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Der Roman MENSCH-WERDUNG umfasst die drei Bücher: Mensch, Mensch (2018) Ich bin, Mensch (2021) Auf dem Fünf-Wege-Pfad der Mensch-Werdung (2024) Dieser ROMAN ist auch ein SACHBUCH. Sachbuchtypische Inhalte werden mit fiktionalen verbunden. Das Buch handelt vom Menschsein und Menschwerden, von Aspekten und Perspektiven des Menschen, Entwicklungschancen und Entwicklungshindernissen. Im Mittelpunkt stehen vor allem Ideen und der Versuch ihrer praktischen Umsetzung. Der Roman will vor allem zum Mitdenken, zum Hinterfragen von eigenen Gewohnheiten und Schattenseiten, sowie zur Wahrnehmung von Entwicklungschancen anregen. Es ist keine einfache Unterhaltungslektüre, sondern ein Impuls an sich zu arbeiten, um latente Potentiale zu entdecken und zu entfalten. Auf diese Art könnte das Buch eine Anregung für ein DREHBUCH des eigenen Lebens sein. Ein Buch, das jeder selbst schreiben kann. Bei allen angeschnittenen Themen, seien es Sinnfragen, Beziehungsangelegenheiten oder individuelle Interessengebiete, kannst Du Dir die Frage stellen: Welche Themen lösen in mir gute oder ungute Gefühle aus, lassen mich nicht neutral? An solchen Themen kannst Du arbeiten, sie bewusst integrieren und dadurch negative Emotionen minimieren. Investiere in Deine Entwicklung, Deinen individuellen, sozialen und transpersonalen Erkenntnispfad. Frage Dich, was DU willst, was Deine Lebensaufgabe ist. Sinnhaftigkeit und innerer Frieden sind auch für Dich möglich.
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Seitenzahl: 875
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Der Roman MENSCH-WERDUNG umfasst die drei Bücher:
„Mensch, Mensch“ (2018)
„Ich bin, Mensch“ (2021)“
„Auf dem Fünf-Wege-Pfad der Mensch-Werdung“ (2024)
MENSCH-SEIN und MENSCH-WERDUNG
Roman, Sachbuch und Drehbuch
Dieser ROMAN ist auch ein SACHBUCH. Sachbuchtypische Inhalte werden mit fiktionalen verbunden. Das Buch handelt vom Menschsein und Menschwerden, von Aspekten und Perspektiven des Menschen, Entwicklungschancen und Entwicklungshindernissen. Im Mittelpunkt stehen vor allem Ideen und der Versuch ihrer praktischen Umsetzung.
Der Roman will vor allem zum Mitdenken, zum Hinterfragen von eigenen Gewohnheiten und Schattenseiten, sowie zur Wahrnehmung von Entwicklungschancen anregen. Es ist keine einfache Unterhaltungslektüre, sondern ein Impuls an sich zu arbeiten, um latente Potentiale zu entdecken und zu entfalten. Auf diese Art könnte das Buch eine Anregung für ein DREHBUCH des eigenen Lebens sein. Ein Buch, das jeder selbst schreiben kann.
Bei allen angeschnittenen Themen, seien es Sinnfragen, Beziehungsangelegenheiten oder individuelle Interessengebiete, kannst Du Dir die Frage stellen: „Welche Themen lösen in mir gute oder ungute Gefühle aus, lassen mich nicht ‚neutral‘?“ An solchen Themen kannst Du arbeiten, sie bewusst integrieren und dadurch negative Emotionen minimieren. Investiere in Deine Entwicklung, Deinen individuellen, sozialen und transpersonalen Erkenntnispfad. Frage Dich, was DU willst, was Deine Lebensaufgabe ist. Sinnhaftigkeit und innerer Frieden sind auch für Dich möglich.
Ich bin mehreren Personen, deren Hilfe für dieses Projekt unerlässlich war, zu Dank verpflichtet.
Zunächst danke ich P. Prüssen für die Freundschaft, den Austausch, die Anregungen und die Verbesserungen während dem jahrelangen Prozess der Entstehung dieses Buches. (Buch 1, Buch 2, Buch 3)
Dann danke ich M.-Th. Kayser für die ‚Gedichte an den Geliebten‘. (Buch 2)
Ich möchte auch L.S. Besch für die ‚Schwarz-Weiß-Fotos in Liebe‘ danken. (Buch 2)
R. Motschmann danke für die Durchsicht des Manuskripts, die vielen Anregungen, kritischen Hinweise und Korrekturen. (Buch 1, Buch 2)
Ein Spezialdank geht an
für seine inspirierenden Vorträge zum Thema ‚Soziale Plastik‘.
Schließlich ein herzliches Dankeschön an alle, die in irgendeiner Weise, mit Überlegungen, Unterstützung und Ratschlägen, zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben.
WER BIN ICH?
als Individuum
WAS BIN / WILL ICH?
als Teil des Ganzen
In welchem RAUM / welcher Dimension
haben beide
welche BEZIEHUNG?
1. Wie soll ich das bezahlen?
2. Seid Ihr ´ne Sekte?
3. Drei Heilige und ein Versuchskarnickel
4. Drehbuch einer zukünftigen Gesellschaft
5. Bedingungsloses Grundeinkommen für jeden
6. Randy zieht nach Tetranthropos
7. Worte tanzen im Weinhaus
8. Randy bei der Tantrikerin
9. Drei Ängste und das Regiogeld
10. Gift, Geiz, Gier
11. Wahre Liebe und ISSI-Love
12. Raskauli und Hund Hund
13. Randy ist sauer
14. Geld, Geld, Vollgeld
15. Romys Splitty-Mode und Widads Lachen
16. Rosenbad, Steinspiel, Wille
17. Platons Tafelrede
18. Demokratiezirkus
19. Liebe, Musik, Gefühle
20. Willige Frauen im Schrank - die Heldenreise
21. Amor
22. Das Abendmahl
… zu den Äußerungen real existierender Personen in Buch II: Ihre Äußerungen wurden Zitaten aus Onlineveröffentlichungen (z.B. Osho Zitate), Interviews, Büchern (z.B. ‚Ökodörfer weltweit‘), Artikeln usw. entnommen. Dies geschah in der Hoffnung, ihre Ideen sachgerecht rüberzubringen, sie zu ‚promoten‘ und ihnen zu einem größeren Bekanntheitsgrad zu verhelfen, wenn auch in dem hier möglichen bescheidenen Rahmen, weil der Autor der Überzeugung ist, dass sie zu einer ‚menschengerechteren‘ Welt beitragen. Den Betroffenen einen herzlichen Dank für ihren kreativen Beitrag zum Menschsein und seiner Entwicklung. Ich möchte die Leser ermutigen, die für sie interessanten Begriffe und Namen zu ‚googeln‘, um die neuesten Informationen diesbezüglich zu erhalten.
Namen in alphabetischer Reihenfolge:
ABOULEISH Helmy
BUNZL John
HÄFNER Gerald
KLEINHAMMES Vera
REYES José
Längere Zitate stammen aus folgenden Büchern:
C. Daly King „Oragean version” (Magisteria, [1951] 2014)
[übersetzt von www.DeepL.com/Translator und dem Autor]
Johannes Stüttgen „Zeitstau – Im Kraftfeld des erweiterten Kunstbe-
griffs von Joseph Beuys“ (FIU-Verlag, 1998)
Ken Wilber “Eine kurze Geschichte des Kosmos“
(Fischer Verlag, [1996] 1997, S.287f. )
Hermann Hesse „Siddhartha“ (Suhrkamp, [1953] 1974,
S. 83, 87, 105, 108f., 111f.)
23. Das Zukunfts-Tetraeder
24. Ein neues Haus, ein Trio & ein Italiener
25. Eine Reise, ein Gedicht & ein Kegel
26. Lebensgemeinschaften & Gurus
27. Auf nach Findhorn
28. Pranesh Cupido
29. Tamera & Geschenkökonomie
30. T-Man & G-Woman
31. Sekem, Dreigliederung & Pyramiden
32. Farm im Dschungel
33. Der Vierte Weg
34. Triple Tetrahedron Tone‘ - der Dreiklang -
35. In Indien
36. Ein Telefonat verändert Randys Leben
37. Das Leben geht weiter
38. Kultur, Demokratie & Business
39. Amordorf - Zehn Jahre später
40. Erste Eindrücke auf dem Lebensfluss
41. Zeitlos
42. Welle in die Zukunft
Fordere viel von dir selbst, und erwarte wenig von anderen.
So wird dir viel Ärger erspart bleiben. (Konfuzius)
Erwartungen von der Außenwelt und von anderen Menschen
machen Dich abhängig, also unfrei. Willst Du das?
43. Amor nervt Randy
44. Wie wir leben wollen
45. Biševo
46. Randy und seine Kinder
47. Rosalba in der Höhle
48. Haben, Werden und Sein
49. Abschied von T
50. Was will ich?
51. Es war einmal
52. Eros-Flow für Gesundheit, Frieden und Liebe
53. Der Fünf-Wege-Pfad
54. Pentanthropos
„Mensch, Mensch“
ein Dreigliederungs-Roman
über Freiheit, Frieden und Liebe
- ein Dreigliederungs-Roman -
über Freiheit, Gleichberechtigung und
Menschlichkeit
& über zwölf Perspektiven des Menschen
vom DREIklang zum EINklang
„Menschlicher Tat-Kunst“
Denken erstrahle Licht der Weisheit,
Gefühl leite Liebe zur Allverbundenheit,
Wille bringe Energie auf den Punkt.
Ich will diesem Dreiklang zum Einklang
„Menschlicher Tat-Kunst“ verhelfen
„from 3-to-1“ oder 1-3-4
Integrale Dreigliederung
zum 4. Weg der Liebe
Cover: ‚Amor als Sieger‘ ist ein Gemälde des ital. Barockmalers Caravaggio.
