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Blonde Perücke, sexy Outfit: eine Nacht lang Marilyn Monroe! Eigentlich sieht Caron sich nicht als Vamp. Aber je später die Party, desto besser gefällt sie sich als blonde Versuchung. Besonders, als sie die Lust in den Blicken des Milliardärs Baxter Remington sieht …
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Seitenzahl: 204
IMPRESSUM
Milliardäre mögen‘s heißer erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2009 by Lisa Renee Jones Originaltitel: „Santa, Baby“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY HOT & SEXYBand 16 - 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Christiane Bowien-Böll
Umschlagsmotive: GettyImages_privetik
Veröffentlicht im ePub Format in 02/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751505529
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Am Montag nach Thanksgiving war Josie im Kostümverleih „Dressed To Thrill“ den ganzen Tag damit beschäftigt, die Kostüme für eine riesige Benefizparty in San Francisco zusammenzustellen. „Die großen Stars von Hollywood“ war das Thema des Events, doch eines der bestellten Kostüme würde sie erst einmal selbst benötigen: Einmal im Leben wollte sie Marilyn Monroe sein, nur für eine Nacht. Heute Nacht. Das legendäre weiße Kleid musste ja erst in zwei Tagen verschickt werden, und sie brauchte es, damit wenigstens einer ihrer Träume Wirklichkeit wurde.
Seit Monaten flirtete sie schon mit Tom, der das Geschäft regelmäßig mit neuer Ware belieferte. Es wurde Zeit für den nächsten Schritt. Vielsagende Blicke, herausforderndes Lächeln und sehnsüchtiges Schmachten mussten ein Ende haben. Sie war auch nur eine Frau. Und sie ertrug es nicht mehr – diese Sehnsucht, dieses ständige Verlangen. Sie und Tom mussten endlich einmal zur Sache kommen.
Josie blickte auf die Uhr. Fast zwölf. Schon vor Stunden hatte sie Toms Boss angerufen und um einen Rückruf von Tom gebeten. Jetzt konnte jeden Augenblick ihre Chefin aufkreuzen. Carol mochte es gar nicht, wenn am Arbeitsplatz geflirtet wurde. Sie hatte Tom und Josie schon einmal dabei ertappt, und das war etwas peinlich gewesen.
Josie wandte sich wieder ihrer Arbeit zu und faltete das Audrey-Hepburn-Kostüm für die Benefizparty zusammen. Liebe Güte, was für ein langweiliger Fetzen. Sie betrachtete das schlichte, dezent geschnittene Kleid. So etwas würde sie nicht als Kostüm bezeichnen, schon gar nicht als eins, mit dem Träume wahr wurden.
Das Telefon klingelte. Josie zuckte zusammen. Ihr Herz raste. Das war er, das war Tom. Ganz bestimmt. Sie drückte die Hand auf die Brust und zwang sich, ruhig weiterzuatmen, bevor sie sich meldete.
„Josie.“ Ja, das war die sexy Stimme, nach der sie sich so sehnte.
„Hi, Tom. Danke, dass du zurückrufst.“
„Du brauchst mich für eine Sonderauslieferung?“
„Ja“, erwiderte sie und zupfte nervös an ihren Ponyfransen. „Es geht um eine Lieferung für dich.“
„Kein Problem. Ich komme sie abholen. Sonst noch was?“
„Ja“, sagte Josie. „Ich meine … die Lieferung ist für dich persönlich, Tom. Ich möchte, dass du kommst, wenn wir geschlossen haben und auch du Feierabend hast.“
Stille. Ihr Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren. Würde er ablehnen? Würde er ihre Einladung ausschlagen? Wie sollte sie ihm dann jemals wieder gegenübertreten?
