Leseproben von einigen der beliebtesten Bände unserer Reihe [Was bedeutet das alles?] finden Sie hier zum kostenlosen Download.

 

Für meine Mutter

 

2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2023

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-961317-8

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014495-4

www.reclam.de

Inhalt

Einleitung: Der Kitty-Hawk-Moment – Warum jetzt alles ganz schnell gehen wird

I. Die nächste Stufe der Automatisierung: Maschinen treffen Entscheidungen

II. Turings Erben: Eine (sehr) kurze Geschichte der Künstlichen Intelligenz

III. Wie Maschinen das Lernen lernen: Künstliche Neuronale Netze, Deep Learning, Feedback-Effekte

IV. Mensch fragt, Maschine antwortet: KI als Alltagsassistent, Verkäufer, Anwalt und Arzt

V. Kollege Roboter: Cyber-physische Systeme, Cobots und Maschinen, die Gefühle berechnen

VI. Superintelligenz und Singularität: Übernehmen Künstliche Intelligenz und Roboter die Macht?

Ausgewählte Quellen

Danksagung

Zum Autor

EinleitungDer Kitty-Hawk-Moment – Warum jetzt alles ganz schnell gehen wird

1901 habe ich zu meinem Bruder Orville gesagt:

Menschen werden in 50 Jahren noch nicht fliegen.

Wilbur Wright, Flugpionier

Eine Million Dollar Preisgeld. Für 241 Kilometer Strecke auf einem abgesperrten Militärgelände in der Mojave-Wüste im US-Bundesstaat Kalifornien. Das waren die Bedingungen beim ersten DARPA Grand Challenge des US-Verteidigungsministeriums für autonome Fahrzeuge im Jahr 2004. Rund hundert Teams traten an. Das beste blieb nach 14 Kilometern stecken; alle anderen scheiterten noch schneller. Acht Jahre später, 2012, gibt Google eine unscheinbare Pressemitteilung heraus: Seine Roboter-Fahrzeuge, bekannt aus Youtube-Filmchen, hätten bereits Hunderttausende Kilometer unfallfrei im Straßenverkehr zurückgelegt. Inzwischen sind Tesla-Fahrer Millionen von Meilen im Autopilot gefahren. Zwar müssen Fahrer in kniffligen Situationen immer mal wieder das Steuer übernehmen, worauf der Autopilot sie rechtzeitig hinweist. Aber ein scheinbar unlösbares Problem ist im Grundsatz gelöst. Der Weg zum vollautomatischen Vehikel für die Massen ist gut ausgeschildert.

Künstliche Intelligenz (KI) erlebt gerade ihren Kitty-Hawk-Moment. Den KI-Forschern ergeht es wie den Pionieren des Motorflugs. Jahrzehntelang sind sie immer wieder gescheitert, nach vollmundigen Ankündigungen ein ums andere Mal abgestürzt. Doch dann gelingt den Brüdern Wright in Kitty Hawk im US-Staat North Carolina der Durchbruch. Die Technologie hebt ab, und plötzlich klappt, was vor wenigen Jahren nur eine großsprecherische Behauptung war. Seit rund drei Jahren können Computerprogramme menschliche Gesichter deutlich zuverlässiger erkennen als die meisten Menschen. Bei der Diagnose bestimmter Krebszellen sind Rechner heute schon genauer als die besten Ärzte der Welt – geschweige denn als durchschnittliche Ärzte in einem Provinzkrankenhaus. Computer schlagen den Menschen nicht nur im intuitiven Brettspiel Go, sie bluffen auch besser als die besten Pokerspieler der Welt. Bei der japanischen Versicherung Fukoku Mutual prüft das IBM-System Watson die Rückerstattungsansprüche der Versicherten. Bei Bridgewater, dem größten Hedgefonds der Welt, entscheiden Algorithmen nicht nur über Investitionen. Ein mit umfangreichen Mitarbeiterdaten gefüttertes System wird zum Robo-Boss: Es kennt die wahrscheinlich beste Geschäftsstrategie, die beste Zusammensetzung eines Teams für bestimmte Aufgaben, und es gibt Empfehlungen zu Beförderungen und Entlassungen. Im November 2022 trat dann ChatGPT des kalifornischen Startups OpenAI seinen Siegeszug an. Zwei Monate später überzeugten sich bereits weltweit mehr als 100 Millionen Nutzer davon, wie gut das System mit menschlicher Sprache umgehen kann – dank eines sogenannten »Large Language Models« (LLM), das mit gigantischen Textmengen gefüttert wurde. Diese großen Sprachmodelle können nicht nur E-Mails schreiben, Texte in viele Sprachen übersetzen und Programmierern beim Coden helfen. Sie verschaffen uns Menschen vor allem bequemen Zugang zu menschlichem Wissen. Genauer gesagt: Sie öffnen den Zugang zu jenem Teil des Weltwissens, der in den Trainingsdaten des Systems gespeichert ist. Die große Sprachkompetenz, verbunden mit dem gespeicherten Wissen, eröffnet zahlreiche neue Möglichkeiten, KI-Systeme in Wirtschaft und Gesellschaft, Politik und Alltag clever einzusetzen. Was folgt daraus?