„Was wollen Sie, Herr Mathieu?“ fragte der Sozialarbeiter.
„Na Arbeit, was sonst?“ antwortete Randy.
Randy kam aus einer Randgruppenfamilie und hatte, wie sein Vater und seine Brüder, keinen Schulabschluss. Dafür waren die Lebensumstände in seiner Jugendzeit zu ungünstig gewesen. Seine Eltern waren geschieden. In der Schule konnte er seine Fähigkeiten nicht ausbauen. Er musste das lernen, was der Lehrer vorgab, aber das interessierte ihn nicht. Er musste dauernd auf einem Stuhl ausharren. Randy hätte sich lieber körperlich bewegt. Kreativ wäre er gerne gewesen, aber dazu hat ihm die Schule keine Gelegenheit geboten. Er wollte sich einfach nicht nach dem vorgegebenen Rezept formen lassen. So interessierten sich die Lehrer bald kaum noch für ihn. Und er schon gar nicht mehr für die Schule. Statt bewusst kreativ zu werden, wurde er nun unbewusst reaktiv und schlug sich irgendwie durch. Ein paar zweifelhafte Freunde, ein paar Jugendsünden und schon bald stand er ohne Schulabschluss und ohne Zukunftsperspektiven da.
„Nehmen Sie die Kappe ab. Bei einem Vorstellungsgespräch können Sie auch nicht so rumlaufen.“
Randy dachte: „Wenn ich ihn fragen würde, seine blöde Krawatte auszuziehen, was würde er dann wohl sagen …?“
Er schaute sich um. Das Zimmer sah kalt aus. Keine Blumen. Kaum Bilder. Ein Poster riet, sich täglich die Zähne zu putzen, ein anderes, nicht mehr Geld auszugeben, als man hat. Das Pult des Sozialarbeiters war mit Zetteln und Akten gefüllt, der Aschenbecher voller Kippen.
„Darf ich eine rauchen?“
„Selbstverständlich nicht. Glauben Sie, ich will den ganzen Tag in einem verrauchten Zimmer sitzen? Wir sind doch hier nicht in einer Hafenkneipe.“
Randy wäre am liebsten schon wieder draußen an der frischen Luft gewesen. Aber er war zum Überleben auf die Ämter angewiesen. Das Telefon klingelte. Der Sozialarbeiter wandte sich von Randy ab. Er drehte seinen Stuhl Richtung Fenster. Draußen sah er vermutlich einen Hinterhof.
„… Ja, ja ist schon gut. Ich mach das. Ich geh dann hier ´ne halbe Stunde früher weg und hol das für dich ab. Was gibt’s denn heute zu essen? … O.k., ciao dann. Ich dich auch.“
Der Sozialarbeiter drehte seinen Stuhl wieder Richtung Randy.
„Wo waren wir stehen geblieben …? Wann waren sie eigentlich zum letzten Mal beim Arbeitsamt?“
„Vor kurzem, …. aber das bringt doch nichts. Stundenlanges Warten, um dann zwei Minuten bei meinem Sachbearbeiter zu sein. Und der sagt dann jedes Mal dasselbe, nämlich, dass er gerade nichts für mich habe. Aber ich könnte mal bei meinem Sozialarbeiter nachfragen. Vielleicht hätte der was für mich.“
Dieser wirkte genervt, nahm eine Pastille für guten Mundgeruch. Auf die Idee, Randy eine anzubieten, kam er nicht.
„Und ich dachte für Arbeitssuche sei das Arbeitsamt zuständig?“
Was wusste Randy? Wer zuständig war, war ihm total egal. Er wollte einfach nur wieder arbeiten. Seinen letzten Platz hatte er verloren, weil er auf einem ordnungsgemäßen Vertrag bestand.
„Ich stelle keine großen Ansprüche. Auch der Mindestlohn ist o.k. für mich.“
„Ach, ja?“
Der Sozialarbeiter war inzwischen seinen Tagträumen erlegen. Arme Kerle wie dieser Randy taten ihm eigentlich leid. Sie sind bereit, für den Mindestlohn unter prekären Bedingungen zu arbeiten. Oft müssen sie auch noch unbezahlte Überstunden in Kauf nehmen. So haben sie knapp genug zum Überleben, aber immerhin genug zum Weiterarbeiten, damit die Kapitalbesitzer noch mehr Geld anhäufen können. Geld, das diese allerdings nicht brauchen, da sie ohnehin schon zu viel haben. Sie können gar nicht so viele Bedürfnisse haben. Zinseszinsmechanismen und Steuerprivilegien machen sie einfach reicher, ohne dass sie dafür arbeiten müssen. Sie spielen dann am Kapitalmarkt mit. Und das löst bei ihnen auch noch Ängste aus, weil das Geldcasino ihr Kapital vermindern könnte. Und Leute wie der Randy schuften auf Kosten ihrer Gesundheit und Lebensqualität, wenn sie überhaupt einen sogenannten Arbeitsplatz finden.
Nachdem er nun längere Zeit geschwiegen hatte und Randy ihn erwartungsvoll angeschaut hatte, sagte er nur:
„Tut mir leid. Wenn die nichts haben …“
„Was mach ich denn bei diesem Typen hier? Bin ich nur da, damit er eine Daseinsberechtigung hat und ein gutes Gehalt einkassiert?“, fragte sich Randy. Er war ein friedlicher Typ. Viele seiner Kollegen hätten inzwischen schon davon geträumt, dem Sozialfuzzi in die Fresse zu hau´n.
Etwas später lehnte sich Randy an den Tresen in einer der letzten übriggebliebenen Kleinstadtkneipen. Früher gab es hier viel mehr Kneipen. Die Männer der Ortschaft Threefolding und wenige Frauen trafen sich hier regelmäßig. Sie tranken Bier, kegelten, spielten Karten oder stritten über Politik. Die vielen Fernseher, die Spielautomaten und die laute Musik in der Kneipe gaukelten ein lebendiges Dasein vor. Rauchen war verboten. Das scherte aber nur wenige. Randy war eine Ausnahme. Er hatte immer Zigaretten bei sich, rauchte aber nur selten. Nur wenn er sehr aufgeregt war. Aber in der Kneipe war er das nie. Es störte ihn aber nicht, wenn seine Kollegen hier rauchten. Er war es seit eh und je einfach gewohnt. Auch zu Hause hatte sein Vater dauernd gequalmt.
Randy erzählte seinem Kumpel Jimmy, bei dem er zurzeit wohnte, von seiner morgendlichen Begegnung mit seinem Sozialarbeiter.
„Wie ging es dann weiter?“ fragte Jimmy und bestellte gleich noch zwei Bier. Randy hatte das erste noch nicht einmal ausgetrunken.
In etwa so war das Gespräch weitergelaufen:
„Was wollen Sie denn noch außer Arbeit, Herr Mathieu? Was haben Sie für einen Lebensentwurf? Was wollen Sie aus ihrem Leben machen? Auf allen Ebenen? So ganzheitlich meine ich das ...“
„So was ...?
„Na integral ...“
„Entschuldigen Sie, aber ich verstehe Sie nicht! Mensch .... ich will Arbeit, eine Frau und Kinder … ein Auto, ein Haus zum Wohnen. Wie jeder Mensch halt. So ganz normal.“
„Aha ... auch für ein Haus möchten Sie schuften? Und wie stellen Sie sich das vor? Glauben Sie, irgendeine Bank leiht jemandem wie Ihnen auch nur einen Euro? Haben Sie zurzeit eine Lebensgefährtin und hat die vielleicht einen Job?“ fragte der Sozialarbeiter mit einem unterschwelligen Grinsen und einer gehobenen Augenbraue.
Randy wollte eigentlich nicht mehr. Er hörte sich aber brav sagen: „Momentan gerade nicht .... und auch mit der Wohnung ... wohne bei einem Freund, aber ich muss da raus. Möglichst schnell. Dessen Freundin sagt mir das jeden Tag, die Kuh. Er verkriecht sich dann immer.“
Der Sozialarbeiter verfiel wieder in Schweigen. Gut, dass Randy nicht mitbekam, was er dachte: „Wenn der wüsste, wie man in unserem Wirtschaftssystem zu einer Wohnung kommt? Also am besten man hat schon eine, noch besser: mehrere. Man geht dann zur Bank und sagt, man möchte eine zusätzliche Wohnung kaufen. Dafür leiht die Bank einem dann das nötige Geld. Man muss natürlich bereit sein, seine anderen Wohnungen als Sicherheit mit ins Spiel zu bringen. Kein Risiko mehr für die Bank. Den Kredit, den man zurückzahlen muss, inklusive der anfallenden Zinsen, stottert der Mieter der Wohnung ab. Dafür muss er für lange Jahre seine Arbeitskraft am Arbeitsmarkt verhökern. Nach zwanzig Jahren gehört die Wohnung dem, der dafür weder eigenes Geld ausgegeben hat noch auch nur eine Minute gearbeitet hat. Das Geld kam von der Bank und die Rückzahlung erledigte der Mieter. Dazu opferte der viel seiner Energie, vielleicht sogar seine Gesundheit. Der Besitzer kann es sich leisten, eine Art Arbeitsloser auf höherem Niveau zu sein. Ist meistens sogar gut angesehen.“
Nach einer Weile, die Randy wie eine Ewigkeit vorkam, sagte der Sozialarbeiter: „Eine Wohnung wollen Sie also …“
„Genau, aber ich habe ja nicht mal das Geld für eine Mietkaution! Können Sie mir denn eigentlich gar nicht weiterhelfen?“
„Alles für den Arsch, wie?“ sagte Randys Kumpel Jimmy und nahm noch einen Schluck. Er schaute dabei auf den Blusenausschnitt der Kellnerin. Romy Tellus, eine alleinerziehende Mutter, arbeitete hier regelmäßig. Ihr Kind war tagsüber in einer Pflegefamilie. Das Gericht hatte ihr schon gedroht, dieser Familie das Pflegerecht zu übertragen, wenn sie immer nur arbeiten würde und nicht genug Zeit für ihr Kind aufbringen würde. Aber wie sollte sie es sonst ernähren?
