Unsere Frau in Havanna - Katharina Gerwens - E-Book

Unsere Frau in Havanna E-Book

Katharina Gerwens

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Unsere Frau in Havanna - eine Novelle über Wunsch und Wunscherfüllung

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Seitenzahl: 45

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Unsere Frau in Havanna

TiteleiStoryDie Autorinsection0002Impressum

Titelei

Katharina Gerwens

Unsere Frau in Havanna

Kurzgeschichte

Story

Heute war die Ärztin da. Ich solle mir keine Sorgen machen, meinte sie. »Alles wird gut.« Trotz Havanna – oder gerade wegen? Nun frage ich mich, ob Manuel das auch gehört hat. Und ich frage mich auch, ob er will, dass es gut werden wird. Andererseits: Die ganze Sache lag von Anfang an in seinen Händen. Er musste gewusst haben, auf was er sich da einließ und manchmal denke ich, dass er es insgeheim sogar inszeniert haben könnte. Es wäre ihm zutrauen. So einer wie er fordert das Schicksal gerne heraus.

Mit dem Eigentlichen rückte er immer zu spät heraus. Das kannte ich schon von ihm. Aber diesmal war er doch ein wenig zu weit gegangen und hatte den Bogen um einiges überspannt. Noch zwei, drei Monate – und dann würde er schon sehen, wie weit. Mittlerweile habe ich die Arbeit des gerechten Ausgleichs an die Zeit abgegeben, die ja angeblich alle Wunden heilt – manchmal jedoch auch neue schlägt. In unserem Fall gewiss. Denn die Zeit arbeitet zuverlässig und übergeht niemanden. Andererseits: Er hat damit angefangen und trägt somit auch einen Teil der Schuld. Wenn ich das jetzt so sage, klingt es fast ein wenig kindlich. Dabei bin ich schon lange nicht mehr das kleine und gute Mädchen, das er so gerne in mir sehen wollte.

Mein Mann Manuel hatte mich für die Monate Dezember und Januar nach Kuba eingeladen, um in diesen acht Wochen gleich drei Jubiläen zu feiern: Unser Zwanzigjähriges, seine gerade erfolgte Pensionierung und den Blick auf eine die sich daraus ergebende – und von einem immerwährenden Zusammensein gekrönte – oder vielleicht doch eher überschattete – gemeinsame Zukunft. Noch wusste ich nicht genau, was ich davon halten sollte. Es war ein etwas zu großzügiges Geschenk für ihn, der es als Stadtkämmerer unserer Gemeinde gelernt hatte, auf jeden einzelnen Pfennig, dann Cent zu achten. Es hätte mich stutzig machen sollen. Wie so vieles andere auch. Grundlos großzügig, das passt nun mal nicht zu ihm. Er musste was im Schilde führen.

Zu gern wäre ich im Hotel Nacional de Cuba abgestiegen, denn ich bin verrückt nach Orten mit Geschichte. Manuel scherzt über diesen Spleen meinerseits und meint, das könne nur daran liegen, weil ich selbst so wenig an Geschichte zu bieten habe. Wenigstens das hat sich nach Havanna geändert. Er wird sich noch wundern.

Und was spricht dagegen, an einem Ort abzusteigen, wo auch schon Josephine Baker während ihrer legendären Gastspiele im ‚Tropicana‘ gelebt, wo sich Ava Gardner und Nat King Cole am Swimmingpool geaalt – wenn auch nicht gleichzeitig – und wo Buster Keaton, Frank Sinatra und Marlon Brando sich im besseren zweiten Stock eingemietet hatten, da es dort die Balkone gab, während Ernest Hemingway die Barkeeper mit beständigen Daiquiri-Bestellungen auf Trab hielt. In der Tat, alles durchaus Persönlichkeiten, denen ich zu gerne begegnet wäre. Leider war deren Zeit schon abgelaufen. Meine dagegen würde noch kommen!

Ein Abstieg in diesem Hotel wäre für mich ein innerer Aufstieg gewesen, nicht nur wegen der klimatisierten Anlage insgesamt, sondern auch wegen des Pools und des herrlichen Blicks auf die Uferpromenade, den Malecón, wo erst in der Dämmerung das eigentliche Leben zu beginnen schien. Einen langen Abend lang hätten wir von unserem Dachgartenrestaurant aus beobachten können, wie die fahrenden Händler ihre zweirädrigen Karren in von unnützem Zeug überquellende Verkaufstische verwandelten. Oder wie sich Musikanten spontan zu einer Gruppe zusammenrotteten und mehr oder weniger harmonisch spielten, immer aber sehr laut. Und vor allem hätte ich die vielen Liebespaare wahrgenommen und insgeheim gehofft, deren Herzklopfen könne ansteckend wirken und auch zwischen mir und Manuel wieder ein paar Funken sprühen lassen.

»Unter der Asche meiner Liebe ist noch Glut – sei auf der Hut«, sang ich an diesem Abend im Bad und erinnerte damit an einen Schlager, den meine Mutter so geliebt hatte. Aber er hörte es nicht. Mein Mann Manuel hört immer nur das, was er hören will.

Entgegen meines ausdrücklichen Wunsches hatte er uns stattdessen im Hotel Florida eingecheckt, inmitten in der Altstadt mit ihren engen und schmalen Gassen voller Lärm, Kindergeschrei und schlafender Hunde. Er behauptete, es sei mitten im Leben. Ich widersprach.

»Wir befinden uns mitten im Chaos.«

Dabei ahnte ich da noch gar nicht, dass wir bereits ebenso fatal wie unaufhaltsam direkt in unsere beiden Schicksale hineinstolperten. Manuel jedoch hätte es wissen müssen.

Mein Mann ist fünfundzwanzig Jahre älter als ich, und das erlaubt es mir, mich immer als sein kleines Mädchen fühlen und auch aufführen zu dürfen. Ich genieße diese Rolle und schäme mich nicht. Man kann durchaus das Beste daraus machen.

Jetzt bin ich vierzig, und er ist fünfundsechzig. Genau betrachtet ist er mir ständig ein Vierteljahrhundert voller Geheimnisse voraus, und bis zum Ende aller Zeiten werde ich das junge Ding bleiben, das von seinen Erfahrungen und seiner beachtlichen Pension profitiert, das sich aber auch seinen Bedingungen unterwirft.

Meine Freundinnen beneideten mich um genau diesen Deal – schließlich ist auch Beziehung ein Geschäft - aber hier auf Cuba sollte genau dies so sorgsam eingefädelte Geschäft plötzlich nicht mehr funktionieren. Und ich habe es viel zu spät gemerkt. Und doch ich bereue nichts.

Ich brauchte ein paar Tage, bis mir klar wurde, dass mein so stolz und aufrecht schreitender Ehemann genau hier in Havanna Vieja irgendetwas zu suchen schien. Sein Blick galt allen Frauen seines Alters. Sie spürten sein Interesse und drehten sich kokett und mit blitzenden Augen nach ihm um, umtänzelten ihn anerkennend und zwinkerten ihm zu. Ich schämte mich für ihn und uns. »Benimm dich, so schaut man keine Frauen an«, belehrte ich ihn und warnte: »Du machst uns lächerlich.«

»Ich weiß, was ich tu!«, gab er knapp zurück, drückte sein Kreuz noch gerader und vervollständigte sein ohnehin schon beachtliches Repertoire an bewundernden und wohlwollenden Blicken.

Ich stolperte hinter ihm her und fragte mich, was er an diesen Frauen finden mochte.