Inhaltsverzeichnis
Unterwegs mit Dieter KatzDie Insel im ProfilUnterwegs auf NorderneyAnkunft und OrientierungInsel-ErkundungSpaziergangFahrradtourWanderung zum WrackNorderneys SträndeNordstrandWestbad (Weststrand)Weiße Düne (Oststrand)Oase-Strand mit FKK-Bereich und StrandsaunaHundesträndeAktiv auf NorderneyAngelnBeachvolleyballBouleFahrradfahrenGolfGymnastik/StrandsportInliner, Skates und LongboardMinigolfNordic Walking/JoggenReitenSegwayTennisWandernWattwandernWind- und Kitesurfen, Segeln, Wellenreiten, PaddelnWellness auf NorderneyNorderney mit KindernSchönwetter-ProgrammSchietwetter-ProgrammAuf einen BlickAusflügeJuistBaltrumLangeoogSpiekeroogNorddeichNachlesen & NachschlagenOstfriesische GeschichteDie NordseeKüstenschutzPlattdüütschÜbernachtenEssen und TrinkenFeste und VeranstaltungenNorderney von A bis ZAnreiseÄrztliche VersorgungBarrierefreiheitBusverkehrEinkaufenGästebeitrag (NorderneyCard)HundeInselrundfahrtenInformation im InternetInsel-WLAN/InternetKlima und ReisezeitLiteraturtippsStrandkorbvermietungSpielbankTaxiTouristeninformationZeitungen und ZeitschriftenÜber dieses BuchPräambelImpressumFotonachweisWas haben Sie entdeckt?Vielen Dank!Übersichtskarten und PläneZeichenerklärungNorderney (Insel) – ÜbersichtNorderney (Stadt) – ÜbersichtIndex
Alles im Kasten
Norderneyer BäderarchitekturWeltnaturerbe WattenmeerHeinrich Heine auf NorderneyVon der Postkutsche zum DampfschiffDie Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS)Schilf statt Ziegel: Dächer aus ReetBienenzucht auf NorderneyDer Retter des WelfenhausesDer Strandkorb – Freiluftsofa in steifer BriseFriesensport: Boßeln und KlootschießenThalasso – Heilung durch die Kraft des MeeresDer BaltrumwalDer goldene Ohrring der SeeleuteDie Weihnachtsflut von 1717Das „Who’s who“ des 19. JahrhundertsBaden anno dazumalSchaum? Algen!Der Wolf auf NorderneyBlau, Weiß, Schwarz – die Farben NorderneysWindkraftanlagenKrabben an der Costa GranataOstfriesische TeezeremonieSanddorn – das Vitamin-C-Wunder der DüneninselDie Beaufort-SkalaDer Feldmarschall und das GlücksspielVom Piratensender zum Inselradio
Kartenverzeichnis
NationalparkzonenNorderney SehenswertesNorderney mit KindernAusflügeJuistBaltrumLangeoogSpiekeroogNorddeichZeichenerklärungNorderney (Insel) – ÜbersichtNorderney (Stadt) – Übersicht
Unterwegs mit
Dieter Katz
Dieter Katz, Jahrgang 1964, studierte Wirtschaftswissenschaften, Erziehungswissenschaften und Ethik. Der promovierte Pädagoge und begeisterte Fotograf hat - erst familiär erzwungen, dann aus Leidenschaft - jeden Sommer seines Lebens an den deutschen Küsten verbracht. Neben dem vorliegenden Buch hat er für den Michael Müller Verlag auch Reiseführer zu Ostfriesland, Föhr & Amrum, Fehmarn sowie zu Schleswig-Holsteins Nord- und Ostseeküste geschrieben.
Was macht den Reiz von Norderney aus? Kurz gesagt: Norderney, das ist Nordsee pur - zur offenen See hin ein traumhaft weiter Strand, an dem es fast immer eine ansehnliche Brandung gibt; zur ruhigen Wattseite hin Salzwiesen, die langsam ins Wattenmeer übergehen. Und nicht zu vergessen der besondere Klang der Insel - das Rauschen des Meeres, das Kreischen der Möwen und das Pfeifen des allgegenwärtigen Windes.
Zugegeben, all das bieten die benachbarten Inseln auch. Dennoch ist Norderney für mich etwas Besonderes, ist die Insel anders als ihre Schwesterinseln: Mich fasziniert der Kontrast zwischen Trubel und Einsamkeit, der Norderney so einzigartig macht; je nach Stimmung kann ich mich für die Betriebsamkeit der Shoppingmeile mit den vielen Straßencafés, die Einsamkeit einer langen Strandwanderung oder für grandiose Sonnenuntergänge an der Westküste entscheiden.
Besonders angetan hat es mir jedoch der Inselosten. Die lange Wanderung vom Ostheller durch die herrliche Dünenlandschaft vorbei an der aussichtsreichen Möwendüne bis zum Wrack gehört zum Pflichtprogramm meines Inselaufenthalts. Der Weg zurück am Flutsaum entlang ist dann ein unverfälschtes Thalasso-Erlebnis - und für mich letztlich das, wofür Norderney (auch) steht.
Was haben Sie entdeckt?
Haben Sie ein besonderes Restaurant, ein neues Museum oder ein nettes Hotel entdeckt? Wenn Sie Ergänzungen, Verbesserungen oder Tipps zum Buch haben, lassen Sie es uns bitte wissen!
Schreiben Sie an: Michael Müller Verlag GmbH | Stichwort „Dieter Katz, Norderney“ | Gerberei 19 | D - 91054 Erlangen oder per Mail an:
[email protected] | Betreff „Dieter Katz, Norderney“
Die Insel im Profil
Die Insel im Profil
Norderney ist ...
Norderney, das ist Nordsee pur - zur offenen See hin ein traumhaft weiter Strand, zur ruhigen Wattseite hin Salzwiesen, die ins Wattenmeer übergehen. Urwüchsige Natur also - und mittendrin ein kleinstädtischer Inselort, der sich sein mondänes Flair aus der Gründerzeit erhalten hat.