Randy trank aus. Jetzt bestellte er die nächsten Biere. Auch Romy bot er einen Drink an. Ein schüchternes Lächeln war ihre Antwort. Randy wurde es warm ums Herz.
„Und wie ging das Gespräch mit dem Sozialarbeiter weiter?“
„Nach der nächsten Schweigepause, während der ich mich fragte, ob er überhaupt noch wisse, dass ich da bin, fuhr der Sozialfuzzi mit einer ganz merkwürdigen Bemerkung fort.“
„Wenn Sie kein lohnenswertes und realistisches Lebensziel haben, warum springen sie dann nicht einfach von der Brücke?“
Er würde es mir zwar nicht raten. Man könne nur wissen, dass bei einem gelungenen Selbstmord der Körper zerstört sei. Was aber, wenn die Gefühle die gleichen blieben, also die Seele weiterleben würde? Bis jetzt hätte noch keiner das Gegenteil bewiesen, aber man wisse, dass im Weltall keine Energie verloren ginge. Dann wären die innerlichen Schmerzen die gleichen, aber man hätte nicht einmal mehr einen Körper, um etwas dagegen zu tun!
Ich wollte das alles nicht hören, dachte plötzlich an unser Treffen hier und wollte mich verabschieden. Aber dann kam überraschend folgende Bemerkung: „Aber Sie haben Glück, Herr Mathieu!“
„Ach so ... wie meinen Sie das? Ich erlebe das eben nicht gerade so“, sagte ich.
„Zumindest was ihre Wohnsituation angeht, könnte ich was für Sie haben.“
„Und wie soll ich das bezahlen ...“
„Warten sie mal. Kennen Sie die Lebensgemeinschaft in der Wohnungsanlage Tetranthropos am Rande der Ortschaft?“
„Nö. Nie gehört!“
„Das sind drei Gebäude - jedes hat die Form eines Tetraeders - mit je vier Wohnungen. Und im Obergeschoss eines dieser Häuser ist eine Wohnung frei.“
„Tetra was?“
„Die Gebäude haben die Form von dreiseitigen Pyramiden. Diese geometrische Form nennt man Tetraeder. Etwas eigenartig für eine Wohnung, aber dort wohnen auch etwas eigenartige Menschen. Die haben gerade ein Inklusionsprojekt und möchten jemandem eine Wohnung zu einem sehr günstigen Tarif anbieten. Keine Kaution und in einer ersten Phase, bis Sie ein geregeltes Einkommen haben, könnte unser Amt Ihnen da unter die Arme greifen und die Miete übernehmen.“
„Und warum soll gerade ich mich zu diesen komischen Menschen gesellen?“
„Haben Sie eine Alternative?
„Eigentlich nicht ...“
So endete Randys Bericht.
„Darauf können wir doch einen trinken“, meinte Jimmy und bestellte die nächsten zwei Gläser und lächelte dabei Romy auf eine zweifelhafte Art an, … so wie wenn er noch mehr von ihr wollte als nur ein weiteres Bier. Randy bemerkte es und es gefiel ihm überhaupt nicht. Er aber sagte nichts, tat nur so, als ob er es nicht gesehen hätte.
„Diese Wohnanlage soll direkt am Waldrand liegen. So nah dran an der Natur, das gefällt mir. Dann kann ich mich oft im Wald aufhalten. Da zieht es mich hin, da kann ich mich frei bewegen, und es labert mich keiner blöd an.“
Randy fing an zu träumen und stellte sich seine zukünftige Wohnung vor. Da er ein Mann der Tat war, beschloss er, heute noch zu dieser komischen Wohnanlage zu fahren. Er wollte sich selbst ein Bild machen, bevor er dann mit dem Sozialarbeiter zum verabredeten Termin dorthin gehen würde. Er verabschiedete sich von seinem Kumpel Jimmy. Er zog seinen Mantel aus grünem Filz an. Grün war seine Lieblingsfarbe, die Farbe der Natur. Sein Kumpel wollte noch etwas bleiben und sich mit der Kellnerin beschäftigen.
„Halt mich auf dem Laufenden“, rief er Randy noch nach.
„Null Problemo“, meinte Randy.
Kurze Zeit später stand Randy am lokalen Busbahnhof. Er erkundigte sich nach einem Bus zur Wohnanlage. Zunächst war das nicht so einfach, weil er sich den komischen Namen nicht genau gemerkt hatte. Als er etwas von Pyramiden sagte, wusste der Mann am Schalter aber Bescheid und nannte ihm die Buslinie 7.
Der Bus sollte erst eine halbe Stunde später abfahren. Sollte Randy sich freuen? Konnte er nicht. Sollte er eine rauchen? Wollte er nicht. Sollte er jemanden anrufen? Aber wen? Er schaute den Menschen zu. Wie in einem Film schienen alle wie auf Schienen ihren Rollen zu folgen. Wenige mit einem Lächeln. Die meisten eher gehetzt. Er selbst hatte nicht wirklich Zugang zu seinem eigenen Gefühlszustand.
Dann endlich kam der Bus. Randy hatte eine Freifahrkarte, die ihm sein Sozialarbeiter organisiert hatte. Aber niemand fragte danach. Unterwegs schaute er sich seine Mitfahrer an. Fast alle waren in ihren Apparaturen versunken, entweder in Kopfhörer, die ihre Ohren schmückten, oder in Smartphones, auf denen ihre Finger herumklimperten. Randy war es sowieso nicht nach Konversation. Lieber schaute er sich die Landschaft an. Aber hier im Ortszentrum war nicht viel davon zu sehen. Eher Fastfoodbuden, aufgegebene Geschäfte, Bankfilialen oder Büros. Er träumte vor sich hin.
Plötzlich dachte er wieder an die Worte seines Sozialarbeiters. Er sollte die Wohnung im Rahmen eines Inklusionsprojektes oder so was erhalten. Keine Ahnung, was das bedeutete. Ein bisschen unheimlich wurde es ihm schon dabei. Auf was er sich da wieder einlassen musste, weil es die Behörde so wollte? Allerdings hatte er im Moment als „Arbeitsloser“ der unteren Skala keine wirkliche Alternative.
Arbeitslos .... arbeitslos war er eigentlich nicht. Er half vielen seiner Freunde mit seinen Fähigkeiten. Er tat dies so gut er halt konnte. Auch in seiner Herkunftsfamilie legte er immer wieder Hand mit an, trotz mancher Spannungen. Jedoch zu Hause fühlte er sich dort schon lange nicht mehr. Wenn Not am Mann war, war auf ihn Verlass. Nur einen Lohn gab ihm keiner. Er dachte an Haus-, Aktienoder Fabrikbesitzer, die nicht arbeiten mussten und trotzdem immer Geld hatten. Irgendetwas musste er falsch machen. Was genau, durchblickte er nicht.
Aber jetzt musste er aufpassen. Weit konnte es nämlich nicht mehr sein. Und da kam auch schon die Ansage. Er stieg aus. In Richtung Wald sah er gleich etwas wie eine Pyramide und stolzierte darauf los. In Bewegung fühlte sich Randy richtig wohl in seinem Körper. Wenn noch frische Luft und Natureindrücke dazu kamen, spürte er sich so wunderbar lebendig, trotz der Sorgen, die ihn plagten.
Dann stand er vor der Wohnanlage. Es waren drei Häuser in einer speziellen dreieckigen Form. Welches war wohl das Haus, in dem er vielleicht demnächst wohnen würde? Er näherte sich den Briefkästen. Es waren deren zwölf an der Zahl, sie waren in drei Reihen angeordnet und sie unterschieden sich durch ihre Farbtöne. „Human“ stand auf einem roten und „Frei“ auf einem gelben Briefkasten. Das Namensschild eines blauen Briefkastens war schon sehr in Mitleidenschaft gezogen. „...ich“ konnte er nur noch entziffern. Auf dem grünen Briefkasten war kein Name. War das vielleicht die leerstehende Wohnung? Dann gab es in der zweiten Reihe einen Kasten in Orange mit dem Namen „Luda“.
Bevor er weitere Namen entziffern konnte, öffnete sich die Tür des nächstgelegenen Hauses und eine Frau trat heraus. Sie sah freundlich aus, lächelte und wirkte irgendwie schelmisch. Sie war Randy sogleich sympathisch. Bevor er sich besinnen konnte, wurde er auch schon mit einem jovialen Wink begrüßt und gefragt, ob er Hilfe bräuchte. Randy dachte: “Oh ja, Hilfe brauche ich sehr viel.“ Er winkte zurück.
„Danke, es geht“ brachte er nur über die Lippen.
„Sind sie sicher?“ fragte die freundliche Frau.
Randy blieb zunächst stumm, aber als sie sich ihm weiter wohlgesinnt zuwandte, kam er heraus mit der Sprache:
„Ein Bekannter hat mir gesagt, hier gäb´s vielleicht eine Wohnung für mich. Er will in den nächsten Tagen mit mir hierherkommen. Dann werden wir sehen.“
Dass der Bekannte sein Sozialarbeiter war, das wollte er nicht sagen. Dafür schämte er sich.
„Wohnen Sie auch hier?“ traute er sich dann aber zu fragen.
„Ja, das tue ich“, war die Antwort. „Und wer hier wohnt kann sich glücklich schätzen, denn hier kann man Mensch sein. Übrigens mein Name ist Peili Luda. Ich wohne im obersten Stockwerk, im so genannten orangen Apartment.“
Sie zeigte Richtung oberes Stockwerk, das eine orangene Fassade hatte, wie Randy erstaunt feststellte.
„Ich bin der Randy“.