„Ist acht Uhr okay für dich?“
Puh! Ein Riesenstein fiel ihr vom Herzen. „Acht Uhr ist prima.“
„Ich freu mich drauf, Josie.“
Josie wartete. Sie trug das Marilyn-Monroe-Kleid, dessen Ausschnitt jedem Mann den Verstand rauben musste. Sie war bereit. Nie hätte sie gedacht, dass dieses Outfit sie so sexy machen würde. Dieses Kleid, die Perücke, die knallroten Lippen. Sie erkannte sich selbst kaum wieder. Diese Perücke hatte etwas – irgendwie hatte Josie das Gefühl, damit besonders verführerisch zu wirken.
Endlich klingelte es an der Ladentür. Josie hatte sie verriegelt, denn sie wollte ganz sicher sein, dass nicht etwa jemand anders sie stören würde.
Es war Tom. Endlich. Der Augenblick der Wahrheit war gekommen. Ein ganzer Schwarm Schmetterlinge flatterte in ihrem Bauch. Sie eilte in den Verkaufsraum, so schnell es ihre schwindelerregend hohen Absätze zuließen. Als sie um die Ecke bog, verlangsamte sie ihre Schritte und schlenderte mit laszivem Hüftschwung zur Tür, öffnete sie und schob provozierend eine Hüfte vor. „Hallo, Tom.“
Sein Blick glitt über ihren Körper und blieb an dem aufregenden Ausschnitt haften. „Du überraschst mich immer wieder, Josie.“
„Gefällt dir das Kleid?“
„Mir gefällt die Frau, die drinsteckt.“
Sie schluckte. Plötzlich verspürte sie eine geradezu schmerzhafte Erregung an all den Stellen ihres Körpers, die von dem Kleid kaum verdeckt wurden. „Komm herein.“ Sie trat zur Seite, um Tom hereinzulassen.
Er trug noch immer seine Arbeitsuniform. Sein knackiger Po und seine breiten Schultern kamen darin hervorragend zur Geltung. Josie schloss sofort die Tür hinter ihm und verriegelte sie. Dann drehte sie sich um, schaute in seine blaue Augen und hörte auf zu denken.
Was war es noch mal, was sie als Nächstes geplant hatte?
„Josie?“, sagte er leise.
Sie leckte sich über die Lippen und schalt sich insgeheim eine Idiotin. Jetzt bloß nicht die Sache vermasseln.
„Hier entlang“, sagte sie und ging voraus – langsam und mit sinnlichem Hüftschwung. Was für ein wundervolles Gefühl, wenn der seidige Stoff des Kleides sich an ihre Schenkel schmiegte. Sie führte Tom in einen kleinen Raum, der normalerweise als Umkleidekabine diente und den sie mithilfe von Kerzenlicht und einem liebevoll gedeckten Tisch umfunktioniert hatte.
Sie deutete auf den Tisch. „Ich hoffe, du magst Chinesisch. Doch, du magst es. Du hast es mir selbst einmal gesagt. Neulich, als du da warst.“ Oh nein! Halt bloß den Mund! Sie versuchte noch einmal die Sache mit der Hüfte.
Tom sah sie stumm an. Seine blauen Augen schienen von Sekunde zu Sekunde dunkler zu werden vor Verlangen. Josie atmete tief ein und entschloss sich, alles auf eine Karte zu setzen. „Oder möchtest du lieber zuerst das Dessert?“
Sie hatte kaum Zeit zu blinzeln, so schnell stand Tom direkt vor ihr. Sie spürte die Muskeln an seinen wundervollen starken Armen, als er sie an sich drückte.
„Ich mag dich, Josie“, sagte er. „Ich mag alles an dir.“
„Wirklich?“ Ihr wurde heiß. „Ich meine, das dachte ich mir schon, aber du hast mir das nie gezeigt.“ Sie spreizte die Finger auf seiner muskulösen Brust. „Warum nicht?“
„Weil deine Chefin mich immer so böse anschaut, seit sie uns beim Flirten ertappt hat. Ich wollte nicht, dass du Ärger bekommst.“
Mit dieser Antwort konnte sie leben. „Nur zu“, sagte sie. „Mach, dass ich Ärger bekomme.“
„Unter einer Bedingung.“ Sein Atem strich heiß über ihre Wange.