Ost-West-Ausdehnung: knapp 15 km
Nord-Süd-Ausdehnung: gut 2 km
Fläche: 26 km2, davon 70 % Dünengelände, 15 % Bebauung, 15 % Wald, Park oder Gartenland
6500 Einwohner in Norderney-Stadt, Siedlung Nordhelm und dem Oostland
Die Walter-Großmann-Düne ist mit 24,4 m die höchste natürliche Erhebung Ostfrieslands!
... die jüngste der Ostfriesischen Inseln
Norderney entstand erst zwischen dem 14. und 17. Jh., als die südlich des heutigen Juist gelegene Sandinsel Buise durch diverse Sturmfluten in zwei Teile zerbrach. Der westliche Teil verschwand nach und nach endgültig in den Fluten, der östliche Teil hingegen verzeichnete durch Sandanlagerungen immer größere Landgewinne und bildete ganz allmählich als norder neye oog (nördliche neue Insel) die heutige Insel Norderney. Wie alle Ostfriesischen Inseln schützt Norderney als eine Art natürlicher Wellenbrecher die nahe Küste und besteht im Wesentlichen aus Sand. Norderney ist also im Gegensatz zu seinen nordfriesischen Pendants (wie z. B. Sylt oder Amrum) kein von Sturmfluten verschonter Rest des Festlands.
... das älteste Nordseebad Deutschlands
Gegen Ende des 18. Jh. sprach sich der Heilerfolg englischer Seebäder auch an den deutschen Küsten herum. 1797 beschloss man daher, auf Norderney ein öffentliches Seebad zu errichten. Im 19. Jh. wurde die Insel Sommerresidenz des Hannoveraner Königshauses und damit zum mondänsten deutschen Seebad. Im 20 Jh. wandelte sich die Insel zum bürgerlichen niedersächsischen Staatsbad und hat sich im 21. Jh. mit derzeit jährlich fast 590.000 Übernachtungsgästen (und 260.000 Tagesgästen) zur meistbesuchten ostfriesischen Insel und zur führenden deutschen Thalasso-Insel gemausert.
... eine Insel voller Möglichkeiten
Einerseits ist Norderney-Stadt ein fortschrittliches Seebad, andererseits ver-sprüht es noch immer den Charme der Gründerzeit und pflegt das Image der Mondänität. Historie und Moderne existieren nebeneinander: Bausünden der 1960er- und 70er-Jahre stehen neben Gründerzeitbauten, sodass die Silhouette auf den ersten Blick eher an einen urbanen Küstenbadeort erinnert als an eine vergleichsweise einsame Insel.
Auf der einen Seite finden die Urlauber ein großes Kur- und kulturelles Angebot vor, das seinen traditionellen Ausdruck im mehrmals täglich vor dem Conversationshaus aufspielenden Kurorchester findet, andererseits ist man darum bemüht, eine Partyszene zu etablieren - zumindest ist Norderney mit einigen schönen Bars, Clubs und großen Musikveranstaltungen in Sachen Party eindeutig der Vorreiter unter den Ostfriesischen Inseln. Daneben gibt es Shoppingerlebnis und Strandgetümmel, aber auch herrliche, endlose Weite. Und ganz nebenbei mobilisiert das milde Reizklima mit seiner jod- und salzkristallhaltigen Luft die Abwehrkräfte und gilt als gesundheitsfördernd bei Atemwegsbeschwerden, Allergien oder Hautkrankheiten.
Nicht zuletzt ist das Inselpublikum kontrastreich. Norderney hat Platz für alle: Einerseits ist es ein typisches Familienbad und auch Insel der Ferien- und Schullandheime, andererseits zielen die Verantwortlichen vermehrt auf die gut betuchte Kundschaft (ohne Kinder) ab, für die vor allem im Nordwesten der Stadt exquisite Ferienresidenzen entstanden sind.
... eine Badeinsel
Der zentrumsnahe Westbadestrand, kurz Westbad genannt, ist vergleichsweise windgeschützt, allerdings wegen seiner Nähe zum Wattenmeer bei Flut auch relativ schmal. Bei Ebbe hingegen zieht sich das Wasser hier ein ganzes Stück zurück.
Echte Nordsee-Badefreuden kommen jedoch eher an der Nordküste Norderneys auf, die von einem über 14 km langen, zusammenhängenden und feinsandigen Strand mit satter Brandung gekrönt wird. Der lange Strand beginnt ca. 1 km vom Zentrum entfernt am sog. Nordstrand, der gleichzeitig Norderneys Hauptstrand ist. 4 km weiter östlich befindet sich der wunderbar weiche Sandstrand Weiße Düne, und noch einmal 2 km weiter liegt der Oase-Strand (mit FKK-Bereich).
Baden sollten Sie jedoch nur in den bewachten Badezonen, von denen jeder Strandabschnitt eine hat - natürlich finden Sie dort auch reichlich Strandkörbe.
Nicht verpassen!
Die lange Wanderung durch die herrliche Dünenlandschaft zum Wrackan der Ostspitze ist Pflichtprogramm. Auf dem Weg dorthin kommt man am 60 m hohen Leuchtturmvorbei, von dessen Aussichtsplattform ein grandioser Blick über die Insel garantiert ist.
Naturinteressierte sollten auf keinen Fall das auffällig gestaltete Nationalpark-Haus Watt Welten am Hafen verpassen, in dem alles Wissenswerte über das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer zeitgemäß präsentiert wird.
Und Freunde der Inselkultur und -geschichte sind bestens im Fischerhaus-Museumim Argonnerwäldchen aufgehoben.