Künstliche Intelligenz ist die nächste Stufe der Automatisierung. Schweres Gerät erledigt schon seit langem die schmutzige Arbeit. Fertigungsroboter wurden seit den 1960er Jahren immer geschickter. IT-Systeme halfen bis dato vor allem bei den Routineschleifen der Wissensarbeit. Sie erleichtern die Buchhaltung, rechnen im Auftrag des Menschen oder verarbeiten Texte. Doch mit Künstlicher Intelligenz treffen jetzt Maschinen komplexe Entscheidungen, die bisher nur Menschen treffen konnten. Oder genauer formuliert: Wenn Datengrundlage und Entscheidungsrahmen stimmen, entscheiden KI-Systeme besser, schneller und billiger als LKW-Fahrer, Sachbearbeiter, Verkäufer, Ärzte, Investmentbanker oder Personal-Manager.

Zwanzig Jahre nach dem ersten Motorflug in Kitty Hawk war eine neue Industrie entstanden. Die Luftfahrt sollte die Welt alsbald grundlegend verändern. Bei Künstlicher Intelligenz läuft es zurzeit sehr ähnlich. Sobald aus Daten lernende Maschinen in einem bestimmten Bereich besser, billiger und schneller entscheiden als Menschen, ist ihr Siegeszug in diesem Bereich nicht aufzuhalten. Eingebaut in physische Maschinen wie Autos, Roboter oder Drohnen, schalten sie bisheriger Automatisierung in der anfassbaren Welt den Turbo zu. Miteinander vernetzt werden sie zu einem Internet der intelligenten Dinge, die zusammenarbeiten können.

Gil Pratt, der Leiter des Toyota Research Institutes, schlägt einen noch größeren historischen Bogen als in die Dünen der Outer Banks von Kitty Hawk. Pratt vergleicht die jüngsten Fortschritte in der KI mit der Kambrischen Explosion in der Evolutionsgeschichte vor 500 Millionen Jahren. Nahezu alle Tierstämme haben ihren Ursprung in dieser Zeit, und es begann eine Art evolutionäres Wettrüsten, unter anderem, weil erste Arten die Fähigkeit zu sehen entwickelten. Mit Augen ließen sich neue Lebensräume erobern und biologische Nischen erschließen. Die Artenvielfalt explodierte. Die Analogie zur digitalen Bilderkennung mit KI liegt nahe. Erik Brynjolfsson von der Universität Stanford und Andrew McAfee vom Massachusetts Institute of Technology führen den Vergleich mit der Frühphase der Evolution weiter: »KI wird eine Vielzahl neuer Produkte, Dienstleistungen, Prozesse und Organisationsformen hervorbringen und zugleich viel Bekanntes aussterben lassen. Und es wird sicher einige seltsame Irrwege der technischen Evolution geben und völlig unerwartete Erfolge.«

KI-Forscher und die Hersteller von lernenden Software-Systemen haben zurzeit mächtig Oberwasser. Startups mit Kapitalbedarf neigen dazu, jeder digitalen Anwendung das Label Künstliche Intelligenz aufzukleben. Dies geschieht oft unabhängig davon, ob das System tatsächlich aus Daten und Beispielen lernt und seine Lernerfahrungen abstrahieren kann oder de facto klassisch programmiert ist und eher stupiden Programm-Anweisungen folgt. KI verkauft sich, aber viele Käufer – Forschungsförderer, Investoren oder Verbraucher – können die technische Funktionsweise des Produkts nur schwer einschätzen. Künstliche Intelligenz umgibt zurzeit eine magische Aura. Das ist nicht zum ersten Mal der Fall.