„Ja?“, hauchte sie.
„Mir gefallen deine Kostüme, Josie“, sagte Tom, und er meinte damit die vielen Outfits, mit denen sie in den letzten Monaten immer wieder versucht hatte, ihn zu beeindrucken. „Aber wenn ich Marilyn erst einmal aus ihrem Kleid geschält habe, dann gib es an den Kunden weiter und lass mich ab jetzt nur noch die echte Josie haben.“
Sie lächelte. „Zieh mich aus, Baby.“ Die Benefizparty konnte ihre Marilyn haben. Es war vielleicht Marilyn gewesen, die den Mut aufgebracht hatte, den Mann ihrer Träume zum Abendessen einzuladen. Aber ich bin es, die diesen Mann festhalten wird.
Sie erwachte aus unruhigem Schlaf, erhitzt und erregt. Sie spürte, dass sie nicht allein war, dass er da war. Er war wiedergekommen. Sie setzte sich auf und blickte wie gebannt zum Balkon. Die Vorhänge tanzten in der nächtlichen Brise. Erwartungsvoll richtete sie den Blick auf den Schatten dahinter. Ihre Schenkel zitterten schon, so erregt war sie, und sie drückte die Knie zusammen.
Und dann wurden die Vorhänge abrupt auseinandergerissen. Ihr stockte der Atem, als er auf sie zutrat. Sein blondes Haar fiel ihm um die breiten, in Leder gehüllten Schultern. Ihre Blicke trafen sich. Kristallblaue Augen zogen sie in ihren Bann. Gleich würde sie verbrennen im Feuer dieses Kristalls.
In der Ferne hörte man es trommeln.
Nein. Caron überlegte. Das war kein Trommeln. Es war ein Klopfen. Jemand klopfte an die Tür.
Oh! Caron Avery kehrte jäh in die Realität zurück. Sie blickte von dem Roman in ihrer Hand zu der Tür ihres kleinen Büros, das sich im hinteren Teil ihres Buchladens befand. Vor zwei Jahren hatte sie ihren ganzen Mut, ihre Ersparnisse und einen Kredit von ihrer Großmutter eingesetzt, um diesen Laden zu kaufen.
Es klopfte wieder. „Ich komme gleich!“, rief sie, öffnete eine Schublade und schob das Buch hinein, direkt neben den Reiseprospekt. Die Kreuzfahrt in die Tropen würde sie sich gerne selbst zu ihrem dreißigsten Geburtstag schenken. Sie schloss die Schublade und sagte sich, dass sie nichts zu verbergen hatte. Schließlich musste sie ihr eigenes Sortiment kennen. Und dazu gehörte eben auch ganz spezielle Lektüre.
Vor Kurzem hatte sie sich nämlich entschlossen, das Angebot ihres originellen kleinen Buchladens zu erweitern und in der oberen Etage eine Romantik-Abteilung einzurichten. Eine Entscheidung, die sich offenbar auszahlte. Jedenfalls waren die Umsätze in die Höhe geschnellt. Bald würde die zweite Etage ihres Geschäfts ausschließlich für ihre weiblichen Leser reserviert sein, mit Büchern, Kerzen, Geschenken – und einer ganz privaten Leseecke, wo ihre Kundinnen ihren geheimen Leidenschaften frönen könnten, von fantasievollen Liebesromanen bis zu ganz heißen Storys.
Sie war stolz auf sich. Bald hätte sie es geschafft und ihrer Großmutter den Kredit zurückgezahlt. In wenigen Wochen war Weihnachten, da stiegen die Umsätze ohnehin.
Caron schob eine vorwitzige Strähne ihres dunklen Haars zurück in den sorgfältig hochgesteckten Knoten. Ihr war noch immer ganz heiß von der Lektüre. Das kam wohl davon, dass sie kein nennenswertes Liebesleben hatte.