Unterwegs auf Norderney
Ankunft und Orientierung
Man kommt per Schiff, schließlich fährt man auf eine Insel, und eine Brücke à la Fehmarn oder einen befahrbaren Damm à la Sylt gibt es nicht. Proviant einpacken müssen Sie aber nicht, die Insel ist festlandsnah und die Überfahrt kurz.
Badefeld am Detmolder Strand
Die Fähren verkehren unabhängig von den Gezeiten stündlich von Norddeich aus. Das sorgt für Betrieb und macht die über 200 Jahre vom Badeleben geprägte Insel nach wie vor zu einem wahren Touristenmagnet. Mit jährlich rund 590.000 Anreisen (und etwa 260.000 Tagesbesuchern) ist Norderney die meistbesuchte Ostfriesische Insel. Die Überfahrt dauert eine knappe Stunde, und schon von Weitem erkennt man die Silhouette Norderneys, die auf den ersten Blick eher an einen urbanen Küstenbadeort erinnert als an eine vergleichsweise einsame Insel. Auf der Fähre befinden sich auch zahlreiche Autos, denn im Gegensatz zu den anderen Ostfriesischen Inseln (mit Ausnahme von Borkum) ist Norderney keineswegs autofrei. Es ist jedoch nicht zu empfehlen, den eigenen fahrbaren Untersatz mitzunehmen, weil der (störende) Autoverkehr auf Norderney stark eingeschränkt ist.
Am Hafen angekommen, ist von Idylle erst einmal wenig zu spüren, denn Norderneys Anleger präsentiert sich auf den ersten Blick als ein moderner Fähr- und Sportboothafen; auch die Ausflugsschiffe fahren hier ab. Mit jährlich rund 2 Mio. Fahrgästen (und 150.000 Pkw-Beförderungen) ist Norderney nach Norddeich der zweitgrößte Personenhafen Niedersachsens. Neben dem Fährgebäude befindet sich das Nationalparkhaus mit seiner hölzernen Fassade. Schräg gegenüber unterhält das Wasser- und Schifffahrtsamt den nicht zu übersehenden Tonnenhof, in dem die in leuchtenden Farben angestrichenen Seezeichen überholt werden. Dahinter zieht sich die Hafeneinfahrt halbkreisförmig bis zum großen Sportboothafen. In der breiten Einfahrt liegen neben dem Tonnenleger und dem Seenotrettungskreuzer auch der Saugbagger oder Versorgungsschiffe für die nahen Offshore-Windkraftanlagen.
Dreh- und Angelpunkt: der Kurplatz
Am Anleger stehen Linienbusse und Taxis bereit, um die gepäckbeladenen Gäste ins Zentrum zu bringen. Wer wenig Gepäck hat, kann auch per pedes über den Weststrand die knapp 2 km bis ins Zentrum laufen. Dabei geht es immer auf der langen Strandpromenade um die komplette Westspitze der Insel herum und dann am Westbad in die Stadt hinein. Die Promenade ist ein ansprechend gestaltetes, fast 5 km langes Bauwerk aus Stein und Beton. Seit jeher ist sie die Flaniermeile am Meer - ihr eigentlicher Zweck aber ist, als Bollwerk gegen den Blanken Hans den gefährdeten West- und Nordteil der Insel vor Sturmfluten zu schützen.
Die Stadt
Vom Hafen aus gelangt man zunächst ins elegante Kurviertel und damit gleich ins Herz des Staatsbades, wo das Ambiente weiß getünchter Häuser im Stil der Bäderarchitektur des 19. Jh. noch allgegenwärtig ist. Vom Glanz vergangener Zeiten zeugen insbesondere das repräsentative Conversationshaus (Kurhaus) mit gediegenem Lesesaal und Spielbank (Automatenspiel), der adrette Kurpark, das historische Kurtheater und einige andere Gründerzeitgebäude des Viertels. Wesentliche Bestandteile des Kurplatzes sind auch das Thalasso-Meerwasserbad (bade:Haus) und das architektonisch zum Ensemble passende ehemalige „Bazargebäude“ mit seinen Arkaden, in dem sich heute die Stadtverwaltung befindet. Doch nicht nur rund um den Kurplatz kann man noch - architektonische - Spuren der einstigen Noblesse des Seebades entdecken. Im 19. Jh. lockte die Insel überaus viele adelige Persönlichkeiten an, die eine rege Bautätigkeit entwickelten. En vogue war Norderney vor allem deshalb, weil sich das hannoversche Königshaus mit dem (schon als Kind) erblindeten König Georg V. fast 30 Jahre lang im Sommer hier aufhielt. Die königliche Sommerresidenz (heute ein Hotel) hinter dem Conversationshaus sowie die Marienhöhe und die Georgshöhe erinnern daran.
Spuren dörflicher Idylle des alten Fischerdorfs Norderney finden sich hingegen nur noch sehr wenige. Lediglich im Bereich zwischen den beiden Parallelstraßen Oster- und Langestraße, dem ältesten bebauten Gebiet der Insel, hat hier und da ein kleineres Insulanerhaus aus dem frühen 19. Jh. die Zeit überdauert. Fischerhäuser im alten Stil gibt es keine mehr. Stattdessen wurden im ausgehenden 19. Jh. die typischen Logierhäuser mit den vorgebauten Veranden oder Terrassen erbaut. Auf keiner anderen Ostfriesischen Insel sind noch so viele Baudenkmäler alter Seebadtradition erhalten geblieben, auf keiner anderen wurden aber auch - trotz oder gerade wegen der noch reichlich vorhandenen historischen Bausubstanz - so viele Bausünden begangen. Lange Zeit war die Bäderarchitektur gefährdet, und viele Bauten wurden abgerissen, denn der zunehmende Tourismus verlangte nach immer moderneren Unterkünften.
Norderneyer Bäderarchitektur
Das, was landläufig als Bäderarchitektur bezeichnet wird, ist kein einheitlicher Baustil, sondern eine Art Sammelbegriff für die oft villenartige und liebevoll verschnörkelte Bauweise von Logierhäusern zur Blütezeit der großen Seebäder in der zweiten Hälfte des 19. Jh. und im frühen 20. Jh.
