2,99 €
Vier finstere Kurzkrimis für Frühling, Sommer, Herbst und Winter
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 58
»Komisch, seitdem wir dieses Problem wälzen, geht mir ständig der Song ›Fifty Ways To Leave Your Lover …‹ im Kopf herum - das kennst du doch auch, oder? Und ich frage mich, wieso du Hans trotz dieser doch durchaus differenzierten Anleitung immer noch nicht losgeworden bist.«
»Wegschicken können hätt ich ihn schon längst. Aber ich will, dass ER geht. Nicht umgekehrt.« Marie seufzte aus tiefster Seele. »Sonst könnte ich ihn ja einfach rausschmeißen. Wär eine meiner leichtesten Übungen.«
Franziska Hausmann hob verständnislos die Augenbrauen. »Und warum machst du das nicht einfach?«
»Wegen der Leut‹.«
»Wegen was?!«, Franziska, Maries älteste Freundin, riss die Augen auf. »Das verstehe ich nicht. Ich denk, du hast deine große Liebe gefunden und willst Tag und Nacht mit deinem Traumprinzen zusammen sein. Da sollte es dir doch wirklich wurscht sein, was der Rest der Welt darüber denkt.« Überspitzt wiederholte sie Maries Aussage: »Der Hans soll von selber gehen, wegen der Leut! Das ist doch spießig!«
»Na und? Dann ist es eben spießig. Hauptsache, es gibt kein Gerede wegen Benno - verstehst?«
»Gerede – hör mal, da stehst du doch drüber!«
Marie schwieg.
Franziska Hausmann sah ihre beste Freundin nachdenklich an: »Noch alles klar bei euch?«
»Ja, sowieso.« Marie strahlte und sah auf einmal zwanzig Jahre jünger aus. »Benno ist der Beste, der mir jemals über den Weg gelaufen ist. Und du kriegst den Hut dafür.«
»Den Hut? Wieso das denn?«
»Weil du uns verkuppelt hast!«
»Hab ich nicht!«, widersprach Franziska, der es noch immer rätselhaft war, wieso sich der taffe und eloquente Oberstaatsanwalt aus Passau ausgerechnet in ihre doch etwas altbackene Freundin aus dem tiefsten bayerischen Wald verliebt hatte. Es konnte nur an den Traktoren gelegen haben.
Die beiden hatten sich auf der Silvesterparty im Hause Hausmann kennengelernt und den ganzen Abend über nichts anderes als Mähdrescher, Ballenpresser und eben Traktoren gefachsimpelt. Tatsächlich genoss Benno Holdenrieder einen gewissen Ruf wegen seines raumgreifenden Steckenpferds: Er war leidenschaftlicher Sammler von Landmaschinen der Marke Fendt. Die ganze Geschichte mit Marie hätte sich wunderbar entwickeln können, hätte sie nicht vor vier Jahren zunächst ein Bratkartoffel- und dann ein richtiges Verhältnis mit ihrem landwirtschaftlichen Gehilfen angefangen.
Noch aber saß Hans Leitner breitärschig im Glück. Er hatte sich eingenistet im Hof, weshalb Franziska und ihr Mann Christian ihn nur »Gans im Glück« oder »das Ganterchen« nannten. Noch spielte er den Chef von allem und kam logischerweise gar nicht auf die Idee, die Dinge ändern zu wollen.
»Was sagt Benno denn dazu?«
Marie biss sich auf die Lippen und hob die Schultern. »Er versteht das Problem. Ich kann Hans nicht von heute auf morgen ins Austragshäuserl stecken und zum landwirschaftlichen Mitarbeiter degradieren und mir den Herrn Doktor und Staatsanwalt als Liebhaber ins Haus holen. Dann bin ich hier in Eckersöd unten durch. Dann kann ich auch gleich noch meinen Bioladen und das Stubencafé schließen. Die paar Städter, die hier am Wochenende mal ein paar Eier oder ein Stück Kuchen holen, also von denen kann ich nicht leben. Das ist das eine. Das andere ist: Ich kann den Hof nicht alleine bewirtschaften und Benno hat nur am Wochenende Zeit.«
»Und dann liegt er unter seinen Traktoren«, murmelte Franziska und nickte.
»Nicht nur.« Marie wurde rot.
»Da bin ich aber froh!« Franziska verriet ihrer Freundin nicht, dass schon einige Beziehungen des Staatsanwaltes unter die Traktorräder geraten waren, da der im Alltag so weltgewandte Herr Doktor lieber schweigend unter seinen Zugmaschinen lag als flüsternd neben einer Frau.