„Herein“, sagte sie, faltete die Hände auf dem Schreibtisch und versuchte, sich in die seriöse Buchhändlerin zu verwandeln, die sie im wirklichen Leben darzustellen hatte.
Die Tür schwang auf, und ihre Assistentin Kasey Washington stürmte herein. Ihr kinnlang geschnittenes blondes Haar wippte auf und ab.
„Wahnsinn!“, rief sie. „Ich habe ganz, ganz tolle Neuigkeiten.“ Sie ließ sich in den abgewetzten Ledersessel vor dem Schreibtisch fallen.
Caron verzog die Lippen. Für ihre junge Mitarbeiterin war schon eine neue Geschmacksrichtung bei Starbucks eine tolle Neuigkeit.
Kasey strahlte. „Eine unserer neuen Kundinnen schaut sich gerade im oberen Stockwerk um. Ich weiß nicht, ob Sie sich an sie erinnern? Ruth Parker.“
Caron schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, nein.“
„Sie sagt, sie war letzte Woche ganz begeistert von Ihrer Beratung.“
Aha. „Das hört sich gut an“, sagte Caron. Aber umwerfend war das nun auch wieder nicht.
„Sie arbeitet für die Krebshilfe und gehört dem Komitee an, das nächste Woche Freitag eine Riesenbenefizparty steigen lässt. So eine altmodische Gala im Hollywoodstil. Sie machen schon seit Wochen dafür Werbung. Tja, und …“, Kaseys Augen leuchteten, „… eine der Frauen, die bei der Show auf dem Laufsteg mitmachen sollte, kann wegen eines Notfalls nicht teilnehmen. Jetzt brauchen sie jemanden, der Audrey Hepburn spielt, und diese Ruth Parker will Sie!“ Kasey quietschte. „Wie cool ist das? Sie kommen ins Fernsehen!“
Caron war alles andere als begeistert. „Was?“ Sie schüttelte den Kopf. „Oh nein. Ich stelle mich doch nicht kostümiert vor all diese Menschen. Und ganz sicher nicht fürs Fernsehen.“
„Sie müssen!“, rief Kasey. „Das ist eine einmalige Gelegenheit. Sie sagen doch selbst, dass Sie sich nach Abwechslung sehnen.“
Caron mochte keine öffentlichen Auftritte, schon gar nicht kostümiert auf einem Laufsteg und im Fernsehen. „Aber damit meinte ich so etwas wie eine Kreuzfahrt! Keinen Fernsehauftritt. Nein. Ich mag so etwas nicht.“
„Der Buchladen wird in Werbespots erwähnt, Sie können Flyer verteilen und so weiter. Das wäre kostenlose Werbung für unseren Laden und die perfekte Gelegenheit, unsere neue Romantik-Abteilung bekannt zu machen. Eine Riesenchance, in letzter Minute unsere Weihnachtsumsätze noch weiter zu steigern. Es ist perfekt! Seien Sie einfach einen Abend lang Audrey Hepburn. Ich wünsche Ihnen viel Spaß.“ Kasey senkte verschwörerisch die Stimme. „Übrigens werden auch jede Menge attraktive, reiche Männer dort sein. Wir müssen das einfach machen. Sie müssen das machen. Für das Geschäft, Caron.“
Caron lehnte sich zurück und blickte ihre Assistentin an. Kasey hatte ja recht, sie brauchten diese Publicity. Publicity bedeutete mehr Umsatz, und das bedeutete, dass sie ihrer Großmutter schneller das Geld zurückzahlen konnte. Es ging nicht darum, ob sie Lust dazu hatte, es ging um Verantwortung und darum, das Richtige zu tun.