Zunächst in Anlehnung an den klassizistischen Stil, bald ein wenig preußisch pompös, galt es, das gut betuchte städtische Publikum auch architektonisch zufriedenzustellen. So entstanden neben Zweckbauten wie Kur- oder Badehäusern prachtvolle Villen, mitunter mit großen Freitreppen vor einem säulenartigen Vorbau. Die Logierhäuser sind zwei- bis viergeschossig und vorwiegend hellweiß bzw. gelegentlich auch vornehm gelblich-beige gestrichen, was auf Norderney (z. B. in der Luisenstraße, Moltkestraße oder Heinrichstraße) auch heute noch für eine eigentümlich mondäne Stimmung sorgt. Typische Stilelemente sind die reich verzierten, hervorspringenden, oft hölzernen Gebäudeteile und Loggien mit filigranen Holzarbeiten. Um dem vorherrschenden Schönheitsideal der vornehmen Blässe gerecht werden und die Sonne möglichst meiden zu können, wurden ausladende, heute wintergartenähnlich verglaste Veranden oder pergolaartige Terrassen vor die Logierhäuser gebaut. Man bediente sich auch immer mehr gründerzeitlicher Stilelemente wie reich verzierter Balkongitter, großer Jugendstil-Rundbogenfenster, steinerner Ranken oder Reliefe und verzierter Erker oder Dachreiter.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass jeder vermögende Bauherr die benachbarten Sommerresidenzen durch Schmuckfassaden in den Schatten stellen wollte. Mittlerweile hat man sich auch auf Norderney seiner alten architektonischen Schätze besonnen und versucht viele der alten Bauten zu erhalten bzw. Neubauten dem Stil der Bäderarchitektur anzupassen.
Die Stadt Norderney ist kompakt bebaut; fast alles lässt sich bequem zu Fuß erreichen. Vom Kurviertel aus zieht sich die Poststraße in die Stadt hinein, sie bildet zusammen mit der hier abzweigenden (zum Weststrand führenden) Strandstraße und einigen Seitengassen die Fußgängerzone Norderneys. Auf diese wenigen Straßen konzentriert sich Norderneys Betriebsamkeit - vor allem in den Sommermonaten ist der Trubel beträchtlich, fast großstädtisch. Dann drängen sich Tausende von Urlaubern und Tagesgästen zum Bummeln und Einkaufen durch den Ort. An zentraler Stelle befindet sich das ehemalige kaiserliche Postamt (von 1892), das mit Schaugiebel und Ziegelverzierung sowie -bemalung eines der markantesten Gebäude der Stadt ist und in dem heute Ladengeschäfte untergebracht sind.
Silhouette eines Staatsbades: Norderney
Aber selbst bei all dem Trubel gibt es inmitten der Innenstadt hier und dort ein ruhiges Sträßchen zu entdecken, in dem Gästehäuser mit verglasten Veranden ein wenig Gründerzeitcharme versprühen. Autoverkehr oder auch parkende Autos finden sich hier so gut wie gar nicht; die gepflasterten Straßen wirken daher manchmal seltsam leer. Eine Besonderheit auf Norderney ist die andere Reihung der Hausnummern in den kleinen Straßen. Hier sind nicht wie üblich gerade Ziffern auf der einen und ungerade auf der anderen Seite verortet, sondern es wird einfach durchgezählt: die eine Straßenseite hinauf und die andere wieder hinunter (Hausnummer 1 und die höchste Hausnummer liegen sich dann gegenüber).
Strand, Dünen, Salzwiesen
Um den gesamten Nordwestteil der Insel zieht sich eine lange Strandpromenade. Einen passablen Strand sucht man hier vergeblich; lediglich ein kleiner Rest Sand hat sich zwischen die mächtigen Buhnenbauwerke aus Beton gelegt, welche diesen Inselabschnitt vor der Gewalt der Nordsee schützen. Platz für Strandkörbe gibt’s hier nur auf dem Deichrasen (Kaiserwiese). Breiter wird der Sandstreifen allerdings wieder am zentrumsnahen Westbad, dessen Promenadenabschnitt von Hotels und Cafés flankiert und der so etwas wie die Schokoladenseite der Insel ist. Natürlich stehen auch hier die Strandkörbe dicht an dicht. 2300 gibt es davon auf Norderney, und alle sind - wie die Inselflagge - blau-weiß gestreift.
Norderneys eigentliches Badezentrum jedoch liegt im Inselnorden, gut einen Kilometer vom Kurzentrum entfernt. Von der geschäftigen Poststraße aus flaniert man zum Nordstrand über die fast ebenso betriebsame Friedrichstraße, an deren Ende seit 1899 das Kaiser-Wilhelm-Denkmal monumental mitten auf der Straßenkreuzung steht. Auf der Knyphausenstraße weiter Richtung Nordosten wird Norderney jetzt deutlich ruhiger. Kurz darauf ist man schon in den Dünen. Von der Aussichtsplattform Georgshöhe bietet sich ein Rundblick über Stadt und Insel und den breiten, durch Buhnen gesicherten und mit Strandkörben übersäten Nordstrand. In seinem Hinterland, noch hinter dem Dünengürtel, liegt die Siedlung Nordhelm. Dieser Ortsteil im Osten der Stadt war ursprünglich eine 1938 fertiggestellte Kasernensiedlung und erinnert mit seinen gleichförmigen Häusern an die ehemalige Bedeutung Norderneys als Seefestung.
Sandformation im Inselosten
♦ Der bewachsene Dünengürtel hinter den traumhaft weiten Stränden am Nordrand der Insel geht landeinwärts in einen breiten Streifen immer niedriger werdender Dünen und schließlich in Dünenheide über, die eine Art Senke bildet. In früheren Zeiten war auch die Westseite Norderneys (und somit das Dorf) durch einen ähnlich hohen Dünengürtel geschützt.