„Sehr erfreut, das klingt wie außer Rand und Band.“
Randy wusste nicht, wie Frau Luda das meinte. Dachte sie, er hätte keine Konturen oder würde niemandem zugehören? Das war ja auch nicht ganz falsch, aber wie hätte sie das wissen können? Wollte Frau Luda ihm einen Spiegel vorhalten? Randy war verwirrt. Aber dann dachte er: „Die muss was sagen. … Peili klingt nach verpeilt!“
„Was wissen Sie denn schon über unsere Wohngemeinschaft?“
„Eigentlich nur, dass eine Wohnung frei sein soll. Was mir sonst noch gesagt wurde, habe ich nicht so recht verstanden, außer dass es etwas speziell hier zugeht.“
„Aha! Speziell soll es hier zugehen? Wir sind eine Wohngemeinschaft …“
„Was heißt denn das?“
„Das bedeutet zunächst einmal, dass wir einige Dinge teilen und auch gemeinsam erledigen.“
„Und wer entscheidet, wer was tun soll?“
„Das tun wir gemeinschaftlich. Wir leben eine Art partizipativer Demokratie. Die Regina Gleich, die bei mir im Haus in der blauen Wohnung wohnt, wird Ihnen sicher mehr davon erzählen, wenn Sie zu uns ziehen. Sie engagiert sich für die dreigliedrige Volksgesetzgebung. Einer hat eine Idee, sie wird von allen Seiten beleuchtet, Vorund Nachteile werden erwogen, es wird diskutiert und dann wird entschieden. So in etwa läuft das bei uns.“
„Aha“ entfuhr es Randy, der dachte, dass die hier wirklich komisches Zeug veranstalteten.
„Wir können uns auch gerne duzen, also ich bin die Peili.“
„Gerne. Einverstanden, Peili.“
„Also, wenn du mehr wissen willst, Randy, setzen wir uns doch hier auf die Bank. Ich erzähl dir gerne von unserem Projekt.“
„Okay“, sagte er gespannt.
„Wie du siehst, besteht jedes Haus hier aus einer dreieckigen Pyramide, einem so genannten Tetraeder. Eine solche Pyramide besteht wiederum aus vier gleich großen Tetraedern, je einer in jeder Ecke. Also in unserem Falle, drei unten und eins oben. Dies ergibt die vier Wohnungen. Der Innenraum wird in jedem der drei Häuser als Gemeinschaftsbereich genutzt. Dort gibt es die Wasch- und Kochgelegenheiten, sowie den gemeinsamen Wohnraum.“
Randy war etwas erschrocken, als er das hörte, aber er ließ sich nichts anmerken.
„Ah! Wird denn immer zusammen gegessen? Und wer kocht?“
„Wir putzen und kochen gemeinsam und nehmen die Mahlzeiten auch zusammen ein. Dazu wird wöchentlich ein Arbeitsplan erstellt.“
„Ist das alles, wie soll ich sagen, kommunistisch geplant?“
Peili musste lachen.
„Nein, alles geschieht in Freiheit. Du musst dich halt nur frei für unsere Art des Zusammenlebens entscheiden.“
„Habe ich ´ne Wahl?“
„Ja sicher, Randy!“
„Das sieht mein Bekannter anders …“
„Wir nehmen hier nur den auf, der es selbst will und es uns auch glaubhaft mitteilt. Zwang darf es da keinen geben.“
Randy war sich da nicht so sicher, aber er hielt sich zurück. Musste denn immer alles so kompliziert sein? Er wollte doch nur eine Wohnung und seine Ruhe haben. Obwohl: so eine Peili um sich haben ...
„Warum lebt ihr denn so zusammen?“
„Da gibt es mehrere Gründe, Randy. Man kann allein leben, als Paar, in einer Familie oder aber in einer Gemeinschaft. Für letzteres haben wir uns entschieden. Zusammen ist man weniger allein. Mir gefällt dieses Zusammengehörigkeitsgefühl. Das Zusammenleben in der Gemeinschaft hilft auch persönliche Schwachpunkte zu erkennen und Ego-Spielchen zu durchschauen. “
„Darf jeder Besuch bekommen, wenn er möchte?“
„Natürlich. Jeder hier ist frei und eigenverantwortlich. In deiner Wohnung bist du der King, ich in meiner natürlich die Queen. … Ein weiterer Grund unseres Zusammenlebens sind die Werte, die wir teilen. Wir wollen möglichst natürlich und gesund leben. Dann liegt uns unsere menschliche Entwicklung sehr am Herzen … psychisch, sozial, spirituell. Da können wir uns gegenseitig befruchten.“
„Seid ihr denn ´ne Sekte?“
„Nein, überhaupt nicht. Wie schon gesagt, ist die individuelle Freiheit ein wichtiger Grundsatz hier. Auch finanziell organisieren wir uns anders. Und wenn ich das Wort spirituell gebraucht habe, heißt das, dass wir uns als Teil einer größeren Lebenswahrheit sehen. Deshalb meditieren wir auch regelmäßig.“
„Ich habe noch nie meditiert, das kann ich nicht.“
„Das ist überhaupt nicht schwierig, Randy. Du kannst es dir wie eine Entspannungsphase vorstellen.“
„Entspannung klingt cool.“
„Ich sag dir mal, wie ein normaler Tag aussieht.“
Randy nickte nur.
„Also, jeder steht so früh auf, wie er möchte. Allerdings treffen wir uns um acht Uhr morgens für die gemeinsame Morgenübung im Innenhof zwischen den drei Häusern, ein oktaedrischer Raum, der mit Glas überdeckt ist. Schön hell ist es da, besonders wenn die Sonne scheint. Man fühlt sich wie unter freiem Himmel. Es ist ein Wintergarten mit einem freien Platz in der Mitte. Wir nennen ihn auch den Lichtraum.“
„Morgenübung, was soll denn das sein? Klingt wie beim Militär“, dachte Randy. Der Gedanke an einen Wintergarten erfreute sein Herz jedoch.
„Frühstück nehmen alle Bewohner dort anschließend gemeinsam ein. Dabei werden praktische Dinge besprochen, die die gesamte Wohnanlage betreffen oder zumindest mehrere Bewohner angehen, besonders die organisatorischen Angelegenheiten.“
„Und muss niemand zur Arbeit gehen oder gibt es bei euch nur Arbeitslose?“
Peili lachte wieder.
„Nein, arbeiten tut jeder auf seine Art und Weise. So verabschieden sich drei der Bewohner nach dem Morgentreff und gehen zu ihrem Arbeitsplatz im Ort. Kushala ist Lehrerin in einer freien Schule. Dazu heißt sie auch noch Frei mit Nachnamen. Regina Gleich arbeitet halbtags als Juristin in der Verwaltung des Innenministeriums und teilweise in einer Bank. Widad Human ist Geschäftsfrau und führt den Zukunftsladen. Sie wohnen alle drei im Haus des Zusammenlebens im Erdgeschoss, auch Steinhaus genannt. Die grüne Wohnung darüber ist die, die frei ist.“
„Aha, das ahnte ich schon“, dachte Randy.
„Was machst du eigentlich, Randy?“
„Ich suche Arbeit. Am liebsten würde ich im Wald, in einem Garten oder irgendwo sonst in der Natur arbeiten. Aber im Arbeitsamt wiederholen die dauernd, es gäbe zurzeit in diesem Bereich nicht einmal eine befristete Sozialmaßnahme. Und für eine Festanstellung müsste man das Statut eines Gemeindearbeiters haben. Das geht aber anscheinend nur mit Beziehungen oder einer Parteikarte. Und Politik interessiert mich keinen Meter.“
Peili hakte nicht nach, weil sie sah, dass es Randy peinlich war, und erzählte einfach weiter.
„Im Haus des inneren Werdeprozesses oder Wasserhaus, wo ich im Obergeschoss wohne, lebt unter mir Cantara Morales. Sie ist Künstlerin und benutzt die gelbe Wohnung. Dann noch Nexus Moan, der Bauer, in der blauen. Er arbeitet ebenfalls außer Haus und führt den Zukunftshof. Seine Felder, Ställe und Schuppen liegen etwa einen Kilometer von hier entfernt draußen auf dem Land. Er beliefert das Geschäft von Widad Human. Auch wir beziehen einen Großteil unserer Nahrungsmittel von ihm. Volo Bourgeois ist Tantrikerin. Sie lebt in der roten Wohnung und hat dort auch ihre Praxis.“
„Was macht sie?“
„Das erzählt sie dir am besten selbst“, sagte Peili und kniff ein Auge zu.
„Da bin ich aber gespannt“, dachte Randy skeptisch.
„Von den Bewohnern im Haus des Seins, dem Weinhaus, erzähl ich dir später, wenn du zu uns kommst.“
„Wieso so geheimnisvoll?“, fragte sich Randy.
„Ich will dir aber gern noch unser weiteres Tagesprogramm schildern. Die, die in der Gemeinschaft bleiben, besuchen wenn möglich die Morgenmeditation im Haus des Seins. Anschließend gehen sie vor und nach dem gemeinsamen Mittagsessen ihrer persönlichen Arbeit nach oder erledigen praktische Tätigkeiten im und ums Haus. Dazu gehört das Kochen, die Vorbereitung des Essraumes, das Abwaschen sowie das Putzen und die notwendigen kleinen Reparaturen. Für die auszuführenden Arbeiten erstellen wir immer unser Wochenprogramm. Jeder nimmt auch mal eine Pause für persönliche Belange. Um sechs Uhr abends, wenn normalerweise alle wieder zuhause sind, gibt es eine weitere Meditation. Danach dann Abendessen. Austausch über interessante Dinge des Tages sowie den Tagesrückblick machen wir anschließend, manchmal auch einen Themenabend, kulturelle Beiträge oder wir feiern ein Fest.“
Letzteres könnte noch okay sein, aber Meditation, Themenabend …, das zu hören, begeisterte Randy nur mäßig. Wann würde er dann mit den Kumpels auf ein Bier gehen können und ein bisschen herumhängen? Besuch war ja erlaubt, aber ob auch mal ein Mädel bei ihm übernachten durfte, wagte er nicht zu fragen. Alles schien hier etwas heilig.