Die Künstliche Intelligenz hat schon mehrere Hype-Zyklen durchlaufen: Großen Versprechen folgten immer wieder Phasen mit großen Enttäuschungen. In den sogenannten »KI-Wintern« kamen dann selbst bei glühenden Anhängern Zweifel auf, ob sie nicht Hirngespinsten nachrannten, angetrieben von den Visionen der Science-Fiction-Autoren, die sie in ihrer Jugend verschlungen hatten.

Bei aller nötigen Vorsicht lässt sich heute sagen: In den letzten Jahren hat die Künstliche Intelligenz-Forschung Nüsse geknackt, an denen sie sich seit Jahrzehnten die Zähne ausgebissen hat. Ein interessanter Zug des Menschen in diesem Zusammenhang ist: Er sieht Maschinen vor allem als intelligent an, wenn sie neue Problemlösungsfähigkeiten erwerben. Wenn eine Maschine besser multipliziert als ein Rechengenie, schlauer Schach spielt als der amtierende Weltmeister oder uns zuverlässig den Weg durch die Stadt weist, sind wir für kurze Zeit beeindruckt. Doch kaum sind Taschenrechner, Schachcomputer oder Navigations-App günstige Massenprodukte, empfinden wir die Technologie als banal. Nehmen unsere eigenen Fähigkeiten zu, dann neigen wir hingegen individuell und kollektiv zu einer deutlich großzügigeren Bewertung.

Die Lernkurve der Maschinen scheint zurzeit deutlich steiler als jene des Menschen. Das wird das Verhältnis von Mensch und Maschine grundlegend verändern. Die Euphoriker im Silicon Valley wie der Erfinder, Autor und Google-Forscher Ray Kurzweil sehen darin den Schlüssel zur Lösung aller großen Probleme unserer Zeit. Apokalyptiker wie der Oxford-Philosoph Nick Bostrom fürchten dagegen die Machtübernahme der Maschinen und das Ende der Menschheit. Extrempositionen sorgen für Schlagzeilen. Für ihre Vertreter sind sie ein gutes Geschäft auf dem Markt für Aufmerksamkeit. Dennoch sind sie wichtig, weil sie viele Menschen dazu bringen, sich mit Künstlicher Intelligenz näher zu beschäftigen.

Wer die Chancen und Risiken einer neuen Technologie erkunden möchte, muss zunächst die Grundlagen verstehen. Er muss verständliche Antworten auf die Fragen finden: Was ist Künstliche Intelligenz überhaupt? Was kann sie heute und in absehbarer Zeit? Und welche Fähigkeiten muss der Mensch weiterentwickeln, wenn Maschinen immer intelligenter werden und den Menschen zu überflügeln sich anschicken? Nach Antworten auf diese Fragen sucht dieses Buch.

I. Die nächste Stufe der Automatisierung: Maschinen treffen Entscheidungen

Intelligenz ist das, was wir benutzen,

wenn wir nicht wissen, was wir tun sollen.

Jean Piaget, Biologe und Entwicklungspsychologe

Erkennen, Erkenntnis, Handlung

Der Tesla fährt im Autopilot-Modus mit 130 Kilometern pro Stunde auf der linken Spur der Autobahn. Auf der rechten Spur fahren mehrere Lastwagen mit 90 km/h. Der Tesla nähert sich der Kolonne. Der letzte LKW setzt links den Blinker und will überholen. Der Autopilot muss eine komplexe Entscheidung treffen. Soll der Tesla mit gleicher Geschwindigkeit weiterfahren oder gar beschleunigen, um auf jeden Fall den Laster passiert zu haben, bevor dieser eventuell die Fahrbahn wechselt? Sollte er hupen, um den LKW-Fahrer zu warnen? Wäre das in dieser Situation erlaubt? Oder soll der Tesla bremsen und dem LKW das Überholmanöver höflich erlauben, auf Kosten der Reisegeschwindigkeit, aber zugunsten der Sicherheit? Wobei bremsen freilich nur dann sicher wäre, wenn von hinten kein von Testosteron gesteuerter Sportwagenfahrer mit zwei Metern Abstand drängelt.