Richtung Osten beginnt nun ein herrlich einsames Stück Insellandschaft. Kilometerlang zieht sich ein blütenweißer, breiter Strand bis zur Ostspitze der Insel. Zudem führen wunderschöne, sanft hügelige Dünenwege dorthin, auch zu dem ca. 5 km vom Ortszentrum entfernten Strandabschnitt Weiße Düne und dem noch einmal ca. 2 km weiter weg gelegenen Oase-Strand mit FKK-Bereich. Die natürliche Dünenlandschaft weist hier erstaunlich tiefe Senken auf. Von verschiedenen Aussichtspunkten (Thalasso-Plattformen) können Sie den herrlichen Blick auf diese biotopähnlichen Dünentäler genießen.
Die Inselmitte wird überragt vom weithin sichtbaren Leuchtturm; unweit davon erstreckt sich Norderneys Flugplatz, der in einem eingedeichten Gebiet liegt, dem Grohdepolder. Norderneys Wattenmeerseite wird begrenzt durch feuchte und artenreiche Salzwiesen (Heller genannt), die immer wieder überspült werden.
♦ Damit Salzwiesen entstehen können, müssen sich die mit jeder Flut ins ufernahe Watt geschwemmten feinsten Tier- und Pflanzenreste zunächst zu einer Schlickschicht auftürmen. Ist die Schicht hoch genug, siedeln sich dort sog. Pionierpflanzen an. Typische Pionierpflanze der Nordseeküste ist der Queller, ein robustes Gänsefußgewächs, das gut mit den widrigen Umweltbedingungen (hoher Salzgehalt im Boden, Überflutungen etc.) zurechtkommt. Schrittweise gesellen sich andere Pflanzen wie Schlickgras oder lila blühender Strandflieder dazu. Durch weitere Sedimentablagerungen wird die Salzwiese nach und nach höher, sodass sie immer seltener überflutet wird. Durch die allmähliche Verlandung der Salzwiesen entstehen schließlich die sog. Marschen.
Weltnaturerbe Wattenmeer
Zwischen Norderney und der ostfriesischen Küste erstreckt sich eine faszinierende Zwischenwelt aus Land und Meer: das Wattenmeer. Dort, wo eben noch das Wasser brandete, kann man nun umherspazieren und im Rahmen geführter Wattwanderungen sogar bis zum Festland (nach Neßmersiel) marschieren . Doch keine Sorge, das kurzzeitig abwesende Meer kehrt ja wieder zurück, und zwar verlässlich etwa alle sechs Stunden.
Watt ist nicht gleich Watt - man unterscheidet verschiedene Typen: Noch gut begehbar ist das Sandwatt in Küstennähe mit etwa 25 % Bodenwassergehalt und noch relativ groben Sandkörnern. Im Mischwatt steigt der Wasseranteil schon auf 50 %, und die Korngröße des Sandes wird bedeutend feiner. Das Schlickwatt hingegen ist jener strandnahe Bereich an der Hochwasserlinie, der den Besucher tief einsinken lässt, weil der Wassergehalt nahezu 70 % beträgt. Hier stinkt es zuweilen nach faulen Eiern; außerdem holt man sich schwarze Füße, was nicht auf Schwerölrückstände schließen lässt, sondern an den Schwefelwasserstoffen liegt, die beim anaeroben, also sauerstofflosen Abbau von organischem Material frei werden.
Nur auf den ersten Blick ist das Watt nichts weiter als eine weite, von zahllosen kleinen Wasserläufen (Priele) durchzogene schlammige Fläche. Durch die große Menge fruchtbarer Sedimente, welche die ins Wattenmeer mündenden Flüsse und Siele ablagern, wimmelt es hier aber geradezu von Leben. Es gibt auf der Erde kaum einen biologisch produktiveren Ort als das Watt. Ausgangspunkt der Nahrungskette und damit Grundlage allen Lebens in der Nordsee sind die Kieselalgen. Für das menschliche Auge kaum zu erkennen, machen sie das Watt zur Kinderstube für Fische, Muscheln und Krebse und damit zur bevorzugten Rast- und Brutstätte für Abermillionen von Wat- und Wasservögeln. Im Sommer finden sich bis zu 1 Mio. Algenzellen auf nur 1 cm2 Watt. Insgesamt bevölkern mehr als 10.000 verschiedene Arten von Einzellern, Pflanzen, Pilzen und Tieren diesen einzigartigen Lebensraum.
Unter den Tieren gibt es fünf Meister der Anpassung an den Rhythmus von Überflutung und Trockenfallen („Small Five“ des Wattenmeeres): Wattwurm, Wattschnecke, Herzmuschel, Nordseegarnele und Strandkrabbe. Der Wattwurm (auch Sandpierwurm) produziert die augenfälligen Spaghettihaufen aus Sand, die zu Abertausenden überall im Watt herumliegen. Der bis zu 40 cm lange Wurm frisst andauernd Sand (jährlich etwa 25 kg) und filtert aus diesem organisches Material heraus, das ihm als eigentliche Nahrung dient - der Rest wird wieder ausgeschieden. Eher unauffällig, dafür aber sehr zahlreich vertreten ist die Wattschnecke mit ihrem winzigen, geringelten Schneckenhäuschen. Sie ist nur 3-6 mm „groß“ und frisst Algen und Bakterien vom Wattboden ab. Unvorstellbare 4000 bis 20.000 kleine Schnecken können sich auf 1 m2 tummeln. Durch ihre Ausscheidungen binden die Schnecken Sand und Schlick. Die häufig vorkommende, etwa 3 cm große Herzmuschel wiederum filtert pro Stunde etwa 2,5 Liter Meerwasser. Das Chamäleon unter den Watt-Tierchen ist die Nordseegarnele. Der bis zu 9,5 cm lange Räuber gehört zur Gattung der Zehnfußkrebse und kann je nach Umgebung problemlos seine Farbe ändern, von nahezu durchsichtig bis hin zu Dunkelrot oder Braun. Weitaus auffälliger ist die Strandkrabbe. Mit einem Durchmesser von bis zu 8 cm gehört sie zu den Größten der fünf Spezialisten. Das sich seitwärts bewegende Krebstier ist ein Allesfresser, macht sich aber vor allem als Aasfresser um die Reinigung des Wattenmeeres verdient.