„Wir glauben, dass jeder Mensch Fähigkeiten mitbringt. Die gilt es zu entdecken, zu schulen und Verantwortung zu übernehmen für sein Tun. Das tun heute viele Menschen nicht so gern. Sie werden lieber geführt und ärgern sich dann aber dauernd über ihre Führer. Manche ziehen es anscheinend vor, unfrei zu sein.“
In Randys Kopf tauchte ein Lied auf, das er vor langer Zeit gehört hatte. Der Text lautete:
„Rundfunk, Fernsehen und Presse,
informieren nur im Interesse,
von Kirche, Staat, Konzernen.
Und selbst, was wir in der Schule lernen,
wird von dieser Macht gelenkt,
damit ja keiner selber denkt.“
Peili dachte an Kushala, die ihr kürzlich von Immanuel Kant erzählt hatte. 1784 hatte der geschrieben: “Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen, dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es Anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt, usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen.”
Auch über Schiller hatte Kushala gesprochen, der zeitgleich geschrieben hätte, dass die meisten Menschen froh darüber seien, dass sie der sauren Mühe des Eigendenkens enthoben sind. Lieber ließen sie sich in ihrem Denken von anderen bevormunden. Und wenn sich doch in ihrem Denken ein höheres Streben rege, dann griffen sie durstig und gläubig nach den Formeln, die Staat und Kirche hierfür bereithalten. Das Dämmerdunkel unklarer Begriffe, in dem man sich wohlig fühlen und beliebige Phantasiebilder ausmalen kann, zögen sie den Lichtbildern der Wahrheit vor.
Peili erwachte aus ihren Tagträumen, als Randy beherzt sagte: „Das bin ich nicht.“
„Gut“, sagte sie, „übrigens kriegt jeder hier ein bedingungsloses Grundeinkommen, aber dazu ein andermal mehr.“
Da hätte Randy gern gleich mehr gewusst. Hatte er da richtig gehört? Na ja, er war sich noch nicht einmal sicher, ob er kommen wollte und auch durfte.
„Vielleicht sehen wir uns ja demnächst wieder. Einen schönen Tag noch, Randy.“
Weg war Peili. Aber die Frau schien irgendwie ganz okay. Von der äußeren Erscheinung her fand Randy sie so halb Frau, halb Mann.
Er wollte jetzt nicht weiter die Anlage inspizieren, sondern das schöne Wetter nutzen, um den nahe gelegenen Wald zu besuchen, seine Bäume, Tiere und Gewässer. Und das tat er dann auch sogleich.
„Guten Tag. Ich rufe vom Sozialamt bezüglich der leerstehenden Wohnung an. Wissen Sie da Bescheid? Ich hätte noch ein paar Fragen dazu.“
„Ja, hier ist Peili Luda. Was möchten Sie denn wissen?“
„Frau Luda, ich möchte mich über ihr Integrationsprojekt informieren. Ich hätte eventuell einen Interessenten, aber eigentlich weiß ich zu wenig darüber. Könnten Sie mir da behilflich sein?“
„Gerne. Sie möchten sicher mehr über unsere Grundsätze und Aufnahmekriterien erfahren? Und ob es für ihren Klienten passend sein könnte bei uns einzuziehen?
„Genau.“
„Also, die Anlage heißt Tetranthropos. Wie sie wissen, heißt Tetra auf Griechisch vier und Anthropos Mensch.“
„Das weiß ich.“
„Aber wissen sie auch, warum die Wohnanlage so heißt?“
„Nein, natürlich nicht. Aber ich nehme an, Sie klären mich jetzt auf.“
„Unser methodisches Prinzip, von meinem androgynen Freund Amor und mir, ist seit der Gründung „from three to one“. Also wörtlich von drei zu eins. Für das EINE arbeiten auf allen Ebenen DREI zusammen. Und dieses EINE ist das VIERTE. Dieses Vierte ist das gemeinsame Anliegen oder das Ziel. Daher das Tetra. Also abgekürzt 134“, fügte Frau Luda mit schelmischem Unterton dazu.
Der Herr vom Sozialamt konnte natürlich nicht wissen, dass Peili die Rolle der Närrin in der Wohngemeinschaft innehatte. Er wunderte sich sehr über diese ungewöhnlichen Ausführungen, die für ihn unverständlich waren.
„Mal langsam. Welche drei meinen Sie denn da?“
„Alles im Universum folgt dem Gesetz der Drei. Wenn zwei Elemente des Universums in Beziehung stehen, bewusst oder unbewusst, ergibt es deren drei. Das eine, das andere und deren Beziehung. Soweit klar?“
„Hmmm, … das ist jetzt wirklich sehr philosophisch.“
„Oft stellt das verbindende Denken die Beziehung zwischen zwei Gegebenheiten her, dank vermittelnder Begriffe, und ermöglicht so die Ein-Sicht.“
„Eigentlich habe ich in zehn Minuten eine Konferenz. Ich möchte nicht unhöflich sein ...“
„Ja ... Sie, die Konferenz und deren Vorspiel. Sie sind mit ihren Gedanken schon im Voraus bei dieser Konferenz, die wiederum auf sie wartet“, sagte Peili. Und er konnte ihr Lächeln erahnen.
Dann fuhr sie fort: „Der Mensch ist ein dreigliedriges Wesen. Und zwar auf drei Ebenen: der sozialen, also der gesellschaftlichen, dann der inneren persönlichen und schlussendlich der transpersonalen, geistigen Ebene. Wenn auf der jeweiligen Ebene die drei Glieder zusammenarbeiten für das gemeinsame Ziel, dann erfährt der Mensch seinen wahren Lebenssinn. Und das Lebensziel heißt auf allen drei Ebenen: Liebe.“
„Okay, Frau Luda, klingt alles sehr nobel und gut durchdacht. Ich verstehe ... oder vielmehr, ich stehe wie gesagt unter Zeitdruck, und kann mich damit jetzt nicht gedanklich tiefer beschäftigen.“
„Es geht auch gar nicht so sehr um das Verstehen allein, sondern um das ganzheitliche Erleben, das Fühlen, das Wollen, das Spüren ...“
„Eigentlich müsste ich schon weg sein ...“
„Ja, die Zeit. Wie weggefressen wird sie oft erlebt ...“
„Das haben wir den Kapitalisten zu verdanken! Zwanzig Arbeitsstunden im Durchschnitt wären eigentlich schon lange angebracht. Maschinen wurden erfunden, Optimierungsprinzipien entwickelt. Aber das hilft nichts, solange sich der exponentielle Zinsmechanismus entfaltet und alle Arbeitenden und Konsumierenden dem unwiderstehlich erliegen. Und dies damit Reiche, die es eh nicht brauchen, noch reicher werden. Sie können mit dem ganzen Geld gar nichts mehr konsumieren und spielen nur noch damit. Und mit ihren Geldspielen, die schon über 90% der Geldflüsse darstellen, machen sie unsere ganze Realwirtschaft kaputt. Und wir hetzen weiter zum Überleben.“
„Aber hallo! Jetzt sind Sie aber der Philosophierende, und ich dachte, Sie müssten zu ihrem Termin.“
Schon wieder hatte sich der Sozialarbeiter bei diesem seinem Lieblingsthema ereifert. Das hatte ja bereits Randy erlebt. Außerdem war er auch genervt. Er wusste nicht, ob Frau Luda es ernst meinte oder sie sich über ihn lustig machte. Ihr Name passte jedenfalls zu ihrer Art. Luda heißt nämlich Narr oder Närrin auf Kroatisch. Das wusste er, war sein Bruder doch mit einer Kroatin liiert. Er war heilfroh als Frau Luda ihm sagte, er könnte gern nach der Konferenz noch mal anrufen. Sie wäre bis auf Weiteres zu erreichen. Er hetzte los.
Peili schaute zum Fenster hinaus, erfreute sich an der Sonne. Was für ein Geschenk! Diese Sonne war pure Liebe. Sie verschenkte sich einfach. Dann dachte sie an Amor. Was es dem Herrn am Telefon wohl gesagt hätte?
Etwa zwei Stunden später klingelte das Telefon erneut. Das konnte nur der Herr vom Sozialamt sein.
„Ich bin es wieder und jetzt habe ich keinen Druck. Jemand hat gerade seinen Termin abgesagt. Danke Frau Luda, dass sie sich weiter Zeit für mich nehmen.“
„Ich nehme keine Zeit, ich kriege sie geschenkt. Aber gut. Wir waren bei der Liebe als Lebensprinzip stehen geblieben. Ich glaube, ich habe Ihnen von den drei Ebenen und deren jeweiligen drei Gliedern erzählt. Unsere Anlage besteht aus drei Häusern, dem Steinhaus, dem Wasserhaus und dem Weinhaus. Das Steinhaus, das Haus mit der freien Wohnung, nennen wir auch Haus des Zusammenlebens. Eine weltzentrische Perspektive, statt einer egoistischen oder nationalen für das gesellschaftlich-soziale Zusammenleben aller Menschen, erscheint uns ein wichtiges Ziel für die Zukunft. Dieses Haus soll eine Denkwerkstatt in diesem Sinne sein.“
„Jetzt fängt sie schon wieder an“, dachte der Sozialarbeiter und kam ins Schwitzen.