Noch vor wenigen Jahren hätten wir diese Entscheidung unter keinen Umständen einer Maschine anvertraut – und dies vollkommen zu Recht. Die Technologie hatte noch nicht unter Beweis gestellt, dass sie uns statistisch gesehen mit höherer Wahrscheinlichkeit sicher ans Ziel bringt, als wenn wir selbst mit erlernter Regelkenntnis, Erfahrungswissen, den Fähigkeiten zur Antizipation von menschlichem Verhalten und unserem berühmten Bauchgefühl hinter dem Steuer sitzen.

Teslafahrer delegieren schon heute während des Fahrens viele Entscheidungen an die Maschine. Das ist nicht ohne Risiko. Autonomes Fahren funktioniert bei weitem nicht perfekt, weder bei Tesla, Google noch den traditionellen Autobauern wie Mercedes, Audi, Nissan, Hyundai oder Volvo, die mit Hochdruck an Autopilot-Systemen arbeiten, aber viele ihrer Funktionen aus Sicherheitsgründen noch nicht freigeschaltet haben. Bei gutem Wetter und auf klar markierten Autobahnen sind Maschinen bereits heute nachweislich die besseren Fahrer. Es ist eine Frage der Zeit, bis dies auch in der Stadt oder bei Nacht und Nebel der Fall ist oder eine Maschine bei Blitzeis die Entscheidung trifft, gar nicht zu fahren, weil das Risiko schlicht zu hoch ist. Ein altes Bonmot in der KI-Forschung lautet: Maschinen fällt leicht, was Menschen schwerfällt, und umgekehrt. Autofahren mit seinen abertausend kleinen, aber dennoch komplexen Entscheidungssituationen während einer Fahrt war Computern bisher nicht möglich. Warum ändert sich das gerade? Abstrakt gesprochen lautet die Antwort: Weil aus Daten lernende Software in Verbindung mit steuerungsfähiger Hardware den Dreischritt von Erkennen, Erkenntnis und Umsetzung in eine Handlung immer besser beherrscht.

Im konkreten Beispiel des Teslas und des blinkenden LKWs bedeutet dies: GPS-System, hochauflösende Kameras, Laser- und Radarsensoren sagen dem System nicht nur genau, wo sich das Auto befindet, wie schnell der Laster fährt, wie die Straße beschaffen ist und ob es rechts noch eine Notspur gibt. Die Bilderkennungssoftware des Systems identifiziert zudem zuverlässig, dass es der Laster ist, der blinkt, und nicht eine Baustellenleuchte. Diese Fähigkeit des Erkennens haben Computer erst vor wenigen Jahren erworben. Die besten von ihnen können heute unterscheiden, ob auf der Straße ein Papierknäuel liegt, den das Fahrzeug getrost überfahren kann, oder ein Steinbrocken, dem es ausweichen muss.

Alle visuellen (und sonstigen sensorischen) Daten fließen in einen kleinen Supercomputer im Fahrzeug ein, zusammengesetzt aus vielen Rechenkernen und Grafikkarten. Die Recheneinheit muss die Informationen in Sekundenbruchteilen sortieren und dabei in Echtzeit gewonnene Daten, bereits gesammelte Daten und einprogrammierte Regeln miteinander abgleichen. Das Tesla-System weiß in diesem Moment, dass es Vorfahrt hat. Ihm wurde die Verkehrsregel mit auf den Weg gegeben, dass der Lasterfahrer nur ausscheren und überholen darf, wenn von hinten keiner kommt. Geschult durch maschinelle Lernerfahrung aus vielen Milliarden Meilen im Straßenverkehr – den sogenannten Feedbackdaten –, weiß das System aber auch: LKW