Als Deutschlands „letzte Wildnis“ und eine der letzten ursprünglichen Naturlandschaften Mitteleuropas ist das große Feuchtgebiet längst unter Schutz gestellt. Im Jahr 1986 wurde der 345.000 ha große Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer gegründet. Auch die Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein und die Anrainerstaaten haben ihre Wattflächen zu Nationalparkgebieten erhoben.
Lahnung: wirksames Mittel zur Landgewinnung
1993 wurde das niedersächsische Wattenmeer von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt, also zur Modellregion für das nachhaltige Zusammenleben von Mensch und Natur. Und weil es auch außerhalb Europas keine größere zusammenhängende Sand- und Schlickwattfläche gibt, hat die UNESCO die jahrelangen Schutzbemühungen um diese faszinierende Landschaft anerkannt und sie im Jahr 2009 zum Weltnaturerbe erklärt. Insgesamt erstreckt sich dieses 450 km lange Gebiet auf einer Breite von 5 bis 20 km vom dänischen Esbjerg bis zum holländischen Den Helder und bedeckt über 13.000 km² Fläche. Das geschützte Gebiet umfasst neben den bei Ebbe frei liegenden Wattflächen auch die Salzwiesen vor den Deichen.
85 % der Inselfläche Norderneys gehören zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, von dem nur 5,5 % Landflächen (vor allem Inseln) sind. 40 % sind Watt und 54,5 % Wasserfläche. Das gesamte Gebiet ist aufgeteilt in drei Schutzzonen:
Die rote Zone 1 (68,59 % der Fläche) ist dieRuhezoneund damit Kernzone des Parks und darf durch keinerlei menschliche Eingriffe gestört werden. Sie umfasst hauptsächlich Vogelschutz- und Robbenschutzgebiete, die nur auf ausgewiesenen Wegen betreten werden dürfen. Auf Norderney sind dies vor allem der Südstrandpolder und der Inselosten.
Auch die grüne Zone 2 (31,02 %), die Zwischenzone, soll der Mensch nur eingeschränkt nutzen, sie darf aber frei betreten werden. Auf Norderney erstreckt sich diese in der Inselmitte und über das die Insel umgebende Wattenmeer.
Lediglich die flächenmäßig sehr kleine gelbe Zone 3 (0,49 %) darf der Mensch als Erholungszone nutzen, motorisierte Fahrzeuge sind aber auch hier nicht erlaubt. Auf Norderney sind dies die Strände, das Gebiet um den Golfplatz und ein Teil der Surferbucht. Anschaulich aufbereitet ist das Thema im Watt Welten Besucherzentrum .
♦ Infos auch auf nationalpark-wattenmeer.de/nds.
Insel-Erkundung
Seiner beeindruckenden Natur und seiner Geschichte als ältestes deutsches Nordseebad mit der noch erhaltenen Bäderarchitektur verdankt Norderney eine erstaunliche Vielzahl an Sehenswürdigkeiten. Darüber hinaus gibt es eine Reihe interessanter Ausstellungen.
Die meisten Sehenswürdigkeiten liegen im städtischen Bereich Norderneys, der nicht einmal ein Fünftel der gesamten Inselfläche einnimmt. Man kann sie deswegen bequem auf einem etwa 5 km langen Spaziergang zu Fuß erkunden. Wer sich die Sehenswürdigkeiten außerhalb des Stadtgebiets anschauen will, nimmt am besten das Rad. Einzige Ausnahme: das Schiffswrack an der Wichter Ee, dem äußersten Ostzipfel der Insel, das man sich regelrecht erwandern muss.
Spaziergang
Los geht’s beim altehrwürdigen Conversationshaus am Kurplatz - dem Dreh- und Angelpunkt der Insel. Am nordwestlichen Rand des Kurplatzes gelangt man fast unmittelbar zum Kurtheater, vor dem sich das Heinrich-Heine-Denkmal befindet.
Conversationshaus
Bereits 1799 wurde als Ort der Begegnung ein bescheidenes hölzernes und reetgedecktes Conversationshaus (mit Billardstube) auf einem kleinen sandigen Hügel erbaut, das 1822 durch ein massives Gebäude ersetzt wurde. Doch aufgrund des nahezu raketenhaften Aufstiegs des kleinen Fischerorts zum sommerlichen Treffpunkt der Hautevolee - 1836 hatte König Georg V. Norderney zu seiner Sommerresidenz erhoben -, genügte das Conversationshaus den Ansprüchen der gut betuchten Kundschaft schon bald nicht mehr.
Daher wurde im Jahr 1837 ein sehr repräsentatives Conversationshaus im klassizistischen Stil errichtet, das zunächst als Logierhaus und später jahrzehntelang als sog. Kurhaus diente. Im Jahr 2008 wurde das ortsbildprägende Gebäude am Kurplatz grundlegend saniert. Seither prangt auch wieder in goldenen Lettern der Name „Conversationshaus“ über dem Eingangsportal. Es dient nach wie vor seiner ursprünglichen Bestimmung, nämlich als zentraler Treffpunkt der Norderneyer Badegäste. Hier, in eindrucksvoller Umgebung, befindet sich die Tourist-Information (in der Orangerie). Zudem laden eine Lounge bzw. Salonbar (→ kurPalais) zum Verweilen ein. Sehr schön und gediegen ist der große Lesesaal mit englischen Klubsesseln auf einem Parkettboden (in der kalten Jahreszeit mit Kaminfeuer). Die wesentlichen regionalen und überregionalen Tageszeitungen liegen hier zur kostenlosen Lektüre aus. Zudem beherbergt das Conversationshaus eine beeindruckend großzügige Bibliothek mit Regalen, die bis zur Decke reichen. Als Veranstaltungsräume dienen der Große Saal und der Weiße Saal, in dem auch Gemälde der Inselprominenz des 19. Jh. hängen.