„Diese Ruth Parker ist hier?“, fragte Caron. „Sie will mit mir sprechen?“
„Sie steht vor der Tür“, erwiderte Kasey. „Das ist Ihr Ticket zum Erfolg. Ich spüre es genau.“
Caron stieß sich von der Tischplatte ab. „Ich kann nicht glauben, dass ich das tue“, murmelte sie.
Kasey sprang auf. „Das wird ein Riesenspaß. Sie werden sehen. Habe ich erwähnt, dass Sie vor der Show stundenlang kosmetisch verwöhnt werden? Das wird himmlisch. Einen Abend lang Audrey Hepburn sein. Einen Traum leben. Ich freue mich so für Sie, aber ich bin auch ganz schön neidisch.“
Ha ha. Einen Traum leben. Audrey Hepburn. Na ja, vielleicht könnte es klappen. Wenn ich nur die Leute vergessen könnte, die vielen Leute. Einfach nicht daran denken, dass sie bei der Abschlussfeier an der Highschool auf der Bühne ausgerutscht und ausgelacht worden war. Audrey Hepburn würde nicht ausrutschen. Und man wollte sie – Caron Avery – als Audrey.
Der Freitagabend kam viel zu schnell. Der ganze Tag war stressig gewesen, und ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sie war schon auf dem Weg zum Stylisten gewesen, als die Nachricht sie erreicht hatte: In der Toilette im Buchladen hatte es eine Überschwemmung gegeben. Natürlich war sie sofort umgekehrt, sie konnte Kasey schließlich nicht mit so einem grässlichen Problem allein lassen. Am Ende war die Toilette repariert und der Schaden behoben – Caron jedoch viel zu spät dran für ihren Termin beim Stylisten. Fast zwei Stunden zu spät! Und natürlich gab es weit und breit keinen freien Parkplatz. Konnte es noch schlimmer kommen?
Es konnte. Der Motor ihres kleinen roten Volkswagens stotterte, und ein Blick auf die Tankuhr sagte ihr, dass sie kein Benzin mehr hatte. Entnervt blies sie sich die Strähnen aus dem Gesicht. So begann wohl kaum ein Abend, an dem sich Träume erfüllten.
Ungewöhnliche Umstände erforderten ungewöhnliche Maßnahmen. Caron gab nur noch ganz vorsichtig Gas und steuerte auf den Eingangsbereich des Hyatt-Hotels zu. Kleine, mit weißen Kerzen bestückte Christbäume flankierten die Zufahrt. Sie brachte ihr Auto am Ende der Warteschlange zum Stehen und wartete auf den Hotelpagen. Partygäste in Smoking und Abendrobe schritten auf den Eingang zu. Sie war wirklich mehr als spät dran. Es war zu peinlich.
Na schön, zurück zu den ungewöhnlichen Maßnahmen. Sie zog den Zündschlüssel und stieg aus. Sie war sich ihrer rosa Jogginghose, ihres T-Shirts mit Schmetterlingsaufdruck, ihres nicht vorhandenen Make-ups und ihres nachlässig zu einem Knoten zusammengesteckten Haars überdeutlich bewusst. Egal, sie musste das jetzt tun.
Sie entdeckte einen Pagen und rannte auf ihn zu. Hinter ihr hupten mehrere Fahrer, weil die Schlange sich weiterbewegt hatte und ihr Wagen als einziger stehen blieb.
Caron streckte die Hand mit dem Autoschlüssel aus. „Ich mache bei der Show mit und bin wahnsinnig spät dran“, erklärte sie atemlos. Eine extrem attraktive Brünette in einem roten Satinkleid schritt an ihr vorüber, und sie hätte sich am liebsten in einem Mauseloch verkrochen. „Und ich muss mich noch umziehen“, fuhr sie fort. „Aber ich finde keinen Parkplatz und …“
„Miss. Es sind noch viele andere vor Ihnen dran. Ich kann Sie nicht einfach bevorzugen.“
Das war der Moment, wo sie Geld gebraucht hätte. So machten die reichen Leute aus Neinsagern Jasager. Verflixt, immer dieses Geld, Geld, Geld.