„Ich wollte mich eigentlich nur erkundigen, ob die Wohnung noch immer frei ist. Aber das haben sie ja eben gesagt, nicht wahr?“
„Sicher, die grüne Wohnung ist noch zu haben. Wie Sie vielleicht wissen, besteht jedes Haus aus drei Wohnungen im Erdgeschoss, einer gelben, blauen und roten. Diese stellen die Ideale der französischen Revolution dar, also Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Vor zwanzig Jahren hätte ich Geschwisterlichkeit gesagt, aber jetzt finde ich, dass Menschlichkeit der treffendere Begriff ist, denn Blutsverwandtschaft kann kaum der letzte Entwicklungsschritt sein ... “
Der Herr am anderen Ende der Leitung unterbrach Peili mit der Frage: „Waren da nicht vier Wohnungen in jedem Haus?“
„Genau, drei ebenerdig und eine im Obergeschoss. Die Obergeschosswohnungen sind orange, weiß und grün gekennzeichnet. Grün zum Beispiel als Farbsymbol für die fruchtbare Natur.“
Diese Erläuterungen interessierten den Anrufer recht wenig. Er wollte keine Revolution, sondern nur eine Wohnung für seinen Klienten.
„Ich habe noch keine Wohnung von innen gesehen. Sind sie eher für Einzelpersonen gedacht oder für Familien? Wohnen auch Kinder in der Wohnanlage?“
„Die Wohnungen sind für Einzelpersonen konzipiert. Kinder wohnen keine bei uns.“
„Und das Sozialamt erhält die Wohnung ohne Kaution zu einem Vorzugtarif?“
„Wenn Sie folgende Rätselfrage lösen, werden die ersten drei Monate für ihr Amt sogar kostenfrei sein.“
„Da bin ich aber gespannt.“
„Der Innenhof der Gesamtwohnanlage besteht aus einem Oktaeder. Was könnte der Grund dafür sein? Meditieren Sie mal über die Bedeutung dieser Tatsache und … “
„Wissen Sie, ich glaube, das Sozialamt ist gar nicht so arm. Wir zahlen lieber von Anfang an. Bevor wir einen Besichtigungstermin abmachen, könnten Sie mir aber vielleicht noch dabei helfen, wie ich dem Interessenten das Projekt kurz und leicht verständlich nahebringen könnte?
„Also, Sie möchten es sich einfach machen, das Rätsel nicht lösen und mich dann auch noch ihr Gespräch mit dem Klienten vorbereiten lassen. Also, Amor und ich beschlossen das „Projekt Mensch“ zu planen. Die Grundidee ist, Bedingungen zu schaffen, um den Menschen in unserer Gemeinschaft die volle Entfaltung zu ermöglichen. Origami at its best live. All ihre Potentiale unter Einbeziehung sämtlicher Dimensionen ihres In-der-Welt-Seins zur Blüte zu bringen. Ihr Klient wird es sicher verstehen.“
„Ich verstehe … öh ... wieviel Bewohner zählt die Wohngemeinschaft eigentlich?“
„Wenn wir vollzählig sein werden, zwölf. Diese Zwölf sind so ausgewählt, dass sie die Hauptdimensionen eines jeden Menschen darstellen.“
„Und welche Rolle spielt mein Klient dabei?“
„Dazu komme ich gleich.“
Es dauerte etwas, dann fuhr Peili Luda fort:
„Amor bringt die Energie und die Voraussetzung mit, das Projekt zu einem guten Ende zu bringen. Es hat eine Art Anschluss an die Universalquelle.“
Der Herr vom Sozialamt fragte sich spätestens jetzt, ob er nicht besser eine andere Wohnung suchen sollte. Was die für einen esoterischen Unsinn redete! Und dann dieser androgyne Amor?! Daran wollte er gar nicht denken. Aber er wusste auch, wie selten solche Gelegenheiten für mittellose Menschen wie Herrn Mathieu waren. Er ließ also Frau Luda einfach weiterreden.
„Amor wollte von Anfang an zwölf Wohnungen, also drei Häuser mit je vier Einheiten. In dem Haus des Seins wohnt es zusammen mit Joseph Platon, Kena Universalis und Georg Eros. Vielleicht kennen Sie ja eine dieser Personen?“
„Nein, nicht dass ich wüsste.“
Vorher war die Rede vom Stein-, Wasser- und Weinhaus, jetzt gab es auch scheinbar noch ein Seinhaus, aber das war dem Sozialarbeiter mittlerweile egal.
„Die drei Mitbewohner in meinem Haus, dem Haus des Werdens, wurden so ausgesucht, dass sie sich für persönliche innere Themen interessieren. Sie sollten Freude daran haben, sich individuell weiter zu entwickeln, bewusster zu werden. Sie sollten Gefallen daran finden, Projektionen auf ihre Umwelt und ihre Schattenseiten zu minimieren.
Darüber hinaus sollen sie noch untereinander klarkommen, um dem Ideal der inneren Einheit näher zu kommen und auf diese Art bereit sein, den Weg der wahren Liebe zu gehen. „3 zu 1“, drei für das eine Ziel, nämlich das Persönliche in den Dienst der Essenz des Lebens zu stellen.“
Auch das alles war dem Sozialarbeiter egal. Er traute sich aber nicht mehr, die Frau in ihrem Redeschwall zu bremsen. Er hatte inzwischen seine dritte Kippe angezündet und revanchierte sich nur mit der Bemerkung:
„Das müssen drei Heilige sein, oder?“
„Sie haben verstanden“, antwortete Peili Luda, ohne einen ironischen Unterton zu verbergen. „Genauso wie die Bewohner im Haus des Zusammenlebens. Hier finden sich Menschen zusammen, die sich für gesellschaftlich-soziale Themen interessieren. Auch hier ist Zusammenhalt und Zusammenarbeit ein Ideal. Dreigliederung im sozialen Organismus könnte man sagen oder das soziale Gesamtkunstwerk, wie es unsere Mitbewohnerin Kushala immer zu nennen pflegt.“
„Ui, ui, ui … aber wie stellen Sie sich das Profil des Vierten, des neuen Mitbewohners, vor? Heilige oder Übermenschen kann ich leider nicht vermitteln.“
Peili seufzte genervt, konnte sich aber ein Kichern nicht verkneifen: „Keine Sorge! Wir wollen dort einen ganz normalen Menschen inkludieren. Deshalb haben wir uns an das Sozialamt gewandt. Er oder sie braucht keinen speziellen Idealen, Interessen oder spezifischen Voraussetzungen zu genügen. Soll ganz einfach seine instinktiven, körperlichen und psychischen Bedürfnisse ausleben. Gerne ein einfacher, materialistischer Zeitgenosse, der unbewusst seinen Gelüsten folgt. Er darf von der Gesellschaft zum Konsumieren und Reagieren erzogen worden sein, so wie viele seiner Mitmenschen. Wir glauben aber an oft verborgene und unentdeckte, gar absichtlich nicht geförderte Potentiale in jedem Menschen, an seinen positiven Wesenskern und seine Liebesfähigkeit. Wir sehen uns als eine Art Geburtshelfer, diese zum Leben zu erwecken.“
„Sie möchten einen Kandidaten, an dem sie als weiter Fortgeschrittene Entwicklungshilfe leisten können?“
„Sie meinen, wir suchen ein Versuchskarnickel?“
Das haben Sie jetzt gesagt.“
„Es soll eine Win-Win Situation sein, er oder sie lernt von uns und wir von ihm oder ihr.“
„Wie elegant formuliert!“
„Das möchte ich hoffen. Wie heißt ihr Kandidat denn?“
„Randy Mathieu.“
Nachdem ein Vorstellungstermin gefunden worden war, an dem der Sozialarbeiter mit seinem Klienten vorbeikommen würde, war ersterer heilfroh, dass er das Gespräch überstanden hatte. Ihm brummte der Schädel. Es war schwieriger gewesen, als mit dem schlimmsten seiner Klienten.
Randy hing in Jimmys Wohnung herum. Der war nicht da, seine Freundin auch nicht. Er hatte nicht so richtig was vor, er wartete vor allem auf einen Anruf von seinem Sozialarbeiter. Leider war der Akku seines Handys leer und er fand das Aufladekabel nicht. Es war nämlich nicht sehr ordentlich in Jimmys Wohnung. Sein zweites Handy war gesperrt, weil er den Zahlungsaufforderungen nicht nachgekommen war. Er saß also dort und klimperte auf einer alten Gitarre, die ´rum stand. Sie war zwar zerkratzt, aber noch waren alle Seiten vorhanden. Er versuchte sich an einem Song von seinem Jugendidol, dem irischen Gitarristen Rory Gallagher. All seine Lebensträume, die er einmal gehabt hatte, schienen eine Million Meilen entfernt zu sein. Davon handelte der Song. Da kam Jimmy herein.
„Du, Randy, es ist ein Brief für dich in meinem Briefkasten angekommen. Ich glaube, es ist was vom Sozialamt. Da hattest du doch die Adresse von hier angegeben, oder?“
Randy sprang schnell auf und öffnete den Brief.
„Scheiße. Es ist die Einladung für das Gespräch in der neuen Wohnung.“
„Wann?“
„Am zwölften um sechszehn Uhr. Der wievielte ist denn heute?“
„Der zwölfte.“
Und wie spät ist es?“
„Viertel nach zwei.“
„Dann muss ich ja gleich hin ...“
„Glück gehabt ...“
Randy zog seine grüne Filzhose an, dazu die Jacke mit den vielen Reißverschlüssen. Und schon war er unterwegs.
Als er in der Wohnanlage ankam, erkannte er sofort Frau Luda, die schon mit seinem Sozialarbeiter auf ihn wartete.
„Schön, Sie zu sehen“, sagte Frau Luda.
Duzen wollte sie Randy heute nicht. Sie hatte nämlich dem Sozialarbeiter nicht erzählt, dass sie Randy schon mal hier getroffen hatte. Vielleicht wäre es Randy nicht recht gewesen. Randy nahm an, dass sie „offiziell“ rüberkommen wollte.