♦ Tägl. 9-22 Uhr (Öffnungszeit Tourist-Info). Die Bibliothek hat täglich außer So 10-13 Uhr und außer Mi/Do auch 14-17 Uhr geöffnet. Am Kurplatz 1, Tel. 04932-8910.
Kurtheater
Einst betrat man das elegante Kurtheater über eine Portaltreppe, in den 1970er-Jahren wurde ihm dann ein gläserner Eingang (mit Garderoben und Toiletten) vor die Nase gesetzt. Von dieser optisch wenig gelungenen Neuerung abgesehen hat das altehrwürdige Gebäude aus dem 19. Jh. die Zeit jedoch fast unbeschadet überdauert und ist heute mehr denn je gefragt. 1893 wurde es auf private Initiative eines Hoteliers hin in der Art eines Hoftheaters im Garten des seinerzeit renommierten Hotels „Deutsches Haus“ erbaut - mit Kronleuchtern, roten Cordsamt-Sesseln, Logen und zweigeschossigen Rängen. Diese stilvolle Theateratmosphäre ist auch heute noch zu spüren. Allerdings finden nur relativ selten Theatervorführungen statt, das edle Ambiente wird stattdessen vornehmlich als Kinosaalgenutzt. Das sehens- und erlebenswerte Theater am nördlichen Rand des Kurplatzes mit seinen stuckverzierten Emporen und Decken verfügt über 363 Plätze.
♦ Nur für Veranstaltungen geöffnet. Bei Kinovorführungen gilt freie Sitzplatzwahl (keine Platzreservierung). Im Kurtheater finden zudem Theateraufführungen sowie Musik- und Kleinkunstveranstaltungen statt. Im Foyer befindet sich die Cocktailbar Atelier Art & Bar. Am Kurtheater 4, Infos im Veranstaltungskalender (norderney.de). Tickets online oder bei der Tourist-Info, Tel. 04932-891900.
Vom Kurtheater empfiehlt sich ein Spaziergang durch Norderneys Fußgängerzone, die Poststraße, die man über die Bäckerstraße erreicht. Biegt man rechts ab, kann man einige Hundert Meter auf der belebten, von abwechslungsreichen Geschäften gesäumten Einkaufsmeile schlendern und kommt dabei am markanten alten Postamt vorbei. Wer zwischendurch links einen Blick in die Kirchstraße oder in die Langestraße wirft, erspäht die evangelisch-lutherische Inselkirche, die durchaus einen kleinen Abstecher lohnt.
Altes Postamt
Unübersehbar an zentraler Stelle in der Fußgängerzone (Poststraße) befindet sich das ehemalige Postamt, das mit Schaugiebel, Ziegelverzierung und -bemalung eines der markantesten Gebäude der Stadt ist und in dem heute Ladengeschäfte sowie Wohn- und Büroräume untergebracht sind. Abends wird das historische Postamt häufig angestrahlt, dann kommt die schöne Fassade besonders zur Geltung.
Altes Postamt mit Schaugiebel und Ziegelverzierung
Errichtet wurde das wuchtige Bauwerk 1892 als kaiserliches Postamt. Schon seit 1824 gab es auf der (damals noch zum Königreich Hannover gehörenden) Insel eine kleine Poststation, die den Verkehr mit der vom Festland über das Watt fahrenden Postkutsche zur Zufriedenheit der illustren Gäste regelte. Norderney wurde im 19. Jh. nämlich nicht nur per Schiff, sondern auch mit der Postkutsche versorgt (→ Kasten). Weil die Zahl der Kurgäste im aufstrebenden Nordseebad stetig zunahm, wurde schon 1844 ein regelmäßiger Postkutschendienst eingerichtet. Von Juni bis September fuhr nahezu täglich ein breit bereifter Wattpostwagen vom Postamt Norden über den kleinen Küstenort Hilgenriedersiel in etwa vier Stunden über das Watt bis ins Staatsbad Norderney.
Evangelisch-lutherische Inselkirche
Das teilweise efeuberankte Gotteshaus etwas abseits der Fußgängerzone wurde im neugotischen Stil an der Stelle der alten Inselkirche errichtet. Ganz kaisertreu - am Tag der goldenen Hochzeit des Kaiserpaares am 11. Juni 1879 - wurde die Kirche eingeweiht. Dieses Datum wählte man wohl vor allem deshalb, weil Kaiser Wilhelm I. der Inselgemeinde 50.000 Mark für den damals 88.000 Mark teuren Neubau spendete und damit einen Großteil der Kosten übernahm. Ein Gedenkstein aus weißem Marmor über der Empore an der Ostwand erinnert daran.
Zu ihrer Erbauungszeit war die von kleinen Fischerkaten und Herbergen
umgebene Kirche das mächtigste Gebäude im Umkreis - immerhin finden hier 620 Personen Platz. Heute wirkt das Gotteshaus inmitten der großen Hotels und Appartementhäuser schon fast ein wenig verloren. Lediglich das Altarbild im hölzernen Rahmen („Abendmahl“) datiert aus dem 17. Jh. Die übrige einheitliche Ausstattung im hohen Saalraum unter der offenen, rot-weißen Holzbalkendecke stammt weitgehend aus der Erbauungszeit. Eine ebenfalls rot-weiße Empore umschließt den ganzen Kirchenraum und von der Decke hängen drei Votivschiffe. Die Kirchenfenster wurden durch einen Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg beschädigt und 1952 erneuert.