Sie trat die Flucht nach vorne an. „Hören Sie, wie ich schon sagte, ich gehöre zur Show. Ich bin einer der Hollywoodstars – Audrey Hepburn. Ohne mich können sie nicht anfangen.“ Der Mann sah sie ausdruckslos an, offenbar glaubte er ihr kein Wort. Sie zog eine Grimasse. „Ich weiß, man sieht es mir im Moment nicht an. Ich habe den Termin beim Stylisten verpasst. Wissen Sie, die Toilette in meinem …“
Er riss ihr den Schlüssel aus der Hand. „Schon gut, ich kümmere mich um Ihren Wagen“, sagte er widerwillig.
Offenbar war die Erwähnung einer Toilette genauso effektiv wie Geld. Gut, eine Sorge weniger. Trotzdem sah es ganz danach aus, als wenn dieser Abend ein echter Reinfall werden sollte.
Sie ließ sich von dem Pagen den Parkschein geben, drehte sich um und … stieß gegen eine eine sehr harte, männliche Brust. Hände – starke, große Hände – hielten sie fest und bescherten ihr postwendend einen heißen Schauer.
Caron blickte auf und sah in die braunen Augen eines gut aussehenden Mannes – eines Mannes mit grau meliertem Haar, sexy wie George Clooney. Dieses männliche Kinn, diese festen Lippen. Oh nein, nicht auf seine Lippen schauen. Zurück zu den Augen. Der Mann betrachtete ihr Schmetterlings-T-Shirt und hob eine Braue. Sie schluckte. Vor ihr stand ihr Traummann, aber sie musste ausgerechnet jetzt eine rosa Jogginghose und ein albernes T-Shirt anhaben.
Das war so typisch.
Sie hat blaue Augen, das war Baxters erster Gedanke, als er das herzförmige Gesicht der Frau betrachtete, die versehentlich in seinen Armen gelandet war. Ein wundervolles Blau, zu Türkis hin tendierend. Ihm gefiel das außergewöhnliche Blau. Er war schon lange nicht mehr auf der Pirsch gewesen, und heute Abend hatte er es auch nicht vorgehabt. Aber diese Frau – sie weckte Verlangen in ihm, heiße Begierde. Er war sofort auf sie aufmerksam geworden, schon allein wegen der rosa Jogginghose.
„Ich bitte um Entschuldigung“, sagte die Frau. Ihre Stimme war genauso süß wie ihr zartes Kinn und die kleine Nase. „Ich habe es wahnsinnig eilig. Die Visagistin wird mich umbringen. Ich … tut mir leid.“
„Mir nicht“, erwiderte er und ließ nur zögernd ihre schmalen Schultern los. Nein, ihm tat es ganz und gar nicht leid. Ja, er hatte sich ihr sogar absichtlich in den Weg gestellt. „Ich bin Baxter Remington. Und Sie sind …?“
Caron schluckte.
Was für einen schlanken Hals sie hatte. Einen Hals zum Küssen. „Baxter Remington“, wiederholte sie. „Wie in Remington-Kaffee? Die Coffeeshops, die man überall in den USA kennt?“
Und Kanada, fügte er in Gedanken hinzu, sprach es aber nicht aus. Er fand es immer noch erstaunlich, dass aus dem Traum seines Vaters tatsächlich ein international erfolgreiches Geschäft geworden war. „Sie kennen unsere Cafés?“
„Natürlich“, erwiderte sie. „Sie sind doch allgegenwärtig.“ Sie zog die Nase kraus. „Für mich allerdings ein bisschen zu teuer.“ Ihre Augen weiteten sich, als ob ihr erst im Nachhinein bewusst geworden war, was sie gesagt hatte. „Aber sie sind ihr Geld wert“, fügte sie rasch hinzu. „Ich kann es mir nur nicht leisten … ich meine …“ Was redete sie bloß für ein dummes Zeug? „Also, ich bin spät dran. Tut mir leid.“ Sie wandte sich ab, um weiterzugehen.