»Ich muss den Hans loswerden«, sagte Marie erneut und hängte sich eine Schürze um. »Du bleibst doch zum Essen, oder?«
Franziska blickte suchend um sich. »Und Hans?«
»Der sitzt in seinem Zimmer neben einem Tragerl Bier und sieht fern«, sagte Marie abfällig. »Der zeigt sich heut nicht mehr. Ist auch gut so.«
»Dann ist das also auch von seiner Seite gar nicht mehr so eng zwischen euch?«
»Nie gewesen. Wir haben nicht mal ein gemeinsames Schlafzimmer, nie gehabt«, erklärte Marie. Franziska dachte, dass sie das so genau gar nicht hatte wissen wollen.
Sie hob den Kopf. »Und sonntags? Der Kirchgang?«
»Da gehen wir natürlich Arm in Arm ins Hochamt. Wie es sich gehört. Er im dunklen Anzug und ich mit Hut und Mantel.«
»Kein Dirndl?«, stichelte Franziska.
»Ja, spinnst du, wir sind doch nicht in Oberbayern!«
»Weiß ich doch.« Franziska nickte. »Nach außen ist alles perfekt.«
»Ein Traumpaar«, Marie verdrehte die Augen und zog eine Schale mit Wirsingrouladen aus dem Kühlschrank. »Dein Lieblingsgericht. Immer noch?«
Der Kommissarin lief das Wasser im Mund zusammen.
»Weißt du, ich dachte, du als Expertin könntest mir ein paar elegante Tipps geben«, nahm Marie den Faden wieder auf.
»Am besten wäre es, er würde sich neu verlieben«, murmelte Franziska und fragte betont beiläufig: »Sollen wir uns einen Kartoffelbrei dazu machen?«
»Ist schon in Arbeit - ach Gott, den Hans, den will doch keiner mehr, wir sind doch alle schon alte Schätzchen«, seufzte Marie und fügte hinzu: »Die meisten wollen wissen, wie man einen Mann an sich bindet. Ich brauch nur einen klitzekleinen Tipp, wie ich ihn wieder loswerde. So schwer kann das doch nicht sein.«
Gut gelaunt begann Franziska, das Lied von Paul Simon zu summen. »Fifty ways to leave your lover ...«
»Jaja, ist schon gut. Hast du denn gar keine Vorschläge aus der Praxis?«
»Ich bin Kriminalkommissarin. Ich tret erst auf den Plan, wenn eine Beziehung mit Mord oder Totschlag endet. Aber du willst dich ja wohl wegen der »Gans-im-Glück« nicht todunglücklich machen.«
»Nee, wirklich nicht. Ich will Benno und mich in den siebten Himmel katapultieren.« Sie strahlte über beide Ohren.
»Okay, dann musst du dafür sorgen, dass das Ganterchen das Weite sucht.«
»Aber wie?«
Franziska dachte nach und schlug dann vor: »Mach ihm das Leben zur Hölle.«
Tatsächlich war ihr dieser Hans Leitner vom ersten Moment an suspekt gewesen. Franziska hatte verbotenerweise ihre dienstlichen Quellen angezapft, um mehr über den Mann zu erfahren, der sich bei ihrer besten Freundin als Arbeitskraft angedient und innerhalb kürzester Zeit zum Herrn des Hauses hochgearbeitet, nein hochgeschlafen, hatte.
Er war schon auf mehreren Höfen gewesen. Ein zweibeiniger Wanderpokal (»was zum Anfassen«) mit überdurchschnittlicher Dreistigkeit und der durchschnittlichen Verweildauer von vier bis fünf Jahren.
Seine Opfer suchte er sich auf dem Heiratsmarkt der Website Landwirt.com, reiste dann aber unter anderem Namen als handfester und zupackender Mann auf den Höfen an. Dort stellte er sich als diplomierter Landwirt vor, der zufällig dieses wunderschöne Anwesen entdeckt hatte und gerade einen neuen Wirkungskreis suchte. So war er auch in Maries Leben getreten, deren Hof mit ihm erblühte und deren Hofladen »Bioschmankerl« zu einem echten Schmankerl geworden waren.
»Na ja, er hat ja auch einiges hier verändert«, gab Marie zu bedenken. »Aber dafür hab ich ihm ja auch ein gutes Gehalt gezahlt. Umsonst macht der nämlich nix. Dazu freie Kost und Logis … der konnte alles, was er hier verdiente, zur Seite legen.«
»Weißt du eigentlich, wo er wohnt?«
»Du meinst, wenn er nicht bei mir lebt?«
»Genau.«
Marie schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. War plötzlich da und es wäre einfach zu schön, wenn er ebenso plötzlich wieder verschwände.«
»Und wo kam er her?«
»Aus einer gescheiterten Beziehung«, antwortete Marie nach einer Weile. »Er wollte sich nie wieder auf eine Frau einlassen. Das hat mich erst recht gereizt.«
Die Kommissarin nickte. »Kann ich verstehen. Die süßesten Früchte sind eben doch immer noch die aus Nachbars Garten.«
»Du mit deinen alten Songs ... gib mir lieber einen guten Tipp.«