Um die Kirche herum befindet sich ein ehemaliger (bereits 1876 stillgelegter) Friedhof, auf dem wenige alte Seefahrer-Grabsteine und schlanke Eisenkreuze aus dem 19. Jh. die Zeit überdauert haben. Im südlichen Teil des Kirchhofs steht eine Martin-Luther-Statue, die hier 1883 zum 400. Geburtstag des Reformators errichtet wurde.
♦ Mo-Do und Sa 8-17 Uhr, Fr nur 12-17 Uhr, So nach dem Gottesdienst bis 17 Uhr, Di 11 Uhr Kirchenführung. Kirchstraße (Seiteneingang).
Heinrich Heine auf Norderney
Er war einer der berühmtesten Inselgäste und wurde dabei gewissermaßen zum dichterischen Entdecker der Nordsee: Heinrich Heine (1797-1856) weilte zwischen 1825 und 1827 jeweils für mehrere unbeschwerte Sommerwochen auf der Insel; zu einer Zeit also, als der Fremdenverkehr aufzukeimen begann und die Diskrepanz zwischen der ärmlichen Fischerbevölkerung und der wohlhabenden Badegesellschaft noch besonders groß war. Heine nahm genussvoll am mondänen Badeleben teil und war auf der Insel auch literarisch tätig.
In seiner Schriftensammlung „Die Nordsee“ beschreibt er die überwiegend armen, vom Fischfang lebenden oder als Seeleute auf Handelsschiffen tätigen „Eingeborenen“ als „meistens blutarm“. Er berichtet (abschätzig) über die „gleiche Geisteshöhe, oder, besser gesagt, Geistesniedrigkeit“ der Insulaner und auch, dass sie in ihren kleinen Hütten „wohlverwahrt in wollenen Jacken herumkauern und einen Tee trinken, der sich vom gekochten Seewasser nur durch den Namen unterscheidet“. Heine sorgte sich zudem um die „alte Sinneseinheit und Einfalt“ der Insulaner, die durch „das Gedeihen des hiesigen Seebads“ und der damit verbundenen Anwesenheit vieler schöner Frauen und wohlhabender Herren bedroht seien. Wenn die Insulanerinnen „am Ende sogar Kinder zur Welt bringen, die den Badegästen ähnlich sehen, so ist das leicht zu erklären“, schreibt Heine doppeldeutig. Und ebenso vielsagend schiebt er nach, dass er damit keinesfalls auf ein unsittliches Verhältnis anspielen möchte, sondern eher ein Nacheifern der Insulaner nach dem Lebensstil der Gäste meine, und fügt daher erklärend, aber despektierlich hinzu: „Die Tugend der Insulanerinnen wird durch ihre Hässlichkeit, und gar besonders durch ihren Fischgeruch, der mir wenigstens unerträglich war, vorderhand geschützt.“
Für die Naturschönheiten der Insel und des Meeres findet Heine hingegen reichlich romantische und somit ganz andere Worte. Mit dem Bekenntnis
„Ich liebe das Meer, wie meine Seele“, fasst er seine langen Aufzeichnungen über die „wunderbare“ und „erhabene“ Inselumgebung gewissermaßen zusammen. Heinrich Heine genoss bei seinen Aufenthalten aber offenbar nicht nur die Schönheit der Inselnatur, sondern erfreute sich auch ganz offen an der Anwesenheit vieler adretter Damen; sogar ein Kurschatten mit der hübschen Frau von Anderten wird dem begnadeten Dichter nachgesagt.
Der ausdrucksstark verfasste Nordsee-Zyklus wurde Anfang 1827 veröffentlicht, sorgte für Unmut unter den Badegästen und wegen der darin enthaltenen diffamierenden Äußerungen für Ärger unter den Einheimischen. Freunde rieten dem Dichter daher nach zwei Wochen seines Inselaufenthalts im Sommer 1827, Norderney lieber vorzeitig zu verlassen. Um Konflikten aus dem Weg zu gehen, brach Heine seine Sommerfrische daher beizeiten ab und verbrachte die Zeit in jenem Jahr auf Wangerooge (was er aber ohne die höfische Gesellschaft als allzu trist empfand). Heine betrat die Insel Norderney nie wieder.
1983 wurde ihm zu Ehren vor dem Kurtheater ein Denkmal errichtet, das jedoch 2020 im Zuge des Abrisses des benachbarten „Haus der Insel“ wieder entfernt wurde. Es handelt sich um eine lebensgroße Bronzeplastik, die Heine auf einem Stein hockend zeigt. Die Plastik wurde der Stadt Norderney damals von der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Denkmal-Gesellschaft geschenkt. Doch die Skulptur war von Anfang an umstritten, denn zum einen beruhte das Denkmalkonzept auf einem bereits 1930 vom Düsseldorfer Künstler Arno Breker (1900-1991) erstellten Entwurf und damit auf der Vorarbeit eines Künstlers, der später zum prominentesten Bildhauer Nazi-Deutschlands avancierte. Zum anderen taten sich die Insulaner schon allein deswegen schwer mit der Würdigung Heines, weil ihnen der große Spötter nicht eben Schmeichelhaftes ins Stammbuch geschrieben hatte. Die Zukunft des derzeit eingelagerten Denkmals ist ungewiss.
Am nördlichen Ende der Poststraße macht die Fußgängerzone einen Rechtsknick in die Friedrichstraße, an deren Ende sich unübersehbar das Kaiser-Wilhelm-Denkmal und die katholische Kirche St. Ludgerus befinden. In der nächsten Straße links - der Goebenstraße - liegt etwas versteckt Norderneys drittes großes Gotteshaus, die katholische Kirche Stella Maris.
Kaiser-Wilhelm-Denkmal