„Warten Sie!“, rief er spontan.
„Sir?“ Ein Page bot ihm seine Dienste für seinen Porsche an.
Baxter hob ungeduldig die Hand und schaute der Frau nach, die sich überrascht zu ihm umdrehte. Sie schien nicht damit gerechnet zu haben, dass er sich mit ihr unterhalten wollte. Im Gegensatz zu den meisten Frauen, die er kannte. War es das, was ihn so an ihr bezauberte? Dass sie so natürlich war und offensichtlich keine Hintergedanken hatte? Sie war ganz anders als die Frauen, die er sonst bevorzugte – blond, blauäugig, vollbusig – und die er genauso schnell wieder vergaß, wie er sie eroberte. Die hier war brünett und trug kein Make-up. Sie war einfach nur ganz Frau. Hübsch, natürlich, ohne Schnickschnack.
„Wo kann ich Sie später finden?“
Sie zögerte. Schließlich lächelte sie. „Halten Sie Ausschau nach Audrey Hepburn.“ Damit drehte sie sich um und eilte davon.
Baxter blickte ihr nach. Er stand in Flammen. Dabei wäre er um ein Haar gar nicht zu diesem Event gekommen. Zurzeit gab es wirklich Wichtigeres für ihn. Seine Firma stand im Zentrum eines Skandals. Sein Stellvertreter hatte angeblich illegale Geschäfte getätigt. Er konnte nur hoffen, dass das nicht stimmte. Eigentlich hatte er gar keine Zeit, irgendwelche Veranstaltungen zu besuchen. Zum Glück war er doch zu dieser Benefizparty gegangen. Sonst hätte er diese kleine Miss Audrey Hepburn nicht kennengelernt.
Als Caron den Backstagebereich erreichte, war sie immer noch ganz aufgeregt von ihrer Begegnung mit Baxter Remington. Überall um sie herum saßen Frauen vor Spiegeln und ließen sich von Stylisten und Maskenbildnern den letzten Schliff verpassen. Es herrschte eine nervöse, angespannte Atmosphäre, die ansteckend war. Plötzlich freute Caron sich darauf, für diesen Abend in die Rolle Audrey Hepburns zu schlüpfen.
Während sie nach Betsy, der Chefstylistin, suchte, spielte ein gewisser Baxter Remington die männliche Hauptrolle in ihren Gedanken, sie selbst die Rolle der kultivierten Hollywoodschönheit. Caron musste fast über sich selbst lachen. Sie war diesem Mann in Jogginghosen begegnet, und ohne Make-up. Und Männer wie Baxter Remington gaben sich nicht mit Frauen wie ihr ab. Nicht dass sie etwas von ihm wollte. Oder dass er etwas von ihr wollte. Sie zog eine Grimasse. Na schön, vielleicht fände sie es nicht schlecht. Wenn schon eine Fantasie ausleben, warum dann nicht mit einem Mann, der so sexy war wie Baxter? Diese amüsante, sinnliche Träumerei dauerte etwa zwei Sekunden, dann musste Caron in die raue Wirklichkeit zurückkehren, denn sie hatte Betsy gefunden.
„Hier bin ich“, sagte sie und lächelte nervös. „Gerade noch rechtzeitig, nicht wahr?“
„Sie sind gut. Wir haben schon einen Ersatz für Sie“, verkündete Betsy, eine füllige Rothaarige, resolut, während sie die Perücke einer Frau, die allem Anschein nach Elizabeth Taylor darstellen sollte, mit Haarklammern befestigte.
„Einen Ersatz für mich?“, wiederholte Caron bestürzt.