„Ich soll Ihnen die Wohnung zeigen. Es hat sich zufällig ergeben, dass die drei Bewohner des Hauses mit der freien Wohnung heute alle da sind. Sie haben eine Versammlung einberufen, um ein gemeinsames Projekt zu besprechen und sind einverstanden, dass wir hinkommen. Wir können gerne zuhören, wenn wir möchten. Ist das o.k. für Sie?“
„Ja, ja“, stammelte Randy, was hätte er auch sonst sagen sollen.
Kurz danach waren sie im gemeinsamen Wohnzimmer im Haus des Zusammenlebens. Die Bewohner, drei Frauen, deren Namen Randy vergessen hatte, schienen ihr Treffen gerade begonnen zu haben.
Sie schauten sich den Neuankömmling an. Er schien ungefähr Mitte zwanzig zu sein. Sie waren alle etwas älter. Cantara war die Jüngste in Tetranthropos mit ihren siebenundzwanzig Jahren. Sie sahen einen jungen Mann von mittlerer Statur, eher drahtig, mit langen blonden Locken. Seine Kleidung war etwas abgetragen, aber er selbst wirkte gepflegt. Randy legte, anders als einige seiner Kumpel, viel Wert auf Hygiene. Gewaschene Haare und saubere Fingernägel waren für ihn selbstverständlich. Er hatte große braune Augen, eine klassische Nase und einen erotischen Mund. Sein Kinn war markant. Ein Skorpion-Tattoo schmückte ein Handgelenk, am anderen trug er eine grobe Kette mit einer weißen Schlange. Obwohl er mit wachem Blick die Anwesenden musterte, wirkte er gleichzeitig etwas schüchtern und zurückhaltend. Dies machte ihn sofort sympathisch für die Frauen.
Man bat Randy und seine zwei Begleiter, sich einfach zu ihnen zu setzen. Eine Frau teilte Zettel aus. Auch die neu Dazugekommenen erhielten eine Kopie.
„Das ist das aus unseren Vorbesprechungen entstandene Papier, das wir als Drehbuch einer zukünftigen Gesellschaft bezeichnen könnten.
Ihr seht die drei bekannten Spalten: die Freiheitsspalte mit der gelben Kulturzelle, die Gleichberechtigungsspalte mit der blauen Staatszelle und die Solidaritätsspalte mit der roten Wirtschaftszelle.
Heute durchdenken wir die schwarzen Zeilen des Diagramms. Das Individuum in der Gesellschaft und die Ideale. Beim nächsten Treffen wird Regina uns dann die dritte, die graue Zeile näherbringen, bei der es um die Rolle des Geldes in der Gesellschaft geht. In der übernächsten Sitzung wird uns Widad Konzepte für Handlungen und Taten in der Zukunft vorstellen, wie sie beispielhaft in der vierten Zeile dargestellt sind. Dann kann es mit der Inszenierung losgehen.
Aber wenden wir uns doch erstmal unseren Gästen zu …“
Der eine wartete geduldig, zumindest dem Schein nach, der andere schien nervös, gar überfordert.
Der Sozialarbeiter stellte sich vor und sagte dann:
„Herr Mathieu, der mit mir gekommen ist, ist sehr an ihrer freien Wohnung interessiert. Nicht wahr, Herr Mathieu?“
Der nickte nur etwas verlegen. Erst dieser unverständliche Zettel, die vielen Worte, die wie graue Wolken an ihm vorübergezogen waren und schlussendlich diese fremden Leute, mit denen er vielleicht bald leben sollte. Er fühlte sich zusehends angespannt.
„Und wie heißen Sie mit Vornamen?“ fragte eine Frau, die sportlich angezogen war. Alles in verschiedenen Blautönen, wie Randy feststellte.
„Ich? Ich bin der Randy, nennen Sie mich einfach Randy, o.k.?“
„Wie Sie möchten, Randy. Ich bin die Regina. Seien Sie, das heißt … sei willkommen Randy.“
Randy bemerkte ihre tiefblauen Augen. Die hatten was.
Die Frau, die anfangs gesprochen hatte und die sich noch nicht vorgestellt hatte, wandte sich an die Besucher:
„Ich heiße Kushala Frei und bin von Beruf Lehrerin. Mein Hauptinteresse ist der Kulturbereich der Gesellschaft im weitesten Sinne. Individuelle Freiheit, Kreativität, geistiger Erkenntnis- und Informationsfluss und Themen wie Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung, Selbstverwaltung liegen mir am meisten am Herzen. Frau Gleichs, also Reginas Hauptinteresse ist das Rechtsleben, das primär im Staatswesen geregelt wird. Insbesondere interessiert sie sich für den Zusammenhang von Geld- und Demokratiefragen. Widad Humans Passion ist eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft, ein Bereich, in dem sie auch beruflich tätig ist. Und wir versuchen herauszufinden, wie diese Bereiche sich im gesamten Sozialorganismus sinnvoll ergänzen könnten, um ein sinnvolles, friedliches und gesundes Leben zu ermöglichen.“
Randy hörte zwar zu, fühlte sich jedoch etwas verloren und verstand nicht allzu viel. Er kam sich vor wie in einem merkwürdigen Film und musste ein Gähnen unterdrücken. Er fragte sich, was er hier machte, nein, er wusste, er wollte eine Wohnung. Aber wann konnte er diese endlich besichtigen? Ein bisschen musste er sich anscheinend noch gedulden.
„Lieber Randy“, fuhr Frau Frei fort: „Sie haben sicher gehört, dass wir hier ein Inklusionsprojekt initiiert haben, und dabei könnten Sie eine wichtige Rolle spielen. Allerdings müssten Sie bereit sein, regelmäßig an unseren Versammlungen teilzunehmen.“
„O je“, dachte Randy, „das fängt ja gut an“.
„Sie hätten dabei eine spezielle Funktion. Wir würden Ihnen hie und da Fragen stellen und Sie müssten uns aus dem Bauch heraus ihre Meinung dazu mitteilen. Diese Informationen wären sehr wichtig für uns. Bedenken Sie, dass Sie als Gegenleistung für ihr Einverständnis die Wohnung zu sehr vorteilhaften Bedingungen erhalten, wenn Sie diese denn möchten. Die Details werden wir Ihnen dann noch erklären.“
Randy dachte wieder an dieses Grundeinkommen, von dem Peili gesprochen hatte, traute sich aber nicht nachzufragen. Er schaute sich diese Kushala etwas genauer an. Schon der Name kam ihm seltsam vor. Dass Kushala Blume heißt, wusste er da noch nicht. Und wenn, hätte er gedacht, dass es eher eine vertrocknete sein müsste. Sie hatte ja auch erwähnt, dass sie Lehrerin sei. Sie sprach auch wie eine solche, nämlich eine Unmenge unverständlicher Wörter über uninteressantes Zeug. Er erinnerte sich an seine Schulzeit, wo man immer warten musste, bis die Lehrer ihren Redeschwall beendeten, wollte man nicht mit unangenehmen Konsequenzen rechnen. Kushala kam Randy eher männlich vor und er spürte keinerlei weibliche Attraktivität: braune gewellte Haare, Brille, eine gelbe Bluse und ein gelber Rock. Ihre Schuhe erinnerten ihn an die von Daisy Duck.
Frau Frei fuhr fort: „Ich habe einige Fragen an Sie, Randy. Sind Sie damit einverstanden?“
Was blieb Randy anderes übrig als ja zu sagen, vor allem da auch der Sozialarbeiter erwartungsvoll auf ihn schaute und nickte, als ob man ihn gefragt hätte.
„Ich bin ein Mensch und kann somit denken. Ich bin mir meiner selbst mehr oder weniger bewusst. So ist es doch auch bei dir, Randy?“
Was für eine komische Frage! Randy zögerte. Wie sollte er das wissen? So was hatte er noch nie gedacht. Er erinnerte sich daran, dass der Sozialarbeiter ihm von Anfang an gesagt hatte, dass die hier alle ein bisschen eigenartig wären. Das bewahrheitete sich nun voll und ganz. Am liebsten wäre er weggerannt, aber reflexartig antwortete er:
„Genau, ich bin nicht bewusstlos ...“
„Jedenfalls hat der Mensch das Potential zum Bewusstsein und zur Erkenntnis seiner selbst. Was ist sein Lebenssinn? Diese Frage ist sehr wichtig für das Menschsein ... Was ist ihr Lebenssinn, Randy?“
Und sie schaute fragend auf ihn.
„Manchmal finde ich alles ziemlich sinnlos...“
„Aber, wenn Sie ihre Bestimmung gefunden haben, dann wird das anders sein. Ich bin überzeugt, wir können Ihnen dabei helfen, insbesondere Frau Luda. Nicht wahr Peili?
Ich glaube, es ist für jeden Menschen unabdingbar, in Freiheit seine Kreativität zu entdecken und diese dann auch praktisch umzusetzen. Davon sind wir noch weit entfernt, aber für dieses Ziel setze ich meine ganze Kraft ein.“
„Was arbeiten Sie denn zurzeit?“ fragte sie an Randy gewandt.
„Öh … Im Moment bin ich auf der Suche ...“
„Was wäre denn ihr Traumjob?“
„Am liebsten möchte ich draußen arbeiten, in der Natur…“
„Wie wär’s denn, wenn Sie in unserer Wohnanlage als eine Art Gärtner tätig werden würden? Arbeit gibt es genug.“
Mit einem Schlag war Randy hellwach.
„Als Freizeitbeschäftigung?“
„Nein. Geld würde Ihnen zufließen, damit Sie überhaupt arbeiten können.“
Randy dachte, ob das wohl dieses mysteriöse Grundeinkommen sei. Wann würde er endlich mehr darüber erfahren?