„Was haben Sie denn erwartet, Schätzchen?“ Betsy stemmte eine Hand in ihre runde Hüfte. „Sie sind Stunden zu spät. Nicht etwa eine Stunde, sondern Stunden.“ Sie fuhr sich mit der Hand durch die wilde Lockenmähne. „Ich musste eine der Kosmetikerinnen in Audrey verwandeln, und das war weiß Gott eine Herausforderung.“ Sie zog eine Grimasse. „Suzie passt überhaupt nicht in dieses Kleid. Ich musste das Unmögliche schaffen. Das Unmögliche, sage ich Ihnen.“
„Ich fand dieses Kleid wundervoll“, flüsterte Caron.
„Aber Sie waren nicht da.“
„Ich weiß“, sagte Caron verlegen. „Ich habe eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Ich hatte ein Sanitärproblem.“
„Auch ich steckte bis zum Hals in der Sch…“, erwiderte Betsy abfällig. „Diese Veranstaltung wird im Fernsehen übertragen, und mein Job ist es, normale Frauen in Hollywoodstars zu verwandeln, bevor gedreht wird.“ Sie machte eine weit ausholende Handbewegung. „Sehe ich etwa aus, als hätte ich Zeit, Nachrichten abzuhören? Ich muss diese Show auf die Bühne bringen.“
„Und ein Problem lösen“, sagte eine männliche Stimme.
Caron, Betsy und Elizabeth Taylor drehten sich gleichzeitig um. Da stand Reginald, Betsys Assistent, und hatte eine blonde Perücke in der Hand.
„Was machst du da mit Marilyns Haar?“, fragte Betsy verblüfft.
Reginald war ein hoch aufgeschossener, androgyner junger Mann, dessen Äußeres gepflegter war als das vieler Frauen. „Marilyn trägt nicht gerne hochhackige Schuhe.“ Er verzog verächtlich die Lippen. „Sie hat keine Übung, ist vorhin prompt die Treppe hinuntergefallen und hat sich den Knöchel gebrochen.“
„Wie bitte?“ Betsy blinzelte ungläubig.
„Wir haben den Star des Abends verloren!“ Reginald schien langsam die Fassung zu verlieren.
Betsy drehte sich zu Caron um und starrte sie an. „Sie sind Marilyn!“
Caron riss die Augen auf. „Sind Sie verrück? Ich sehe Marilyn kein bisschen ähnlich.“
„Sie wird in dem Kleid verschwinden“, protestierte Reginald.
„Machen Sie doch Suzie zu Marilyn“, schlug Caron vor. „Und geben Sie mir Audreys Kleid.“
„Hört zu.“ Betsys Ton duldete keinen Widerspruch. „Ich habe Suzie praktisch in dieses Kleid hineingenäht. Sie bleibt da jetzt drin. Sie sind unsere Marilyn, Schätzchen. Sie sind mir etwas schuldig, dafür dass Sie so spät gekommen sind.“ Sie gab Reginald einen Wink. „Hol das Kleid und lass mich das Unmögliche möglich machen.“
Caron blickte auf ihre Cup-B-Brüste. „Ich bin nicht dafür ausgestattet.“
„Wird Zeit, dass Sie lernen, was ein Push-up-BH ist. Sie werden nie wieder ohne aus dem Haus gehen.“
Reginald kehrte mit einem eng geschnittenen weißen Kleid zurück. Caron schluckte. „Sie meinen das wirklich ernst.“
„Sie müssen das machen. Ich brauche Sie“, sagte Betsy trocken.
Oh nein, dachte Caron. Sie hatte Tage gebraucht, um sich darauf einzulassen, als kultivierte, zurückhaltende Audrey Hepburn auf diesen Laufsteg zu treten. Jetzt sollte sie innerhalb weniger Sekunden entscheiden, ob sie sich auf eine völlig andere Rolle einlassen könnte – Marilyn Monroe, die Unvergleichliche. Und so sexy. Sollte sie es wagen? Caron holte tief Luft und dachte an den Kredit ihrer Großmutter. Und daran, wie sehr sie sich nach Abwechslung und Abenteuer sehnte.
Also gut.