An den Sozialarbeiter gerichtet, fügte Kushala Frei hinzu:
„Sie müssten sich darum kümmern, dass er vom Arbeitsamt, zumindest eine Zeit lang, freigestellt werden würde.“
„Geht in Ordnung, Frau Frei.“
Einige Zeit waren alle still. Randy bemerkte, dass Peili ihn liebevoll anschaute. Auch die blauen Augen Reginas waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet.
Widad Human, die bisher nichts gesagt hatte, wandte sich an ihn.
„Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn Sie mit uns wohnen wollten.“
„Echt?“ fragte Randy endlich und konnte es kaum glauben. Hatte er richtig gehört? Nichts hatte er und auf einmal sollte er Arbeit und Wohnung an einem Tag kriegen? Wie weggewischt waren die Gedanken, dass hier lauter Spinner wären, dass Frau Frei zu viel quatschte, ihn eher kalt ließ und dass er lieber in der Kneipe ein Bier bei Romy Tellus bestellen würde.
Frau Frei ergriff wieder das Wort: „Wir sind nicht nur denkende, sondern auch fühlende, das heißt in Beziehung stehende. Wir wollen in Frieden und mit gleichen Rechten unser Zusammenleben gestalten. Zu guter Letzt sind wir alle Bedürftige. In dem Punkt können wir einander solidarisch dabei helfen, zu geben und zu nehmen. Ein psychisch und physisch gesundes Leben, in dem wir unseren Lebenssinn erfüllen und für unsere Bestimmung arbeiten können, das streben wir doch alle an? Sie etwa nicht, Randy?
Randy dachte: „Jetzt klingt sie so wie früher unser Pfarrer“. Er hielt es aber für klug zu sagen: „Doch, doch. Ich werde arbeiten so gut ich kann.“ Und das meinte er wirklich.
Diese Antwort schien dann alle zufrieden zu stellen.
„Wollen wir jetzt die Wohnung anschauen gehen?“, fragte Peili.
Kurz danach besichtigte Randy mit ihr und dem Sozialarbeiter endlich das begehrte Objekt. Sie betraten den Innenraum zwischen den drei unteren Wohnungen des Steinhauses. Dort zeigte Peili ihnen die Sanitäranlage und die Küche. In dieser stand ein massiver Tisch und dazu passende Stühle. Eine eigenhändig getischlerte Sitzecke, auf die Peili mit Stolz hinwies, vervollständigte diesen gemeinsam benutzten Raum.
„Wo ist denn die Männerdusche?“, wollte Randy wissen.
„Hier gibt es nur ein Bad, und zwar für alle Menschen, die sich waschen wollen. Es gibt auch nur eine Küche und ein Unisex-Sofa …“
„Aha“, entfuhr es dem Sozialarbeiter, der etwas skeptisch zu sein schien.
In einer Ecke des Raumes befand sich die Treppe hinauf zu der Wohnung im ersten Stock. Nachdem Peili die grüne Eingangstür aufgesperrt hatte, sah Randy einen großen leeren Raum.
„Normalerweise schließt niemand seine Wohnung ab. Unsere Geheimnisse verraten wir uns einfach gegenseitig, das macht alles einfacher.“
Der Sozialarbeiter wollte etwas Witziges bemerken. Aber ihm wollte einfach nichts einfallen. Randy schaute umher. Zunächst fielen ihm die schiefen, nach oben strebenden Ecken auf, dann die großen Fenster und das einfallende Licht. Sehr schön. In einer der Ecken war ein Waschbecken.
Peili bemerkte, dass Randy dorthin schaute. „Warm- und Kaltwasser für den Herrn. Ganz praktisch, wenn man in der Nacht mal die Hände waschen möchte, aber nicht unbedingt einen Stock tiefer zum Bad runter möchte.“
„Das tu ich kaum“, meinte Randy, „ich muss nachts höchstens mal pinkeln.“
In der zweiten Ecke gab es eine Wendeltreppe.
„Dort geht es hinauf zum oberen Zimmer. Die meisten von uns benutzen diesen Raum als Schlafzimmer.“
„Dann sieht ein Besucher nicht gleich, wenn jemand sein Bett nicht macht“, witzelte der Sozialarbeiter.
Peili konterte: „Wir nehmen die Besucher meist mit ins Bett, mein Lieber.“ Sie zwinkerte Randy zu. Randy fand natürlich Peilis Kontra gelungener als den Spruch des Herrn vom Amt.
Randy kletterte hinauf und wusste sofort: „Hier will ich auch meine Schlafnische einrichten, richtig gemütlich.“
Toll fand er die pyramidale Zimmerspitze. Dort würde er mehrfarbige Spots anbringen. Er spürte die Freude in seinem Herzen und am liebsten hätte er Peili jetzt einen Kuss gegeben. Er hielt sich aber zurück. Die Wohnung gefiel Randy echt gut.
Voller Vorfreude unterschrieb er den Mietvertrag. Er erhielt sogleich die Wohnungsschlüssel, ebenso eine Liste mit den Telefonnummern der elf Bewohner. Nun stand nichts mehr dem baldigen Einzug im Wege. Randy konnte kaum glauben, wie schnell das plötzlich alles gegangen war. Er kannte diese Art von Schnelligkeit eher von negativen Erfahrungen. Momente, in denen seine Welt wie aus dem Nichts zusammengebrochen war. Er fühlte sich wie ein König und konnte sein Glück kaum fassen. Endlich einmal meinte das Leben es gut mit ihm.
Wieder in seiner provisorischen Bleibe angekommen, zog Randy seine bequeme Jogginghose an. Aber er war irgendwie rastlos. Ein innerer Impuls drängte ihn in seine Stammkneipe. Diese war fast leer. Am Tresen saß niemand. Er nahm dort Platz und sein Herz erwärmte sich, als er sah, dass Romy Dienst hatte.
„Was darf´s denn sein?“, fragte sie Randy mit einem freundlichen Lächeln.
„Egal …“
„Randy, was möchtest du trinken?“
„Mix uns was, womit wir zusammen anstoßen können. Ich will feiern.
„Was gibt es denn zu feiern, Randy?“
„Ich habe endlich eine eigene Wohnung und dazu noch eine Art Job.“
„Klasse, das freut mich für dich“, sagte sie, während sie die Drinks mixte.
Randy schaute sie genauer an. Romy Tellus hatte dunkle Augen und lange schwarze, gewellte Haare. Sie trug ein körperbetontes, schwarzes Kleid und High Heels. Ob das der Chef von ihr verlangte? „Ist doch unbequem, als Kellnerin so den ganzen Tag herum zu laufen“, dachte Randy. Aber es gefiel ihm trotzdem. Und wahrscheinlich nicht nur ihm. Ihr schwarzes Halsband mit der weißen Rose auf der Vorderseite forderte seine Aufmerksamkeit am meisten. Hatte dieser Schmuck eine spezielle Bedeutung? Hatte Romy ihn erworben oder geschenkt bekommen? Er kannte die Frau eigentlich kaum. Allerdings fand er sie schon immer weiblich und sexy. Er wusste, dass sie nicht auf den Mund gefallen war. Dass sie gerne tanze, hatte sie auch mal erwähnt ….
Während Randy weiter vor sich hin träumte, hörte er sie plötzlich sagen: „Na denn … Prost!“
„Prost, Romy!“
Randy spürte die Freude, Romy heute quasi für sich allein zu haben, vor allem ohne blödes Gelaber von seinem Kumpel Jimmy. Es wurde ihm warm um´s Herz.
„Wie kamst du denn zu dem Glück?“ fragte sie.
„Na ja, mein Sozialarbeiter hat das angeleiert. Und das Leben scheint mir einmal gnädig zu sein. Und wie läuft's bei dir Romy?“
„Ach, nicht so prickelnd, möchte am liebsten nicht drüber reden. Geht um meinen Sohn.“
„Du hast einen Sohn? Das wusste ich nicht. Gibt's denn was Schlimmes?
„Ja, ich hab´ wegen dem Job hier einfach nicht genug Zeit für meinen Kevin.“
„Hättest du Lust, irgendwann mit mir und ihm, an einem Sonntag, einen langen Waldspaziergang zu machen? Das täte uns allen gut und ich könnte ihm viel Interessantes zeigen.“
„Das wäre super, aber …“
Da wurde Romy von einem anderen Gast gerufen. Randy hing seinen Gedanken nach. Plötzlich erinnerte er sich, dass Frau Gleich ihm gesagt hatte, er solle sie heute wegen des Geldes anrufen. Gestern hatte sie keine Zeit gehabt, weil sie an der Hausversammlung teilnahm, während er die Wohnung besichtigte. Es ließ ihm keine Ruhe, dass er das nicht gleich vor Ort geklärt hatte. Musste er was zahlen, würden sie ihm was zahlen? Soweit er sich erinnerte, hatte jemand gesagt, sie kümmere sich um die Geldangelegenheiten in der WG; so glaubte er zumindest. Er ging zum Telefon im Gang des Lokals, nahm die Liste mit den Telefonnummern hervor, die er dort oben erhalten hatte und er hatte Glück. Sie war gleich am Apparat. In Gedanken sah er sie mit ihren schönen blauen Augen vor sich.
„Regina Gleich …“
„Hier der Randy. Ich sollte mich melden wegen dem Geld und habe da ein, zwei Fragen.“
„Gutes Timing, Randy. Bin nämlich auf dem Sprung. War gerade dabei, mich für eine Joggingtour fertig zu machen. Ich wollte im Stadtpark ein paar Runden drehen. Hast du keine Lust, mitzukommen?“
„Öh … ich weiß nicht, ich bin eigentlich eher ein Wanderer …“
„Wie du willst, ich könnte in fünfzehn Minuten am Marktplatz bei der Statue sein.“
„Okay, ich komme mit“, sagte Randy. Er hatte sowieso seinen Jogginganzug und Turnschuhe an, auch wenn die etwas ausgelatscht waren. Obschon er gern noch mit Romy geredet hätte, zahlte er und verabschiedete sich mit einem „Bis bald, Romy.“